Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Gibt es Rassen ? Gibt es Geschlechter ?

Freddy, Friday, 19.05.2006, 22:49 (vor 6549 Tagen) @ Adam

Ein Phänomen kann unerklärbar sein, so daß man keine passende

Beschreibung

dafür hat.


Eben. Und damit ist es dem geltenden Paradigma nicht einzuverleiben und
bleibt auf Halde.

Verwendest Du "Paradigma" im Sinne von "Theorie"? Ich kann mir ja vorstellen, daß Phänomen A nicht in Theorie B hineinpaßt, aber was soll's?

Das ist doch in diesem Zusammenhang völlig falsch argumentiert. Ob dem
Phänomen etwas egal ist - wen interessiert's. Die Feststellung eines
Phänomens ist keine Wissenschaft, sondern eine reine Sinneswahrnehmung.
Wir reden hier aber von Wissenschaft. Wer seine Sinneswahrnehmungen nicht
in einen widerspruchsfreien Kontext gliedern kann, der kann sie nicht
einmal "vernünftig" erfahren, geschweige denn eine Wissenschaft
etablieren.

Das stimmt nicht ganz, meiner Meinung nach. Die Menschheit hat auch vor Newton schon ganz gut *ohne* Physik überlebt und demzufolge keine Wissenschaft betrieben, sondern nur Beobachtungen gemacht. Der widerspruchsfreie Kontext wird da gar nicht gefordert, sondern nur die Erfahrung. Die braucht man aber dann in jedem Fall. Ich glaube nichtmal, daß die niederen Lebensformen ihre Sinnesdaten "vernünftig" in Deinem Sinne verarbeiten...

Wir reden über WISSENSCHAFT, nicht über die Sachen der Natur! Und
Wissenschaft ist eben unsere Sache. Die natur betreibt KEINE Wissenschaft.
Und Wissenschaft kann eben nicht ohne Theorie.

Theorien sind aber lediglich Beschreibungen von Naturvorgängen.

Wissenschaft ist zunächst Beobachtung und die Sammlung von Daten.


Nein. Sie baut darauf auf. Mehr nicht. Damit aus Beobachtungen - die jedes
Kleinkind ohne Wissenschaftler zu sein betreiben kann - Wissenschaft wird,
bedarf es etwas mehr als Beobachtung. Mit Beobachtung und Datensammlung
allein wären wir heute noch nicht einmal auf dem Niveau von Thales von
Milet.

Gut, dann schaffen wir mit Hilfe der Beobachtungsdaten eine Theorie, um (z.B. in der Physik) eine mathematische Form zu haben.

Unsinn. Wieso haben denn Generationen etwas anderes gemessen? Wieso gibt
es Meßfehler. Wieso arbeiten gegenwärtig eine Reihe von seriösen Forschern
daran, Theorien zu entwickeln aufgrund von Meßdaten, die die Konstanz der
Lichtgeschwindigkeit widerlegen. Wissenschaft ist im Fluß. Immer wieder
werden alte vermeintliche IST-Zustände als unhaltbar entlarvt. Du solltest
Dir mal den alltäglichen praktischen Wissenschaftsbetrieb ansehen.

Meßfehler haben ihren Grund in der prinzipiellen Beschränktheit der Meßgeräte. Angenommen, die zu messende Größe ist kontinuierlich verteilt, aber Dein Meßgerät kann nur 5 Nachkommastellen anzeigen. Dann hast Du einen Meßfehler. Na und? Der Wert für die gemessene Größe kann vor 50 Jahren anders gewesen sein aufgrund eines altertümlichen Meßgerätes mit größeren Toleranzen. Na und?

Meines Wissens nach gibt es keine Meßdaten, die die Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit widerlegen. Hast Du Quellen dafür?

Was ist denn ein Meter? Das ist auch definiert. Der Urmeter steht in einem
Parisere Museum, und wir halten uns alle daran, diese Länge als Metermaß
anzusehen.

Es geht ja nicht um die Einheit, da kann man alles mögliche für nehmen (inch, yard usw.). Es geht darum, daß das Stück Holz überhaupt eine bestimmte Länge hat, die man feststellen kann.

Das Argument ist natürlich

induktiv, nicht deduktiv, da hast Du recht. Die Lichtgeschwindigkeit ist

nicht konstant, weil wir es so wollen. Eben drum kann jede neue Messung
die Relativitätstheorie widerlegen.


Na also. Dies impliziert aber eben einen Paradigmenwechsel.

Nö, das impliziert erstmal einen neuen Meßwert.

Newton ist aber nicht dasselbe wie Euklid. Newton ist physikalisch,

also

induktiv und Euklid ist mathematisch, also deduktiv. Euklid kann nicht
falsch sein, wenn seine Prämissen wahr sind; diese kann man als wahr
annehmen, weil sie keinen Bezug zur Welt haben.


Nee. Wenn Prämissen wahr sind, können auch naturwissenschftliche
Konklusionen nicht falsch sein, es sei denn jemand hat falsch gefolgert.

Die naturwissenschaftliche Konklusion kann logisch richtig, aber gleichzeitig empirisch falsch sein. Deshalb sage ich ja die ganze Zeit, daß es in erster Linie auf die Empirie ankommt: Im Zweifelsfall widerlegt ein einziges Experiment die ganze Theorie, so schön sie auch gewesen sein mag.

