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Das Richterinnentum wurde gegendert, aber nie entnazifiziert. (Recht)

Rainer ⌂ @, ai spieg nod inglisch, Wednesday, 26.12.2012, 15:11 (vor 4111 Tagen) @ Fiete

Interessanter Aufsatz!

Noch etwas zum Thema:

http://www.wgvdl.com/wp-content/uploads/Modernes-Nazirecht-1.pdf

NS-Justiz und die Fortsetzung 30.06.2000

Dr. Theodor Rasehorn schrieb in der ZRP April 2000 zur Renazifizierung der Nachkriegsjustiz und bemängelte, daß 50.000 Todesurteile der NS-Zeit ungesühnt geblieben sind. Dies ist auf eine Rechtsprechung von Richtern zurückzuführen, die im Dritten Reich bereits tätig waren. Rasehorn fragt am Ende seines Beitrages u.a., wie es möglich war, daß die NS-Mordrichter nach dem Krieg eingestellt wurden und was hinter ihrem Aufstieg stand.

Ingo Müller hat die Fragen, die Rasehorn am Schluß seines Beitrags stellt, eigentlich schon im wesentlichen beantwortet:

Eine der Ursachen für die Renazifizierung war sicherlich die These vom Fortbestehen des früheren Deutschen Reiches und die damit zwangsläufig verbundene Übernahme so manchen Relikts aus der NS-Zeit. Eigentlich hätte jeder Demokrat jegliche Kontinuität zwischen dem Dritten Reich und der neu gegründeten Bundesrepublik rigoros ablehnen müssen; die Ideologen der Nazidiktatur, allen voran Schmitt, verneinten aber erfolgreich den Untergang des Deutschen Reiches und schämten sich auch sonst nicht, die NS-Blutrichter und NS-Rechtswissenschafler in Schutz zu nehmen.
Das auf der Grundlage des Art. 131 GG im Jahre 1951 erlassene Gesetz verpflichtete praktisch die Behörden, die NS-Beamten, wozu auch die Richter gehörten, bevorzugt wieder einzustellen. Ohnehin waren durch die Vertreibungen von jüdischen und kommunistischen Wissenschaftlern kaum noch Juristen, die den Nazis nicht zumindest nahegestanden hatten, im Lande. NS-Richter und NS-Beamte bildeten die absolute Mehrheit. Ihnen gelang es erfolgreich, die Einstellung vertriebener Kollegen zu verhindern.

1950 feierte der BGH nicht etwa seine Neugründung, sondern der damalige Justizminister erinnerte nur an die ‘ausgezeichneten Leistungen des Reichsgerichts’ und forderte, der Geist des Reichsgerichts müsse auch die Arbeit des BGH durchwalten, was in den kommenden 20 Jahren dann auch spürbar wurde. Vier Jahre später wurde gar das 75jährige Jubiläum des Reichsgerichts gefeiert. Weinkauff erklärte damals, der BGH habe das Erbe des Reichsgerichts übernommen, das Reichsgericht sei am 1.10.1950 wiedereröffnet worden, was wohl auch unbestritten ist. Kontinuität also auf der ganzen Linie.

In den ersten Nachkriegsjahren hatte der BGH noch ausgeführt, die Tätigkeit des Volksgerichtshofs habe mit Rechtsprechung nichts zu tun gehabt, sie sei nur die Ausnutzung gerichtlicher Formen zur widerrechtlichen Tötung gewesen. Von einem Terrorinstrument war die Rede. (BGH St 9, 302). Allerdings stand dies in einem Urteil gegen eine Denunziantin, die mehrere Personen angezeigt und sie damit dem Volksgerichts- hof ausgeliefert hatte. Sobald es um einen Richterkollegen ging, wurde prompt die Argumentation gewechselt, wie sich später im Falle des Richters am Volksgerichtshof Rehse deutlich gezeigt hat. Nachdem man in den ersten Jahren selbst bei einfachen Arbeitern ohne weiteres unterstellt hatte, ihnen könne der Unrechtscharakter des Volksgerichtshofs nicht verborgen geblieben sein, meinte der BGH im Falle von Richterkollegen, einem Juristen und überzeugten Nationalsozialisten sei aus seiner damaligen Sicht heraus nicht bekannt gewesen, ein Gericht des Dritten Reiches könne Unrecht gesetzt und Rechtsbeugung begangen haben.

