Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Arbeitsthesen der Männerberatung Berlin zum Thema "Sexueller Missbrauch" (lang)

Arne Hoffmann, Thursday, 30.01.2003, 11:55 (vor 7773 Tagen)

--- Arbeitsthesen der Männerberatung Berlin zum Thema "Sexueller Missbrauch"

Rückmeldungen, Kritik und Ergänzungen an info@maennerrat.de sind ausdrücklich erwünscht.

Kaum ein Begriff ist emotional so hoch besetzt wie der des "sexuellen Missbrauchs" (von Kindern). Dies geht bis hin zu kollektiven Hysterien, zur Ahndung von vermeintlichen oder realen Missbrauch, bei denen es vermutlich mehr um kollektive Strafbedürfnisse und Suche nach Sündenböcken geht, als um das Kind. Der Hysterie, das hat schon Freud gezeigt, liegt ein Konversionsproblem zugrunde, d.h. eigene unbewältigte starke Erlebnisse werden in körperliche Symptome umgewandelt. Wahrscheinlich werden auch eigene verdrängte und unbewußte pädophile Wünsche und Sehnsüchte vieler Frauen und Männer in Form von Projektionen auf "den Täter" als Sündenbock verschoben.

Gleichwohl ist vieles, was man gemeinhin unter "sexuellen Missbrauch" definiert, geeignet, bei Kindern Traumatisierungen, neurotische oder psychotische Symptome zu erzeugen. Bei wohl keinem anderen so bekannten Begriff ist jedoch so viel Verwirrung, Unkenntnis, Mythenbildung und Wahrnehmungsverzerrung im Spiel wie beim Thema des "sexuellen Missbrauchs". Das fängt schon mit dem Begriff selber an. Wenn es einen sexuellen Missbrauch von Kindern gibt, dann muss es wohl auch einen sexuellen Gebrauch von Kindern geben, der offenbar für Kinder unschädlich ist, dies lässt zumindest der Begriff des "Missbrauchs" nahe liegen. So ähnlich wie beim Alkoholmissbrauch, dem der "vernünftige" Alkoholgebrauch, sprich Alkoholkonsum, gegenüber steht. Der Begriff des sexuellen Missbrauchs ist trotz seiner breiten Verankerung im öffentlichen Bewusstsein, ungeeignet eine angemessene Beschreibung dessen zu liefern, was man eigentlich meint.

Sinnvoll erscheint uns daher für den Begriff des "sexuellen Missbrauchs" einen anderen geeigneteren Oberbegriff und verschiedene Unterbegriffe zu definieren, die nicht in jedem Fall scharf voneinander zu trennen sind. Denkbar wäre der Begriff der "sexuellen Benutzung". Das Wort Benutzung drückt aus, dass es um die Bedürfnisse des Benutzers oder der Benutzerin geht, nicht aber um die Bedürfnisse des Benutzten.

Frauen und Männer benutzen nicht nur in sexueller Hinsicht Kinder. Kinder werden von Eltern als Seelentröster benutzt, als Abladeplatz für Aggressionen und Demütigungen, als Statussymbol und Aufwertungsobjekt für die Eltern (z.B. beim Karaoke), als Objekt übersteigerter eigener Leistungsansprüche von Eltern, ErzieherInnen und LehrerInnen (Lerndruck).

Gegenüber vielen Formen der Benutzung von Kindern durch Erwachsene ist unsere Gesellschaft relativ blind und gleichgültig oder fördert sie sogar, z.B. Leistungsdruck in Schulen, noch früheres Einschulalter.

Spielen aber bei der Benutzung von Kindern sexuelle Motive von Erwachsenen eine Rolle, hört die Toleranz oder tatkräftige Unterstützung der Gesellschaft jedoch schlagartig auf. Dass das so ist, hängt vermutlich mit dem tief im individuellen und kollektiven Unterbewussten verankerten Thema der Sexualität zusammen. Durch die sexualfeindliche Erziehung der vergangenen Jahrhunderte (siehe bei Wilhelm Reich), die auch in unserer heutigen Zeit noch starke Verwurzelungen hat, kommt es zwangsläufig zur Verdrängung sexueller Impulse. Diese sind im Unterbewussten latent wirksam. Neurose und Projektion sind u.a. die Folgen (siehe Fritz Perls, S. 207). Sexuelle Paraphilien ("Perversionen") können entstehen. Jagd auf Sündenböcke (Kinderschänder) läßt den eigenen inneren Druck erträglich erscheinen.

