Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Argumente - Leider nicht begriffen worum es geht.

Magnus, Thursday, 18.05.2006, 17:33 (vor 6546 Tagen) @ Andreas Reich

Es geht nicht um eine partielle Korrektur eines Geschichtsbildes. Das ist
der Sinn von Forschung, und das ist - entgegen dem, was Du wohl zu
unterstellen versuchst - auch Praxis. Wird die Quellenlage ignoriert, um
ein grundsätzlich anderes Geschichtsbild darstellen zu können, liegt der
Verdacht nahe, es handle sich eher um Ideologie. ("Weltverschwörungen"
sind ein Beispiel.)

Wenn du nun mit "Quellenlage ignorieren" ankommst ist eine Antwort, ohne auf die Sache ansich einzugehen, ist unmöglich. Um die Sache ansich geht es mir jedoch nicht, sondern nur um den Umgang mit der Meinung anderer. Und ob es nun eine "Ideologie" ist oder nicht - spielt auch keine Rolle, die Frage ist nur, jemanden wegen einer Ideologie ins Gefängnis zu werfen, sofern es nur seine Gedanken betrifft, und nicht sein Handeln - was in der Geschichtswissenschaft ja üblicher weise leicht getrennt werden kann. Nicht umsonst haben ja deswegen in Frankreich Historiker eine ähnliche Forderung gestellt und ihren Unmut darüber geäußert, dass bestimmte Meinungen oder Forschung mit "falschem Ergebnis" unter Strafe stehen.

Die Person des Forschenden ist nachrangig: Eine Leugnung des Holocausts
wird nicht deshalb glaubwürdiger, weil sie ein Jude vertritt.
Feministische Argumente sind auch nicht deswegen richtig, weil Männer sie
verteten.

Das ist richtig.

Wüsstest Du ein bisschen über theoretische Grundlagen von Geschichts- und
Sozialforschung, würde Dir der Fehler bewusst werden. Sozialwissenschaften
funktionieren nicht nach naturwissenschaftlichen Prinzipien. Gesellschaft
besteht aus Individuen, die Selbstverständigungsdiskurse abhalten, welche
Wahrnehmung und Handlungsweise beeinflussen. Gesellschaft unterliegt
keinen Gesetzmäßigkeiten im nat.wiss. Sinn, sind nicht experimentell
reproduzierbar. Bezug zum Forenthema: Weshalb gibt es einen Feminismus?
Männerbewegung = Unsinn, da nicht allg. durchgesetzt? Und: Auch
naturwissenschaftliche Erkenntnisse müssen keineswegs überzeugen.
Homöopathie z.B. "belegt" in einer Studie nach der anderen ihre
Wirksamkeit (obwohl es chemisch Schwachsinn ist), in den USA arbeiten sich
die IDler gerade in die Lehrpläne.

Du verwechselst Sozialwissenschaft mit Geschichtsforschung, das heißt einem rationalen faktenbasierten Forschungszweig, der heute u.a. mit modernsten Methoden der Technik arbeitet. Geschichtswissenschaft und aufrichtige Historiker interessiert sich nur für die Wahrheit und nicht wie diese in der Gesellschaft aufgenommen wird. Diejenigen, die mit bestimmten Ergebnissen dann nicht umgehen können, unterstellen anderen eine Ideologie, weil sie ihre eigenen nämlich in Gefahr sehen, aber die Geschichtswissenschaft als solche verfolgt selber keine! Deswegen wird ja die "Freiheit der Forschung" so sehr angepriesen, deswegen verbietet man ja Kirche und Co. ihre Weltbilder der Forschung aufzuzwängen - sonst würde man ja heute immer noch glauben, der Mittelpunkt des Universums sei die Erde.

Du unterstellst pauschal der Holocaustleugnung die Verfolgung einer Ideologie, genauso wie es der Staat pauschal tut, ohne sich genötigt zu sehen, mit den Argumenten derer auseinanderzusetzen. Letzten Endes ist es ja alles eine Frage der Perspektive. Der Staat sagt, Holocaustleugner ignorieren Quellen. Die Holocaustleugner sagen, der Staat unterdrückt neue Beweise (z.B. forensischer Natur oder Widerspruch in Quellen). Und wer hat Recht? Offenbar der Stärkere, der den Schwächeren einsperrt! Wenn du das als erstrebenswert erachtest? Ich nicht, denn so entstehen Diktaturen. Wenn Meinungen verboten werden, entstehen Diktaturen, oder wir haben halt so etwas wie im Mittelalter: eine Inquisition.

Bedenklich finde ich vor allem Deine intellektuelle Myopie. Falls Du
tatsächlich nicht weiter als bis zur nächsten Ecke denken kannst, hier in

Fazit: Du gehst nicht auf das Thema ein. Auch um Punkt 1 geht es nicht.

2) Leugnung des Holocaustes ungleich Rechtfertigung. Zusammenhang?

Strafmaß? Rechtsstaat? Irgendwie vergessen?