Nachdem man bereitwillig die These, Rechtsbeugung könne nur mit direktem Vorsatz begangen werden, aufgegriffen und den Strafausschließungsgrund des mangelnden Unrechtsbewußtseins entwickelt hatte, sah sich dann kaum noch ein Gericht in der Lage, einen Richter am Volksgerichtshof oder am Sondergericht wegen Rechtsbeugung zu verurteilen. Zu den Freisprüchen führen dann Begründungen wie ‘da sie überzeugte Nationalsozialisten waren und daher die Möglichkeit der Rechtsblindheit basierend auf politischer Verblendung nicht auszuschließen war’. Wenn ein Marinerichter einmal ausnahmsweise verurteilt worden war, so wurde das Urteil durch den BGH aufgehoben, weil den fanatischen Nazi-Richtern rechtsfeindliches Handeln nicht nachzuweisen sei. Selbst bei nachgewiesenen Verfahrensfehlern übersah der BGH geflissentlich die Willkürlichkeit der getroffenen Entscheidungen.

Hatte der BGH in BGH St 9, 302 noch in etwa ausgeführt, die Rechtskonstruktion, mit der der Volksgerichtshof die Todesstrafe gegen Mezger verhängt hatte, sei keine Justiz, sondern nur die Ausnutzung gerichtlicher Formen zur widerrechtlichen Tötung gewesen, eine solche Rechtsanwendung habe nur noch der Vernichtung des politischen Gegners gedient und habe den unantastbaren rechtlichen Kernbereich verletzt, wodurch eine derartige Rechtsprechung ihr wahres Wesen als Terrorinstrument enthülle, was die Verurteilung und die Vollstreckung zur vorsätzlichen rechtswidrigen Tötung unter dem Deckmantel der Strafrechtspflege mache, hieß es dann in der Revisionsentscheidung im Falle Rehse, Rechtsblindheit und Verblendung im üblichen Sinne sei mit dem Vorsatz der Rechtsbeugung nicht vereinbar. Das nach der Zurückweisung vom Landgericht Berlin gefaßte Urteil war dann geradezu skandalös: Es sei nicht festzustellen, daß Dr. Mezger in einer seine Rechtsstellung einschränkenden Weise in der Verteidigung behindert worden sei. Die NS-Gesetze hätten dem Recht eines jeden Staates entsprochen, in Zeiten gefährlicher Bedrängnis von außen seinen Bestand durch harte Kriegsgesetze zu sichern. Selbst eine Verletzung der anerkannten Grundsätze staatlichen Strafens bei der Strafzumessung könne nicht festgestellt werden. Bei dem Volksgerichtshof habe es sich um ein unabhängiges, nur dem Gesetz unterworfenes Gericht gehandelt.

Gehandelt wurde also in der Rechtsprechung damals nach der Devise, was damals Recht gewesen sei, könne heute nicht Unrecht sein. Alles wurde aus der Perspektive des ‘damals anzuwendenden Rechts’ betrachtet, denn die meisten der erfolgreich in die bundesdeutsche Justiz integrierten Richter hätten sich dann selbst belasten müssen. Nach einhelliger Auffassung in der Nachkriegszeit war der NS-Staat ein Unrechtsstaat, nur eben bezogen auf die Person Hitlers und einiger seiner Hauptakteure. Als es daran ging, die einzelnen Täter dieses Unrechtssystems zur Verantwortung zu ziehen, da waren plötzlich alle Mitläufer oder hatten nach dem damals geltenden Recht gehandelt. Bis auf die unteren Ränge hatte sie angeblich das Unrecht ihrer Taten nicht erkannt. Jeder einzelne Widerstandskämpfer war natürlich ein Beweis dafür, daß die Rechtswidrigkeit ohne weiteres erkennbar war. Deshalb wurden diese oft in die Nähe der Kommunisten gerückt.

