Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Die Grundannahme ist falsch

Rainer ⌂, Thursday, 30.09.2010, 18:40 (vor 4928 Tagen) @ Oliver

http://kommentare.zeit.de/commentsection/url/2007/23/Gleichberechtigung#comment-57800

Die Grundannahme ist falsch
Verfasst von DirkSchu am Fr, 01/06/2007 - 08:22.

Vielleicht sollten sich die berühmten Wissenschaftler zunächst die Mühe machen herauszufinden, ob Frauen für dieselbe Arbeit unter gleichen Bedingungen tatsächlich weniger Geld bekommen als Männer. Wie es in den USA und Italien ist, kann ich nicht sagen. Für Deutschland jedoch, behaupte ich, stimmt es einfach nicht.

Die Aussage, Frauen verdienen für dieselbe Arbeit (wahlweise) 22%, 23%, 26%, 30% weniger als Männer, kommt durch eine gezielte und politisch motivierte Fehlinterpretation von Statistiken zustande und ich bezeichne sie deshalb auch gern als Lüge. Dabei möchte ich gar nicht abstreiten, dass so etwas in einzelnen Fällen vorkommt. Allerdings gibt es auch Berufe in denen Frauen für exakt die gleiche Arbeit und bei gleicher Qualifikation mehr verdienen als Männer, wie sogar der traditionell Feminismus-freundliche "Spiegel" im Artikel "Die Legende von den armen Frauen" ( http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,379444,00.html ) beschrieb. Beides sind jedoch nicht die Massenerscheinungen, als die sie gern publiziert werden. Für alle, die es nicht glauben wollen, habe ich hier mal ein paar Fakten:
Jahrelang sprach man von 30% weniger Lohn für Frauen. Diese Zahl basierte auf Erhebungen des statistischen Bundesamtes. Dort wurden jedoch nicht gleiche Tätigkeiten unter gleichen Voraussetzungen innerhalb einer Firma verglichen sondern nur auf die Ausbildung (z.B. Hochschulabschluss) geachtet. Innerhalb der einzelnen Gruppen wurden die Gehälter aufsummiert und gemittelt: über alle Berufe, alle Branchen, alle Firmen, unabhängig von der Länge der Betriebszugehörigkeit, der tatsächlich ausgeführten Tätigkeit, den geleisteten Überstunden, der Berufserfahrung usw. Nun ist es jedoch bekannt, dass im Friseurhandwerk deutlich weniger verdient wird als beispielsweise in der Automobilindustrie. Wer dennoch diesen Beruf ergreift, kann - wenn er oder sie sich über das niedrigere Gehalt ärgert - hinterher sagen: "ICH habe (zumindest in finanzieller Hinsicht) einen Fehler gemacht.". Es ist jedoch falsch zu sagen: "Ich werde auf Grund meines Geschlechtes diskriminiert." Im Übrigen waren diese Branchen auch schon schlecht bezahlt, als sie noch nahezu ausschließlich von Männern besetzt wurden. Mein Großvater war beispielsweise Schneidermeister und kam trotz eines 12 Stunden Tages auf keinen grünen Zweig. Dass diese Zahl eine Interpretation erfuhr, die diese Erhebung nicht hergibt, schien auch jemandem von stat. Bundesamt auf den Nerv zu gehen, denn in der PM http://www.destatis.de/presse/deutsch/pm2005/p3010042.htm hieß es: " Aus dem geschlechterspezifischen Verdienstabstand kann nicht geschlossen werden, dass Frauen im gleichen Unternehmen für die gleiche Tätigkeit unterschiedlich bezahlt werden."

