Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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@Bonaventura

Garfield, Monday, 15.05.2006, 14:45 (vor 6549 Tagen)

Hallo Bonaventura!

"Du fragst, wie man einen Sklaven (vergleichsweise für eine Hausfrau) am besten motivieren kann..."

Ähem, das mit dem Sklaven bezog sich nicht auf Hausfrauen! Eher im Gegenteil: Ich meine damit diejenigen, die die Hausfrauen finanzieren! Also quasi die Sklaven der Hausfrauen!

"...an denen du beweisen willst, daß niemand Sklave sein möchte."

Nein, darum ging es nicht. Ich meinte das Wort "Sklave" jetzt vor allem im negativen Sinne. Sicher finden es manche Menschen zuweilen auch angenehm anderen zu dienen - aber das ist wieder ein ganz anderes Thema.

"Und ich unterstelle: anders als ein Sklave will sie es auch eine sein!"

Das mag auf manche Frauen zutreffen, aber darum ging es mir eben nicht. Außerdem trifft es nicht auf alle Frauen zu. Umgekehrt gibt es durchaus auch Männer, die sich in der Sklavenrolle wohlfühlen.

"Hälst du es für möglich, daß Männer und Frauen, hormonbedingt oder wie auch immer - mir liegt es fern, in die Biologie abzuschweifen - nicht nur körperlich, sondern auch seelisch prinzipiell anders konstituiert sein könnten als Männer?"

Ja. Die uralte Aufgabenverteilung zwischen Frau und Mann und vor allem die Reproduktionsaufgabe der Frau machten dies nötig.

"Und daß sie dann <b>naturgegeben</b>, ganz ohne irgendwelche Rollenerziehung, ja ggf. <b>entgegen Rollenzwang und -erziehung</b> dem Manne "dienen" wollen ?"

Das ist nicht dasselbe. Die alte Aufgabenverteilung bedingte ja eben, daß Männer und Frauen sich gegenseitig dienten. Es gibt da aber einen Unterschied: Der Reproduktionsaufgabe der Frau hat sich nie wesentlich geändert, und deshalb ist der Drang, diese Aufgabe zu erfüllen, als instinktiver Wunsch in vielen Frauen vorhanden. Die Gesellschaft trägt natürlich noch weiter dazu bei, daß dieser Wunsch verstärkt wird, auch heute noch.

Die Aufgabe des Mannes hat sich nur grob gesehen nicht verändert. Er ist nach wie vor Ernährer und Beschützer, aber die Mittel und Tätigkeiten zur Erfüllung dieser Rollen haben sich immer wieder geändert. Somit konnte sich in keinem Mann der instinktive Wunsch herausbilden, beispielsweise an einer Maschine zu stehen und diese zu kontrollieren. Instinkte bilden sich nun einmal nur über einen langen Zeitraum durch natürliche Auslese heraus, und vor hunderttausenden von Jahren gab es noch keine Maschinen, die von Männern kontrolliert werden mußten.

Wenn nun heute also eine Frau mit einem Kind zu Hause bleibt, dann wird das von ihr häufig als befriedigend empfunden. Zumindest für einige Zeit. Wenn der Mann währenddessen das Geld heranschafft, dann kann es natürlich zufällig sein, daß ihm sein Job Freude macht und daß er das somit auch als befriedigend empfindet. Es kann aber genausogut auch sein, daß ihn der Job langweilt, daß er ihn also nur als Zwang empfindet. Wer ist dann tatsächlich mehr Sklave: Der Mann oder die Frau?

"Es gibt einfach Menschen, die dienen gerne, <b>ohne damit ihre Würde preiszugeben.</b> Dafür erhalten sie nämlich eine verdiente (allerdings nicht unbedingt finanzielle) Anerkennung."

Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden.

"Die weltweit übliche Meinung ist, daß sich unter denen, die dienen, eher Frauen als Männer finden. Und deine Meinung?"

