Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Frauenpolitische Sprecherin der PDS: Geschlechterfrage "ein Demokratieproblem"

Arne Hoffmann, Wednesday, 18.12.2002, 09:34 (vor 7816 Tagen)

In der "junge welt" von heute, online unter http://www.jungewelt.de/2002/12-18/002.php:

--- Ein Demokratieproblem

Jetzt vernetzen! Heute: junge Welt und Frauen/Feminismus (3)

Christina Schenk,
Ex-PDS-Bundestagsabgeordnete:

Die Linke hält sich die Fähigkeit zu respektloser Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse zugute, übersieht dabei jedoch allzu gern die Dominanz- und Unterordnungsverhältnisse zwischen Männern und Frauen. Geschlechterverhältnisse kommen lediglich als Nebenprodukt des Kapitalismus und als Frauenfrage daher. So werden Geschlechterverhältnisse und ihre Veränderung auf ein soziales Hilfeprojekt reduziert. Die Beteiligung der Männer an ihnen bleibt, wie praktisch, unangetastet.

Wer eine Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse will, darf Männer nicht länger verschonen oder ihnen mit moralisierenden Appellen kommen. Die Benachteiligung von Frauen ist schließlich nicht nur Ergebnis einer männlichen Verschwörung, sondern vor allem Resultat harter gesellschaftspolitischer Fakten. Frauenfragen sind immer zugleich Männerfragen. So muß es beispielsweise in der Familienpolitik darum gehen, die traditionelle häusliche Arbeitsteilung aufzuknacken. Die »Verhaltensstarre der Männer bei gleichzeitiger verbaler Aufgeschlossenheit« (U. Beck) ist dabei das Hauptproblem. Hinzu kommt, daß weder die Gruppe der Männer noch die der Frauen frei von Hierarchien ist. Die daraus entstehenden Macht- und Gewaltstrukturen ist der herkömmliche Feminismus außerstande zu sehen. Frauen sind nicht mehr nur Opfer, Männer nicht nur Täter. Ein neuer Ansatz ist also nötig. Die Linke muß endlich lernen, die Geschlechterverhältnisse als Demokratieproblem zu begreifen. Hierfür sollte die jW ein Diskussionsforum bieten.

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Arne

Re: Frauenpolitische Sprecherin der PDS: Geschlechterfrage "ein Demokratieproblem"

Maesi, Friday, 27.12.2002, 21:35 (vor 7807 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Frauenpolitische Sprecherin der PDS: Geschlechterfrage "ein Demokratieproblem" von Arne Hoffmann am 18. Dezember 2002 07:34:26:

Hallo zusammen

Christina Schenk,
Ex-PDS-Bundestagsabgeordnete:
Die Linke hält sich die Fähigkeit zu respektloser Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse zugute, übersieht dabei jedoch allzu gern die Dominanz- und Unterordnungsverhältnisse zwischen Männern und Frauen.

Zumindest in feministischen Kreisen wird kaum etwas anderes diskutiert als genau diese 'Dominanz- und Unterordnungsverhaeltnisse zwischen Maennern und Frauen', nach deren Ideologie mussten sich angeblich immer Frauen den Maennern unterordnen. Unterschiede zwischen maennlichen und weiblichen Rollen werden genau so auf eine obskure patriarchale Hierarchie (und oftmals nur auf diese) zurueckgefuehrt, wie die Gruende, die zu Vergewaltigungen von Frauen fuehren; auch Pornographie wird normalerweise als Ausdruck patriarchaler Unterdrueckungsphantasien angesehen. Ich frage mich, wieviel Bezug Frau Schenk zum real existierenden (und v.a. in linken Kreisen grassierenden) Feminismus hat, wenn sie trotz alldem zu obiger Aussage kommen kann.

Geschlechterverhältnisse kommen lediglich als Nebenprodukt des Kapitalismus und als Frauenfrage daher.

Zuerst einmal muesste sie genauer definieren, was sie unter Geschlechterverhaeltnissen versteht. Wertneutral betrachtet, handelt es sich dabei wohl um die Gesamtheit der Beziehungen zwischen Angehoerigen der beiden Geschlechter; darunter fallen heterosexuelle Partnerschaften genauso wie geschlechtsorientierte politische Forderungen. IMHO ist das wieder mal so ein windiger Begriff, der alles irgendwie umfasst, aber nichts konkretes aussagt.
So gesehen, ist die obige Behauptung schlichtweg falchs. Der Kapitalismus ist gut 200 Jahre alt; die Frauenfrage in der Politik existiert seit vielleicht 150 Jahren. Die Geschlechterverhaeltnisse gibt es jedoch schon seit es Menschen gibt.