Wir schlagen im Folgenden eine Unterteilung des Begriffes "sexuelle Benutzung" in drei Untergruppen vor.

Formen "sexueller Benutzung"
- sexualisierte Übergriffe
- sexualisierte Gewalt
- sexuelle Ausbeutung

Sexualisierte Übergriffe sind sexualisierte Erwachsenen-Kind-Beziehung, die wohl am häufigsten anzutreffende Form, sexuell gefärbter Erwachsenen-Kind Kontakte. Hierbei wird in der Regel "Einvernehmen" zwischen den Erwachsenen und dem von ihm häufig abhängigen Kind hergestellt. Der/die sogenannte "Pädophile" fällt in der Regel unter diese Kategorie. Auch die meisten Fälle sexualisierter Mutter-Kind und Vater-Kind Kontakte dürften sexualisierte Übergriffe darstellen. Das Fehlen von Gewalt ist nicht gleichbedeutend mit der Unschädlichkeit sexualisierter Übergriffe für Jungen und Mädchen.

Zur sexualisierten Gewalt gehören Formen von Interaktionen zwischen Erwachsenen und Kindern, bei denen eine erwachsene Person, mit Sexualität gekoppelte physische oder psychische Gewalt gegen Kinder ausübt. Hierzu zählen auch meist die in den Medien ausführlich dargestellten Fälle "sexuellen Missbrauchs". Diese Fälle sind im Vergleich zu den Fällen sexualisierter Übergriffe relativ selten. Umgekehrt proportional dazu ist jedoch ihr Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung von "Sexuellen Missbrauch".

Zur sexuellen Ausbeutung zählen wir Kinderprostitution und Kinderpornografie. Sexuelle Ausbeutung stellt wohl immer auch ein sexualisierter Übergriff oder in Einzelfällen auch sexualisierte Gewalt dar.

Sexualisierte Übergriffe sind in vielen Fällen sexualisierte Beziehungen zwischen Mutter und Sohn, Vater und Tochter, da sich hier aufgrund der engen familiären Bindung leichter als bei anderen Erwachsenen-Kind Konstellationen sexuell gefärbte Übergriffe entwickeln können. Nach unserer Auffassung sind Fälle sexualisierter Mutter-Sohn Beziehungen wesentlich häufiger anzutreffen als die sexualisierter Vater-Tochter Beziehungen. Dies hat seinen Grund in der zumeist wesentlich engeren Nähe der Mutter zum Sohn, als der des Vaters zur Tochter. Bei alleinerziehenden Mütter ist die Gefahr sexualisierter Übergriffe auf den Sohn höher als bei Müttern, die mit einem Partner zusammen leben. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Viele alleinerziehende Mütter fühlen sich emotional/sexuell "unterversorgt". Gleichzeitig findet keine innerfamiliäre Kontrolle durch einen Partner (den Vater) wie in intakten Partnerschaften statt, da dieser entweder gar keinen oder nur sehr selten mit dem Sohn Kontakt hat. Natürlich ist deswegen nicht jede alleinerziehende Mutter oder jeder alleinerziehender Vater gegenüber dem Kind sexuell übergriffig.

Die meisten Menschen denken beim Thema "sexueller Missbrauch" reflexhaft an einen männlichen Täter, nicht aber an eine weibliche Täterin. Dass das so ist, liegt unter anderen an der geschlechterstereotypen Wahrnehmung von Situationen als "sexuellen Missbrauch" (Hinz, 2001), an der Verklärung des traditionellen Mutterbildes (Heilige, Madonna) und an den weit größeren Zugriffsmöglichkeiten von Frauen auf Jungen, als von Männern auf Mädchen (Familie, Krippe, Kindergarten, Schule). Ein Grund dürfte auch darin zu finden sein, dass bei Männern eine Erektion in der Regel deutlich zu bemerken ist, während die Erektion der Brustwarzen der Frau und das Anschwellen ihrer Schamlippen nicht so offensichtlich sind.