Euklid ist schon vergleichbar. Dazu bedarf es des Unterschieds zwischen
induktiven und deduktiven Wissenschaften nicht. Sondern nur, daß die
Gesetze Euklids nur für einen Teilbereich, nämlich der Geometrie der Ebene
gelten. Und Newtons Gesetze nur für einen Teilbereich, nämlich den unserer
gewöhnlichen Dimensionen, nicht denen der Mikrowelt und auch denen des
Weltalls. Aber klar, auch sonst bieten sie nur noch Näherungen, da unter
dem neuen Pradigma Einsteins zu betrachten sind.

Euklid ist deswegen nicht vergleichbar, weil man seine Theorie nicht korrigieren *muß*. Man *kann* z.B. das Parallelenaxiom weglassen und landet dann bei den nichteuklidischen Geometrien. Das ist aber bloß eine Spielerei, wie so oft in der reinen Mathematik. Newtons Theorie *mußte* aber korrigiert werden, weil sie mit gewissen Meßwerten nicht im Einklang stand. Ebendiese Weltbezogenheit der Phyik ist der Unterschied zur Mathematik.

Im allgemeinen falsch, sag ich ja. Im allgemeinen falsch heißt aber: unter
dem nun gültigen Paradigma der Relativitätstheorie, daß uns besser hilft,
die Physik des Weltraums zu verstehen.

Nein, falsch heißt hier: Empirisch falsch. Newton stimmt nicht mit der Erfahrung überein. Das hat mit Einstein nichts zu tun. Einstein wußte ja bereits, daß die Lichtgeschwindigkeit konstant ist (nämlich durch das Experiment von Michelson und Morley 1887, siehe hier:Link). Er hat es sich daraufhin zur Aufgabe gemacht, diese neuen Meßergebnisse zu erklären.

Hast Du falsch verstanden. Du mußt weiterlesen. Es folgt bei mir ein "es
sei denn..." Da wird die Bedingung angegeben, unter der experimentiert
wird. Experimente ins Blaue hinein, wie Du sie offenbar forderst, gibt es
nicht. Alle Experimente werden vor dem Hintergrund eines theoretischen
Gerüsts gemacht. Anders haben sie keinen Sinn.

Der Hintergrund ist in der Physik lediglich die mathematische Beschreibung von Naturvorgängen. Das Messen allein ist aber noch keine Theorie.

Er wollte die ganz alltägliche Erfahrungswelt beschreiben und

hatte keinerlei Erfahrungen mit sehr großen oder sehr kleinen Abständen,

weshalb er seine Theorie dort auch nicht überprüfen konnte.


Das ist nicht wahr. Newton ging es um die allgemeingültigen Gesetze der
Physik, nicht um die alltäglichen Erfahrungen. Deswegen heißt sein
Hauptwerk auch "Mathematische Prinzipiender Naturphilosophie. Die
Mathematik ist eine A-priori-Wissenschaft und ihre Gesetze und Prinzipien
finden wir nicht im Straßenstaub vor unserer Haustür. Was Newton gibt, ist
nicht die Beschreibung von Beobachtungen, sondern die mathematische
Konstruktion einer Theorie, die freilich experimental überprüfbar ist,
oder wie Platon es wünscht: "mit den Phänomenen übereinstimmt", sie aber
auch zu erklären in der Lage ist. Und diese Überprüfung kann
schiefgehen, etwa wenn sich mittels des Newtonschen Paradigmas die
Merkurbahn nicht verstehen läßt. DIES führt dann u.a. zur Etablierung
eines neuen Paradigmas.

Die Erkenntnis von Gesetzen kann nur aus der alltäglichen Erfahrung entstehen, nämlich wenn man merkt, daß bestimmte Dinge immer wieder gleich ablaufen. Es ist klar, daß Newton zunächst das beschrieben hat, was er selbst empirisch nachvollzogen hat. Die alltägliche Erfahrung beinhaltet bereits die Newtonsche Physik, nämlich Gravitation, Bewegungen, Kräfte und so weiter.

Die Theorie geht mitnichten der Praxis voran. Bei solchen Sätzen

schlägt

meine positivistische Seite Alarm. ;-)


Der Positivismus weiß das ganz genau. Carnap war z.B. völlig klar, daß
Beobachtungen nur innerhalb eines Theoriegerüstes für sich
wissenschaftliche Geltung beanspruchen, ja anders gar nich mal verifiziert
werden können. Lies doch mal seinen "Logischen Aufbau der Welt" und die
Aufsätze, die er dann im Wiener Kreis verfaßt hat.

Beobachtung ist bereits die Verifikation eines Zustandes. Wäre das nicht so, könnte man die Beobachtung auch gar nicht für die Überprüfung einer Theorie heranziehen, die ja ihrerseits ihre Daseinsberechtigung aus der Beobachtung erhält. Die Theorie ist nur dann wahr, wenn die Beobachtung wahr ist. Das heißt die Beobachtung an sich muß auf jeden Fall wahr sein, denn man kann keine naturwissenschaftliche Theorie zu etwas erstellen, was nicht beobachtbar ist. Naturwissenschaft möchte doch gerade Erfahrungen erklären und wo es keine Erfahrungen gäbe, könnte man auch nichts erklären.

Carnaps Buch möchte ich noch lesen und es steht schon seit einiger Zeit auf meiner Amazon-Wunschliste. Es wundert mich, daß er das Theoriegebäude für notwendig erachtet, wo doch sonst der Positivismus als radikal empiristisch gilt.

Gruß,
Freddy


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