Wie konnte es dazu kommen, daß die Blutrichter sich so unbehelligt wieder etablieren konnten? Das ist bei Ingo Müller nachzulesen: Man betrachte einmal die Tatsache, daß es eine direkte Verbindung zwischen den Konservativen der Weimarer Republik, den Nazis und den Konservativen der Nachkriegszeit gab. Es gab immer eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Konservativen der Weimarer Republik, den Deutschnationalen und anderen Rechten, was sich nicht nur am Beispiel des Staatsrechtlers Schmitt und verschiedene Politiker der Weimarer Republik belegen läßt. Die einheitliche Linie vereinfachte die problemlose Integration der Justiz in den NS-Staat beträchtlich und trug auch dazu bei, den Juristen der Nachkriegszeit die Integration in die Bundesrepublik zu ermöglichen. Die überwiegende Mehrzahl der Juristen der Weimarer Republik war stockkonservativ, autoritär und antidemokratisch eingestellt. Die konservativen Juristen zeichneten sich schon vor der Weimarer Zeit dadurch aus, daß sie sich weniger Recht und Gesetz als vielmehr der Staatsführung verpflichtet fühlten. Während der Weimarer Zeit arbeiteten sie genauso gegen das demokratische System wie die Nazis. Die Bindung an die Staatsführung erleichterte diesen Juristen nicht nur die Anpassung an das Unrechtsregime, sondern nach dem Krieg auch die einfache Integration in die neue Bundesrepublik. Als vormals Konservative haben sie die NS-Diktatur problemlos überlebt.

Ingo Müller hat zwar behauptet, daß es kaum noch unbelastete Richter nach dem Krieg gegeben hätte, aber die Personalknappheit allein wird nicht dazu geführt haben, daß fast alle NS-Richter wieder eingestellt wurden.

Rasehorn spricht zu Recht an, daß hier systematisch die Beteiligung der NS-Juristen an dem Terrorregime heruntergespielt wurde. In einer ganzen Reihe von wissenschaftlichen Abhandlungen wurde behauptet, der Rechtspositivismus habe die Terrorurteile letzten Endes erst ermöglicht. Tatsächlich wurde aber der Rechtspositivismus während der NS-Zeit eher vernachlässigt. Die Richter fühlten sich bereits seit 1918 weniger dem Gesetz verpflichtet und seit 1933 nur noch dem Führer. Die Berufung auf den Gesetzeswortlaut wurde eher dem ‘jüdisch-liberalistischen’ Rechtsdenken zugeordnet. Die führenden Juristen des Dritten Reiches waren der Auffassung, daß sie sich bei der Auslegung der Gesetze nicht am Wortlaut zu orientieren hatten, sondern zu ermitteln hatten, was der Nazigesetzgeber bezweckte. Diese Zweckjustiz war es, die zu den aus heutiger Sicht nicht nachvollziehbaren Urteilen führte.

Auch das, was die BGH-Richter nach dem Krieg gemacht haben, nennt man Zweckjustiz. Es ist eine Rechtsprechung, die, um das gewünschte Ergebnis, hier die eigene Exkulpation, zu erreichen, Gesetze nach Belieben so auslegt, bis sie für die Argumentation passen.

Die Frage, wie es zur Einstellung von NS-Mordrichtern gekommen ist, kann aber nicht isoliert auf die Justiz und die Verwaltung bezogen werden. Dies spricht Rasehorn auch an, indem er die personelle Vernetzung zwischen BGH und Bundesjustizministerium anspricht. Die eigentlichen Ursachen für die ungebrochenen Traditionen liegen in der Politik, die dafür erst die Voraussetzungen geschaffen hat. Die Politik wiederum war vorherrschend konservativ und verurteilte zwar die Bluttaten, hielt aber an den auch von den Nazis und Deutschnationalen übernommenen erzkonservativen Wertvorstellungen fest. Folgerichtig übernahmen sie auch viele NS-Gesetze, soweit sie nicht durch die Alliierten aufgehoben worden waren.

