Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Copy-and-Paste-Sicherung (Frauen)

Kurti, Wien, Wednesday, 04.07.2012, 19:57 (vor 4323 Tagen) @ vt

Ich darf mal einen großen Teil der Glosse hier rein-copy-and-pasten. Damit wir, falls der Text bei der Omma einmal nicht mehr auffindbar sein sollte, uns auch weiterhin über Alice` Verzweiflung einen abwichsen können:

Warum laufen die Männer weg?
Je emanzipierter die Frauen sind, umso schwerer scheinen sie sich heute zu tun mit der Liebe.

Die erste war eine junge, besonders attraktive TV-Moderatorin. Sie hatte mich zu meinem Leben interviewt, zu den Männern, den Frauen … Und als die Kamera abgeschaltet war, redete sie weiter: über die Männer. Und dass die ja heutzutage Angst hätten vor den Frauen, vor allem vor den emanzipierten. Und dass sie zum Beispiel keinen Mann fände. – Die zweite war eine gutaussehende Mittdreißigerin auf einem Geburtstagsfest ihres Schwagers. Die gleiche Klage. – Die Dritte war eine hübsche, sehr blonde Studentin. Das gleiche Lied.

Was ist nur los? Sicher, die Liebe hat Frauen immer schon mehr beschäftigt als Männer. Doch hat sich in den vergangenen 40 Jahren – also seit der sexuellen und der feministischen Revolution – so einiges geändert in den Beziehungen zwischen Frauen und Männern. Hat es sich zum Guten, zu mehr Gerechtigkeit und Gegenseitigkeit geändert? Nicht unbedingt. So behauptet die kosmopolitische Soziologin Eva Illouz in ihrem vielgerühmten Rundumschlag zur Liebe in der Moderne, Frauen würden heute „auf eine neue und nie dagewesene Weise von Männern dominiert“.

Sie ist nicht die erste, die den Verdacht hegt, dass die einstige ökonomische und rechtliche Herrschaft von Männern über Frauen abgelöst wurde von einer subtileren und darum sehr viel gefährlicheren, von einer „emotionalen Dominanz“. Eine Dominanz, bei der die Frauen selbst in größerem Ausmaß denn je Mittäterinnen sind.

Wie konnte das passieren? Illouz – selber verheiratet, Mutter zweier halbwüchsiger Söhne und deklarierte Feministin – setzt an den Anfang ihres Buches nicht zufällig ein Zitat von Shulamith Firestone. Die amerikanische Feministin veröffentlichte 1970 ein Manifest gegen die Liebe („Frauenbefreiung und sexuelle Revolution“, Deutsch 1975). Darin antwortet Firestone auf die Frage „Wollen wir die Liebe abschaffen?“ schlicht mit Ja! Es war das erste Buch aus den Reihen der Neuen Frauenbewegung, das Liebe & Sexualität als zentrales Problem der Frauen analysierte. Einige folgten, darunter mein „Kleiner Unterschied und seine großen Folgen“ (1975).

Nun ging es der Liebe an den Kragen. Denn: Moderne Frauen heiraten aus Liebe und brachten sich dadurch bis vor kurzem noch in den rechtlichen Status einer Unmündigen. Frauen gaben und geben aus Liebe ihren Namen, also ihre Identität auf. Frauen opfern der Leidenschaft für die Liebe die Leidenschaft für den Beruf (Stichwort Teilzeitarbeit). Frauen nehmen sich und andere Frauen aus Liebe selbst nicht so ernst wie den einen Mann.

Liebe ist also alles andere als Privatsache. Sie ist ein Politikum. Ihre Ursachen und Folgen sind gesellschaftlicher Natur. „Das Private ist politisch.“ Damit war nicht etwa gemeint, jeder Mensch solle sein Privatestes öffentlich machen. Nein, damit war gemeint: Das scheinbar Private hat gesellschaftliche Ursachen, es ist nicht unser individuelles Problem, sondern ein strukturelles, wie auch Illouz schreibt: Flauberts Madame Bovary liebte noch anders als die Girls in „Sex and the City“ es taten, ganz einfach, weil die Verhältnisse andere waren.

Wo aber stehen wir heute? In der letzten Zeit häufen sich in meiner Umgebung diese Fälle durchaus emanzipierter junger bis mitteljunger Frauen, irgendwo zwischen 20 und 40, die allesamt darüber klagen, dass sie „keinen Mann finden“, beziehungsweise die „Männer keine echten Männer“ mehr seien. Was immer auch ein echter Mann sein mag in der Vorstellung dieser Töchter der Emanzen und Enkelinnen der „echten“ Männer, in der Tat belegen zahlreiche Studien: Die Männer sind irritiert. Und sie zeigen Fluchttendenzen. Was nicht weiter verwunderlich ist.

