Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Anne Wizorek Teil 2 (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 26.04.2015, 14:36 (vor 3287 Tagen) @ Oberkellner

Bei "Hart aber Fair" waren Sie mit zwei harten Nüssen konfrontiert, Birgit Kelle und Sophia Thomalla. Wie haben Sie es geschafft, so ruhig zu bleiben?
Das ist die Frage, die mir alle stellen! Keine Ahnung, in mir drin sah es noch mal anders aus, aber das bringt ja am Ende nichts für das Gespräch, wenn alle ausrasten. Mir war es wichtig, es bei einer konstruktiven Diskussion belassen zu können, wenn schon die Thesen so kontrovers angelegt sind.
Verzweifeln Sie manchmal, wenn Sie Aussagen hören wie die von Sophia Thomalla, sie sei immer nur von Frauen auf ihr Aussehen reduziert worden?
Ja, das ist schwierig, weil sie im Grunde etwas Wichtiges anspricht. Aber sie kann nicht abstrahieren, dass das mit unserer patriarchalen Gesellschaft zu tun hat, in der Frauen dazu erzogen werden, sich gegenseitig auszuspielen, sich als Konkurrenz zu empfinden und sich nicht solidarisieren zu können. Ich verstehe, dass sie so etwas anspricht, und ich hätte ihr das gerne auch noch erläutert, aber das war leider in der Sendung nicht mehr möglich.

Das Buch Anne Wizorek ist Initiatorin des Hashtags #aufschrei, unter dem eine Debatte zum Thema Alltagssexismus angestoßen wurde und der 2013 als erster Hashtag mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde. Im September 2014 erschien ihr Buch"Weil ein Aufschrei nicht reicht" im Fischer Verlag.
Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste für die Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft?
Das finde ich schwer auf einen Punkt zu reduzieren. Es bezieht sich ja auf politische, soziale und ökonomische Teilhabe, das sind natürlich mehrere Ebenen. Am Ende wäre es schon ganz hilfreich, wenn Leute verstehen würden, dass wir immer noch keine Gleichberechtigung und keine Gleichstellung der Geschlechter haben und uns dementsprechend mal aktiv mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Und schauen müssen, wie wir das mal ein bisschen beschleunigen können, denn wir reden ja schon wirklich lange über das ganze Thema und kommen gefühlt nur Babyschritte vorwärts.
Warum haben die Menschen so wenig Verständnis dafür, dass sich die Sprache verändern muss?
Sprache umgibt uns tagtäglich, und wenn dann plötzlich Leute ankommen und sagen "Das muss alles geändert werden", ist das natürlich ein Angriff auf bestehende Dinge. Menschen sind Gewohnheitstiere, ein bisschen flapsig formuliert, und erstmal skeptisch. Geschlechtergerechte Sprache, die ich zum Beispiel auch in meinem Buch benutze, ist für mich nur ein Mittel zu zeigen, wie das aussehen kann. Dass es sie gibt, dass es auch ganz gut funktioniert und unser Gehirn sich viel schneller daran gewöhnt, als man das im ersten Moment denkt. Ich sage aber natürlich nicht, dass alle, die mein Buch lesen, das jetzt auch unbedingt so benutzen müssen. Ich sehe das eher als Denkanstoß, um zu zeigen, dass die Sprache, wie wir sie jetzt mit dem generischen Maskulinum haben, nicht geschlechtergerecht formuliert. Lasst uns doch mal darüber nachdenken, wie sich das anders gestalten lassen könnte, weil es derzeit Leute ausschließt. Es ist nicht zuletzt auch wissenschaftlich erwiesen, dass, wenn etwa das generische Maskulinum in einer Stellenanzeige verwendet wird, Frauen sich nicht angesprochen fühlen. Wer aber Frauen im Unternehmen haben will, muss sie schließlich auch aktiv mit einbeziehen.
Es gibt ja auch die konsequente Möglichkeit, alles auf x enden zu lassen. Was halten Sie davon?
