Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Man kann sowas nicht nachvollziehen. (OT)

Garfield, Tuesday, 28.08.2012, 16:35 (vor 4251 Tagen) @ Pilatus

Hallo Pilatus!

Kennst du den Film "Matrix"? Wenn nicht, hast du ja sicher schon davon gehört. Es geht da um eine Welt, in der Menschen als Energielieferanten benutzt werden. Damit sie das widerstandslos mit sich machen lassen, gaukelt man ihnen eine heile Welt vor.

Wenn man nun über diesen Film redet, zeigt sich ein interessantes Phänomen: Es gibt nicht wenige Menschen, die dann sagen, daß sie, wenn das real wäre und sie in so einer Matrix gefangen wären, die Wahrheit gar nicht erfahren wollen würden. Denn solange sie sich wohl fühlen, wäre doch alles bestens.

Diese Menschen sprechen damit genau das aus, was für noch mehr Menschen im realen Leben tatsächlich so eine Art Leitfaden ist. Sie wollen nichts von Problemen wissen, sondern lieber den Kopf in den Sand stecken.

Und genau diese Haltung sehe ich bei dir auch sehr deutlich.

Daß die Oberschicht derzeit wieder sehr kaufkräftig ist und damit Herstellern von Oberklasse-Autos wie Audi, BMW oder Daimler stabile Absatzzahlen beschert, sagt rein gar nichts über die finanziellen Verhältnisse in der Mittelschicht aus.

Wie war das denn früher, wenn man ein Auto gekauft hat? Man hat gespart, und wenn man genug Geld hatte, ist man zum Händler gegangen, hat da ein neues Auto gekauft und das Geld dafür bar auf den Tisch gelegt.

Das ist heute sehr selten geworden. Meist wird ein Neuwagen heute finanziert. Und nicht nur ein Neuwagen: Mittlerweile werden häufig auch Möbel oder elektrische Geräte auf Pump gekauft. Das allein zeigt schon deutlich, wie sehr die Kaufkraft der Masse der Bevölkerung gesunken ist.

Auch sonst ist es keineswegs so, wie du es hier darstellst. Die steigenden Energiepreise sorgen schon seit Jahren dafür, daß in vielen Haushalten gespart wird:
http://www.welt.de/wirtschaft/energie/article10370553/Privathaushalte-drosseln-ihren-Energieverbrauch.html

Und was die Benzinpreise angeht: Es gibt natürlich Leute, die das Benzin von der Firma bezahlt bekommen. Denen ist es wurscht, wie hoch die Preise steigen. Das ist aber nicht die Masse. Ich beobachte hier schon seit Jahren, daß Tankstellen, die ab und zu das Benzin mal ein paar Cent günstiger anbieten, immer sofort proppenvoll sind. Vor solchen Tankstellen gibt es dann oft Staus bis auf die Straße.

Und noch etwas fällt mir in letzter Zeit auf, wenn ich auf der Autobahn zur Arbeit oder nach Hause fahre:

Wenn man da früher Motorradfahrer gesehen hat, dann hatten die immer hochwertige Maschinen - oft vollverkleidete Sportmotorräder oder chromblitzende Chopper-Maschinen. Und die Fahrer trugen üblicherweise teure Lederkleidung. Man sah deutlich, daß Motorradfahren für diese Leute nicht nur einfach ein Mittel war, um von A nach B zu kommen, sondern daß das für sie ein Hobby war, das sie sich gern etwas kosten ließen.

Solche Motorradfahrer sehe ich jetzt immer noch. Aber in letzter Zeit fallen mir ab und zu auch andere auf: Die fahren eher billige Motorräder, meist ältere Modelle. Die tragen auch keine teuren Lederklamotten, sondern normale Straßensachen und haben oft Rucksäcke auf dem Rücken. Die sehen eher so aus, als wenn das Motorrad für sie einfach nur eine preisgünstigere Alternative zum Auto ist. Sie kommen noch nicht sehr häufig vor, aber ich schätze, daß das mehr darin liegt, daß ein Motorradführerschein bisher eher eine Luxus-Angelegenheit war. Ich denke, in Zukunft wird man solche Motorradfahrer häufiger sehen.

Wie es zu solchen Effekten kommt, konnte ich auch schon in meinem Bekanntenkreis miterleben:

Da arbeitete jemand in einer Fabrik. Dort wurde ihm betriebsbedingt gekündigt. Weil er sonst nichts fand, fing er bei einer Zeitarbeitsfirma an. Die vermittelte ihn prompt in dieselbe Frabrik, in der er vorher gearbeitet hat. Da durfte er nun dieselbe Arbeit machen wie vor seiner Kündigung - nur jetzt für den halben Lohn.

Wenn das Einkommen plötzlich halbiert wird, dann ist das schon ein herber Kaufkraftverlust. Dieser Mann ist kein Einzelfall, sondern das trifft viele Beschäftigte. Und bei vielen anderen ist es so, daß sie schon lange keine Gehaltserhöhungen mehr bekommen, die die Inflationsrate übersteigen. Und wenn das Einkommen sich gar nicht oder weniger als die Inflation erhöht, dann bedeutet das nun einmal Kaufkraftverlust.

Man sieht das auch daran, daß die Zahl derjenigen, die neben einem Vollzeitjob noch Nebenjobs annehmen müssen, steigt. Und steigend ist auch die Zahl derjenigen, die trotz Vollzeitjob so jämmerlich wenig verdienen, daß sie noch von der ARGE Geld dazu bekommen. Das sind diejenigen, die schon aus der Mittelschicht in die Unterschicht runter gedrückt wurden.

In dem von dir verlinkten Artikel zur Lage der Mittelschicht wird das übrigens auch geschrieben - da steht nämlich, daß 400.000 Haushalte in die Unterschicht abrutschen (pro Jahr, nehme ich an, es wird in dem Artikel nicht explizit erwähnt), wobei es ca. 200.000 dieser Haushalte gelingt, wieder in die Mittelschicht zurück zu kommen. Wenn die Zahlen in diesem Artikel richtig sind, bedeutet das also, daß jährlich 200.000 Mittelschichts-Haushalte dauerhaft in die Unterschicht abrutschen, und das, obwohl die Wirtschaftslage im Moment ja noch eher günstig ist! Wie man das als positiv bezeichnen kann, ist mir schleierhaft.

Freundliche Grüße
von Garfield


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