Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Das RECHT (Recht)

Rainer ⌂, Monday, 25.06.2012, 01:58 (vor 4322 Tagen) @ Yussuf K

Wer jemals vor Gericht gestanden hat, ob zurecht oder nicht ist nebensächlich. Wer jemals eine Scheidung erlebt hat. Wer jemals aus dem eigenen Haus vertrieben wurde, wird sich hier wiedererkennen. Man achte auf die Jahrhunderte überdauernden Argumentationen von Hokuspokus und Scharlataneerie der "Amtspersonen"

http://histor.ws/hexen/d-proz.htm

Ein Prozeß: SIE sind angeklagt!

Mein Name spielt keine Rolle. Die Zeit ist rückwärts gelaufen, wir sind in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts. Und nun haben Sie ein Problem. Es ist meine Pflicht, Sie mit Ratschlägen auf einem schweren Weg zu begleiten, auch wenn ich Ihnen nicht helfen kann. Sie haben heute wirklich Pech. Ihre giftige Nachbarin (1) hat Sie (2) nach jahrelangem Streit öffentlich der Zauberei beschuldigt, denn ihr Hausdach ist wieder undicht. Auch wenn Sie jetzt darüber lachen: das wird sich bald ändern. Denn nun haben Sie nur zwei Möglichkeiten: entweder Sie schweigen zu den Vorwürfen oder Sie kämpfen dagegen.

• Wenn Sie schweigen, ist damit Ihre Schuld fast bewiesen. Denn nach klassischem Rechtsgrundsatz heißt es: "qui tacet, concentiret", wer schweigt der stimmt zu.
• Wenn Sie kämpfen gegen den Vorwurf ist damit Ihre Schuld ebenfalls fast bewiesen. Denn je heftiger Sie sich verteidigen, desto verdächtiger ist dies nach dem Prinzip: So jemand scheint es dringend nötig zu haben, das wird wohl einen Grund haben.

Jeder vom Zauberverdacht Betroffene wird immer alles abstreiten, das heißt also nichts. Der hochgelehrte wissenschaftliche Theologe Binsfeld hat ferner kürzlich in seinem weltberühmten Traktat "Vom Bekenntnis der Zauberei" unfehlbar bewiesen, daß Gott es niemals zulassen wird, einen Unschuldigen eines solch grausigen Verbrechens beschuldigen zu können.
Daraus folgt zwingend logisch, daß Sie jetzt hoch verdächtig sind.

Verhaftung

Es ist bekannt, daß an allem ein Körnchen Wahrheit ist. Also können die Vorwürfe gegen Sie nicht völlig abwegig sein. Nach dem Rechtsgrundsatz "in media veritas" liegt die Wahrheit meist in der Mitte. Sie sind also von Bütteln verhaftet und stehen nun mit Ihrer Nachbarin vor dem Hochgericht. Am Tisch sitzen drei von insgesamt sieben Schöffen, der Amtmann), Kommissar und der Schreiber, zugleich Notar hier. Nur dieses weltliche Gericht ist zuständig für Strafrechtsfälle, also alle, die wie Sie konkreten Schaden angerichtet haben. Das "maleficium", die zauberische Übeltat, wird schwer bestraft, deshalb ist Ihr Pfarrer nicht mehr zuständig. Schauen Sie noch mal aus der Tür, Sie werden nicht mehr oft Gelegenheit dazu haben. Dort fährt der Schinderkarren alle jene zum Galgenberg, die den Weg schon hinter sich haben, an dessen Anfang Sie jetzt stehen.

Ihr Landesherr hat zwar eine eigene Malefizprozeßordnung erlassen, aber nur mit wenigen Bestimmungen. Alles Weitere regelt die reichsweite Gerichtsordnung "Constitutio Criminalis Carolina" (CCC). Das ist Ihr Vorteil, denn deren Bestimmungen sind modern. So dürfen Sie nur einmal gefoltert werden, nicht länger als einen Tag und mit Pausen. So wird der Unschuldige geschützt und dem Schuldigen ein Wissen entlockt, das nur der Täter haben kann.