Die Variante von Lann Hornscheidt (Professx) ist auch nur ein Vorschlag und nicht der Weisheit letzter Schluss. Das zeigt nur, dass es verschiedene Möglichkeit gibt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich finde die Diskussion wichtig, die Lann Hornscheidt angestoßen hat, dass sich Menschen eben auch nicht angesprochen fühlen können, wenn das Gender Gap verwendet wird (etwa Freund_innen, Anm. d. Red.). Das ist ein wichtiger Hinweis und zeigt, dass auch das noch keine optimale Lösung ist. Natürlich ist es am besten, wenn Betroffene selber Vorschläge bringen, wie sich das ändern lässt. Bei Lann Hornscheidt war es ja auch vor allem an die eigenen Studierenden gerichtet. Es ist ganz wichtig, im Kopf zu behalten, dass das in erster Linie Ideen und Impulse sind, wie man es anders machen könnte. Weil Sprache flexibel ist, sich unserem Alltag anpassen muss und nicht starr bleiben kann. Sonst würden wir ja heute alle noch Mittelhochdeutsch reden, ich glaube, das will niemand.
Die Reaktionen auf das Thema sind extrem emotional.
Ja. Das zeigt, dass wir noch längst nicht an einem Punkt sind, wo wir ganz entspannt über dieses ganze Geschlechterthema reden. Das hat man in der Sendung auch gesehen: Sobald man das generische Femininum vorschlägt, wird es als falsch empfunden, obwohl es ja vom System her genauso funktioniert wie das generische Maskulinum.
Wäre es nicht zielführender für einen populären Feminismus, wenn man sich eher auf Themen wie gleiche Gehälter oder Frauenquote beschränken würde?
Das schließt sich ja nicht aus. Ich finde es wichtig, dass wir verschiedene Ebenen mitdenken. Wenn wir über gleiche Gehälter und Frauenquote reden, bezieht sich das ja eher auf eine schon einflussreiche Schicht von Frauen, für die diese Themen am wichtigsten sind. Aber genauso wichtig ist es, darüber zu reden, welchem Armutsrisiko Frauen in Deutschland immer noch ausgesetzt sind, indem sie eine rund 60 Prozent geringere Altersabsicherung haben als Männer. Das passiert, weil sie vor allem nur in Teilzeit arbeiten können und am häufigsten im Niedriglohnsektor vertreten sind. Denen ist die Frauenquote schnurzpiepe, und das kann ich auch total verstehen. Da geht es um andere Formen der Teilhabe und am Ende ums Überleben. Das gegeneinander auszuspielen, hilft uns nicht weiter. Dadurch, dass wir so viele Baustellen haben, wird deutlich, dass insgesamt noch sehr viel zu tun ist.
Was sind die dümmsten Vorurteile gegen den Feminismus, die Ihnen begegnet sind?
Die Klassiker wie "Wir hassen alle Männer und wollen nur deren Unterdrückung". Ich finde immer ganz interessant, dass Leute implizieren, Feminismus wäre die Herrschaft von Frauen. Das zeigt ganz gut, dass sie sich noch nie mit Feminismus beschäftigt haben, aber auch genau wissen, dass wir in einer männerdominierten Gesellschaft leben - das würden sie aber natürlich niemals zugeben. Die Klischees, die damit einhergehen, sind nicht totzukriegen und werden immer wieder rausgekramt. Es geht weniger um Inhalte, die diskutiert werden, die Feministinnen werden eher auf einer persönlichen Ebene angegriffen.
Es wird zu Demos unter dem Motto "Ehe und Familie vor! Stoppt Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder!" aufgerufen. Was sagen Sie dazu?