Stell dir mal vor, du interessierst dich sehr für Geschichte und für alte Bücher. Nun bittet dich ein Sammler wertvoller alter Bücher, seine Sammlung zu sortieren und zu katalogisieren. Er kann dir aber nichts dafür zahlen. Wenn du es für ihn tust, dienst du ihm ja theoretisch damit. Praktisch tust du das aber auch, weil du so die Möglichkeit hast, in diesen alten Büchern zu lesen. Du dienst dir also gleichzeitig auch selbst. Tatsächlich wirst du es mehr für dich selbst als für diesen Sammler tun - du bist also nicht sein Sklave.

Wie ist das nun aber, wenn du etwas tun mußt, was dir direkt gar keinen Nutzen bringt? Wenn du eben, um Frau und Kinder zu ernähren, irgendeinen schmutzigen, ungesunden, gefährlichen und womöglich noch miserabel bezahlten Job erledigen mußt? Laut Statistik sind übrigens die Mehrzahl solcher unbeliebten Jobs Männer-Domänen...

Angesichts dessen stellt sich mir nicht mehr die Frage, wer sich wirklich häufiger in einer dienenden Position wieder findet. Ich frage mich viel mehr, wie man darauf kommen kann, daß dies die Frau sein könnte!

Freundliche Grüße
von Garfield

Herrschen anstrengender als dienen

Bonaventura, Wednesday, 17.05.2006, 02:46 (vor 6547 Tagen) @ Garfield

Hallo Garfield !

Ich möchte mich entschuldigen, daß ich so spät antworte. Aber ich bin gezwungen, mein Studium teilweise selbst zu finanzieren und ab und zu mal Möbel zu schleppen. So gestern von 15-24h, Behördenumzug. Da es ohne Pause lief und ich heute wieder zur Uni ging (morgen muß/darf/will ich zugleich meinen Sohn betreuen, so wie am letzten Wochenende), bin ich noch ziemlich erschöpft. Seltsam ist, daß BAföG-Bezug an die Bedingung geknüpft ist, das Studium schnellstmöglich abzuschließen, anderseits der Auszahlungsbetrag so niedrig ist, daß man ohne Erwerbsttätigkeit nicht über die Runden kommt und das Studium wahrscheinlich dann doch länger dauert.

Angesichts dessen stellt sich mir nicht mehr die Frage, wer sich wirklich
häufiger in einer dienenden Position wieder findet. Ich frage mich viel
mehr, wie man darauf kommen kann, daß dies die Frau sein könnte!

In deskriptiver (die Tatsachen beschreibender) Betrachtung dient der Mann heute der Frau, keine Frage; in normativer Betrachtung (so sollte es sein) ist und bleibt es die Frau. Wobei das Dienen angenehmer und gesünder sein kann als das Herrschen !

Das Begriff "Sklaverei" führt uns in vorliegendem Zusammenhang nicht weiter.

Vergegenwärtige dir einmal die Szene, da Jesus seinen Jüngern die Füße wusch. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, daß das ontologisch (seinsmäßig) Höhere auf dem Niederen beruht (!) und auf es angewiesen ist, insofern Dank verdient. Das heißt: Das seinsmäßig Höhere ist nicht zugleich axiologisch (wertmäßig) das Höhere ! Petrus hat das nicht sofort begriffen und ganz dumm gefragt: Wieso wäschst du mir nicht auch den Kopf ?

Also: wer hierarchisch, seinsmäßig, ontologisch höhersteht (oder dies jedenfalls von sich meint), der steht wertmäßig, axiologisch deswegen nicht höher: Das ist die Basis-Botschaft des Christentums.

Allerdings ist, wer 6-7 Jahre früher stirbt - nicht unbedingt am Kreuz, versteht sich; das Dasein ist ja ohnehin ein Kreuz -, der ist allein dadurch kein Christ; das wäre er erst, wenn er sich bewußt und freiwillig für die Kreuzigung bzw. den vorzeitigen Tod entscheiden würde. Aber dafür müßte man dann individuelle Gründe haben. Wer ohne Bewußtsein und Wille vorzeitig stirbt, ist Sklave aus selbstverschuldeter Unmündigkeit.