Aber Vorsicht: auch die "Carolina" schützt keine Schuldigen:
(Art. 44) "Wenn jemand anbietet, andere in der Zauberei zu unterweisen, oder wenn jemand andere mit Zauberei bedroht und dem Bedrohten dergleichen geschieht, wenn jemand Gemeinschaft mit Zauberern hat und mit diesen Dingen umgeht durch Gebärden, Worte und Handlungen, und wenn einer im Gerücht steht, solches zu tun, dann ist das ein hinreichendes Indiz für Zauberei und Anlaß zum Folterverhör."

Verstanden? In Ihrem Fall ist durch die Anzeige, also das Gerücht, hinreichender Verdacht gegeben! Ihre Nachbarin erklärt, genau gehört zu haben, daß Sie leidenschaftlich den Teufel angerufen haben, als Ihnen neulich das schwere Wagenrad auf den Fuß fiel. Und jetzt gehen Sie wieder ganz normal. Außerdem ist das neue Dach Ihrer Nachbarin undicht, und Sie wohnen direkt neben ihr. Könnte das alles noch Zufall sein?

Exorzismus

Offensichtlich haben Sie keine Beweise für Ihre Unschuld. Statt dessen antworten Sie auf konkrete Verdachtindizien nur mit Spott. Solche Tricks der Teufelsbrut sind dem kompetenten Gericht bestens bekannt, das macht hier keinen Eindruck! Reden Sie bloß nicht von einem Anwalt. Wer den Advokat braucht, wird ihn wohl auch dringend nötig haben. Haben Sie den nötig? Na also! Anders als in verwahrlosten Orten werden hier keine Umstände gemacht, bei uns wird Zauberei energisch bekämpft. Denn sie ist ein "crimen exceptum", ein außerordentliches Verbrechen. Der mächtige Teufel kann seine Anhänger aus dem Gefängnis befreien oder sie unempfindlich machen, damit sie ihre Komplizen nicht verraten. Der berühmte französische Gelehrte Bodin hat geschrieben, daß man gegen die Teufels-Sekte nicht vorgehen kann, wenn man ihr auch noch den Schutz der Gesetze zugesteht. Selbst schuld: warum konnten Sie nicht ohne Teufelsbund leben, wie alle anständigen Menschen? Nun sehen Sie selbst, was Sie sich da eingebrockt haben. Zwei Franziskanermönche (1) sind auf Anweisung des Kommissars (2) mit Weihwasser (3) zum Gericht gekommen, um den Teufel zu vertreiben, damit er Ihnen (4) nicht mehr helfen kann, der Gerechtigkeit zu entfliehen. Anschließend wird man Ihnen sämtliche Haare abscheren, damit sich nicht Teufelchen an Ihrem Körper verstecken können, um Ihnen im Verhör zu helfen. Das hat es alles schon gegeben.

Nadelprobe

Denken Sie etwa wirklich, daß es hier irgend jemanden interessiert, was hochverdächtige Delinquenten von der Gerechtigkeit halten? Das wäre ja noch schöner! Das wird auch Jahrhunderte später keinen belasten. Wir fahren also mit der Untersuchung fort. Jetzt also, ob an Ihrem Körper das "stigma diaboli" zu finden ist. Das ist ein auffälliges Hautmal, ein dunkler Fleck, den der Teufel Ihnen verpaßt hat, als Sie den Lebensbund mit ihm schlossen. Man erkennt das Indiz daran, daß die Haut nicht blutet, wenn man mit einer Nadel hineinsticht. Der hochwürdige Kommissar ist ein gebildeter Akademiker und Jurist, der es versteht, solche Probe zu tun. Er wird mit seinen speziellen Kenntnissen sogar als Fachmann in benachbarte Fürstentümer geschickt, nachdem er Doktor der Rechte geworden ist. Schon während des Universitätsstudiums hat er sich auf Malefizprozesse spezialisiert, die sind heute ganz modern. Deshalb ist er jetzt in der Notzeit des Dreißigjährigen Krieges auch nicht arbeitslos wie so viele seiner Kollegen, sondern macht Karriere. Auf dem Boden sehen Sie schon die Justizwerkzeuge, die Sie bald zu schmecken bekommen, wenn Sie weiter so verstockt bleiben. Da vor dem Hund liegt keine Wurst, sondern das ist das "Hundehalsband": ein eiserner Reifen mit Dornen innen für Ihren Hals. Daneben die Ruten zum Auspeitschen und das "Krokodilmaul" für Ihre Beine.