Das heißt ja absurderweise auch "Demo für alle", obwohl die eigentlich den Disclaimer haben müssten "Demo für alle, die heterosexuell sind und in klassischen Familienverhältnissen leben". Eigentlich könnte man ja denken, dass Homophobie heutzutage nicht mehr solch ein Problem darstellt. Aber genau diese Bewegungen zeigen, dass diese Diskriminierungen immer noch existieren und es ganz stark an Aufklärung mangelt. Am Ende geht es den Akteuren der Demos darum, unsere gesellschaftliche Vielfalt zu unterdrücken. Nach dem Motto "Die können ja gerne homosexuell sein, aber die sollen sich dann nicht auf der Straße küssen". Das ist aber trotzdem noch eine homophobe Aussage und hat nichts mit einer offenen Gesellschaft zu tun. Außerdem wird kein Mensch durch Aufklärung über Vielfalt sexualisiert. An solchen Behauptungen zeigt sich aber, wie wichtig es ist, dass Vielfalt auch in den Bildungsplänen der Schulen verankert ist. Wo sollen Kinder sonst lernen, dass das eigentlich alles in Ordnung ist, wenn wir eine Familie haben, wo das Klima zu Hause durch Homophobie geprägt ist? Und dass sie, wenn sie vielleicht selber homosexuell sind, als Menschen geliebt werden.
Haben sich in Ihrem Privatleben schon Freundschaften aufgelöst, weil Sie eine strikte Feministin sind?
Klar habe ich auch schon Freundschaften verloren, aber nicht aufgrund von Feminismus. Im Gegenteil, dadurch, dass ich Feministin bin, haben sich noch viel mehr Freundschaften ergeben. Ich habe dadurch erst recht Menschen kennengelernt, mit denen ich mich zu dem Thema austauschen kann und die das verstehen. Mit denen ich auch gemeinsame Projekte machen oder zusammen auf die Straße gehen kann, wenn es eine Demo gibt. Das hat für mich eher positive Effekte gehabt.

http://www.stern.de/familie/leben/anne-wizorek-nach-hart-aber-fair-feministinnen-werden-auf-persoenlicher-ebene-angegriffen-2177965.html

Frau Wizorek, Sie plädieren in Ihrem Buch für einen "Feminismus von heute". Aber ich fand vor allem den von gestern: Quotendiskussion, sexistische Werbung, Paragraf 218, Pille danach, ungleiche Bezahlung.
Ja, und? Diese Probleme sind ja auch immer noch da. Viele denken, es sei schon viel erreicht worden. Stimmt aber nicht. Ich kann niemandem ersparen, dass ich die Lage so schildere, wie sie ist. Sexismus existiert. Das haben wir ja vor einem Jahr während der "Aufschrei"-Debatte gesehen.
Unter dem Hashtag "Aufschrei" konnten Frauen im Internet von sexistischen Übergriffen berichten. Die Resonanz war gewaltig. Hat die Debatte irgendetwas gebracht?
Ich bemerke eine stärkere Sensibilisierung für das Thema. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat nach "Aufschrei" ein Drittel mehr Anfragen gehabt. Viel mehr Männer setzen sich jetzt mit Sexismus auseinander. Das freut mich. Noch wichtiger ist, dass jetzt viel mehr Frauen wissen, dass das, was ihnen ständig widerfährt, nicht ihre Schuld ist.
Sie beklagen Geschlechterstereotype, die angeblich unseren Alltag bestimmen. Etwa das Klischee: starke Männer, schwache Frauen. Hat sich wirklich so wenig geändert?
Ich sage nicht, dass sich nichts geändert hat. Ich sage: Das ist nicht genug. Die Machtverhältnisse sind substanziell unverändert. Wir leben in einer Gesellschaft, die von Männern beherrscht wird.
Wir haben eine Kanzlerin. Eine Verteidigungsministerin. Eine Familienministerin...
Das ist schön, es verdeckt aber die ungebrochene strukturelle Diskriminierung. Frauen verdienen immer noch weniger bei gleicher Arbeit, sie sind in Vorständen unterrepräsentiert. Dazu kommt: Frau Merkel vertritt nun wirklich keine feministischen Positionen.