So werden Geschlechterverhältnisse und ihre Veränderung auf ein soziales Hilfeprojekt reduziert. Die Beteiligung der Männer an ihnen bleibt, wie praktisch, unangetastet.

Eine gewisse Selbstkritik muss ich als Mann nun anbringen: Maenner haben in den letzten 30 Jahren tatsaechlich kaum etwas auf politischem Gebiet im Rahmen der Gleichstellung unternommen. Andererseits war die feministische Politik (und Polemik) immer mit einer gewissen Maennerfeindlichkeit gewuerzt. Die Schuld an den als unhaltbar empfundenen Zustaenden wurde ziemlich einseitig Maennern aufgebuerdet; selbst wenn die Kritik auch Frauen galt, wurden diese nur allzuschnell wieder damit entschuldigt, dass sie schliesslich durch das patriarchale System derart deformiert worden waeren, dass sie gar nicht mehr die eigenen Interessen wahrnehmen koennten. Insgesamt gesehen wurde mit diesen einseitigen Schuldzuweisungen aber auch durch die fehlende Abgrenzung von gemaessigten Feministinnen gegenueber maennerfeindlichen Radikalfeministinnen eine allenfalls vorhandene Kommunikationsbereitschaft von Maennern im Keim erstickt. Zu Wort meldeten sich letztendlich fast nur noch Maenner, die eigentlich dieselben feministischen Ideale vertraten wie die Feministinnen, nur sie wurden geduldet; kritische Maenner wurden (und werden) ziemlich schnell und pauschal als Frauenfeinde abgebuegelt. Auch Frauen (insbesondere Feministinnen) haben hier ein erhebliches Kommunikationsproblem.

Wer eine Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse will, darf Männer nicht länger verschonen oder ihnen mit moralisierenden Appellen kommen.

Da hat sie recht. Allerdings muessen feministische Vertreterinnen damit rechnen, dass ihnen dann ebenfalls unangenehme Wahrheiten vorgehalten werden. Darauf duerfen sie dann nicht mehr bloss mit dem Vorwurf 'Frauenfeindlichkeit' an die Adresse der Maenner reagieren. Und verschont wurden Maenner gerade von der feministischen Stimmungsmache nie; da Frau Schenk jedoch weder ein Mann ist, noch ueber das notwendige Einfuehlungsvermoegen verfuegt, um sich in die Lage von Maennern zu versetzen, hat sie das feministische Trommelfeuer in Richtung der Maenner verstaendlicherweise nicht bemerkt. Sie ist da aber beileibe nicht einzige.

Die Benachteiligung von Frauen ist schließlich nicht nur Ergebnis einer männlichen Verschwörung, sondern vor allem Resultat harter gesellschaftspolitischer Fakten.

Es gibt keine maennliche Verschwoerung. Weshalb konstruiert diese Frau solche absurden Verschwoerungstheorien? Ausserdem wuerde mich endlich mal interessieren, wo Frauen denn heute noch in westlichen Staaten benachteiligt sind. Und wie sieht es mit der gleichzeitigen realen Benachteiligung von Maennern aus (Wehrpflicht, Rentenalter)?
Die 'harten gesellschaftspolitischen Fakten', die Frau Schenk heranzieht, sind Ergebnis einer historischen Entwicklung. Die Geschichte koennen wir nicht mehr veraendern, die Zukunft schon. Wohin die Entwicklung (d.h. die Veraenderung der 'gesellschaftspolitischen Fakten', die es uebrigens immer schon gegeben hat) fuehrt, muessen tatsaechlich auch Maenner (und zwar genau in dieser Eigenschaft) staerker beeinflussen. Allerdings nicht zu den Bedingungen, die Feministinnen gerne den Maennern vorschreiben wollen. Maenner muessen sich darauf besinnen, was sie eigentlich wollen, entsprechende Forderungen formulieren und dann mit den Frauen mit ihren Forderungen Kompromisse aushandeln. Dabei gibt es kein endgueltiges Ziel, sondern die Kompromisse muessen immer wieder neu ausgehandelt werden. Solche Kompromisse zwischen diversen Interessengruppen wurden in der Geschichte immer wieder neu geschlossen; es handelt sich dabei um nichts wirklich Neues. Neu ist wahrscheinlich nur, dass Maenner und Frauen als jeweils spezifische Interessengruppen auftreten werden. In der Praxis werden die Kompromisse wohl zwischen feministischen und maskulistischen Gruppen geschlossen.