An der Wand hängt ein Marterhemd, rauh wie eine Feile. Vor Ihnen sitzt noch eine Delinquentin auf dem Stuhl, im Nebenzimmer wird eine weitere gerade kahl geschoren. Aber keine Bange, Sie kommen bald auch an die Reihe. Der Kupferstecher hat die Frauen natürlich wesentlich jünger dargestellt als sie es sind.

Der hat schon viele Propagandabilder gegen Kirche und Reich produziert, und auch in dreihundert Jahren werden die Nackedeis auf den Bildern in der Boulevardpresse nicht alt sein. Das macht sich besser beim Publikum. Sie werden die Frau hier vor uns übrigens bald noch einmal wiedersehen.

Tortur, erster Grad

Der würdige Kommissar ist ein erfahrener Jurist. Er weiß, daß man die Sache mit den Zauberern nicht auf die lange Bank schieben darf. Die Wahrheit muß herausgefunden werden, die Justiz muß ihren Gang nehmen. Es ist klar, daß der Teufel dies verhindern will. Aber unser Kommissar kann es mit dem Teufel leicht aufnehmen. Er wischt einfach eine Nadel mit dem Taschentuch ab, hat also eine positive Probe gefunden. Sie wissen, der berühmte französische Philosoph Bodin hat empfohlen, daß man beim "crimen exceptum" mit außerordentlichen Mitteln vorgehen muß. Widersprechen Sie jetzt bloß nicht. Das wäre ein Beweis für teuflische Verstocktheit, denn wer im Geiste Gottes ist, der übt sich in Bescheidenheit und Demut. Tatsache ist, daß Sie beschuldigt wurden, also verdächtigt sind, und die Nadelprobe haben Sie nicht bestanden. Haut, die beim Stechen nicht blutet, das gibt es nicht. Und was nicht natürlich ist, das ist Zauberei. Das "indicium ad torturam" ist also gefunden worden, das Indiz zum Torturverhör. Ihre Überführung erfordert den "vollen Beweis". Halber Beweis wären drei Zeugenaussagen. Zur Aussage Ihrer Nachbarin hat die Nadelprobe ein weiteres Indiz geliefert: der halbe Beweis ist also zusammen. Nun fehlt noch die zweite Beweishälfte: Ihr Geständnis. Ihr Meister, der Teufel, wird das weiterhin schwer machen wollen.

Deshalb hilft Ihnen das kompetente Gericht jetzt gerne mit reinigender Tortur, damit man mal vernünftig mit Ihnen reden kann. Laut CC Carolina dürfen keine bleibenden Gesundheitsschäden entstehen. Das ist hier auch nicht der Fall. Es wird lediglich Ihr Marterhemd etwas abgebürstet. Am Seil aufgezogen haben Sie Übersicht über die Sachlage, während man an Ihre Füße eine Stange gebunden hat, auf die einer der "Nachrichter" steigt, also ein helfender Knecht. Das erhöht die Spannung, damit es nicht langweilig wird. Am Tisch aber müssen sich die genervten Schöffen schon Witze erzählen.

Ein anderer steht vor der Tür und wartet auf das Mittagessen. Am linken Fenster linst ein Zuschauer von außen in die Kammer. Er wird gleich in den Ort laufen, um allen zu erzählen, daß man gegen Sie genug Indizien gefunden hat für das strenge Verhör. Daraufhin wird noch mehr Leuten einfallen, daß Sie schon lange verdächtig sind. Nachbar Müller z.B., der Ihnen noch Geld schuldet. Das Gericht will von Ihnen nun wissen, wann, wie und wo Sie die Zauberei getrieben haben!

