Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Gibt es Rassen ? Gibt es Geschlechter ?

Adam, Friday, 19.05.2006, 21:21 (vor 6548 Tagen) @ Freddy

Ein Phänomen kann unerklärbar sein, so daß man keine passende Beschreibung
dafür hat.

Eben. Und damit ist es dem geltenden Paradigma nicht einzuverleiben und bleibt auf Halde.

Dennoch kann man es nicht "unterschlagen", weil es ja immer noch

erfahrbar (d.h empirisch nachweisbar) ist. Platt gesagt: Ob wir Menschen

das Phänomen erklären können, ist dem Phänomen doch sch***egal.

Das ist doch in diesem Zusammenhang völlig falsch argumentiert. Ob dem Phänomen etwas egal ist - wen interessiert's. Die Feststellung eines Phänomens ist keine Wissenschaft, sondern eine reine Sinneswahrnehmung. Wir reden hier aber von Wissenschaft. Wer seine Sinneswahrnehmungen nicht in einen widerspruchsfreien Kontext gliedern kann, der kann sie nicht einmal "vernünftig" erfahren, geschweige denn eine Wissenschaft etablieren.

Theorienzu schaffen ist unsere Sache, nicht die Sache der Natur. (Ich habe noch
nie einen Physiker sagen hören: "Nein, dieses Phänomen sehen wir uns jetzt
*nicht* an, weil wir es noch nicht erklären können." )

Wir reden über WISSENSCHAFT, nicht über die Sachen der Natur! Und Wissenschaft ist eben unsere Sache. Die natur betreibt KEINE Wissenschaft. Und Wissenschaft kann eben nicht ohne Theorie.


Wissenschaft ist zunächst Beobachtung und die Sammlung von Daten.

Nein. Sie baut darauf auf. Mehr nicht. Damit aus Beobachtungen - die jedes Kleinkind ohne Wissenschaftler zu sein betreiben kann - Wissenschaft wird, bedarf es etwas mehr als Beobachtung. Mit Beobachtung und Datensammlung allein wären wir heute noch nicht einmal auf dem Niveau von Thales von Milet.

DieUrsachen der Phänomene braucht man für die Beobachtung der Phänomene gar
nicht zu kennen.

Nein. Natürlich nicht. Für's Essen brauch ich auch nicht zu wissen, was Brot enthält. Aber das ist eben NICHT Wissenschaft.


Was wir messen, IST so. Messen ist das Erfassen eines IST-Zustandes.

Unsinn. Wieso haben denn Generationen etwas anderes gemessen? Wieso gibt es Meßfehler. Wieso arbeiten gegenwärtig eine Reihe von seriösen Forschern daran, Theorien zu entwickeln aufgrund von Meßdaten, die die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit widerlegen. Wissenschaft ist im Fluß. Immer wieder werden alte vermeintliche IST-Zustände als unhaltbar entlarvt. Du solltest Dir mal den alltäglichen praktischen Wissenschaftsbetrieb ansehen.

Wassollte es auch sonst sein? Wenn ich ein Stück Holz ausmesse und die Länge
desselben 1 Meter ist,


Was ist denn ein Meter? Das ist auch definiert. Der Urmeter steht in einem Parisere Museum, und wir halten uns alle daran, diese Länge als Metermaß anzusehen.

dann ist das Stück Holz eben einen Meter lang. Und

solange wir bei der Lichtgeschwindigkeit einen konstanten Wert messen, ist

die Lichtgeschwindigkeit eben konstant.

Solange. DAS ist es doch eben. Morgen kann es anders sein, und damit ist der Paradigmenwechsel in der Physik eingeleitet. Nichts anderes war meine These.
Sorry, aber mir scheint, Du weißt gar nicht richtig, worauf es bei Kuhns Argumentation ankommt.

Das Argument ist natürlich

induktiv, nicht deduktiv, da hast Du recht. Die Lichtgeschwindigkeit ist

nicht konstant, weil wir es so wollen. Eben drum kann jede neue Messung
die Relativitätstheorie widerlegen.

Na also. Dies impliziert aber eben einen Paradigmenwechsel.


Newton ist aber nicht dasselbe wie Euklid. Newton ist physikalisch, also
induktiv und Euklid ist mathematisch, also deduktiv. Euklid kann nicht
falsch sein, wenn seine Prämissen wahr sind; diese kann man als wahr
annehmen, weil sie keinen Bezug zur Welt haben.