Nur die Tatsache, dass wir eine Kanzlerin haben, hilft keiner Frau in ihrem Alltag, wenn diese Kanzlerin nicht die entsprechende Politik macht.
Gleich auf der ersten Seite wird Ihr Buch etwas anstrengend.
Ach, wirklich? Warum?
Sie erklären, dass Sie den sogenannten Gender Gap, einen Unterstrich, nutzen. Sie schreiben zum Beispiel "Leser_innen".
Genau, damit sich auch Menschen angesprochen fühlen, die sich mit den Kategorien Mann oder Frau nicht identifizieren.
Einmal schreiben Sie sogar "Freund_innenschaft". Das ist doch grotesk, diese Überkorrektheit. Irgendwann hängen Sie an das Wort Muskelkater noch Muskelkatze dran.
Ja, ja, und dann schreibe ich Salzstreuer_in. Ich kenne all diese Witze. Da können wir jetzt gern gemeinsam drüber lachen. Aber: Sprache ist ein Herrschaftsinstrument. Sie definiert und hierarchisiert unsere Wirklichkeit – der Gender Gap zeigt da eben eine andere Sichtweise auf.
Sie behaupten, dass "viele Frauen sich Essen immer noch verkneifen oder als kleine Sünden gönnen, während Männer Grillfleisch in Massen verdrücken sollen". Das ist doch ein uraltes Klischee.
Ich beschreibe hier ein existierendes Werbeklischee. Frauen dürfen sich über einen fettarmen Joghurt freuen, und Männer schmeißen die Fleischbatzen auf den Grill und trinken Bier dazu.
Sie sagen, dass viele Männer immer noch sexuelle Belästigung als missverstandene Komplimente verkaufen wollen, und zitieren Sprüche wie "Geile Titten" und "Willste ficken?" Woher nehmen Sie Ihr Männerbild?
Das sind Sätze, die Frauen auf der Straße oder in Clubs hören. Diese Männer gibt es. Das war ja gerade das, was die vielen Erlebnisberichte bei "Aufschrei" gezeigt haben. Diese Typen sind nicht ausgestorben. So etwas ist Alltag für viele Frauen.
Ich habe mit einer jungen Kollegin darüber gesprochen. Sie sagte, die wahre Gleichberechtigung sei erst erreicht, wenn auch Frauen ganz einfach mal fragen können: "Willste ficken?"
Ist nicht meine Diktion, aber ich kann das nachvollziehen. So etwas muss aber immer auf Augenhöhe geschehen. Das ist der Punkt.

Die 34-jährige Komikerin Carolin Kebekus hat gesagt: "Ich zieh mir doch nicht so'n Ausschnitt an und bin dann sauer, wenn einer guckt. Ich bin sauer, wenn keiner guckt."
Es kommt auf den Kontext an. Wenn derartige Aufmerksamkeit erwünscht ist, kann sich Frau Kebekus ja darüber freuen. Aber sehr oft ist es so, dass Männer nicht merken, dass sie zu weit gehen, dass sie starren, statt mal zu gucken, oder eben sexuell übergriffig werden. Ein Ausschnitt heißt ja nicht: Bitte sehr, ich bin Freiwild.

Sie behaupten, bereits Mädchen würden lernen, dass ihre Sexualität nicht ihnen gehöre. Sie würden stigmatisiert werden, sobald sie diese ausleben möchten. Da sehe ich andere Entwicklungen.
Ich rede hier ja explizit von Mädchen, die all diese Dinge erst einmal entdecken müssen und sollen. Und ihnen wird immer noch suggeriert, dass Frauen insgeheim erobert werden wollen, dass sie passiv sein sollen und keine eigenen Bedürfnisse haben.
Aber warum erwähnen Sie dann in Ihrem Buch ausgerechnet die Vertreterinnen der "New Feminism Wave" wie etwa Petra Collins nicht, die ihre Sexualität sehr selbstbestimmt und zum Teil öffentlich im Netz ausleben?