Der Gesetzgeber bewertet sexuelle Übergriffe gegen Jungen und Mädchen durch weibliche und männliche TäterInnen unterschiedlich. So bestimmt das Strafgesetzbuch:

§ 176 Sexueller Mißbrauch von Kindern.
(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(...)

§ 176 a Schwerer sexueller Mißbrauch von Kinder
(1) Der sexuelle Mißbrauch von Kindern wird in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn 1. eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen läßt, die mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind, ...

Im Klartext: Eine Frau über 18 Jahre, die den Penis eines noch nicht 14-jährigen Jungen mit ihrem Mund stimuliert, wird nach §176 mit Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bestraft, ein Mann über 18 Jahre, der mit einem Finger in die Vagina eines noch nicht 14-jährigen Mädchens eindringt, nach §176a mit mindestens einen Jahr Freiheitsstrafe bestraft.

Exhibitonistische Handlungen sind im Strafgesetzbuch § 183 ausdrücklich nur für Männer als Straftat beschrieben.

(Passage gekürzt, A.H.)

Warum können sexuelle Übergriffe Traumatisierungen verursachen? Sexueller Übergriffe sind nicht deshalb problematisch weil z.B. die Berührung des Penis des Sohnes durch die Mutter an sich schon ein Trauma wäre, sondern im wesentlichen deshalb, weil durch die sexuell gefärbte Beziehung von Mutter und Sohn die Generationengrenze negiert wird und der Sohn zum "gleichberechtigten" Partner der Mutter gemacht wird. Gleichzeitig bewegt sich der Sohn im kulturellen Rahmen seines Landes und weiß mehr oder weniger stark und bewußt um das gesellschaftliche Verbot sexualisierter Mutter-Sohn-Kontakte. Der Sohn muss aus der Übertretung der gesellschaftlichen Normen Schuldgefühle entwickeln. Gleichzeitig macht der Sohn sich gegenüber dem realen oder imaginierten Vater schuldig, denn er setzt sich an seine Stelle. Dadurch sind massive Schuldgefühle beim Sohn vorprogrammiert. Dies stellt, wenn die sexualisierte Beziehung länger andauert, eine enorme Überforderung des Sohnes da, auf die er mittel- und langfristig mit massiven Störungen reagieren muss.

Wie bei allen Vorgängen im Leben sind die Übergänge von "gesunder" auch körperlichen Nähe zu "ungesunder" sexualisierter übergriffiger Nähe zwischen Erwachsenen und Kindern fließend. Im Einzelfall wird es schwer fallen zu sagen, wo ein sexueller Übergriff anfängt. Eine Mutter, die ihren einjährigen Sohn auf den Po küsst, wird in der Regel nicht als übergriffig zu bezeichnen sein, eine Mutter, die ihrem vierzehnjährigen Sohn auf den Po küsst, dagegen wohl schon.

Viele Fälle sexualisierter Übergriffe von Müttern gegenüber ihren Söhnen, werden nicht bekannt, weil bei Verhaltensauffälligkeiten von Jungen in der Regel niemand (z.B. Kindergärtnerinnen, LehrerInnen, SozialarbeiterInnen), auf den Gedanken kommt, dass dies eine Folge von sexuellen Übergriffen sein kann. Wo nicht fachlich angemessen diagnostiziert wird, kann auch nicht fachlich angemessen interveniert werden.

Eine Sonderform sexualisierter Übergriffe ist der Inzest, bei der es zum "Beischlaf" zwischen Mutter und Sohn, bzw. Vater und Tochter kommt. Ob sexuelle Kontakte zwischen Mutter und Tochter oder Vater und Sohn auch zum Inzest gerechnet werden, ist uns nicht bekannt. Hier ist ja eine Zeugung nicht möglich.

Wer mit offenen Augen durch das Leben geht, kann in der Öffentlichkeit Fälle problematischer sexualisierter Beziehungen zwischen Müttern und Söhnen beobachten. Zwischen Vätern und Töchtern ist dies normalerweise in der Öffentlichkeit nicht zu beobachten, dass hängt damit zusammen, dass eine solche Interaktion, im Gegensatz zu der von Müttern mit ihren Söhnen, von unbeteiligten außenstehenden Personen auch wahrgenommen und rückgemeldet wird. Zum anderen dürften Väter ein relativ ausgeprägtes Gefühl dafür haben, das ihnen in der Öffentlichkeit nicht das selbe gestattet ist, wie Müttern. Wer im pädagogisch-sozialarbeiterischen Feld arbeitet, dem sind möglicherweise schon solche Phänomene aufgefallen wie die eines Jungen einer alleinerziehenden Mutter, der obwohl schon 14 Jahre alt von der Mutter immer noch am ganzen Körper gewaschen wird. Als Begründung muss dafür die "Unselbständigkeit" des Jungen herhalten, die wiederum von der Mutter beim Sohn immer wieder neu hergestellt wird.

