Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Ungewohnte Offenheit im "Kurier" beim Thema Teilzeitarbeit (Feminismus)

Kurti, Friday, 10.08.2012, 11:45 (vor 4286 Tagen)

Unterstrichmarkierungen im Text von mir:

Der gute alte "9-to-5-Job" wird in Österreich immer weiter zurückgedrängt. Wie aus den aktuellen Daten der Statistik Austria hervorgeht, geht bereits fast ein Drittel, konkret 31 Prozent, aller unselbstständig Erwerbstätigen in Österreich einer so genannten "atypischen Beschäftigung" nach. Im Jahresdurchschnitt 2011 arbeiteten 1,097 Millionen Menschen, davon 834.000 Frauen arbeiten entweder Teilzeit, geringfügig, in Leiharbeit oder mit einem freien Dienstvertrag.
Während die freien Dienstverträge auf Grund der sozialrechtlichen Angleichung seit Jahren zurückgehen und die Leiharbeit konjunkturabhängig schwankt, gibt es die größte Zunahme eindeutig bei der Teilzeitbeschäftigung. Und die ist nach wie vor Frauensache. Schon 45 Prozent aller beschäftigten Frauen arbeiten weniger als 36 Stunden in der Woche, 1994 waren es erst knapp 26 Prozent.
"Der Trend zur steigenden Teilzeitarbeit bei Frauen zeichnet sich krisenunabhängig schon seit längerem ab", analysiert die Statistik Austria. Tatsächlich gingen in den Jahren 2009 und 2010 die Normalarbeitsverhältnisse zurück, während die Teilzeit ungebrochen zunahm. Die generell steigende Erwerbstätigkeit bei Frauen, der wachsende Dienstleistungssektor und die nach wie vor mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind für die WIFO-Arbeitsmarktexpertin Hedwig Lutz die wichtigsten Gründe für die steigende Teilzeit. "Der Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder und Ältere ist nach wie vor nicht so, dass es einer Vollzeitarbeit zuträglich wäre", fasst Lutz zusammen.
SP-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek ist der Meinung, dass viele Frauen sich zur Teilzeit gezwungen sehen. Laut Erhebung der Statistik Austria gibt aber nur jede achte Teilzeitbeschäftigte an, mehr arbeiten zu wollen, während 36 Prozent aller arbeitslos gemeldeten Frauen nur eine Teilzeitarbeit anstreben. Laut AMS ist die Nachfrage nach Teilzeitarbeit viel höher als das Angebot. Bei den Männern spielt Teilzeit mit einem Anteil von 8,1 Prozent noch immer eine untergeordnete Rolle.

http://kurier.at/wirtschaft/4507290-fast-jede-zweite-frau-in-teilzeit.php

Allerdings findet sich da gleichzeitig auch ein etwas zweifelhafter Kommentar:

Jede zweite berufstätige Österreicherin arbeitet Teilzeit. Bedenklich, rufen die einen. Weil sie meinen, dass immer mehr Menschen in prekäre Jobs gezwungen werden. Gut so, sagen die anderen: Weil insgesamt mehr Frauen berufstätig sind als früher, und man Arbeit und Kind leichter unter einen Hut kriegt.
Doch niemand stellt die entscheidende Frage: Haben Arbeitnehmerinnen die richtigen Teilzeitjobs? Die tollen sind nämlich fest in Männerhand. Oder kennen Sie viele Frauen, die als Banken-Aufsichtsrat, Zweiter Landtagspräsident, als einer von vier Vorständen in einem mittelgroßen, am besten staatlichen Unternehmen oder als Funktionär im Olympischen Komitee arbeiten? So ein Arbeitsplatz lässt sich meist bequem mit weiteren Aufsichtsratsposten und Männerclub-Aktivitäten, Arbeit am Golf-Handicap (oder, pst, nicht weitersagen: Familienarbeit) kombinieren. Er bringt Prestige, Dienstwagen, Geld. Und das Beste daran: Niemand würde abschätzig von "atypischer Beschäftigung" sprechen.
Die nun in die Pleite geschlitterte Drogeriekette Schlecker war hingegen das abschreckende Beispiel: Ausschließlich Frauen arbeiteten unter schlechten Bedingungen, mies bezahlt, oft unter ihrer Qualifikation.
Teilzeitarbeit ist nicht per se ein Problem, das starre "Ganz-oder-gar-nicht-Modell" löst sich in der Arbeitswelt gerade auf. Das bedeutet in Zukunft deutlich weniger soziale Sicherheit für den Einzelnen, aber hoffentlich auch mehr individuelle Möglichkeiten, Lebenszeit zu planen. Damit könnten sich auch Männer besser um ihre Kinder kümmern. Solange aber die offiziellen Teilzeitjobs Frauendomäne sind und die inoffiziellen Männersache, wird der Geruch minderwertiger Arbeit, von der man nicht leben kann, daran picken bleiben.

http://anonym.to/?http://kurier.at/wirtschaft/4507381-die-feinen-teilzeitjobs-sind-maennerdomaene.php

Und wie schon so oft stellen die Leser einiges richtig:

Gestern, 08:58
Ich fürchte, Ihre Wahrnehmung ist teils selektiv, teils schief: So richtig es ist, daß Teilzeit typisch ist für Frauenschicksale, so richtig ist auch, daß "atypische" Beschäftigung etwas anderes und durchaus auch männlich ist:

Freie Dienstnehmer und Neue Selbständige, EPUs, also Ein-Personen-Unternehmer vom Paketzusteller bis zum outgesourceden ehemaligen EDV-Leiter oder Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung.

Kein vernünftig denkender Mensch legt sich noch Dienstnehmer zu, wenn es sich vermeiden läßt; selbst die Öffentliche Hand kauft Dienstleistungen inzwischen lieber zu als sich einen Bediensteten zuzuziehen, den man nicht mehr los wird.

Gestern, 08:57
Liebe Frau Salomon!
Oder kennen Sie viele MÄNNER, die als Banken-Aufsichtsrat, Zweiter Landtagspräsident.......
fungieren? Ich ehrlich gesagt kenn überhaupt keinen.
Leb offensichtlich nicht in den Kreisen, wo man
sich diese Jobs zuschanzt. Bin ich jetzt genauso arm wie Frauen, denen es so geht wie mir?
Oder bin ich feminismusmäßig prinzipiell schuldig
als Mann? Quasi Erbsünde?
Mit der Bitte um Entlastung von derselbigen.
Hochachtungsvoll A.J.

Gestern, 09:04
Interessanter wäre zu wissen, wie Frau Salomon ihr neoliberales Glaubensbekenntnis mit ihrem feministischen in Übereinstimmung bringt.

Dass dürfte nicht ganz so einfach sein, wird aber von der VP tagtäglich vorgeführt:

Die versteht sich auch als Partei der Leistungsträger, vertritt aber nur Bauern, Bänkster und Beamte, also, von einem marktwirtschaftlichen Standpunkt gesehen, Minderleister, die den Nettozahlern auf der Tasche liegen, sowei Erben und Latifundistas.

Merke: Der raue Wind des freien Marktes möge immer alle anderen treffen, aber nie niemals nicht die eigene Klientel!

Gruß, Kurti

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