Ich finde Petra Collins nicht unwichtig, sie stellt nur für mich persönlich keinen Einfluss dar, dafür kommen ja andere Feministinnen wie Janet Mock zu Wort. Ich hatte nicht die Absicht, ein allumfassendes Werk über Feminismus zu schreiben.
Sie sagen, es gebe auch wohlwollenden Sexismus, der im Gewand der Ritterlichkeit daherkomme. Wenn ich mit meiner Frau nachts im Bett liege, und unten im Haus klirrt eine Scheibe, und ich sage: "Schatz, bleib du hier, ich gucke, was da los ist" – bin ich dann ein wohlwollender Sexist?
Ha, ha. Gute Frage. Aber die Antwort ist doch klar: Sie sollten - ganz partnerschaftlich - mit Ihrer Frau zusammen da runtergehen und die Sache gemeinsam klären.
Frau Wizorek, ich teile ja den größten Teil Ihrer Beobachtungen und Analysen, aber ist es nicht verdammt anstrengend, sich und andere Frauen 24 Stunden am Tag als Opfer zu sehen?
Natürlich ist es anstrengend, sich mit Ungerechtigkeiten auseinanderzusetzen. Aber ich sehe Frauen nicht nur als Opfer. Sie sind nur in vielen Fällen benachteiligt, wo sie es nicht sein sollten und auch nicht müssten. Die Quote zum Beispiel hätte längst kommen müssen. Außerdem ist es immer schön, wenn man mit anderen Frauen aus den vorgegebenen Mustern ausbrechen kann. Das ist ein schönes und auch ein befreiendes Gefühl.
Befreiende Gefühle wünscht man allen. Sie nennen den Standpunkt, dass das Kopftuch ein Symbol für die Unterdrückung der Frau sei, "rassistisch". Ist das Ihr Ernst?
Hier machen es sich viele zu einfach. Musliminnen seien unterdrückt, weil sie ein Kopftuch tragen. Dann werden Gesetze gegen Kopfbedeckungen gefordert und auch erlassen. Das ist in meinen Augen eine unzulässige, tendenziell rassistische Sichtweise. Sprechen Sie mal mit einer Muslimin. Da hören Sie differenziertere Antworten als "Man zwingt mich". Die Kopftuchdebatte lenkt ab von den wirklichen Problemen.
Was ist mit den Frauen, die eine Burka tragen? Zwingt die auch keiner?
Ich finde es immer sehr schwierig, wenn westliche Feministinnen ihre Vorstellung von Befreiung auf Frauen übertragen, von deren Lebensrealität sie wenig wissen.
Sie weichen aus.
Nein. Ich versuche nur, das differenziert zu sehen. Kleidungsstücke sind eigentlich nicht der Punkt. Ich finde den ständigen Hinweis, bei unseren muslimischen Menschen sei es am schlimmsten mit der Unterdrückung, eine sehr bequeme Ablenkung von dem, was Sexismus in Deutschland für alle Frauen bedeutet.
Jeder Mann, sagen Sie, sei schuldig, weil er qua Geburt Nutznießer des frauenfeindlichen Systems sei. Den Schuh ziehe ich mir nicht an.
Ja, Schuld klingt sicher erst mal hart. Mein Punkt ist: Männer gelten als die Norm. Männer müssen anerkennen, dass sie Privilegien allein aufgrund ihres Geschlechts haben und damit von unserer sexistischen Gesellschaft profitieren.
Ich kenne viele Männer, die sich in dem von Ihnen beschriebenen System der Vorteile und Privilegien ganz schön abstrampeln müssen, um zurechtzukommen.
Ich sage nicht, dass es Männern unmöglich ist, ein schweres Leben zu führen. Ich sage nur, dass sie ungerechtfertigte Vorteile genießen.
Sie fordern, dass Männer und Jungen lernen sollen, ihre Männlichkeit auf eine positive Weise auszudrücken. Wie geht das?
