Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Quelle

Chato, Thursday, 26.04.2007, 02:48 (vor 6204 Tagen) @ Nihilator

Kann auch googeln *g*,
nihi

Nicht jeder googelt. Ich hab's von hier entnommen:

Individualität und Kollektivismus

von Theodor Hellbrügge

Zu den Errungenschaften, die nach Ansicht mancher Feministinnen unbedingt von der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik übernommen werden sollten; gehören die Krippen, also die Kollektiverziehung junger Kinder. Die Gefahren, die mit dieser Entwicklung verbunden sind, werden praktisch nicht beachtet, auch wenn allein schon die überhöhte Krankheitshäufigkeit und die gesundheitlichen Gefahren für die betroffenen Kinder mit harten Daten aus der ganzen Welt zu belegen sind.

Viel gefährlicher indessen - aber völlig ignoriert - sind die psychosozialen Probleme der Kollektiverziehung für die Entwicklung der betroffenen Kinder, denn das junge Menschenkind ist so sehr als Einling angelegt daß jede Kollektiverziehung die Entwicklung seiner Individualität im Hinblick auf Selbständigkeit und Kontaktfähigkeit beeinträchtigt. Schon Zwillinge sind, selbst bei optimaler Pflege auch in der Familie, benachteiligt, was sich an einer leichten Beeinträchtigung ihrer frühen Sprachentwicklung erkennen läßt.

Lenins Kollektivismus

In dieser Situation erscheint es sinnvoll, auf die Wurzel und die Gefahren der Kollektiverziehung hinzuweisen, denn die wenigsten in unserem Lande wissen, daß es Lenin war, der frühzeitig erkannte. daß sich seine sozialistischen Ideen nur 'dann durchsetzen ließen, wenn die Familie als Hort und Geburtsstätte der Individualität vernichtet würde. Er fand in seinen Schriften harte Worte, mit denen er die Hausarbeit der Mütter sowie die Pflege und Erziehung der Kinder in der Geborgenheit der Familie kritisierte:

?Die Frau bleibt nach wie vor Haussklavin, trotz aller Befreiungsgesetze, denn sie wird erdrückt, erstickt, abgestumpft, erniedrigt von der Kleinarbeit der Hauswirtschaft, die sie an die Küche und an das Kinderzimmer fesselt, und sie ihre Schaffenskraft durch eine geradezu barbarisch, unproduktive, kleinliche, entnervende, abstumpfende, niederdrückende Arbeit vergeuden läßt. Die wahre Befreiung der Frau, der wahre Kommunismus wird erst dort und dann beginnen, wo und wann der Massenkampf 'unter Führung des am Staatsruder stehenden Proletariats' gegen diese Kleinarbeit der Hauswirtschaft oder, richtiger. ihre massenhafte Umgestaltung zur sozialistischen Großwirtschaft beginnt. Schenken wir dieser Frage, die theoretisch für jeden Kommunisten unbestritten ist in der Praxis genügend Aufmerksamkeit? Natürlich nicht. Lassen wir den Keimen des Kommunismus, die schon jetzt auf diesem Gebiete vorhanden sind, genügend Fürsorge zuteil werden? Nein und abermals nein. Öffentliche Speiseanstalten, Krippen, Kindergärten - das sind Musterbeispiele derartiger Keime, das sind jene einfachen, alltäglichen Mittel, die frei sind von allem Schwülstigen, Hochtrabenden, die aber tatsächlich geeignet sind, die Frau zu befreien, ihre Ungleichheit gegenüber dem Mann im Hinblick auf ihre Rolle in der gesellschaftlichen Produktion wie im öffentlichen Leben zu verringern und aus der Welt zu schaffen."

Die Folgen in den kommunistisch regierten Ländern

Entsprechend diesen Vorstellungen wurde die Frau in der Sowjetunion und nach dem Kriege in sämtlichen von ihr beherrschten Ländern ?befreit" und Kinderkrippen als obligate Erziehung eingerichtet. In der ehemaligen DDR gab es sogar ein eigenes Institut der ?Hygiene des Kindesalters?, in dem über Jahrzehnte mit allen Mitteln - allerdings vergeblich - versucht wurde, die Vorteile der Kollektiverziehung gegenüber der in der Familie zu beweisen. Auch heute noch gibt es einzelne Pädagogen in unserem Lande, welche so sehr von den Vorteilen der kommunistischen Kollektiverziehung überzeugt sind, daß sie auch durch harte Daten über deren Gefahren nicht überzeugt werden können.