Wer den Unterschied zwischen Seinshöhe und Werthöhe erkennt, wird kein Problem mehr damit haben, zu akzeptieren, daß die Welt hierarchisch geordnet ist. Das ist auch das einzige Mittel gegen den Nihilismus, wovon der Sexismus nur die bisher tendenziell gefährlichste Erscheinung ist.

Grüße

Bonaventura

Herrschen anstrengender als dienen

Garfield, Wednesday, 17.05.2006, 12:56 (vor 6547 Tagen) @ Bonaventura

Hallo Bonaventura!

"Ich möchte mich entschuldigen, daß ich so spät antworte."

Kein Problem - besser spät als nie! :-)

"Wer den Unterschied zwischen Seinshöhe und Werthöhe erkennt..."

Du hattest diesen Unterschied am Beispiel des Christentums erläutert. Das ist in der Tat ein gutes Beispiel. Das frühe Christentum war offensichtlich eine Art Widerstandsbewegung gegen die etablierten Mächtigen. Deshalb betonte man auch die Bedeutung der unteren Schichten. Wieso aber mußte man diese Bedeutung dermaßen betonen? Wieso diese Fußwäsche-Geschichte? Ganz offensichtlich war das nötig, weil viele Menschen - und zwar auch in den unteren Schichten - die bestehenden Verhältnisse als normal und natürlich ansahen. So daß sie sich eben mehr oder weniger willig in die bestehenden Hierarchien fügten. Um sie aus dieser Haltung heraus zu bekommen, mußte man ihnen verdeutlichen, daß sie auch Menschen von Bedeutung sind. Und nicht nur das: Dies zu betonen, war ja überhaupt nur deshalb nötig, weil Menschen der niederen Schichten eben allgemein praktisch als minderwertig betrachtet wurden! Es ging also anfangs gar nicht darum, einen Unterschied zwischen Seinshöhe und Werthöhe zu zeigen, sondern eben gerade diesen Unterschied abzuschaffen! Indem man nämlich auch die Menschen in den unteren Schichten dazu ermutigte, ihre Bedeutung zu erkennen und eine entsprechende Stellung und Wertschätzung einzufordern. Und damit eben ihre Seinshöhe ihrer Werthöhe anzupassen.

Aus diesem Grunde bekämpften die Mächtigen das Christentum anfangs. Bis man dann auf die Idee kam, das Christentum zur Staatsreligion zu erklären, die christlichen Führer in die Reihen der oberen 10.000 aufzunehmen und sie so zu korrumpieren.

Von da an verbreiteten die höheren und niederen christlichen Würdenträger zunehmend die Theorie von einer gottgegebenen Ordnung, die der Mensch nicht antasten dürfe. Das mit der Differenz zwischen Werthöhe und Seinshöhe griff man auf, verkehrte seinen Sinn aber ins Gegenteil. Man tröstete die Menschen der unteren Schichten jetzt damit, daß sie zwar eine geringe Seinshöhe hätten, daß aber ihre Werthöhe eigentlich mindestens genauso hoch wäre wie die der oberen 10.000. Gott würde die Armen sogar ganz besonders lieben, und alle diejenigen, die sich auf ihre Kosten bereichern, nach dem Tode ganz übel bestrafen. So fügten sich viele Menschen in den unteren Schichten in ihr Schicksal, in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach dem Tod, in dem sie die Herren sein würden.

Für mich zählt lediglich der Ist-Zustand, also das, was du offenbar als Seinshöhe bezeichnest. Von einem Wert, den mir vielleicht irgendjemand theoretisch zuspricht, habe ich nichts. Und so sehe ich eben auch die Verhältnisse zwischen Mann und Frau unter dem Aspekt, wer tatsächlich wem mehr dient. Wie das alles theoretisch dargestellt wird, ist für mich vollkommen irrelevant.