Frauenfragen sind immer zugleich Männerfragen.

Ja, das ist richtig. Das Umgekehrte gilt natuerlich ebenso (Maennerfragen sind zugleich Frauenfragen). Leider wurde ersteres von Feministinnen nur dahingehend ausgelegt, dass Maenner sich im Sinne des Feminismus zu aendern haetten, und letzteres wurde fast vollstaendig ignoriert. Maenner muessen zur Kenntnis nehmen, dass sie das allzu lange mit sich ohne jegliche Gegenreaktion haben machen lassen. Vielleicht hat gerade das die Feministinnen verletzt, naemlich dass Maenner sie nicht ernst genommen haben (noch nicht einmal als politische Gegnerinnen); die fehlende Reaktion muessen Maenner denn auch eindeutig auf ihre Kappe nehmen. Andererseits mussten Feministinnen, bedingt durch die weitgehend ausgebliebene Kritik einer Maennerbewegung, nie ihre eigenen Positionen kritisch ueberdenken; sie haben nie gelernt, politisch mit Andersdenkenden zu verhandeln und Kompromisse zu schliessen. Die Gegner, auf die sie stiessen, waren selten ideologischer sondern meist buerokratischer und institutioneller Art. Deshalb nehmen wir heute auch diese weit verbreitete strukturelle Intoleranz im (beileibe nicht nur radikalen) Feminismus wahr, der sich bei ideologischer Kritik am Feminismus auf Diffamierungen wie 'Frauenfeinde', 'Taeterschuetzer', 'mangelnde Sozialkompetenz bei Maennern', etc. zurueckzieht, sich einer sachlichen Diskussion jedoch (noch) kaum stellt.

So muß es beispielsweise in der Familienpolitik darum gehen, die traditionelle häusliche Arbeitsteilung aufzuknacken.

Weshalb muss diese traditionelle haeusliche Arbeitsteilung aufgeknackt werden? IMHO ist es eben Sache der einzelnen Paare, dies selbst zu regeln. Staatlicher Interventionismus und die damit einhergehende Bevormundung der Buerger ist eindeutig das falcshe Mittel. Wenn Paare eine traditionelle Arbeitsteilung bevorzugen, dann sollen sie damit selig werden; wenn sie eine andere Arbeitsteilung bevorzugen, dann sollen sie auch das tun koennen.

Die »Verhaltensstarre der Männer bei gleichzeitiger verbaler Aufgeschlossenheit« (U. Beck) ist dabei das Hauptproblem.

Wieder so eine pauschale Schuldzuweisung, die nicht belegt werden kann. IMHO liegt es eben nicht nur an den Maennern sondern auch an den Frauen. Gerade bei Trennungen und Scheidungen zeigt sich, wo die weiblichen Interessen dann wirklich liegen. Es sind dann meist Frauen, die die Kinder mitnehmen bzw. bei sich behalten, und sich so wiederum an die traditionelle Rolle der Mutter anlehnen. Dass die Vaeter die Kinder nicht betreuen koennten, ist dabei lediglich eine Schutzbehauptung, um die eigene Identitaet als Mutter, die vielen (den meisten?) Frauen offenbar sehr wichtig ist, nicht in Frage zu stellen. Ausserdem geben sie damit vor, nicht im eigenen Interesse zu handeln sondern ausschliesslich im Interesse der Kinder; so koennen sie die Schuldgefuehle, die sie gegenueber den Vaetern durch die Wegnahme der Kinder empfinden, besser unterdruecken. Es scheint v.a. Muettern sehr schwer zu fallen, den eigenen emotionalen Gewinn, der sie bei der Mitnahme der Kinder eben auch antreibt, zuzugeben (noch nicht einmal vor sich selber).

Hinzu kommt, daß weder die Gruppe der Männer noch die der Frauen frei von Hierarchien ist.

Es gibt keine Gesellschaft ohne Hierarchien. Der obige Satz ist eine Binsenweisheit und somit IMHO nichts anderes als Geschwafel.

Die daraus entstehenden Macht- und Gewaltstrukturen ist der herkömmliche Feminismus außerstande zu sehen.

Auch hier wieder eine eklatante Wahrnehmungsstoerung von Frau Schenk. Der herkoemmliche Feminismus spricht von nahezu nichts anderem als von patriarchalen Macht- und Gewaltstrukturen.

Frauen sind nicht mehr nur Opfer, Männer nicht nur Täter. Ein neuer Ansatz ist also nötig.