Die sexuelle Attraktivität des Sohnes für die Mutter erlöscht üblicherweise mit Beginn der Pubertät und endet mit dem Eintritt ins Erwachsenensein. Der Sohn reift langsam zum Mann (bei manchen Söhnen verläuft allerdings auch dieser Reifeprozess verlangsamt oder scheint mitunter auch ganz aufzuhören).

Mit den sich einstellenden männlichen Attributen wie Bartwuchs, Samenerguss, Schambehaarung, geht der Mutter der bisher knabenhafte Körper des Sohnes langsam verloren. Da die Mutter Schwierigkeiten mit erwachsener Männlichkeit hat, gehen die sexualisierten Übergriffe langsam zurück. Es gibt allerdings auch Ausnahmen, wo sexualisierte Übergriffe auch noch nach Beendigung der Pubertät fortdauern.

Nachfolgend zwei kleine Fallskizzen.

"Neben mir in der anderen Bankreihe einer Berliner S-Bahn sitzt eine Mutter mit ihrem Sohn. Der Sohn sitzt ihr direkt gegenüber. Sein Gesicht und seine Haltung wirkt wie das eines zu klein geratenen Erwachsenen. Tatsächlich wird er vielleicht erst in die dritte Klasse gehen. Die Mutter legt ihre beiden Hände auf seine Oberschenkel, beugt sich zu ihm hinüber und starrt ihm dabei minutenlang eigenartig entrückt ins Gesicht. Der Sohn wirkt fixiert, er hat seine beiden Hände etwas oberhalb seines Genitals ineinander verschränkt. Sie nennt ihn "mein Dickerchen" und ich muss im nachhinein an die Hexe in Hänsel und Gretel denken, die sich von Hänsel den vermeintlichen Finger zeigen lässt, ob er er schon "dick" genug ist. Dann schaue ich die Mutter von der Seite unvermittelt an, diese bemerkt das anscheinend nicht, sie ist wohl noch bei ihrem "Dickerchen". Von den anderen Fahrgästen nimmt keiner Notiz." (2001)

"In einer öffentlichen Berliner Sauna hält sich eine Mutter mit ihrem ca. 10-jährigen Sohn auf. Neben dem Badebecken befinden sich Liegeflächen, gedacht für je eine Person. Die Mutter kuschelt nackt mit ihrem ebenfalls nackten Sohn, teil offen und teils verdeckt unter der Decke. Sie fährt ihm mit der Hand über den Kopf und über den Körper und legt ihre Hand auf seinem nackten Oberschenkel ab. Der Sohn scheint sich offenbar sehr wohl zu fühlen, Protest ist von ihm nicht zu hören. Zum Schluss sagt er zur Mutter "Komm, wir gehen". Von den Gästen in der gut besuchten Sauna, scheint kein anderer als der Beobachter der Szene das ganze mitzubekommen. Dies wäre im Fall, dass ein Vater mit seiner 10-jährigen Tochter in gleicher Weise beschäftigt wäre, völlig undenkbar, da sofort als "sexueller Missbrauch" klassifiziert."
(17.0.1.03)

Amendt, Gerhard: Wie Mütter ihre Söhne sehen. Bremen 1993 [Untersuchung zu mütterlichen Übergriffen auf Söhne]
Alexander Markus Homes: "Von der Mutter missbraucht" (ISBN-3-89704-270-3)

