Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Pille für den Mann

Stadtmensch, Tuesday, 16.05.2006, 02:28 (vor 6549 Tagen) @ Arne Hoffmann

Hi Folks,

Zunächst habe ich mich gefragt, ob die Markteinführung der Pille für die Frau in den 1960ern denn überhaupt etwas anderes ausgelöst hat als den Pillenknick. Ist die Pille für die heutigen, veränderten Geschlechterverhältnisse verantwortlich? War sie ein zentrales Thema oder ein Motor der Emanzipation? Ich habe da meine Zweifel. Der Pillenknick ist unbestreitbar passiert, aber abgesehen von der Tatsache, dass er existiert, finde ich nicht viel von dem wieder, was der Pille einst angedichtet wurde. Sie sollte ja die Droge der modernen Zeit werden, sexuell befreite Menschen kreieren, Sexualität aus dem Muff von moralinsauren Verboten und Restriktionen holen. Die Aussichten auf sexuell selbstbestimmte Menschen wurden in leuchtenden Farben auf die gesellschaftliche Leinwand gemalt - als kulturelle Befreiung insgesamt. Das alles ist (wie wir wissen) nicht passiert, die Geschlechterverhältnisse sind scheinbar komplizierter denn je. Von dieser Warte aus betrachtet, wird sich am Geschlechterverhältnis (also am Verhältnis, wie miteinander umgegangen wird) wahrscheinlich aufgrund der Einführung der Pille für den Mann wohl eher wenig ändern, denn hierzu gibt es keine plausible Erfahrung aus der Vergangenheit.

Man darf auch nicht vergessen: Das Vorrecht, in bestehenden Partnerschaften den sexuellen Rhythmus und die erotische Erlebnisqualität zu dominieren, hatten die Frauen schon vor der Pille und sie haben dieses Vorrecht immer noch (was übrigens immer wieder zu extrem langweiligem Herumgerutsche führt). Auch darauf hat die Pille kaum einen Einfluss. Sexualität wurde (und wird) häufig von Frauen als Druckmittel benutzt (das Wort "Waffe" habe ich gerade gelöscht), um ihre Interessen in Partnerschaften durchzusetzen. Die Frauen wären schön blöd, wenn sie so einen Hebel aus der Hand legen würden. Deshalb allein ist der Gedanke "mehr Pille = mehr Vögeln = zufriedenere Sexualbeziehungen" irreführend, weil er nicht der Strategie in gewöhnlichen Beziehungen entspricht. Leider ist es ja so, dass "gewöhnliche Beziehungen" die Masse der Beziehungen darstellt und gerade viele Männer solche Grundprinzipien gedankenlos akzeptieren. Wir im Forum dürfen uns durchaus als Exoten fühlen. Ich glaube, die "Veränderungen", die wir erlebt haben und möglicherweise erleben werden, spielen sich auf ganz anderen Ebenen ab als auf dieser etwas medizinisch-staubtrockenen Ebene rund um das Thema "Pille für den Mann/die Frau".

Noch ein letzter Gedanke: Wer ist eigentlich bereit, sich über Jahre und Jahrzehnte (Männer können ihr Leben lang zeugen) solche Cocktails einzufahren? Dass manche Frauen die Pille über Jahre nehmen, finde ich schon beschissen; weshalb sollte ich das also bei Männern akzeptabel finden? Außer ein paar Gedankenspielen, wie man mal den Spieß umdrehen könnte beim Thema Familienplanung, finde ich nichts Attraktives daran. Das hat für mich aber eher kaberettistischen Charakter als dass es was mit Partnerschaft zu tun hätte. Für pharmazeutische Spielchen mit ungewissen Langzeiteffekten wäre mir der Einsatz zu hoch und meine Freude an meiner "Selbstbestimmung als Mann" zu niedrig; schließlich kann man diesen Gag "Ätsch Baby, ich nehme aber die Pille!" nur einmal pro Beziehung bringen. Danach ist man sie los, die Beziehung. Und dann wieder neu losziehen und den Rosenlieferanten machen? Also nö, ich weiß meine Zeit besser zu verplempern.

Gruß
Stadtmensch

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Desire is irrelevant. I am a machine.


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