Erhöhte Morbidität in den Kinderkrippen

Die erhöhte Krankheitshäufigkeit bei Krippenkindern ist in den kommunistisch beherrschten Ländern, insbesondere in der Tschechoslowakei und in Ungarn, schon bald registriert worden. Übersieht man die publizierten Werte, dann zeigt sich etwa folgendes Bild (Krippenkinder / Familienkinder):

Epidemiologische Erkrankungen: 83 % / 5 %
Lungenentzündung: 11 % / 1,5 %
Mittelohrentzündung: 22 % / 3,6 %
Grippale Infekte: 60 % / 20 %
Krankenhausaufenthalte: 15 % / 9 %

Die erhöhte Gefährdung der Krippenkinder ließ sich auch daran erkennen, daß der Antibiotikaverbrauch bei Krippenkindern etwa zehn mal größer ist als bei Familienkindern. Auch nach neuesten Untersuchungen in den USA und Schweden ist das Infektionsrisiko der, Krippenkinder 3,8fach höher im Vergleich zu häuslich betreuten Kindern, bei Hämophilus-influenzae-Infektionen sogar 12fach höher. In einer schwedischen Langzeitstudie an 113 Kleinkindern konnte gezeigt werden, daß die Häufigkeit von Atemwegsinfektionen vom Zeitpunkt der Geburt bis zum Anfang des zweiten Lebensjahres stetig ansteigt. Kinder in Tagesstätten hatten signifikant häufiger Atemwegsinfekte. Durch Einführung von Impfungen wurden die großen Seuchenkrankheiten in den Krippen weitgehend vermieden, aber die infektionsepidemiologischen Probleme der Massenbetreuung ließen sich nicht beherrschen: Die Gegenstände in den Tagesstätten waren bis zu 60 Prozent mit Stuhlflora kontaminiert. Die Kontamination von Spielbällen betrug bis zu 60 Prozent und an den Händen der Kinder und des Personals bis zu 32 Prozent.

Ebenso haben Pickering und Morrow aus der Abteilung für Pädiatrische Infektiologie, Medical School Houston, Universität Texas noch 1992 unter anderem festgestellt, daß die akute infektiöse Diarrhoe z. B. bei Kindern in Tageseinrichtungen doppelt so häufig auftritt wie bei Kindern in Familienpflege und daß das Risiko, an Otitis media zu erkranken, in Tageseinrichtungen signifikant höher ist, insbesondere bei Kindern unter zwei Jahren.

Psychosoziale Folgen der frühen Kollektiverziehung

Die psychosozialen Folgen früher Kollektiverziehung haben Kinderheilkunde und Kinderpsychologie ebenfalls eingehend untersucht. Bei unseren eigenen mit Pechstein durchgeführten Studien an Säuglingen und Kleinkindern in Säuglingsheimen zeigte sich überzeugend der Rückstand in der Sprach- und Sozialentwicklung. Bereits in der Sowjetunion hatte die berühmte Kindersprachforscherin Mariela Kolschova vom Pavlov-Institut in Leningrad festgestellt, daß selbst in den staatlich bevorzugten Krippen die Sprachentwicklung gegenüber der von gleichaltrigen Kindern zurücklag, die noch von der russischen Babuschka aufgezogen wurden.

Weit schlimmer sind Indessen die Beeinträchtigungen der frühkindlichen Sozialentwicklung. Hier vor allem zeigt sich der einzigartige Wert der Familie. Nur die altersunterschiedliche Gruppe mit älteren und jüngeren Geschwistern läßt die für die Individualentwicklung notwendigen Erfahrungen im Helfen und Helfenlassen zu, während in jedem Kollektiv einer altersgleichen Gruppe der Konkurrenzkampf um die Gunst der Betreuerinnen im Vordergrund steht. Man braucht nur das Tagesgeschehen in einer Tagesstätte gleichaltriger junger Kinder mit dem Videorecorder. aufzunehmen, um die mehr oder weniger versteckten Aggressionen der Kinder zu registrieren.

Aus meiner Sicht ist die Aggressivität der Jugendlichen, die vor allem in den neuen Bundesländern für Aufregung sorgt, unter anderem auch durch den frühzeitigen Existenzkampf in den altersgleichen Gruppen der kommunistischen Kinderkrippen trainiert worden. Dieses Phänomen wird aber bis jetzt kaum angesprochen, und man sucht nach allen möglichen anderen Gründen. Immerhin wissen wir durch die subtilen Längsschnittuntersuchungen von Matejcek und seiner Arbeitsgruppe in der Tschechoslowakei, daß die frühe Kollektiverziehung mit der Beeinträchtigung der Sozialentwicklung ihre Folgen bis in die nächste Generation hinein hat Ehemalige Krippenkinder hatten zum Beispiel größere Schwierigkeiten mit der Erziehung ihrer eigenen Kinder und wiesen signifikant höhere Scheidungsraten auf gegenüber Kindern aus Familien.