3) Die durch die Leugnung ausgeübte Gewalt ist indirekt. Die begangene
Gewalt, für die es Zeugnisse gibt, wird nivelliert; den Überlebenden die
Authentizität ihrer Erfahrung abgesprochen; die Opfer verharmlosend
"wegerklärt". ("Viele sind ja auch an Krankheiten oder Unterernährung
gestorben" usw., während einerseits unter den Tisch fällt, dass der Grund
ihrer Internierung lediglich ethnische Abstammung, sexuelle Orientierung,
intellektuelle Ausrichtung etc. war, andererseits der Tod durch
unmenschliche Bedingungen dem gezielten Genozid in keiner Beziehung
ethisch überlegen ist.)

Wenn dem so wäre, warum rechtfertigt das, eine bestimmte Opfergruppe in den Schutz zu nehmen, und andere nicht? Warum dürfen z.B. Amerikaner die Atombombenabwürfe als gut bezeichnen, obwohl diese ausschließlich auf die Vernichtung zivilen Lebens abzielten? Oder warum darf man den Mongolensturm als herrlich bezeichnen, ohne dafür ins Gefängnis zu kommen? Oder warum dürfen Linke und Autonome bzgl. Dresden sagen: "Harris, do it again!" oder z.B. den Stalinismus straflos glorifizieren? Gibt es Unterschiede bei den Opfern oder ist ein Toter einer bestimmten ethnischen Gruppe weniger beachtenswert als dasjenige einer anderen Gruppe? Ist ein Mensch, welcher aufgrund rassischer Motive getötet wurde, beachtenswerter als ein Mensch, der aufgrund ideologischer Motive getötet wurde?

Abgesehen davon: in vielen Ländern - wie z.B. Spanien, USA - ist Holocaustleugnung von der Meinungsfreiheit abgedeckt. Warum hier nicht?

Gilt nun der Gleichheitsgrundsatz und die anderen edlen Ziele des Grundgesetzes, wie Meinungsfreiheit etc., oder gelten sie bei uns eben doch nicht?

"Argumente" wie die, die Du teilweise anführst ("Wen beleidigt es denn?"
), beziehen ihre "Überzeugungskraft" aus dem mangelnden Widerspruch der
Opfer; bedingt durch den natürlichen Alterungsprozess können sich in
wenigen Jahren keine direkten Zeitzeugen mehr äußern. Die Tatsachen werden
dadurch jedoch nicht beeinflusst, dass niemand mehr Widerspruch
einlegt/einlegen kann/darf?!

Tatsachen werden generell nie beeinflusst. Dinge sind geschehen oder sie sind eben nicht geschehen. Tatsachen können nur vertuscht werden.

Peinlich ist mir in erster Linie, durch die Beschäftigung mit dem Thema
dieses Forums mit Leuten wie Dir irgendwie in Bezug gesetzt zu werden.
Haltungen wie diese lassen mich zweimal nachdenken, bevor ich jemanden auf
dieses Forum (bzw. das alte) aufmerksam mache.

Also Fazit: Du bist dafür, Menschen aufgrund bestimmter Meinung bzgl. Vergangener Geschehnisse ins Gefängnis zu werfen, ich bin dagegen und favorisiere den Disput. Deswegen willst du nicht mir in Bezug gesetzt werden. Ich akzeptiere das.

Ich sage nur noch eines: solang jemand die Meinung vertritt, andere Menschen aufgrund von Gedanken, Weltanschauungen oder Äußerungen betreffend der Vergangenheit ins Gefängnis zu werfen, der braucht sich nicht über den Feminismus zu beschweren, er bekommt nur vermindert oder in voller Größe das, was er anderen zumutet. Der hat schlicht und ergreifend nicht begriffen, dass es eben eine prinzipielle Frage ist, die, wenn sie einmal angetastet wird, d.h. vom Zeitgeist vereinnahmt wird, dann plötzlich unantastbaren "Wahrheiten" entstehen; wenn man denen dann wiedersprechen will, wird man plötzlich selbst zum Opfer oder Verfolgten.

Ergebnisse sind dann "Suspendierungsforderungen", nur weil man etwas feminismuskritisches geäußert hat. Oder Einführung der Sterbehilfe einschließlich Mißbrauch, weil man Abtreibung und damit die Unantastbarkeit menschlichen Lebens verletzt hat. Oder eben die Einkerkerung ins Gefängnis, weil man die Überzeugung vertritt, dass die Geschichte in bestimmten Punkten einen anderen Verlauf hatte. Oder es werden eben Menschen an den Pranger gestellt, weil die Aussage "Juden und Deutsche sind kein Tätervolk" als antisemitisch tituliert wurde. Es ist ein und dasselbe Problem: ein prinzipielles. Verletzt man Prinzipien, geschehen genau diese Dinge, über die sich hier alle in diesem Forum jeden Tag beschweren.

Wer nicht fähig ist, Zeitgeist abzulegen, wird stets selbst ein Hetzer sein - ohne es zu wissen. DAS ist das Problem jeder Gesellschaft. Ob Rassismus unter dem Nationalsozialismus, ob Verfolgung und Anprangerung Andersdenkender in DDR und BRD, oder ob Feminismus. Es sind alles Probleme, die aus ein und dem selben Mist und der gleichen menschlichen Schwäche entstanden sind.

Magnus


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