Ich glaube nicht, dass ich Ihnen eine Betriebsanleitung fürs Mannsein liefern muss. Wir müssen vor allem Dinge infrage stellen. Männer dürfen weinen. Auch schwach sein. Sie müssen nicht andere unterdrücken. Sie müssen sich nicht von allem, was als weiblich gilt, abgrenzen oder sich gar Frauen überlegen fühlen. Wenn das allen klar wäre, dann wäre viel gewonnen. Wissen Sie, ich höre immer, dass Männer verunsichert seien. Sie würden nicht mehr wissen, wie sie sich Frauen gegenüber richtig verhalten sollen. Ich sage: Das ist doch nicht schlimm. Verunsicherung ist gut, weil sie einen zwingt, Verhaltensmuster zu hinterfragen

http://www.stern.de/familie/leben/anne-wizorek-im-stern-die-erkenntnis-aus-aufschrei-sexismus-existiert-2140622.html

Eine Feminismus-Debatte? Gerne. Aber wir sollten lieber über die Auflösung von Machtverhältnissen und diskriminierenden Strukturen reden, als Stilfragen zu diskutieren. von Anne Wizorek
Als Beyoncé dieses Jahr bei den MTV Video Music Awards vor der Videowand mit dem Wort Feminist stand, während die Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie aus dem Off die Definition von Feminismus zitierte, sahen und hörten das sehr viele Menschen jeden Geschlechts. Wie viele genau, lässt sich natürlich nicht sagen, aber man darf mutmaßen, die Zuhörerzahl war größer als bei der jüngsten Vorlesung der Philosophin Judith Butler. Ist das nun schlimm? Ist das eine dadurch wichtiger als das andere, oder gar: richtiger?
Natürlich nicht. Vielmehr zeigen diese Beispiele sehr schön, dass es verschiedene Herangehensweisen an Feminismus gibt – glücklicherweise. Die spielerische oder künstlerische Auseinandersetzung erreicht Menschen, genauso wie die auf akademischer Ebene. Ob Butler oder Beyoncé, beide tragen dazu bei, den Feminismus auf ihre Weise inhaltlich voranzutreiben und Menschen näher zu bringen, die eine vorwiegend in Songzeilen auf einer Riesenbühne, die andere in theoretisch anspruchsvollen Vorträgen und akademisch voraussetzungsreichen Büchern.
Die Mittel sind verschieden, und ja, oft genug auch die Inhalte. Aber warum wird immer wieder aufs Neue das Eine gegen das Andere ausgespielt? Ich verstehe es einfach nicht. Nun ist innerfeministische Kritik natürlich gut und wichtig, aber sie sollte eben vor allem auf inhaltlicher Ebene geschehen.
Jedes Mal, wenn wir stattdessen den Fokus auf die alte, falsche Meta-Diskussion richten, verschenken wir Raum für die wirklich wichtigen Themen: die Armutsgefahr von Alleinerziehenden zum Beispiel, die vor dem Aus stehende Geburtshilfe, die Diskriminierung von Regenbogenfamilien, Aufklärung über Mythen zu sexueller Gewalt oder zu Geschlechterstereotypen, die sich negativ auf Mädchen und Jungen auswirken. Ebenso wenig geht es dann wieder mal um Morddrohungen denen feministische Aktivistinnen und Geschlechterforscher_innen im Netz ausgesetzt sind – und es wird auch nicht über das Klima des vermeintlichen "Genderwahns" gesprochen, das an jeder Ecke geschürt wird und diese Drohungen begünstigt.
Vollzeit-Feminismus-CEO?
Und doch sind wir in der deutschen Feminismus-Debatte aktuell (wieder einmal) an einem Punkt angekommen, wo so getan wird, als gäbe es nur eine echte Herangehensweise in Sachen Feminismus, verkörpert von der Einen, Wahren, der Person, die alle unter sich vereinen kann: Deutschland sucht die Super-Feministin, die x-te Staffel. Angestoßen hat den Relaunch dieses Mal die Journalistin Hannah Lühmann, die ihre Kritik in erster Linie auf den angeblich humorlosen Netzfeminismus, namentlich auch an mich richtet.
