Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Gleichberechtigung in der Steuerpolitik

Rainer ⌂, Sunday, 28.05.2006, 01:49 (vor 6553 Tagen)

Hallo

Analogien zum Feminismuss:

Steuererleichterung in der Praxis

Lassen Sie uns die geplanten Steuererleichterungen einmal in Worte fassen, die jeder verstehen kann.
Es waren einmal 10 Männer, die jeden Tag miteinander zum Essen gingen und die Rechnung für alle
zusammen betrug jeden Tag genau 100,00 Euro.

Die Gäste zahlten ihre Rechnung wie wir unsere Steuern und das sah ungefähr so aus:

Vier Gäste (die Ärmsten) zahlten nichts.
Der Fünfte zahlte 1 Euro.
Der Sechste 3 Euro.
Der Siebte 7 Euro.
Der Achte 12 Euro.
Der Neunte 18 Euro.
Der Zehnte (der Reichste) zahlte 59 Euro.

Das ging eine ganze Zeitlang gut.

Jeden Tag kamen sie zum Essen und alle waren zufrieden. Bis - der Wirt Unruhe in das Arrangement
brachte in dem er vorschlug, den Preis für das Essen um 20 Euro zu reduzieren. "Weil Sie alle so
gute Gäste sind!" Wie nett von ihm! Jetzt kostete das Essen für die 10 nur noch 80 Euro, aber die
Gruppe wollte unbedingt beibehalten so zu bezahlen, wie wir besteuert werden. Dabei änderte sich für
die ersten vier nichts, sie aßen weiterhin kostenlos.
Wie sah es aber mit den restlichen sechs aus?
Wie konnten sie die 20 Euro Ersparnis so aufteilen, dass jeder etwas davon hatte?
Die sechs stellten schnell fest, daß 20 Euro geteilt durch sechs Zahler 3,33 Euro ergibt.
Aber wenn sie das von den einzelnen Teilen abziehen würden, bekämen der fünfte und der sechste Gast
noch Geld dafür, dass sie überhaupt zum Essen gehen.
Also schlug der Wirt den Gästen vor, dass jeder ungefähr prozentual so viel weniger zahlen sollte
wie er insgesamt beisteuere. Er setzte sich also hin und begann das für seine Gäste auszurechnen.
Heraus kam folgendes:

Der Fünfte Gast, ebenso wie die ersten vier, zahlte ab sofort nichts mehr (100% Ersparnis). Der
Sechste zahlte 2 Euro statt 3 Euro (33% Ersparnis). Der Siebte zahlte 5 statt 7 Euro (28%
Ersparnis). Der Achte zahlte 9 statt 12 Euro (25% Ersparnis). Der Neunte zahlte 14 statt 18 Euro
(22% Ersparnis). Und der Zehnte (der Reichste) zahlte 49 statt 59 Euro (16% Ersparnis). Jeder der
sechs kam günstiger weg als vorher und die ersten vier aßen immer noch kostenlos. Aber als sie vor
der Wirtschaft noch mal nachrechneten, war das alles doch nicht so ideal wie sie dachten. "Ich hab'
nur 1 Euro von den 20 Euro bekommen!" sagte der sechste Gast und zeigte auf den zehnten Gast, den
Reichen. "Aber er kriegt 10 Euro!" "Stimmt!" rief der Fünfte. "Ich hab' nur 1 Euro gespart und er
spart sich zehnmal so viel wie ich." "Wie wahr!!" rief der Siebte. "Warum kriegt er 10 Euro zurück
und ich nur 2? Alles kriegen mal wieder die Reichen!" "Moment mal," riefen da die ersten vier aus
einem Munde. "Wir haben überhaupt nicht bekommen. Das System beutet die Ärmsten aus!!" Und wie aus
heiterem Himmel gingen die neun gemeinsam auf den Zehnten los und verprügelten ihn.

Am nächsten Abend tauchte der zehnte Gast nicht zum Essen auf. Also setzten die übrigen 9 sich
zusammen und aßen ohne ihn. Aber als es an der Zeit war die Rechnung zu bezahlen, stellten sie etwas
Außerordentliches fest: Alle zusammen hatten nicht genügend Geld um auch nur die Hälfte der Rechnung
bezahlen zu können! Und wenn sie nicht verhungert sind, wundern sie sich noch heute.

Und so, liebe Kinder, funktioniert unser Steuersystem. Die Menschen, die hier die höchsten Steuern
zahlen, haben die größten Vorteile einer Steuererleichterung. Wenn sie aber zu viel zahlen müssen,
kann es passieren, dass sie einfach nicht mehr am Tisch erscheinen.