Jeder siebte Mann soll nach kursierenden Angaben mindestens einmal in seinem Leben Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden sein (vgl. pro familia magazin 4/2001, S. 34). Auch wenn man mit dieser Zahl vorsichtig sein sollte und wohl niemand so recht weiß, auf Grund welcher Erhebungen und welcher Art und Weise diese Zahl eigentlich zustande gekommen ist, bzw. nicht bekannt ist, welcher Begriffsdefinition sexueller Übergriffe zugrunde gelegt wurde, dürfte unzweifelhaft sein, dass es nicht wenige von sexuellen Übergriffen betroffene Männer gibt. Die erlebten Übergriffe können in der Herkunftsfamilie passiert sein. Die Übergriffe können durch weibliche oder männliche pädagogisch, pflegerische Kräfte erfolgt sein, im Kreis von Gleichaltrigen, z.B. auf Klassenfahrten, als Wehrpflichtiger bei der Armee oder bei Gefängnisaufenthalten. Es gibt auch Fälle, bei denen Männer von einer oder mehreren Frauen vergewaltigt wurden.

Viele der leichteren und kürzer dauernden sexuellen Übergriffe dürften in der Regel relativ leicht psychisch für den Jungen oder das Mädchen zu verarbeiten gewesen sein oder haben sich auf Grund einer Episodenhaftigkeit nicht im Langzeitgedächtnis verankert. Dauern die sexuellen Übergriffe dagegen länger an, ist immer mit psychischen Schädigungen beim Jungen oder beim Mädchen zu rechnen.

So sind z.B. verfestigte sexualisierte Wünsche eines Mannes nach einer Domina-Sklaven Beziehung, ein Zeichen einer Reinszenierung einer sexualsierten Mutter-Sohn-Beziehung.

(Naja. Der Wunsch nach Unterwerfungsspielchen hat doch im allgemeinen sehr unterschiedliche Ursachen. Behaupten kann man vieles, nachweisbar ist davon bislang wenig bis nichts. A.H.)

Ist es in Kindesalter zu sexualisierter Gewalt gekommen, kommt es häufig zum Phänomen der Abspaltung, bzw. Verdrängung. Diese Mechanismen verhindern, dass der Betreffende ständig mit der Bedrohung konfrontiert ist, gleichzeitig kommt es dadurch aber zu Persönlichkeitsstörungen (z.B. Psychose, Borderline-Syndrom, Schizophrenie, etc.) kommen, an denen der Betroffene leidet oder in seiner Kontaktfähigkeit erheblich eingeschränkt ist, was sich auf seine Beziehungen und seine Lebensqualität auswirkt. Umgekehrt weist natürlich nicht jede psychische Störung (Psychose, Neurose) auf erlebte sexuelle Gewalt hin.

Sexuelle Paraphilien (früher "Perversionen") bei Erwachsenen, z.B. Fetischismus, können eine Folge sexueller Übergriffe, sexueller Gewalt oder sexueller Ausbeutung sein.

In diesem Zusammenhang muss man darauf hinweisen, dass nicht jeder "diagnostizierte" oder angeblich "erlebte Missbrauch" tatsächlich stattgefunden hat. Zum einen deshalb, weil sich falsche Missbrauchsverdächtigungen gut dazu eigenen, missliebige Personen, insbesondere Männer zu stigmatisieren und zum anderen, weil es bestimmte psychische Mechanismen gibt, die geeignet sind, einen "stattgefundenen Missbrauch" suggestiv oder autosuggestiv zu erzeugen (vgl. dazu "Erinnerung und Pseudoerinnerung", in: "Der Nervenarzt" 2002, 445-451).

In der heutigen Zeit ist es in der Mittelstandschicht modern geworden, hinter persönlichen Leiden, Depressionen, Autoaggressionen, Sexualstörungen, Neurosen, Schizophrenien, etc., einen stattgefundenen "sexuellen Missbrauch" zu vermuten und in einer aufdeckenden Psychotherapie aufzuarbeiten. In vielen Fällen dürfte das fruchtlos bleiben, da die genannten Störungen in der Regel multifaktoriell entstanden gedacht werden müssen, bzw. erst aus der heutigen Lebenssituation des oder der Betreffenden zu verstehen und zu verändern sind.

Sogenannte "aufdeckende Psychotherapie" wird in der Regel ungeeignet sein, Opfern sexueller Gewalt Hilfe und Heilung zu kommen zu lassen, da sich eine Therapie, die sich vordergründig der "Aufdeckung" widmet, an der Heilung kein Interesse hat. Hinzu kommt die Gefahr der Fremd- und Eigensuggestion durch den Therapeuten oder den Klienten. Dabei kann man den Eindruck haben, dass es manchen selbsternannten Helfer/innen nicht um Unterstützung und Heilung für die Opfer sexueller Gewalt geht, sondern um Ausleben eigener Hass- und Rachegefühle, für die von sexueller Gewalt betroffene Menschen als Alibi herhalten müssen und damit zum zweiten mal missbraucht werden.