Da hat sie jetzt allerdings recht. Aber eben gerade weil der herkoemmliche Feminismus nur immer von patriarchalen Macht- und Gewaltstrukturen ausgegangen ist, konnten diese scharfen Zuteilungen der Opfer- und Taeterrollen an die Frauen bzw. Maenner erst konstruiert werden. Logik ist wahrlich keine Staerke von Frau Schenk.

Die Linke muß endlich lernen, die Geschlechterverhältnisse als Demokratieproblem zu begreifen. Hierfür sollte die jW ein Diskussionsforum bieten.

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist ein Menschenrechtsproblem. Mit Demokratie hat das direkt nichts zu tun. Demokratie heisst uebersetzt 'Herrschaft des Volkes'; ueber die Menschenrechtslage in einem demokratischen Gebilde ist damit aber noch gar nichts ausgesagt, denn auch in einer Demokratie kann Geschlechterdiskriminierung durch den Willen des Volks implementiert werden (siehe Wehrpflicht). In der Praxis gibt es keine einzige Demokratie, in der nicht auch Menschenrechtsverletzungen vorkommen. Es ist sogar moeglich, dass in einem demokratischen Gebilde schlimmere Menschenrechtsverletzungen vorkommen als in einer Diktatur. Gerade diese willkuerliche Vermengung bzw. das beliebige Austauschen von nicht deckungsgleichen Begriffen fuehrt zu Verwirrung.

Gruss

Maesi

Re: Frauenpolitische Sprecherin der PDS: Geschlechterfrage "ein Demokratieproblem"

Nock, Saturday, 28.12.2002, 18:25 (vor 7806 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Frauenpolitische Sprecherin der PDS: Geschlechterfrage "ein Demokratieproblem" von Arne Hoffmann am 18. Dezember 2002 07:34:26:

In der "junge welt" von heute, online unter http://www.jungewelt.de/2002/12-18/002.php:
--- Ein Demokratieproblem
Jetzt vernetzen! Heute: junge Welt und Frauen/Feminismus (3)
Christina Schenk,
Ex-PDS-Bundestagsabgeordnete:
Die Linke hält sich die Fähigkeit zu respektloser Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse zugute, übersieht dabei jedoch allzu gern die Dominanz- und Unterordnungsverhältnisse zwischen Männern und Frauen. Geschlechterverhältnisse kommen lediglich als Nebenprodukt des Kapitalismus und als Frauenfrage daher. So werden Geschlechterverhältnisse und ihre Veränderung auf ein soziales Hilfeprojekt reduziert. Die Beteiligung der Männer an ihnen bleibt, wie praktisch, unangetastet.
Wer eine Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse will, darf Männer nicht länger verschonen oder ihnen mit moralisierenden Appellen kommen. Die Benachteiligung von Frauen ist schließlich nicht nur Ergebnis einer

>Frauen sind also benachteiligt. Da hat die bewegte Frau
>ja ganze Arbeit geleistet.
>Dann werden wir alle halt, wie gehabt, für die Erweiterung der
>Privilegien der Frau, uns allen auch unter dem Begriff
>"Gleichberechtigung" geläufig, kämpfen!

männlichen Verschwörung, sondern vor allem Resultat harter gesellschaftspolitischer Fakten. Frauenfragen sind immer zugleich Männerfragen. So muß es beispielsweise in der Familienpolitik darum gehen, die traditionelle häusliche Arbeitsteilung aufzuknacken. Die »Verhaltensstarre der Männer bei gleichzeitiger verbaler

>Da werden wir Männer unserer zugewiesenen Bestimmung gerecht,
>wir kämpfen für andere und nehmen uns zurück. Die "Anderen",
>das "göttliche Geschlecht" nutzt das voll aus (man, sind wird Blöd).

Aufgeschlossenheit« (U. Beck) ist dabei das Hauptproblem. Hinzu kommt, daß weder die Gruppe der Männer noch die der Frauen frei von Hierarchien ist. Die daraus entstehenden Macht- und Gewaltstrukturen ist der herkömmliche Feminismus außerstande zu sehen. Frauen sind nicht mehr nur Opfer, Männer nicht nur Täter. Ein neuer Ansatz ist also nötig. Die Linke muß endlich

>Ein neuer Ansatz genau. Nur wo soll der herkommen?
>Männer verfallen in ihre oben Zitierte Verhaltensstarre und
>von den Frauen können wir auch nichts erwarten, es gibt
>halt nichts für sie zu gewinnen.

lernen, die Geschlechterverhältnisse als Demokratieproblem zu begreifen. Hierfür sollte die jW ein Diskussionsforum bieten.

Guten Rutsch
Nock

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