Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Das alte Lied: Wie mache ich die Männer schlecht?

Oberkellner, Sunday, 26.01.2003, 21:38 (vor 7762 Tagen)

aus der Rheinischen Post vom 25.1.

Ausgekochte Drückeberger

In Werbespots schwingen Männer munter die Kochlöffel, im wahren Leben machen die Herren der Schöpfung meist einen großen Bogen um den heimischen Herd. Der familiäre Menüplan ist immer noch Frauensache.


Von SABINE WERZ

DÜSSELDORF. In der heilen Welt der Werbung tauchen sie inzwischen epidemisch auf: Beschürzte Männer am heimischen Herd. Im frauenlastigen Maggi-Kochstudio schwingen sie zwar nur den Probierlöffel, aber in der Knorr-Familie erhitzen sie bereits Tütensuppe und für Erasco öffnen Kerle sogar Eintopfdosen ohne Mama - pardon, ihre Ehefrau - nach dem Öffner zu fragen. Fast schon überfortschrittlich schickt Gefriermulti Iglo das schwule Kochduo "Max und Holger" ins Rennen, das unfallfrei Tiefkühlkost aufwärmt: "Tatütata, das Essen ist fertig."

Biolek - bei Frauen sehr beliebt - grüßt von Ferne, und das weibliche Geschlecht schöpft kulinarisch Hoffnung: Ist es denkbar, dass Männer die Küche nicht mehr als artfremdes Sperrgebiet und reines Frauenzimmer betrachten? Es wäre die größte Revolution seit der Erfindung des Brühwürfels!

Uraltes Rollenbild

Wissenschaftlich gesehen, müssen Frauen solche Wunschträume jedoch dämpfen. Selbst neueste Umfragen und Studien - wie die eines Küchenrollen-Herstellers aus dem Jahr 2002 - zeichnen das uralte Rollenbild: Kochen ist in deutschen Familien zu mehr als 80 Prozent Frauensache, egal ob Mami nebenher oder hauptberuflich arbeitet.

60 Prozent aller Familienmütter gaben an, täglich über ein Menü nachzugrübeln, das die verschiedenen Geschmäcker ihrer Lieben treffen muss - ein kniffliger Job! Und in jeder zweiten Frau kocht Ärger hoch, wenn sie abends allein in der Küche steht. Zwar gaben bei der Umfrage 47 Prozent der Männer an, gelegentlich zu kochen. Allerdings nur, wenn sie darum gebeten werden. Was nicht allzu oft der Fall sein dürfte, denn eine Umfrage der Zeitschrift "Der Feinschmecker" ergab, dass nur jeder zehnte Mann ein Spiegelei braten kann und vier von fünf Kochnovizen an Bratkartoffeln scheitern.

Mit anderen Worten, vielen Männern brennt daheim sogar das Teewasser an. Ist das starke Geschlecht ein Trupp hoffnungslos unbegabter Topfmuffel? Wirft man einen Blick in die Sterne-Küchen der Spitzengastronomie, verkehrt sich das Bild vollständig. Mit einer überwältigenden Mehrheit von über 90 Prozent führen dort männliche Küchenmeister das Regiment. Männer können also kochen. Gastro-Papst Wolfram Siebeck resümiert gar: "Männer kochen, wenn sie denn kochen, verbissener, riskanter und präziser als Frauen." Nur warum so selten zuhause? Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Amateure am heimischen Herd ausgekochte Drückeberger sind, die sich ungern an unbezahlter Hausarbeit die Finger verbrennen - außer wenn sie zweimal im Jahr vor Gästen glänzen wollen. Alles andere überlassen die lieber denen, die sich mit kostenloser Liebesmüh auskennen: ihren Frauen.

Erst wenn kulinarischer Ruhm, Reichtum und Sterne locken, schwingen Männer virtuos die Pfanne und bleiben dabei am liebsten unter sich. Lediglich eine deutsche Profiköchin, Gisela Kreus vom "St. Benedict" in Aachen, heimst hierzulande regelmäßig einen Michelin-Stern ein. Sie hat ihn hart erarbeitet. Mit Schaudern erinnert sich die 52-Jährige an ihre Lehrmonate im Elsaß und an das hitzige Macho-Klima in der französischen Küche: "Da flogen die Pfannen und Messer. Wenn du als Frau von lauter Haudegen am Herd umgeben bist, kannst du schon leicht den Mut verlieren und das Handtuch werfen. Zumal Kochen auch harte Arbeit ist." Kreus hielt durch. Doch im Heimatland der Gastro-Götter Frankreich gelten kochende Frauen in exquisiten Gourmettempeln noch immer als völlig deplaziert. Ein uraltes Muster.

Schon die Ethnologin und Kulturwissenschaftlerin Margarete Mead erkannte bei Feldforschungen unter so genannten Naturvölkern: "Wenn Männer kochen, wird das als wichtige Tätigkeit angesehen, wenn Frauen kochen, handelt es sich um Hausarbeit. Entsprechend werden Tätigkeiten, die ursprünglich von Frauen ausgeübt wurden, mit wachsender gesellschaftlicher Bedeutung eher von Männern übernommen." Zum Beweis sei ein kurzer Blick über den Topfrand erlaubt. In den Anfängen des Computerzeitalters wurden EDV-Programme meist von Sekretärinnen entwickelt, da Datenverarbeitung als niedere Tippsen-Tätigkeit galt. Heute sind Programmierer in der Mehrzahl männlich und die Masterminds des Internets.

Zurück an den Herd. Steht der in einer Restaurantküche, dann lockt er nicht nur männliche Köche, sondern auch männliche Profi-Testesser, und die trauen ihren Geschlechtsgenossen mit notorischer Regelmäßigkeit mehr zu als kochenden Frauen. Der Hamburger Testesser Robert W. Krebs glaubt, dass weiblichen Köchen jene Prise Ehrgeiz fehlt, die den Meister macht. "Ihnen fehlt die Beständigkeit, die man für diesen harten Existenzkampf braucht."

Oder die Zeit, glaubt Sterneköchin Gisela Kreus: "Wenn Köchinnen sich für eine Familie und Kinder entscheiden, bedeutet das, wie bei den meisten berufstätigen Frauen, dass sie - und nicht ihre Männer - zunächst zuhause bleiben. Die Arbeitszeiten im Gastrogewerbe sind zudem extrem familienfeindlich und verhindern einen leichten Wiedereinstieg in den Job. Ich hatte Glück, dass mein Mann und ich von Anfang an im eigenen Restaurant gekocht haben. So konnte ich Arbeit und Familie verbinden."

Männerdomäne Grillen

Leidgeprüften Privat-Köchinnen sei zuletzt ein Rezept verraten, das männliche Kochmuffel in die Küche locken könnte: Entfernen sie den Elektro-Herd, zerschlagen sie die Ceranfelder und richten sie eine Feuerstelle samt Rost und Drehspieß ein. Die Studie eines Gewürz- und Soßen-Produzenten hat ergeben, dass 80 Prozent aller Männer das Grillen über offener Flamme als ihre angestammte Aufgabe betrachten und mit Vergnügen erledigen. Wenn nötig auch unter freiem Himmel bei minus zehn Grad. Die Steinzeit lässt grüßen.

http://www.rheinische-post.de


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