(Wer da nicht an ein bestimmtes Internetforum denkt ... A.H.)

Opfer sexueller Gewalt als "Überlebende" zu bezeichnen ist in den meisten Fällen eine unzulässige Gleichsetzung zwischen Missbrauchsopfern und den Opfern der nationalsozialistischen Massenvernichtung von Menschen.

Wirkliche Heilung liegt nicht in einer minuziösen Erinnerung an lange vergangene Ereignisse, deren Wahrheitsgehalt ohnehin nie mehr vollständig rekonstruierbar sind, wohl auch nicht in dem Versuch der strafrechtlichen Verfolgung des oder der vermeintlichen oder tatsächlichen Täter/in, sondern im Wiederbeleben und Erleben abgespaltener und verdrängter Gefühle und ihre Reintegration durch den Klienten und damit im Schließen der unerledigten Situation oder Gestalt wie die Gestalttherapeuten sagen. Perls schreibt dazu: "Unser Ansicht nach ist der Inhalt der erinnerten Szene ziemlich unwichtig, aber das kindliche Gefühl und die Einstellung, in denen diese Szene erlebt wurde, sind von höchster Bedeutung. Die kindlichen Gefühle sind von Bedeutung nicht als etwas vergangenes, dessen man sich entledigen müßte, sondern als einige der schönsten Kräfte im Leben des Erwachsenen, die wiederhergestellt werden müssen: Spontanität, Phantasie, Unmittelbarkeit im Gewahrsein und im Zugriff auf die Umwelt."
(Perls/Hefferline/Goodman "Gestalttherapie. Grundlagen", dtv Klett-Cotta 1979, S. 85). ---

Herzlicher Gruß

Arne

Re: Arbeitsthesen der Männerberatung Berlin zum Thema "Sexueller Missbrauch" (la

susu, Thursday, 30.01.2003, 14:53 (vor 7773 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Arbeitsthesen der Männerberatung Berlin zum Thema "Sexueller Missbrauch" (lang) von Arne Hoffmann am 30. Januar 2003 09:55:56:

Dazu fiel mir spontan etwas ein: Läßt sich die feministische Kritik am freudschen Elektrakomplex auch auf den Ödipuskomplex anwenden? Der Elektrakomplex wurde von Freud ja zur Verschleierung sexueller Benutzung (um hier der veränderten Diktion direkt zu folgen) von Mädchen eingeführt, weil er finanziell von den Vätern abhing. Kann der Ödipuskomplex ebenso gelesen werden, als Konstruktion zur Unsichtbarmachung sexueller Benutzung von Jungen? Ich bin ja kein Psychologe und habe Freud nie gelesen ("Wozu Freud lesen, wenn Butler ihn für uns gelesen hat" legt T.Meinecke seiner Protagonistin Vivian in den Mund), aber vieleicht gibt´s ja irgendwen, der die These zumindest für überdeneknswert hält.

susu

Re: Arbeitsthesen der Männerberatung Berlin zum Thema "Sexueller Missbrauch" (la

Arne Hoffmann, Thursday, 30.01.2003, 16:52 (vor 7773 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Arbeitsthesen der Männerberatung Berlin zum Thema "Sexueller Missbrauch" (la von susu am 30. Januar 2003 12:53:01:

Hi Susu,

schön, dich hier zu lesen. :-)

Dazu fiel mir spontan etwas ein: Läßt sich die feministische Kritik am freudschen Elektrakomplex auch auf den Ödipuskomplex anwenden? Der Elektrakomplex wurde von Freud ja zur Verschleierung sexueller Benutzung (um hier der veränderten Diktion direkt zu folgen) von Mädchen eingeführt, weil er finanziell von den Vätern abhing. Kann der Ödipuskomplex ebenso gelesen werden, als Konstruktion zur Unsichtbarmachung sexueller Benutzung von Jungen? Ich bin ja kein Psychologe und habe Freud nie gelesen ("Wozu Freud lesen, wenn Butler ihn für uns gelesen hat" legt T.Meinecke seiner Protagonistin Vivian in den Mund), aber vieleicht gibt´s ja irgendwen, der die These zumindest für überdenkenswert hält.