In der Schweiz und in der Karibik gibt es auch ganz tolle Restaurants.

Auch in anderen Ländern haben Mütter hübsche Töchter;-)

Rainer

--
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Kazet heißt nach GULAG jetzt Guantánamo

Gleichberechtigung in der Steuerpolitik

Garfield, Tuesday, 30.05.2006, 22:40 (vor 6550 Tagen) @ Rainer

Hallo Rainer!

Hm, ich sehe da keine richtigen Parallelen zum Feminismus. Außerdem ist das Ganze sowieso eine Milchmädchenrechnung. Tatsächlich ist es nämlich so, daß die Reichen effektiv gar keine Steuern zahlen.

Grob kann man Menschen mit extrem hohem Einkommen und Vermögen in zwei Gruppen unterteilen:

Die eine Gruppe hat Unternehmen und erzielt ihre Einkommen vor allem dadurch.

Die zweite Gruppe lebt von (oft ererbtem) Geld, also von Zinseinkünften.

Es gibt natürlich auch Leute, auf die beides zutrifft. Aber für die gilt das folgende dann quasi doppelt.

Besitzer von Unternehmen zahlen theoretisch natürlich schon Steuern, und das nicht zu knapp. Aber woher nehmen sie das Geld dafür? Geht der Chef nebenbei noch irgendwo jobben, um diese Steuern zu erarbeiten? Oder gönnt er sich selbst nur ein Einkommen auf Sozialhilfeniveau? Natürlich nicht, denn so könnte er die Steuersumme ja nie und nimmer aufbringen. Was tut er also: Er verkalkuliert die Steuern. Zum einen setzt er die Preise so an, daß sämtliche Steuern bezahlt werden können, zum anderen setzt er aber auch die Löhne seiner Mitarbeiter so an, daß nach Abzug von Steuern, Lohn- und sonstigen Kosten noch genügend Gewinn übrig bleibt. Effektiv zahlen die Steuern also die Kunden und/oder die Mitarbeiter des Unternehmens, letztere indirekt mit ihrer Arbeit, erstere direkt mit ihrem Geld. Sind die Kunden ebenfalls Unternehmen, dann verkalkulieren die diese + ihre eigenen Steuern natürlich genauso. Am Ende kommen sie bei denjenigen an, die nichts mehr verkalkulieren können - und das sind nur zum geringen Teil Reiche.

Zum Teil aber eben doch. Das sind dann diejenigen, die kein Unternehmen haben, aber von Zinseinkünften für hohe Geldvermögen leben. Dafür zahlen sie Steuern, die dann von den Zinsen abgezogen werden. Zusätzlich zahlen sie natürlich noch Steuern, wenn sie irgendetwas kaufen. Die gehen dann auch von den Zinseinkünften ab. (Sogar dann, wenn das Geld auf schwarzen Konten liegt.) Aber haben sie diese Zinsen erarbeitet? Nein - das tun andere für sie. Nämlich diejenigen, die Kredite aufgenommen haben und dafür nun Zinsen zahlen. Wenn das Unternehmen sind, verkalkulieren sie die Kosten für die Kredite natürlich ebenfalls in Preisen und Löhnen, geben sie also weiter. Auch diese Kosten landen somit am Ende bei denen, die nichts verkalkulieren können.

So kommt es, daß Reiche tatsächlich effektiv keine Steuern zahlen. Erwerbslose, Rentner usw. zahlen effektiv auch keine Steuern, weil sie ihr Geld aus öffentlichen Kassen bekommen. Die werden effektiv aber eben nicht von den Reichen gefüllt (siehe oben). Wer bleibt also als universeller Effektiv-Zahler übrig: Alle sogenannten abhängig Beschäftigten. Nur einige wenige von ihnen bekommen exorbitant hohe Gehälter und können sich so unterm Strich doch zu den Profiteuren des Systems zählen. Für die Masse ist es ein Verlustgeschäft - sie tragen sämtliche Steuern und sonstige Kosten. Und da sie immer weniger werden, bleibt folgerichtig für den Einzelnen von ihnen immer weniger Geld bzw. Besitz übrig.

Wenn die Geschlechterproblematik ähnlich aussähe, dann müßte es so sein, daß die Männer sich tatsächlich ein schönes Leben auf Kosten der Frauen machen. Alice Schwarzer hätte also völlig recht.

Freundliche Grüße
von Garfield

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