Angesichts der personellen Kontinuität in der Richterschaft ist die Rechtsprechung des BGH dann auch nachvollziehbar. Bei den mit einer Verspätung von ca. 10 Jahren durch die Ludwigsburger Stelle zutage geförderten Brutalitäten konnte die Justiz nicht umhin, einige der Täter zu verurteilen. Nur wurden die Akteure dann so milde bestraft und meist auch nur als Gehilfen, daß man den Eindruck haben konnte, hier wären Bagatelldelikte abgehandelt worden. Daß gerade NS-Täter nur wegen Beihilfe zu den von Hitler und seinen obersten Helfern begangenen Taten verurteilt wurden, bei gewöhnlichen Kriminellen die extrem subjektive Tätertheorie aber so gut wie nie angewandt wurde, macht schon Sinn, denn eine solche Sicht erleichterte die Exkulpierung auch der NS-Juristen beträchtlich, konnte man sich doch immer darauf hinausreden, nur den damaligen Zwängen gehorcht und sich an damals geltendes Recht gehalten zu haben. Daß selbst die Beihilfe zum Mord in NS-Fällen derart auffallend unterhalb des für gewöhnliche Kriminalfälle, die mit weit weniger Brutalität ausgeführt wurden, bestraft wurde, ist ebenso nachvollziehbar, denn auch hier diente u.a. die Rechtsblindheit der Täter als Argument. Diese Konstruktionen haben die BGH-Richter offensichtlich geschaffen, damit niemand auf die Idee kam, das Zustandekommen der Terrorurteile dieser Richter zu untersuchen.

So finden sich zahlreiche Urteil der bundesdeutschen Nachkriegsjustiz, in denen die Terrorurteile nicht nur verharmlost wurden, sondern das Handeln der beteiligten Richter auch noch gerechtfertigt wurde:

Das Landgericht Wiesbaden wertete die Übergabe jüdischer, russischer und ukrainischer Strafgefangener an die SS zur ‘Vernichtung durch Arbeit’ nicht als rechtswidrig. Die Freiheitsberaubung der Juden sei objektiv nicht rechtswidrig gewesen, denn die Spannung zwischen Norm und Gerechtigkeit habe noch kein unerträgliches Maß erreicht.

Das Landgericht Kiel wertete das Todesurteil durch ein Kriegsgericht als gerechtfertigt, weil der Betreffende zersetzende Äußerungen gemacht habe, die verwerflich und verantwortungslos gewesen seien. Die zersetzenden Äußerungen bestanden darin, daß der Betreffende behauptet hatte, es gebe kein Weltjudentum, Hitler sei ein wahnsinniger Utopist.

Zwei Richter des Standgerichts, die sich unmittelbar vor dem Einmarsch der Amerikaner geweigert hatten, ein Todesurteil zu unterzeichnen, wurden unverzüglich hingerichtet. Das Landgericht Ansbach wertete die Weigerung der Standrichter als pflichtwidrig und die Exekution als gerechtfertigt.

Bezeichnend auch, wenn das Landgericht Kassel die Anwendung des Blutschutzgesetzes rechtfertigt und schreibt, die Sonderrichter seien mit der ebenso brutalen wie unkonventionellen Kombination von Blutschutzgesetz und Gewohnheitsverbrechergesetz nicht von der Tradition der Sauberkeit des Richterstandes abgewichen. Unbeanstandet blieb, daß die ‘unkonventionelle Kombination’ nichts weiter war als eine Auslegung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus. Im Falle Katzenberger hatte selbst Freisler die Kombination von Blutschutzgesetz und Verordnung gegen Volksschädlinge beanstandet, weil letztere seiner Auffassung nach für Plünderer geschaffen worden war. Eine ‘so kühne Konstruktion’ habe er, Freisler, nie gewagt. NS-Richter Rothaug wagte es. Bundesdeutsche Richter haben es nicht beanstandet.

So verwundet nicht, wenn ehemalige NS-Richter als bundesdeutsche Richter in den Euthanasieprozessen unbehelligt das fortsetzen, was die Nazis begonnen hatten. Wenn das Landgericht Köln in einem Urteil vom 24.10.1951 unbeanstandet feststellen konnte, die Opfer der Euthanasie seien ausgebrannte Menschen gewesen, unter der Tierstufe vegetierende Wesen, die unter der Nullstufe stehen, so spricht dies für sich.

RA Geerkens

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