Wenn man sich dieser Theorie anschließt, wäre es in beiden Fällen allerdings ein männlich bestimmtes System (die Psychoanalyse zu Beginn des letzten Jahrunderts) gewesen, das diese Verschleierung von Missbrauch vorgenommen hat. Nur dann eben nicht im Dienste der Väter, sondern im Dienste des bürgerlichen Elternpaares (Vater und Mutter). Hm, ich fand die Theorie vom Ödipuskomplex schon immer etwas sehr spekulativ, wenn nicht albern, aber das ist mal ein wirklich interessanter Blickwinkel.

Herzlicher Gruß

Arne

Re: Arbeitsthesen der Männerberatung Berlin zum Thema "Sexueller Missbrauch" (la

susu, Thursday, 30.01.2003, 17:45 (vor 7773 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Arbeitsthesen der Männerberatung Berlin zum Thema "Sexueller Missbrauch" (la von Arne Hoffmann am 30. Januar 2003 14:52:51:

Hallo Arne.

Wenn man sich dieser Theorie anschließt, wäre es in beiden Fällen allerdings ein männlich bestimmtes System (die Psychoanalyse zu Beginn des letzten Jahrunderts) gewesen, das diese Verschleierung von Missbrauch vorgenommen hat. Nur dann eben nicht im Dienste der Väter, sondern im Dienste des bürgerlichen Elternpaares (Vater und Mutter). Hm, ich fand die Theorie vom Ödipuskomplex schon immer etwas sehr spekulativ, wenn nicht albern, aber das ist mal ein wirklich interessanter Blickwinkel.

Vieleicht konnte Freud sexuelle Benutzung von Jungen zu seiner Zeit gar nicht denken und muste deshalb jede Andeutung auf sexualisierte Beziehungen zwischen Jungen und ihren Müttern als unerfüllten Wunsch der Jungen auf eben solche deuten. Aber die Parallelität der Konstruktionen legt eine ähnliche Ursache für die Symptomatik zumindest nahe. Ein männlich bestimmtes System zieht ja nicht automatisch seine Angemessenheit für die Bedürfnisse aller Männer nach sich. Das ist, glaube ich, auch der Knackpunkt, wenn es um die Beziehung zwischen Männer- und Frauenbewegung geht.

susu

Re: Arbeitsthesen der Männerberatung Berlin zum Thema "Sexueller Missbrauch" (la

Arne Hoffmann, Thursday, 30.01.2003, 17:56 (vor 7773 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Arbeitsthesen der Männerberatung Berlin zum Thema "Sexueller Missbrauch" (la von susu am 30. Januar 2003 15:45:13:

Vieleicht konnte Freud sexuelle Benutzung von Jungen zu seiner Zeit gar nicht denken und muste deshalb jede Andeutung auf sexualisierte Beziehungen zwischen Jungen und ihren Müttern als unerfüllten Wunsch der Jungen auf eben solche deuten.

Dito bei Mädchen. Soweit ich mich erinnere, hatte Freud anfangs tatsächlich an die Schilderungen sexuellen Missbrauchs geglaubt und dann erst seine Komplextheorien entworfen, nachdem ihm ein paar Missbrauchsfälle mehr zu Ohren gekommen waren, als sein Weltbild fassen konnte. Vielleicht ist ihm auch ein Fall (oder mehrere) untergekommen, bei denen Missbrauch tatsächlich herbeiphantasiert wurde, und er hat das dann unzulässig ausgeweitet.

Aber die Parallelität der Konstruktionen legt eine ähnliche Ursache für die Symptomatik zumindest nahe. Ein männlich bestimmtes System zieht ja nicht automatisch seine Angemessenheit für die Bedürfnisse aller Männer nach sich. Das ist, glaube ich, auch der Knackpunkt, wenn es um die Beziehung zwischen Männer- und Frauenbewegung geht.

Zustimmung - insbesondere unter der Maßgabe, dass weder Männer- noch Frauenbewegung ein einheitlicher Block mit einheitlichen Zielen sind. Aber was erzähl ich dir, du hast mein Buch ja gelesen ... :-)

Arne

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