Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Deutsch

Ralf, NRW, Saturday, 03.06.2006, 08:37 (vor 6567 Tagen) @ Nihilator

Hallo Nihi,

wir werden jetzt ziemlich off-topic, deshalb vorab nur nochmal die eigentliche Aussage meines Postings: Die Forderung, dass ein einreisender ausländischer Ehepartner vorab Deutsch können muss, klingt zwar durchaus plausibel und vernünftig, führt aber in der Realität zu schwer überwindbaren Hürden, die neben der einen oder anderen tatsächlichen oder angeblichen "Zwangsehe" auch jede Menge sonstiger Ehen verhindern, das Kind wird also mit dem Bade ausgeschüttet. Es gibt sogar erhebliche Zweifel, ob eine solche Regelung vor dem BVerfG Bestand hätte, weil sie den Schutz von Ehe und Familie verletzt.

So, und jetzt off-topic weiter:

Wirken unkomplizierte Kunstwerke schöner auf Dich als ungeheuer
detailreiche und auf den ersten Blick undurchschaubare?

Es geht hier genau nicht um "detailreich und auf den ersten Blick undurchschaubar", sondern um "sinnlos kompliziert".

Deutsch ist eine komplizierte, stellenweise unlogische (aber z.B. nicht so
schlimm wie englisch), dabei aber wunderschöne Sprache von ungeheurem
Ausdrucksreichtum. Dies durch verschiedene Eigenheiten, beispielsweise die
Neubildungsfreudigkeit durch Zusammensetzungen.

Deutsch ist eine ungenießbare Mischpoke aus germanischen und romanischen Sprachkonzepten, die sich aber nicht etwa ergänzen, sondern einfach nebeneinander stehen (vielleicht am leichtesten sichtbar an dem Wirrwarr aus Stamm- und Endbeugung).

(aber z.B. nicht so schlimm wie englisch),

Hmm, plapperst Du jetzt einfach irgendwelche Sprüche vom "Verein für deutsche Sprache" nach, oder meinst Du das ernst? Englisch ist ja ebenfalls eine germanisch-romanische Mischsprache, nur dass die Mischung 1000 Jahre später stattgefunden hat. Dort hat aber eher eine Synthese stattgefunden, die Formen sind im Laufe der Zeit vereinheitlicht und vereinfacht worden, und die Sprache entwickelt sich immer mehr in Richtung einer isolierenden Sprache, bei der die Aneinanderreihung der richtigen Vokabeln auch einen richtigen Satz ergibt.

dabei aber wunderschöne Sprache

Das ist Geschmackssache, sei Dir unbenommen.

von ungeheurem Ausdrucksreichtum.

Das wird von vielen Sprachen behauptet, und dürfte objektiv schwer messbar sein.

Dies durch verschiedene Eigenheiten, beispielsweise die
Neubildungsfreudigkeit durch Zusammensetzungen.

Das ist so'n Punkt, den ich oft gehört, aber nie wirklich eingesehen habe. Um nur einfach Englisch zu nehmen: Da kann man Wörter eigentlich genauso zusammensetzen, nur dass man in den meisten Fällen das Leerzeichen dazwischen stehen lässt - eher eine Frage der Rechtschreibung denn der Sprache an sich. Die ganzen englischen Wort-Neuschöpfungen, die als Anglizismen in die Deutsche Sprache einfließen und von Deutsch-Puristen heftigst beklagt werden, sind im Grunde der beste Gegenbeweis.

Dagegen bestehen die "verschiedenen Eigenheiten" der Deutschen Sprache vor allem aus einem gigantischen Ballast, den Deutsch mit sich rumschleppt. Am bekanntesten sicher die pseudo-willkürlichen Artikel für Sachen (tragen die in irgendeiner Form zum "Ausdrucksreichtum" bei?), andere Dinge Fallen gar nicht so auf, z.B. eine krude Satzstellung (statt einer klaren Subjekt-Prädikat-Objekt-Reihenfolge wird in Deutsch krampfhaft versucht, das Prädikat an die 2. Stelle eines Satzes zu ziehen, außer natürlich in den Fällen, wo das nicht gilt (sonst wär's ja kein Deutsch), also etwa Nebensätze (Prädikat am Ende) oder fragen (Prädikat vorne)), unklare Regeln für das Auseinanderbrechen zusammengesetzer Verben (vorgeben --> ich gebe vor, übergeben --> ich übergebe), von Rechtschreibregeln mal ganz zu schweigen.

Sprache beeinflußt das Denken, das ist ein alter Hut. Schonmal drüber
nachgedacht, daß das Land der Dichter und Denker zu einem solchen wurde,
weil Selbigen eben eine so komplexe und reiche Sprache zu Gebote stand?

Das mit den "Dichtern und Denkern" war auch nur eine kurze Zeitspanne in der Deutschen Geschichte. Aber ich will mal mit einer nicht allzu weit entfernten Analogie antworten:

Ohne da jetzt größeres Fachwissen vorgaukeln zu wollen, behaupte ich mal, dass die Chinesen und Japaner mit ihren Schriften einen Griff ins Klo getan haben. Da kann man sofort einwenden, dass diese Schriften sehr kunstvoll sind, Kalligraphie förden, auch die Aussage, dass die japanische Schrift z.B. die Fähigkeit zum blitzschnelle Auseinandernehmen und Neuzusammensetzen komplizierter Strukturen fördert (eine Fähigkeit, die in den 60ern und 70ern bei der Kopie und Neukonzeption westlicher Technologien sicher sehr hilfreich war), habe ich schon gehört, und die Begründung klang recht überzeugend.

Trotzdem ist das alles nicht die Aufgabe einer Schrift. Die eigentliche Funktion - Sprache auf einem Blatt Papier aufzuzeichnen - ist offensichtlich wesentlich einfacher zu haben, und mir ist zumindest nicht bekannt, dass die chniesische oder japanische Schrift diese Aufgabe generell besser erfüllen würden als Buchstabenschriften, sie sind einfach nur um Größenordnungen komplizierter; und damit halte ich sie letzlich für eine Fehlentwicklung.

Das kannst Du jetzt analog auf die Deutsche Sprache übertragen, wobei ichda sogar bezweifele (s.o.), dass sie so besonders kunstvoll ist.

Um Dich zu beruhigen: Genau so wenig, wie ich davon überzeugt bin, dass es eine gute Idee wäre, die chinesische oder japanische Schrift abzuschaffen, bin ich der Meinung, dass Deutsch aussterben sollte - das macht alles Dreies nicht unbedingt Sinn. Das ändert aber nichts daran, dass ich alle 3 Sachen für nicht besonders gelungen halte.

Gruß Ralf

--
*** Ich bin doch nicht genderblödgestreamt! ***


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