Tortur, zweiter Grad

Sie müssen wahnsinnig sein, sich frech dem würdigen Gericht zu widersetzen! Mit solchen Unverschämtheiten haben Sie endgültig bewiesen, daß Sie im Bund mit dem Teufel stehen, denn der Satan ist der Vater der Lüge. Aber das wird Ihnen nichts helfen, Übeltäter werden von der Gerechtigkeit besiegt. Deshalb folgt nun der zweite Grad des Verhörs, die Wahrheit muß nun einmal herausgefunden werden.

Dabei stellt sich weiterhin nicht nur die Frage, welche Zaubereien Sie getrieben haben, sondern jetzt zusätzlich mehr, wer alles Ihre Komplizen waren. Denn nur durch die Entlarvung sämtlicher Komplizen können die Machenschaften der Zaubersekte zunichte gemacht werden. Es versteht sich von selbst, daß Teufelsanhänger wie Sie natürlich nicht sofort Ihre Kumpanen verraten, Sie haben Ihre teuflische Verstocktheit ja bereits hinlänglich bewiesen.

Das Gericht hat trotzdem schon Schreibzeug zur Stelle für die Namen, die Sie gleich nennen werden. Um das vorauszusehen, muß man kein Hellseher sein. Denn nun wird das Krokodilmaul ans Bein angelegt, eine Holzzange mit Eisenstacheln. Sie wird zusammengeschraubt, bis das Blut spritzt. Wie das mit der Carolina war ...? Na, Sie nehmen es aber auch genau! Blut trocknet und der Knochen wächst wieder. Sie können sich also nicht beschweren. Nein wirklich: Das kann man absolut nicht empfehlen! Denn nur Teufelsdiener wagen es, dem Gericht Widerstand zu leisten.

Also wenn Sie uns immer noch ernsthaft weismachen wollen, daß Sie unschuldig sind, dann müssen Ihre Freunde es doch auch sein, oder? Es spricht also nichts dagegen, uns die einmal zu nennen! Außerdem: wie ist das zum Beispiel mit Ihrer Nachbarin? Ist die nicht in Wahrheit selbst Mitglied im Teufelsbund und wollte mit ihrer Anzeige nur von eigener Schuld abzulenken? Das hat es schon oft gegeben. Sie wollen immer noch nichts sagen? Na schön, Sie haben vielleicht wirklich keine Kumpanen.

Doch Sie könnten einmal raten, wer jetzt gerade sonst noch so alles wegen Zauberei bei uns im Kerker sitzt - vielleicht ein Nachbar?... Da ist doch nichts dabei, es ist ganz unverbindlich. Und seien Sie froh, daß man jetzt für den zweiten Grad nicht in die Kammer hinter der Tür gehen kann, weil da schon ein anderer sachkundig ins Gebet genommen wird. Hätten Sie dessen Namen erraten? Nein? Dann raten Sie doch nochmal ...

Vom Teufel umgebracht

Sie werden in einen Nebenraum geführt. Da können Sie selbst sehen, was passiert, wenn man sich im Gericht nicht aufrichtig bußfertig von den Ränken des Teufels abwendet im gnadenreichen vollen Geständnis. Lassen Sie sich das eine Lehre sein! Im feilenrauhen Marterhemd am Boden liegt die tote Witwe Böffgen, die von ihrem Manne Peter den Kaufmannsladen geerbt und selbst jetzt im Krieg noch viel Geld hatte. Wer jetzt in solchen Notzeiten noch Geld hat, kann es nur vom Teufel haben. Der Doktor Kommissar hatte an ihrem alten runzeligen Fell bei der Nadelprobe gleich mehrere unblutige Hautstellen gefunden, also bestimmt eine Erz-Zauberin. Natürlich will so eine dann auch im zweiten Grad des Verhörs noch immer nicht dem Satan abschwören. An ihrem linken Bein kann man noch den Biß des Krokodilmauls sehen. Aber das kennen Sie jetzt ja schon selbst. Irrsinnigerweise hat sie weiter behauptet, nicht zaubern zu können. Wer soll derart dreiste Satanslügen glauben? Und der Teufel ist nicht dumm. Er hat gemerkt, daß er hier verloren hat. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die alte Hexe gestanden, und ihre Satanskumpanen verraten hätte. Das hat der Teufel aber verhindert und ihr schnell den Hals umgedreht. Der Doktor Kommissar hat es sogar in ihrem Hals krachen gehört, als man sie mit den Armen nach hinten und einem Gewicht an den Füßen am Seil unter die Decke gezogen hat.