Um es mal ganz klar zu formulieren: Wenn ich irgendeinen Scheißjob mache und damit meiner Frau ein bequemes Leben auf der Couch vor dem Fernseher ermögliche, dann fühle ich mich dabei als ihr Diener. Wenn mir dann jemand erzählt, daß ich ja der Herr im Hause wäre, dann ist das für mich nur eine hohle Phrase, die rein gar nichts an der Realität ändert. Auch wenn meine Frau mir Butterbrote für die Arbeit mitgibt und mir abends Essen kocht, bleibt es real immer noch so, daß ich ihr mehr diene als sie mir.

Freundliche Grüße
von Garfield

Herrschen anstrengender als dienen

Bonaventura / Thomas lentze, Thursday, 18.05.2006, 13:20 (vor 6546 Tagen) @ Garfield


Um es mal ganz klar zu formulieren: Wenn ich irgendeinen Scheißjob mache
und damit meiner Frau ein bequemes Leben auf der Couch vor dem Fernseher
ermögliche, dann fühle ich mich dabei als ihr Diener. Wenn mir dann jemand
erzählt, daß ich ja der Herr im Hause wäre, dann ist das für mich nur eine
hohle Phrase, die rein gar nichts an der Realität ändert. Auch wenn meine
Frau mir Butterbrote für die Arbeit mitgibt und mir abends Essen kocht,
bleibt es real immer noch so, daß ich ihr mehr diene als sie mir.

Freundliche Grüße
von Garfield

Hallo Garfield !

Soweit hast du zweifellos recht - abgesehn lediglich davon, daß ich dein Verständnis des Wortes "Diener" (sogar von "Sklave") nicht teile. Ich würde vielmehr sagen, daß du dich im Falle deines Beispiels einer oktroyierten Ordnung unterworfen hast, und zwar aus dem Grunde, weil du den Blick für die natürliche Ordnung verloren hast. Ganz ohne Ordnung geht es nämlich nicht; wird die natürliche verworfen, so tritt eine pervertierte an ihre Stelle.

Auch Klausz strebt eine oktroyierte Hierarchie, wie beschrieben, nicht an. Wie er anderseits die natürliche Ordnung neu herstellen will, ohne Zwang auszuüben, das sollte er allerdings klarer darstellen.

Grüße
T.L.

Herrschen anstrengender als dienen

Garfield, Thursday, 18.05.2006, 14:39 (vor 6546 Tagen) @ Bonaventura / Thomas lentze

Hallo Thomas!

"Ich würde vielmehr sagen, daß du dich im Falle deines Beispiels einer
oktroyierten Ordnung unterworfen hast, und zwar aus dem Grunde, weil du
den Blick für die natürliche Ordnung verloren hast. Ganz ohne Ordnung geht
es nämlich nicht; wird die natürliche verworfen, so tritt eine pervertierte
an ihre Stelle."

Egal, ob oktroyierte, natürliche oder pervertierte Ordnung: Wenn ich für meine Frau mitarbeiten muß, während sie sich zu Hause ein bequemes Leben macht, dann habe ich damit die Arschkarte gezogen. Ich muß mich abbuckeln, und ich sterbe dadurch auch noch ein paar Jahre früher. Sicher - wenn meine Frau mir dann nach Feierabend noch erzählt, wie furchtbar ich sie doch unterdrücken würde und daß ich ihr gefälligst mehr im Haushalt helfen soll, dann nervt das natürlich noch zusätzlich. Wenn sie mich dagegen lobt und ehrt, dann freue ich mich darüber - aber dann muß ich mich immer noch abbuckeln und sterbe immer noch früher. Wo soll da ein Vorteil für mich sein?

Freundliche Grüße
von Garfield

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