Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Leider nicht begriffen worum es geht. - allerdings!

Magnus, Friday, 19.05.2006, 01:41 (vor 6524 Tagen) @ Andreas Reich

Wer doch mal konkret - welcher Historiker geht hier ohne ihn anzuhören ins
Gefängnis, nur weil er eine andere Interpretation einzelner historischer
Fakten hat (das würde übrigens eine ganz eindeutige Wahrheit(TM)
voraussetzen - die es im wirklich wissenschaftlichen Bereich nicht gibt)?

Zwischen einer "Anhörung" und einem fairen Prozess liegen Welten, das muss ich dir, denke ich, nicht erklären. Wenn z.B. jemand Widersprüche von Zeugenaussagen feststellt, die angeblich der gegenwärtigen Darstellung des Holocaustes widersprechen aber in den Nürnberger Prozessen als Urteilsentscheidend aufgenommen wurden, so kommt dieser ins Gefängnis und sein Buch wird verboten. (siehe z.B. Jürgen Graf "Auschwitz - Tätergeständnisse und Augenzeugen des Holocaust".) Ich finde diesen Vorgang nicht richtig. Man sollte dieses Buch nicht vebieten, sondern darüber debattieren.


Entschuldige bitte, aber das ist Blödsinn. Erstens: Keine Verwechslung.
Sozialwissenschaftliche Methoden finden auch nicht erst seit gestern
Anwendung in der Geschichtswissenschaft. Zweitens: Die modernsten Methoden
der Technik - interessant. Worauf bezieht sich das? Altersbestimmung?

Ja, z.B. Daneben gibt es noch forensischer Untersuchungen jeder Art (biologisch, chemisch, geologisch), Kriminalistik, Echtheitsbestimmung von Dokumenten, Fotos etc. Ein gutes Beispiel dafür stellt "Ötzi" dar, wo die Wissenschaftler durch gezielte Untersuchung, Nachstellung des möglichen Tatablaufs den Umstand des Todes und die letzen Stunden zu rekonstruieren versuchen und sogar Ansätze herausfanden, was Ötzi für ein Mensch war, was ihn tötlich getroffen hat usw. Die Geschichtswissenschaft nutzt also immer den neusten Stand der Technik. Ob es nun z.B. Lampenschirme aus Menschenhaut gegeben hat oder nicht, kann man ja heute leicht mit Hilfe der Genetik nachprüfen. Keine Ahnung, ob das gemacht wurde, nur war diese Geschichte - wie ja später irgendwann zugegeben - nur erfunden. Es hat sich nur lange gehalten, teilweise noch bis heute. Lampenschirme aus Menschenhaut hat man nie gefunden.

Dass
historische Fakten für sich ständen und keiner Interpretation noch der
Anwendung verschiedener Theorien bedürften, willst Du aber nicht
behaupten, oder?!! - Und "aufrichtige" Historiker interessierten sich also
nur für die Wahrheit(TM)? - Mann, Mann, Mann ...

Ja, nur aufrichtige Historiker streben nach der Wahrheit. Unaufrichtige Historiker, meist Historiker, die in Abhängigkeit stehen (z.B. zum Staat, Lehrstuhl etc), wie z.B. Wolfang Benz, sind angehalten eben bestimmte Ergebnisse vorzuhalten. Also nach dem Motto: "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing". Aufrichtige, meist unabhängige Historiker, wie z.B. Jörg Friedrich, würden sogar ihre Reputation riskieren, solange sie sich der Wahrheit verpflichtet fühlen. Sie ordnen sich nicht dem Zeitgeist oder Staat unter, sondern benennen Dinge beim Namen.


Trennen wir mal ein paar Sachen: a) Die Geschichtswissenschaft war - wie
andere Wissenschaften auch - in ihrer Geschichte sehr wohl auch
ideologiegeleitet.

Das ist falsch oder sehr euphemistisch ausgedrückt. Wissenschaft war nie, oder nur sehr selten, ideologiebegleitet. Wissenschaft musste sich jedoch meistens einer Ideologie, die von außen aufgezwungen wurde, unterordnen. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

b) Mit solchen Psychologisierungen kannst Du übrigens alles so
drehen, wie Du brauchst: Jede Ideologiekritik wird damit unmöglich, da es
immer als Projektion des Anklägers gedeutet werden kann. Dann wäre der Dir
wohl vorschwebende "Idealzustand", in dem Meinung gleichberechtigt und ohne
Wertung neben Meinung steht, erreicht. Mit Wahrheitsfindung hat dies
allerdings nichts mehr zu tun.


Auch das ist falsch, sogar ausgemachter Blödsinn und nie meine Intention. Wenn du offenbar unter gleichberechtigter Meinung die Abwesenheit von Wertung, Streit und Disput verstehst, dann ist das eine ziemliche langweilige Vorstellung von Demokratie und Pluralismus. Gleichberechtigt bedeutet gleichberechtigt Streiten zu dürfen, DAS ist für mich der Idealzustand. Den anderen aber ins Gefängnis zu werfen oder mit hilfe subtile Methoden und PC zu diskreditieren, weil seine Meinung angeblich ein Straftatbestand darstellt oder nicht dem Zeitgeist entspricht, das ist doch kein Idealzustand, sondern tiefstes Mittelalter.

Freiheit der Forschung endet z.B. dort, wo sie Ressentiments vorbereiten
hilft oder direkt herbei führt. Die Haltung, die Überlebenden des
Holocaust als Lügner zu bezeichnen und ihre Berichte als pure berechnende
Fantasie, ist falsch verstandene Freiheit.

Aha. Dann haben also bspw. USA und Spanien, die Holocaustleugnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung verbinden, ihrer Freiheit falsch verstanden? Wie kommt es zu diesem Unterschied? Außerdem: die Vergasung zu leugnen würde nur wenige Holocaustüberlebende als Lügner hinstellen, die meisten haben nämlich nie einen Vergasungsvorgang gesehen, geschweige überlebt (da gibt es nur einen oder zwei, die das behaupten), sondern nur davon gehört.


Es gibt zahllose Filmdokumente und Berichte von ehemaligen KZ-Häftlingen,
ebenso den Befreiern. Sind das Fälschungen? Was wäre eine angemessene
Reaktion auf die fortgesetzte Behauptung, in den Konzentrationslagern
wären keine Menschen umgebracht worden?

Nein, es wurde zwar viel gefälscht, aber natürlich nicht alles. Nur Filmaufnahmen oder Dokumente, die ein Vergasung befehlen, dokumentieren oder zeigen, wirst du nicht finden. Die gibt es nicht oder wurden bis jetzt nicht gefunden. Es gibt aber Zeugenaussagen.

Wenn man Deine Schilderung liest, könnte man denken, jeden Tag gingen
Historiker zu Dutzenden prozesslos ins Zuchthaus, weil sie eine von
welcher Vorgabe auch immer abweichende historische Meinung verträten, auch
wenn diese begründet sei.


Prozesse gibt es schon. Aber ich habe geschildert, wie diese ablaufen. Legt sich der Verteidiger ins Zeug, wird er entlassen. Anträge auf angebliche Beweise werden abgelehnt oder nicht anerkannt. Richter und Staatsanwalt übernehmen oft die gleiche Aufgabe. Es gibt ja genügend Rechtsgelehrte, die diesen Zustand ebenso kritisieren, ihn sogar als verfassungsfeindlich bezeichnen. Dieser Meinung schließe ich mich an, da der derzeitige Zustand undemokratisch ist.

----> Fortsetzung


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