Der Vogt der Stadt, Dr. Schweigel (3), Chef über die Justiz am Ort, ist schnell herbeigerufen worden. Er hält die CC Carolina in der Hand, und tobt wütend über das, was er verdächtig respektlos "Todesfolter" nennt, droht sogar mit der fürstlichen Hofaufsicht. Er scheint zu meinen, daß sein hohes Amt und das alte Buch ihn davor schützen, selbst als Zauberer entlarvt zu werden. Aber da hat er sich geirrt. Wahrscheinlich ist er sogar das Oberhaupt der Satans-Sekte hier am Ort. Kennen Sie den auch? Haben Sie den alten Schweigel nicht auch einmal auf dem Teufelskonvent gesehen? Das zu leugnen hat keinen Sinn! Auch andere werden ihn dort gesehen haben. Und wenn Sie das jetzt nicht zugeben, ist damit bewiesen, daß Sie gelogen haben.

Also sagen Sie es lieber gleich, ehe es andere tun. Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis für den scheinheiligen Schweigel der Scheiterhaufen aufgerüstet wird. Der alte Witwer soll auch sehr reich sein. Wer sich für Zaubervolk einsetzt, gehört natürlich selbst dazu. Das ist doch klar, oder ist etwa irgend jemand anderer Meinung? Für ein umfassendes Geständnis wird es jetzt höchste Zeit! Die Amtleute des Gerichts werden schon ungeduldig. Sie müssen sogar schon Würfeln spielen, um sich die lange Weile zu vertreiben. Ein Schöffe öffnet das Fenster, sie haben beim Spielen wohl wieder viel Pfeife geraucht. Hören Sie meinen Rat: treiben Sie Ihren teuflischen Starrsinn ja nicht auf die Spitze, Sie alleine werden den Schaden davon haben.

Verwahrung im Turm

Da Sie sich endlich von den Ränken des Teufels abgewendet haben, konnten Sie mit Hilfe des Gerichts ein umfassendes Geständnis ablegen, Ihre zauberischen Untaten bekennen und andere Zauberschädlinge entlarven. Sie werden sich jetzt sicher viel wohler fühlen. Da man Ihre Aussage eventuell noch für eine Gegenüberstellung mit Übeltätern benötigt, müssen Sie noch etwas hierbleiben. Vielleicht findet der Kommissar auch heraus, daß Sie doch noch ein paar Namen mehr kennen, als Sie verraten haben. Dies muß dann natürlich wieder genau untersucht werden. Die Büttel sind schon unterwegs, um die von Ihnen Genannten zu verhaften. Denn nach Art.44 CCC stehen die nun ebenfalls im Verdacht der Zauberei und ... aber den Rest kennen sie ja inzwischen selbst.

Kommen Sie bloß nicht jetzt noch auf die verrückte Idee, Ihre Geständnisse zu widerrufen oder gar Beschwerde gegen den Prozeß einzulegen, weil Sie sich gerade wieder etwas erholen. Die Erholung könnte sich schnell ändern! Machen Sie sich das Leben nicht schwerer als es ist. Im Falle von Komplikationen müssen leider noch einmal die strengen Verhöre anfangen zur Klärung der Unstimmigkeiten. Und was das heißt, wissen Sie ja jetzt. Aber wenn Sie sich in frommer Demut den Weisungen des Gerichts beugen, wartet auf Sie zur Belohnung nicht nur das himmlische Paradies, sondern sogar ein neues Haus und freier Unterhalt bis zum Lebensende! Wir sind keine Unmenschen und wissen Ihre Hilfe zu schätzen.