Es gibt eine neue Asymmetrie zwischen den Geschlechtern in der Liebe. Frauen wollen – und Männer wollen nicht. In meiner Jugend war das umgekehrt. Zumindest bei den stolzen, welthungrigen jungen Frauen. Ich erinnere mich nur an Männer, die andauernd heiraten oder, schlimmer noch, einem „ein Kind anhängen“ wollten. Vor denen brachte frau sich in Sicherheit. Denn das war klar: Die Ehe würde das Ende unserer Hoffnungen bedeuten.

Was also ist passiert? Ganz einfach: Früher hatten Männer Vorteile davon, eine feste Beziehung mit einer Frau einzugehen, zu heiraten. Denn bis zum Aufbruch der Neuen Frauenbewegung in den 1970er Jahren sicherte eine Ehe einem Mann die Frau an seiner Seite, die ihm den Rücken freihielt sowie den gemeinsamen Haushalt und die Kinder quasi allein versorgte.

Heute muss ein Mann sich dem Anspruch der Frau stellen, dass auch ein Vater sich um Haushalt und Kinder zu kümmern habe. Zwar ist selten von 50/50 die Rede, sondern immer noch nur vom „Mithelfen“, aber dennoch. Und im schlimmsten Falle läuft ein Mann heutzutage Gefahr, sich auch noch auf die Karriere seiner zwingt.

Verschärfend kommt hinzu, dass die westlichen Frauen die traditionelle männliche Teilung zwischen Sexualität und Liebe nicht mehr so ganz leicht akzeptieren, bzw. auch für sich selber reklamieren. Gleiche Pflichten, gleiche Rechte. Doch genau an diesem Punkt ist die moderne Frau in die Falle getappt. Eine Falle, die sich allerdings bereits in den 1970er Jahren für die Mütter dieser jungen Frauen auftat. Denn mit dem selbstbewussten Entschluss, nun auch selber eine „freie Sexualität“ zu leben, begaben die Frauen sich auf das Terrain der Männer. Sie handelten also nicht nach den eigenen, sondern nach den Bedürfnissen und Spielregeln des anderen.

Männer sind seit Jahrhunderten die für sie so praktische Teilung zwischen Sex & Liebe, zwischen Heilige & Hure, Ehefrau & Geliebte gewohnt. Wir Frauen aber sind da lange und nachhaltig anders geprägt, nicht qua Natur, aber qua Rollenzuweisung. Wir kriegen das nicht so hin – in der Regel, Ausnahmen bestätigen dieselbe. Wir tun zwar öfter so, als ginge es auch uns nur um Sex, in Wahrheit aber sehnen wir uns nach Liebe. Und die Männer?

Die spüren diese Bedürftigkeit. Was sie überlegen macht.

Auf dem Terrain der „freien Sexualität“ spielen wir also nur gleich, sind aber in Wahrheit unterlegen. Illouz macht nun auch noch die penible Rechnung einer unterschiedlichen Verfügbarkeit auf; gültig für die, wie sie immer wieder betont, „heterosexuelle Frau des Mittelstands“. Die strebt zwischen Mitte 20 und Mitte 40 nach einer festen Beziehung und Kindern – der Mann aber scheut die frühe Bindung und ist locker bis Mitte 60 im Geschäft, wenn nicht länger. Also stehen dem Mann auf dem Liebesmarkt exakt doppelt so viele Angebote zur Verfügung wie der Frau. Über die senkt sich im klassisch heterosexuellen Milieu ab Mitte 40 eine Tarnkappe, die sie quasi unsichtbar macht – zu durchbrechen nur qua gelebter Eigenständigkeit und Persönlichkeit.

Es ist die doppelte Botschaft, die die moderne Frau in den Augen des modernen Mannes oft so wenig anziehend macht. Die wird von der emanzipierten Frau selbstverständlich nicht zugegeben, oft noch nicht einmal vor sich selbst, sondern geleugnet und versteckt unter einer pseudo-coolen Attitüde. Was es nicht besser, sondern noch schlechter macht.

In den 1970er Jahren, als wir Feministinnen den Männern die Liebeshörigkeit aufkündigten und so die wahre sexuelle Revolution anzettelten, da hatten wir immerhin die Verdopplung der Möglichkeiten durch die Öffnung für homosexuelle Beziehungen zur Verfügung. Du hast keine Lust mehr? Macht nichts, ich habe mich eh gerade in eine Frau verliebt. Doch die Zeiten sind vorbei.

Ist es peinlich, wenn ich zugeben, dass ich beim Lesen des Textes einen hammerharten Steifen hatte?

Gruß, Kurti


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