Nun, Lühmanns Sehnsucht nach der intellektuellen Führungsfigur kann ich tatsächlich nicht teilen. Vielmehr sehe ich, dass in den vergangenen Jahren der Feminismus in Deutschland endlich begonnen hat, mit den vielfältigen Perspektiven sichtbar zu werden, die er im Grunde längst hat. Der sogenannte Netzfeminismus hat hier den Anfang bereits gemacht. Netzfeminismus steht für eine heterogene Gruppe, die keine einheitliche Auffassung von Feminismus vertritt, aber doch einen gemeinsamen Diskussionsraum nutzt – mit dem Ziel, über das Netz und die Debatten hinaus gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen und zu bewirken. Durch eigene Aktivität, die in vielen Fällen auch mitnichten aufs Netz beschränkt bleibt, wenn zum Beispiel Vorträge gehalten oder Diskussionsrunden veranstaltet werden.
Wer also, wie Hannah Lühmann, alle Menschen in einen Topf wirft, die das Internet als Medium für ihr feministisches Engagement nutzen, und so tut, als wäre dieses losgelöst von der Offline-Welt, geht an einer längst existierenden Realität völlig vorbei. Und wer, wie Antonia Baum zuletzt in der FAS, die Maßstäbe einer Vollzeit-"Feminismus-CEO" an Aktivistinnen anlegt, die nahezu jeden Tag ihr Herzblut in Projekte pumpen, die sie zwar viel Zeit kosten, aber keinerlei finanzielle Absicherung bringen, hat sich offenbar noch nie mit der Geschichte des (internationalen) feministischen Aktivismus auseinandergesetzt.
Lachen? Wohl kaum
Es war eben schon immer einfacher, denjenigen, die sich für gesellschaftlichen Wandel einsetzen, zu sagen, sie täten es auf die falsche Weise, als den Blick auf diejenigen zu richten, die sich dem Wandel bewusst in den Weg stellen. Unsere Gesellschaft braucht aber keinen reinen feministischen Debattierclub, sondern in erster Linie eine Veränderung von Machtverhältnissen und die Auflösung diskriminierender Strukturen.
Ein ziemlich alter Hut ist Lühmanns Forderung, Feminist_innen (worunter sie offenbar ausschließlich Frauen versteht) sollten ihre Kritik doch einfach mit einem Lächeln und Scherz auf den Lippen präsentieren, zwecks besserer Erfolgsaussichten. Ein Argument, das man bestens aus der antifeministischen Ecke kennt. Warum sich Lühmann ausgerechnet dieses Klischee zu eigen macht? Ich weiß es nicht. Schleierhaft ist mir auch, warum sie gleich dem ganzen Netzfeminismus komplette Humorlosigkeit attestiert, nur weil sie den Humor meines Buchs nicht teilt.
Mal von Pauschalisierungen abgesehen: Woher kommt eigentlich die bei keiner anderen ernsthaften Debatte anzutreffende Erwartungshaltung, dass es bei feministischen Themen nun ausgerechnet besonders humorvoll zuzugehen habe? Sollte es nicht erlaubt sein, über Ungerechtigkeiten auch mal wütend zu sein? Auf diese Weise wurden uns schließlich unter anderem das Frauenwahlrecht und mehr sexuelle Selbstbestimmung beschert – dass sich diese Themen nicht immer in leicht verdauliche Schenkelklopfer verpacken lassen, liegt in der Natur der Sache. So öffnet zum Beispiel der Tod von Tuğçe A. Raum für eine Diskussion darüber, wie Alltagssexismus im öffentlichen Raum leider auch aussehen kann. Hier sind Wut und Trauer absolut angemessene Reaktionen. Lachen? Wohl kaum.

http://www.zeit.de/kultur/2014-12/feminismus-debatte-anne-wizorek

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