Nee. Wenn Prämissen wahr sind, können auch naturwissenschftliche Konklusionen nicht falsch sein, es sei denn jemand hat falsch gefolgert. Euklid ist schon vergleichbar. Dazu bedarf es des Unterschieds zwischen induktiven und deduktiven Wissenschaften nicht. Sondern nur, daß die Gesetze Euklids nur für einen Teilbereich, nämlich der Geometrie der Ebene gelten. Und Newtons Gesetze nur für einen Teilbereich, nämlich den unserer gewöhnlichen Dimensionen, nicht denen der Mikrowelt und auch denen des Weltalls. Aber klar, auch sonst bieten sie nur noch Näherungen, da unter dem neuen Pradigma Einsteins zu betrachten sind.

Newton andererseits hat

aber gerade diesen Bezug zur Welt, denn er will sie ja beschreiben.

Deswegen schließt er von seinen Experimenten auf den allgemeinen Fall. Er
jedoch versagt jedoch, weil seine Voraussagen bei ganz kleinen und ganz
großen Abständen nicht stimmen. Also ist Newton im allgemeinen falsch.
Trotzdem wird er noch gelehrt.

Im allgemeinen falsch, sag ich ja. Im allgemeinen falsch heißt aber: unter dem nun gültigen Paradigma der Relativitätstheorie, daß uns besser hilft, die Physik des Weltraums zu verstehen. Newton wird in Details weiter gelehrt, weil die Abweichungen, die sich für den sublunaren Raum ergeben, vernachlässigbar sind.

Woher hast Du denn den Satz, daß es in der wissenschaftlichen Praxis keine
Experimente gäbe?

Hast Du falsch verstanden. Du mußt weiterlesen. Es folgt bei mir ein "es sei denn..." Da wird die Bedingung angegeben, unter der experimentiert wird. Experimente ins Blaue hinein, wie Du sie offenbar forderst, gibt es nicht. Alle Experimente werden vor dem Hintergrund eines theoretischen Gerüsts gemacht. Anders haben sie keinen Sinn.

Das Paradigma von Newton, wenn Du so willst, wurde durch seine Erfahrungen
vorgegeben.

Die Newtonschen Theorie wird niemand einfach so in der Erfahrung vorfinden. Sie fällt nicht vom Baum wie der Apfel, der als Phänomen allenfalls einen Anstoß zu geben in der Lage ist. Wir Menschen sehen nicht nur, sondern wir können auch denken. Zwar sind Begriffe ohne Anschauung leer, doch gilt eben auch, daß Anschauungen ohne Begriffe blind sind, um hier mal den alten Kant zu bemühen. Wer sich hinsetzt und nur beobachtet, wird sich niemals zur Wissenschaft aufschwingen.

Er wollte die ganz alltägliche Erfahrungswelt beschreiben und

hatte keinerlei Erfahrungen mit sehr großen oder sehr kleinen Abständen,

weshalb er seine Theorie dort auch nicht überprüfen konnte.

Das ist nicht wahr. Newton ging es um die allgemeingültigen Gesetze der Physik, nicht um die alltäglichen Erfahrungen. Deswegen heißt sein Hauptwerk auch "Mathematische Prinzipiender Naturphilosophie. Die Mathematik ist eine A-priori-Wissenschaft und ihre Gesetze und Prinzipien finden wir nicht im Straßenstaub vor unserer Haustür. Was Newton gibt, ist nicht die Beschreibung von Beobachtungen, sondern die mathematische Konstruktion einer Theorie, die freilich experimental überprüfbar ist, oder wie Platon es wünscht: "mit den Phänomenen übereinstimmt", sie aber auch zu erklären in der Lage ist. Und diese Überprüfung kann schiefgehen, etwa wenn sich mittels des Newtonschen Paradigmas die Merkurbahn nicht verstehen läßt. DIES führt dann u.a. zur Etablierung eines neuen Paradigmas.


Die Theorie geht mitnichten der Praxis voran. Bei solchen Sätzen schlägt
meine positivistische Seite Alarm. ;-)

Der Positivismus weiß das ganz genau. Carnap war z.B. völlig klar, daß Beobachtungen nur innerhalb eines Theoriegerüstes für sich wissenschaftliche Geltung beanspruchen, ja anders gar nich mal verifiziert werden können. Lies doch mal seinen "Logischen Aufbau der Welt" und die Aufsätze, die er dann im Wiener Kreis verfaßt hat.

Das ist wirklich Minimalkonsenz jeder ernsthaften wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung.

Nichts für ungut!

Gruß
Adam


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