Dann kam das IAB Diskussionspapier 4/2005 (IAB steht in Zusammenhang mit der Bundesarbeitsagentur). Dort hat man sich die Verhältnisse schon genauer angesehen und kam auf einen Gehaltsunterschied von 12 Prozent. Auch immer noch eine Menge, aber schon nicht mehr spektakulär genug, um es breit zu veröffentlichen. Doch auch da blieben zwei Dinge ungenügend oder gar nicht berücksichtigt: die Berufserfahrung und die Zahl der geleisteten Überstunden (bezahlte und unbezahlte). Trotzdem wurden die 12 Prozent als ultimativer Beweis für die Gehaltsdiskriminierung genutzt. Sieht man sich die Studie genauer an, kommt man zu einem anderen Ergebnis. In der Diskussion der Ergebnisse dieser Studie auf Seite 26f steht: "...Zweitens sind die Arbeitszeiten nur sehr ungenau abgebildet. Aus einschlägigen Studien zu geschlechtsspezifischen Unterschieden hinsichtlich der Arbeitszeiten ist bekannt, dass Männer weitaus häufiger und in größerem Ausmaß Überstunden machen (Van Bastelaer/Vaguer 2004). Wenn wir die Löhne auf die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden beziehen könnten, würde der Lohnabstand zwischen Männern und Frauen geringer ausfallen."
Eine grobe Abschätzung dieses Einflusses ist mE. relativ einfach möglich. Das statistische Bundesamt hat die durchschnittliche Zahl an bezahlten Überstunden von Männern und Frauen (getrennt nach Ländern, Voll- und Teilzeittätigkeiten) ermittelt ( http://www.eds-destatis.de/de/downloads/sif/nk_04_11.pdf ). Demnach leisten Männer (in Vollzeit und davon geht die Studie aus) durchschnittlich 2 bezahlte Überstunden pro Woche mehr als Frauen. Bei einer angenommenen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden sind mit der höheren Zahl an Überstunden, die Männer weitere 5% Gehaltsdifferenz ganz diskriminierungsfrei erklärt. Bleiben noch etwa 7 Prozent übrig!
Und dann wäre da noch die Berufserfahrung. Auf Seite 27 der IAB-Studie steht:
"... Drittens verwenden wir nur einen grob angenäherten Wert für die Berufserfahrung. Da Frauen öfter als Männer ihre berufliche Karriere unterbrechen, überschätzen wir die tatsächliche Berufserfahrung von Frauen (Fitzenberger et al. 2004)." Den tatsächlichen Einfluss auf das Gehalt abzuschätzen fällt sicherlich schwer. Eine weitere Verringerung würde die Berücksichtigung der Berufserfahrung aber auf jeden Fall bringen.

Gott sei Dank für den Feminismus kam dann der Frauendatenreport, mit einer Gehaltsdifferenz von 23 Prozent heraus. Diese Zahl war toll und wird heute noch mit Begeisterung veröffentlicht. Doch auch in diesem Report ging man differenzierter vor - nur dass das von den Medien und erst recht von der Politik gezielt ignoriert wurde. Die 23 Prozent basieren wieder auf einer "über alles" Rechnung. Anschließend rechnete man jedoch viele Einflüsse heraus - einschließlich der Berufserfahrung. Übrig blieb eine Gehaltsdifferenz von 7,7% im Westen (1/3 von 23%) und 2,5% im Osten (1/4 von 10%). Nur, die Zahl der bezahlten Überstunden vergaß(?) man auch hier zu berücksichtigen. Wenn Sie sich die oben erwähnte Überschlagsrechnung zu den Überstunden ansehen, bleibt von der Lohndiskriminierung nichts oder nicht mehr übrig, als die statistische Unsicherheit beträgt. Dass der Unterschied zwischen West und Ost so signifikant ist, liegt wohl daran, dass im Westen weitaus häufiger als im Osten Überstunden bezahlt werden.
Doch selbst ohne Überstunden stelle ich mir die Frage, warum immer nur die 23% und nicht die 7,7 bzw. 2,5% publiziert werden.

Ich möchte noch auf eine andere, überaus interessante Tatsache aufmerksam machen. In Teilzeitarbeitsverhältnissen verdienen Männer rund 20 Prozent weniger als Frauen, was das Frauenministerium jedoch zu der Bemerkung veranlasste, dass es sich nicht um Diskriminierung sondern um "geringeres Humankapital" handeln würde. Nun kann man sicherlich auch diese Gehaltsdifferenz erklären. Eine vergleichbare Differenz bei Frauen jedoch als böse Diskriminierung zu brandmarken, bei Männern aber als "selbst schuld" zu kennzeichnen, ist typisch für den deutschen Feminismus.

Ganz zum Schluss noch drei Fragen. Wie wenig dürften Frauen in nicht tariflich gebundenen Firmen verdienen, damit im Durchschnitt 23% Unterschied heraus kommen - bei der Vielzahl an tarifgebundenen Firmen, dem öffentlichen Dienst und dem Beamtenapparat?
Glauben Sie ernsthaft, dass deutsche Unternehmen noch Männer einstellen würden, wenn sie dieselbe Arbeit für 23 oder 30% weniger Gehalt bekommen könnten? Und welcher Unternehmer würde die Chance verstreichen lassen, durch einen Austausch Frauen statt Männer seine Lohn-Stück-Kosten innerhalb kürzester Zeit um 1/4 bis 1/3 zu senken?
Auf jeden Fall sollte die Presse einmal genauer hinsehen und sauber recherchieren, was offensichtlich nicht geschieht. Vermutlich auch deshalb, weil das Ergebnis unpopulär ausfallen könnte.

Von dem Vorschlag der Wissenschaftler profitieren nur zwei Menschengruppen: Unternehmer und Radikalfeministinnen. Erstere, weil sie dann tatsächlich Lohnkosten einsparen könnten und letztere, weil sie durch einen Vergleich der Bruttolöhne dann eine Benachteiligung der Frauen nachweisen könnten, ohne weiterhin lügen zu müssen - quasi als selbsterfüllende Prophezeiung.

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