Glauben Sie aber nicht, Sie könnten während der Verwahrung Hilfe von draußen bekommen. Ihre Familie will von Ihnen nichts mehr wissen, anderenfalls wäre das gefährlich für sie selbst. Denn nach neuesten Erkenntnissen vererben sich die Anlagen des Teufelsbundes und jeder entlarvte Schädling bringt seine ganze Familie in Verdacht. Falls Sie Erlaubnis zum Briefaustausch oder zu Besuchen bekommen, wird beides streng kontrolliert.

Der Turm stammt zwar noch aus dem Mittelalter, ist aber noch in gutem Zustand. Die Mauern sind nur wenig feucht, jedenfalls nicht oberirdisch. Sehen Sie also zu, daß Sie einen guten Eindruck machen, sonst kommen Sie in den Keller. Heizung gibt es natürlich nicht, erst recht keine Fensterscheiben. Meckern Sie bloß nicht über Zugluft und seien Sie froh, daß Sie die Sonne noch sehen. Oder wollen Sie vielleicht in den Keller?

Die Verpflegung während der Haftzeit müssen Sie natürlich selbst bezahlen. Das Essen liefert der Platzwirt. Er berechnet Ihnen zwei Kotelett und liefert Ihnen ein Stück Brot, berechnet zwei Liter Wein und liefert einen Krug Wasser. Die Koteletts und den Wein bekommt das Gericht. Hüten Sie sich ja, darüber zu meckern, sonst gibt es gar nichts mehr zu vollem Preis. Außerdem sind die Wirte meistens auch Schöffen im Gericht, denn für dieses Amt kommen ja nur die reichsten Leute der Stadt infrage. Mit solchen Leuten sollte man sich vor seinem eigenen Gerichtsurteil besser nicht anlegen. Das übernehmen wir schon, wenn bald gefragt werden wird, wem der Teufel noch alles sein höllisches Geld zugesteckt hat für üble Dienste.

Prozessende

Da Sie mit der Hilfe Gottes und des gnädigen Gerichts nach einem gütlich abgelegten und umfassenden Geständnis Ihre zauberischen Untaten bereuen, und auch auf die Gefahr durch Ihre teuflischen Kumpanen detailliert hingewiesen haben, konnten Sie die Macht des Satans über sich besiegen und werden nun für Ihre schrecklichen Verbrechen Wiedergutmachung leisten. Das weitere Verfahren ist unkompliziert, denn eine langwierige Gerichtsverhandlung gibt es nicht mehr, und die Öffentlichkeit ist bis zur Urteilsvollstreckung vom Verfahren ausgeschlossen. Sie werden bald noch einmal vor Gericht geführt, wo man die "Sentenz" verlesen wird, also das Urteil. Es lautet auf Tod durch das Feuer, denn Zauberei ist bekanntlich ein Majestätsverbrechen. Wollen Sie dazu noch etwas Amtliches aus der CC Carolina hören? Nein? Müssen Sie aber:

(Art.109) "Wer den Leuten durch Zauberei Schaden oder Nachteil zugefügt hat, den soll man strafen vom Leben zum Tod und man soll solche Strafe mit dem Feuer tun."

Da Sie Reue und Bußfertigkeit gezeigt haben, können Sie begnadigt werden und erhalten den "Gnadenzettel". Den bekommen Sie auf Antrag vom Vorsitzenden des Gerichts. Gnadenhalber werden Sie kurz vor der Verbrennung schnell erwürgt oder geköpft. Dann spüren Sie das Feuer nicht mehr so. Kommen Sie ja nicht auf die Idee, Ihre Geständnisse zu widerrufen, um die von Ihnen als Zauberer Entlarvten vor der Justiz bewahren! Die sitzen vielmehr schon im strengen Verhör und gestehen - genau so, wie Sie. So lautet also Ihr Urteil wie bei vielen Ihrer Vorgänger nach unserem Standardtext, in den nur immer neue Namen eingesetzt werden:

"In Übereinstimmung mit Kaiser Karls V. und des Heiligen Römischen Reiches Ordnung wird durch das Kurf. Hochgericht endlich zu Recht erkannt, daß vor diesem Gericht gegenwärtiger Beschuldigter deshalb verurteilt wird, weil er Gott dem Allmächtigen und Maria seiner hochwürdigsten Mutter und allen Heiligen abgesagt und dem Teufel zugeschworen hat. Und er hat allerhand teuflische Zauberwerke zum Verderben von Frucht, Wein, Acker und gegen die Gewächse der Erde begangen. Derohalben er mit dem Feuer vom Leben zum Tod gestraft werden soll, wie er hiermit verwiesen und verurteilt wird, seine Seele in die Gnade und Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes befehlend."

Blicken wir aus dem Turmfenster auf den Galgenberg, wo Ihre Vorgänger gerade den Prozeßabschluß feiern. Da sie ebenfalls den Gnadenzettel erhalten haben, werden sie vom Nachrichter mit dem dunklen Bart rechts in der Hütte mit einem Seil erwürgt. Besonders Ihr Kollege rechts am Pfahl scheint dafür recht dankbar.

Vor der versammelten Bürgerschaft wurde eben noch die "Letter" verlesen mit dem Bericht der Untaten dieser Delinquenten und ihrer Geständnisse. Damit das Volk vor dem bösen Blick der überführten Zauberer bewahrt wird, werden Strohhütten errichtet, in denen sie verbrannt werden.

Sie sehen, daß das Gericht sein Wort hält: Jetzt bekommen die, welche geständig waren, nicht nur das himmlische Paradies, sondern auch das versprochene neue Haus aus Stroh. Wegen ihres nahen Lebensendes haben die Verurteilten natürlich nicht mehr so viel von dem versprochenen freien Lebensunterhalt, aber das läßt sich jetzt auch nicht mehr ändern.

Ihre eigene Verbrennung wird Ihnen entgegen den Richtlinien der CCC bei uns berechnet in der Höhe eines durchschnittlichen Jahreseinkommens. Gutes Brandholz ist teuer und der "Nachrichter", also der Henker, will auch Geld für seine Arbeit haben. Nachdem durch die vielen teuren Zauberprozesse ganze Amtsbezirke pleite gegangen sind, hat unser Kurfürst beschlossen, daß die Prozeßkosten gedeckt werden durch das Vermögen der Verurteilten oder ihrer Verwandten. Die gesamten Prozeßkosten betragen den Kaufpreis eines Hauses. Natürlich nur, wenn Sie keine Schwierigkeiten gemacht haben, welche die Haft und das Verfahren hinausgezögert haben. Sonst kostet das noch mehr.

Falls bei diesen Preisen von Ihrem Vermögen noch etwas übrigbleiben sollte, wird das ebenfalls eingezogen für den von Ihnen angerichteten Zauberschaden. Unser Kurfürst hat auf solche Einnahmen für sich grundsätzlich verzichtet und sie für karitative Zwecke bestimmt. Die Verteilung übernimmt der Kommissar, zugleich Finanzbeamter des Hofes für die Prozeßkostenabrechnung. Falls noch Geld übrig ist, muß er dies zum Beispiel Klöstern anbieten. Diese eingebildeten Herrschaften murmeln dann aber immer sowas von "Blutgeld" oder ähnlichen Frechheiten und lehnen die Zuwendung ab. Bei diesem hochnäsigen Pack sollte man auch bald mal aufräumen, mindestens die Hälfte davon sind offenbar Zauberer.

Unser freundlicher Kommissar verteilt also dann solches Geld unter jenen Schöffen und Schreibern im Gericht, die wissen worauf es ankommt, und die keine langen Umstände machen. Den Rest behält er selbst für sein Engagement und seine vielen Mühen.

Aber das braucht Sie nicht mehr zu belasten, Sie werden das alles ja recht bald von einer höheren Warte aus betrachten können.

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Kazet heißt nach GULAG jetzt Guantánamo


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