Folgerungen

40 Jahre kommunistische Herrschaft in Deutschland werden in ihren Auswirkungen bislang nur an ökonomischen und ökologischen Folgen, wie verpestete Luft, verseuchte Gewässer und vergiftete Erde gesehen. Die psychosozialen Folgen lassen sich nicht so leicht messen. Sie sind aber deutlich erkennbar an dem Aggressionspotential, das sich bis in die Sprache hinein ausdrückt.

Wie gefährlich die Situation für unser Gemeinwesen ist, läßt sich leicht an der politischen Diskussion ablesen, bei der sicherlich von vielen unbewußt Lenins Kollektiverziehung junger Kinder als Fonschritt bewertet wird. Lediglich das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach formuliert, daß die Familie höchste kulturelle und soziale Priorität haben muß und, daß die Arbeit der Mütter und Hausfrauen in der Familie die gleiche öffentliche und finanzielle Anerkennung braucht wie die außerhäusliche Arbeit der Frau.

Merkwürdigerweise reden wir nur bei der außerfamiliären Arbeit von Arbeitslosigkeit und dies, obwohl jedermann weiß, daß 80 % unseres Volksvermögens in den Haushalten realisiert sind. Nur die restlichen 20 % scheinen des Registrierens wert. Die ganze Diskussion um Arbeitslosigkeit würde sehr schnell eine andere Richtung bekommen, wenn statt des Begriffes ?Arbeitslosigkeit" "Außerhäusliche Arbeitslosigkeit" gesetzt würde. Dabei ist die Mißachtung der Hausarbeit und die damit verbundene kontinuierliche Pflege von 80 % unsers Volksvermögens für jedermann erkennbar.

Zudem ist die besondere kulturelle Bedeutung unserer Mütter noch hinzuzurechnen. Schon durch die Tradition der Muttersprache zeichnen sie sich als die eigentlichen Kulturträger aus. Aber es muß anerkannt werden, daß junge Kinder ihre Eltern - vor allem ihre Mütter - Tag und Nacht benötigen, daß die Familie keine 38-Stunden-Woche kennt und, daß die Mütter behinderter Kinder in ihrer Aufopferung die eigentlichen Helden der Nation sind.

Eine Pflegeversicherung ist völlig sinnlos, wenn nicht Menschen dahinter stehen, die die schwachen und alten Leute füttern, in den Arm nehmen, ansprechen, für sie da sind. Dies können nur die Kinder von heute sein, an deren seelische Gesundheit unsere Staatsgemeinschaft offenbar nicht denken will. Es sind also die Mütter, auf deren Schultern die Sicherung der Pflege für die nächste Generation liegt. Die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, liegen auf der Hand: Warum geben wir nur männlichen Jugendlichen die Chance, im Zivildienst zu erleben, daß Helfen menschlich befriedigend und sinnvoll ist? Ein entsprechendes Ersatzjahr für sämtliche Mädchen würde der überbordenden kognitiven Erziehung in unseren Schulen einen sinnvollen Ausgleich im sozialen Lernen ermöglichen. Eine Gemeinschaft, die der Jugend so großzügig kostenlose Erziehung, Ausbildung, kostenloses Studium ermöglicht, hat das Recht, von dieser Jugend wenigstens ein Jahr soziales Engagement zu fordern.

Resümee

Die Diskussion um Kinderkrippen ist also eine Diskussion um unser Gemeinwesen und dessen Zukunft, um die Förderung von Individualität oder Kollektivismus. Die gegenwärtige Mißachtung der Familie bedarf einer Revision, eine Umschichtung der Finanzen von Menschen, die glauben, ohne Kinder ein freieres leben führen zu können, zu den Eltern mit Kindern, die den Staat auch unter Mißachtung der Öffentlichkeit letztlich erhalten.

Es wird Zeit, daß wir die Diskussion in eine neue Richtung lenken, weg vom Kollektiv und hin zu Individualität, weniger ausgeben für die Kollektiverziehung und mehr für die Familie. In München kostet jeder Krippenplatz 30.000 DM und pro Jahr noch mal 10.000 DM Zuschuß.

Warum geben wir dieses Geld nicht unseren Müttern? Sie geben unseren Kindern Lebenssicherheit und sind die eigentlichen Träger unserer Kultur, indem sie Muttersprache tradieren.

Das familienfreundliche Athen brachte der Menschheit Kultur, das familienfeindliche Sparta Kriege. Es wird Zeit, in unserem Lande umzudenken.

Quelle: Sozialpädiatrie in der Pädiatrie für Praxis und Klinik 15, Nr, 9. 515-516 (1993), Mainz

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Dr. h.c.mult. Theodor Hellbrügge, Kinderzentrum München, Heiglhhofstr. 63, 81377 München


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