Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Leserbrief an die "Psychologie heute"

Odin, Friday, 27.12.2002, 19:30 (vor 7806 Tagen)

Folgenden Leserbrief habe ich heute an die "Psychologie heute" per Email gesandt. Es handelte sich um einen Artikel über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Den Artikel abzutippen spar ich mir: zu viel Arbeit und was drinsteht könnt ihr euch ohnehin denken.

Zum Artikel "Unangenehm berührt"

Je öfter ich Artikel wie den obigen und ähnliche andere lese, umso mehr stelle ich mir die Frage, ob Frauen, wie sie hier beschrieben werden, überhaupt im Arbeitsleben an der richtigen Stelle sind. Scheint es doch so zu sein, daß es sich dabei um kleine Prinzessinnen handelt, die erwarten, daß sich alles nach ihnen zu richten hat. So zumindest scheint es der Artikel aussagen zu wollen. Und anscheinend scheint es sich hier nur um ein Frauenproblem zu handeln. Betroffene Männer werden nur am Rande als verschwindende Minderheit erwähnt. Ein Schlüsselsatz scheint mir gewesen zu sein: "Da Frauen viel häufiger als Männer belästigt werden, sind sie auch stärker sensibilisiert". Ein Schelm, wer hier den Umkehrschluß zieht, obwohl er sich gleich im Nachsatz andeutet: "Frauen deuten mehr Verhaltensweisen als sexuell belästigend als Männer." Liegt nun tatsächlich also das Problem bei den Männern? (leider kann ich das klassische Mann=Täter, Frau=Opfer nicht verlassen, da es sich durch den ganzen Artikel aufzwingt).
Der Eintritt in das Arbeitsleben ist für jeden jungen Menschen (ich arbeite in einer Jugendeinrichtung) entscheidend. Hier erkennt jeder junge Mensch, ob er in der "Realität" bestehen kann. Kaum einer erwartet, daß sich die Realität nach ihm richtet - außer es handelt sich um eine Frau!? Leider vermeiden die Autorinnen des Artikels zu benennen, was "normal" ist und man einfach hinzunehmen oder mit dem man einfach umgehen zu lernen hat und wogegen eine Abwehr - und auch sehr deutliche Abwehr - sinnvoll ist. Ich glaube kaum, daß - ob Frau oder Mann - jemand mit Selbstmordgedanken nach Hause fährt, nur weil er/sie einen schlüpfrigen Witz am Bürotisch gehört hat - und kenne nur ich dergleichen Frauen, die mit einer gelungenen Pointe die Lacher auf ihre Seite ziehen konnten und die Situation war geklärt? Situationen wie diese gibt es zu tausenden in der "bösen Alltagswelt" - das hat mit Sexualität zunächst noch gar nichts zu tun. Ich glaube auch nicht, daß derlei "böse" Männer, wie der Artikel sie schildert, ansonsten tolle Menschen sind. Gewöhnlich handelt es sich um Büroschweine, mit denen jeder umzugehen hat, der eine mehr, der andere weniger. Eine deutliche Reaktion - auch Beschwerde beim Abteilungsleiter - ist hier oft auch angebracht und hat nichts mit der Thematik Frau/Mann oder sexueller Belästigung an sich zu tun.
Ein Hinweis auf ein Selbstsicherheitstraining (was hat das eigentlich mit körperlicher Selbstverteidigung zu tun? Wird hier "hau einfach zu" gepredigt?) mag hier wirklich angebracht sein, um zu lernen, sich im Betrieb behaupten zu können - das gilt für Frauen UND für Männer. Leider habe ich aber auch an Dutzenden von Beispielen erfahren müssen, daß Frauen diese Auseinandersetzung einfach nicht eingehen wollen. Ich weiß nicht wie oft ich schon Frauen getroffen haben, die sich ganz schnell in eine Mutterrolle geflüchtet haben, als sie merkten, sie kommen am Arbeitsplatz nicht zurecht. Männer und Jungen haben diese Möglichkeit nicht. Von ihnen wird auch eher erwartet, daß sie sich durchbeissen - und schnell wird klar, daß dies gar nicht so schwer ist. Meist jubelt nämlich das ganze Büro, wenn der betreffende Kotzbrocken mal ein anständiges Kontra bekommt.
Um noch einmal darauf zurückzukommen: Was ist normal und was nicht? Leider vermeidet der Artikel die Antwort und so steht man alleine mit der Frage da: Wenn mann sich nicht mehr bewegen darf am Arbeitsplatz, aus Angst, irgendjemanden sexuell zu belästigen, wie kommt es dann, daß der Arbeitsplatz der Heiratsmarkt Nummer Eins ist?
Offensichtlich unterscheidet sich dann doch die "normale" Frau von denen, die der Artikel nahelegt ganz ungeheuer - und das tröstet mich dann wieder ein wenig!


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