Dazu hätte ich etwas sehr Persönliches beizusteuern: (Gesellschaft)
In den 60er und 70er Jahren gab es so genannte Kinderkuren auf Norderney und Langeoog. Sie dauerten im Schnitt fünf(!) Wochen, waren reine Misshandlung und Mästkuren und man wurde im besten Glauben, dem Kind etwas Gutes zu tun, dorthin geschickt. Und zwar im Vorschulalter,also eine Zeit, in der man sich kaum wehren konnte.
Hier nun meine dunklen Erfahrungen aus dieser Zeit in Kurzform:
- Es musste Alles aufgegessen werden, bis die Teller & Töpfe leer waren
- Wer sich über dem Teller erbrochen hat, musste(!) das auch essen
- Falls man gekleckert hat, wurde man fotografiert und kam an die Pinwand
- Gechlafen wurde in riesigen Säalen, 60 Betten etwa je Raum
- Wer etwas 'Böses' tat, musste sich dort allein auf sein Bett setzen
- Und durfte nicht "Lok 1414" mithören, wurde geknipst und verhöhnt
- Tat man etwas 'Böses' wie Suppe in die Blumen zu schütten: Schlafsaal
- Sagte man nicht Tante zu den 'Damen': Schlafsaal und Stubenarrest
- Hat man nicht alles aufgegessen, dann musste man stundenlang ausharren
- Und wurde dafür auch noch beschimpft, weil nun alle anderen warten müssen
Das sind meine dunklen Erinnerungen an dieses Kinder-KZ und ich habe alle selbst am eigenen Leib erfahren. Als ich mit dem Sonderzug nach Wochen wieder im Hbf. ankam, da erkannte ich meine Eltern nicht mehr; sehe sie aber immer noch vor mir, diese wildfremden Leute welche auf mich zustürmten und mich umarmten.
Papa und Mama waren im übrigen bestürzt, wie aufgedunsen ich aussah und wie eingeschüchter ich seinerzeit gewesen bin (sie kannten mich als kleinen Rabauken).
Ich hatte monatelang Entzugserscheinungen, denn Bruni S., meine Kombatandin aus dieser Inselzeit, war plötzlich weg. Wir hatten uns gegenseitig gestützt und wohl auch unser Seelenheil damals im Klammern aneinander -als Vorschulkinder- gesucht! Ihr ging es übrigens auch nicht anders und unser beider Eltern schrieben gefälschte Briefe, da wir beide jeden Tag vor dem Briefkasten standen und auf die Nachricht des/der anderen hofften.
Am Ende verzweifelten unsere Eltern derart, dass sie recherchierten und endlich herausfanden, wer die jeweils andern Personen waren.
Kurzum: Zwei völlig traumatisierte (Klein-)Kinder, die ihre Rettung gesucht haben.
Und wie es der Zufall will, Christine, fiel mir das neulich wieder ein und ich begann zu recherchieren. Das Ergebnis war einigermaßen schockierend und riss die alten Wunden wieder auf. Hier ein paar Ausrisse der Ergebnisse:
"Psychische Gewalt so verheerend wie körperliche Folter
Drohungen, Einschüchterungen und der Entzug von Zuwendung haben einer Studie zufolge ähnliche psychische Folgen wie körperliche Folter. Experten warnen vor den dramatischen Folgen - nicht nur für erwachsene Opfer in Krisengebieten, sondern auch für Kinder in friedlichen Ländern."
Der Vater erzählt seiner Tochter, was er und seine Schwester 1967 in einem Kinderkurheim an der Nordsee erlebten: Gewalt, sexuelle Übergriffe und Drangsalierungen. Die Tochter beginnt eine Recherche. Sie stellt fest: Was ihr Vater und ihre Tante schilderten, passierte vielen, die in staatlichen und kirchlichen Heimen Urlaub machten. Wer übernimmt die Verantwortung?"
Liebes ehemaliges #Kurkind, dies soll eine Plattform sein, wo Du alle Deine Erfahrungen in den diversen Häusern äussern kannst. Wir Administratoren waren selbst in verschiedenen Zeitabschnitten im Seehospiz auf Norderney und teilen hier unsere Eindrücke und die damit verbundene Folgen. Aber es soll vor allem eine Plattform für Dich sein auf der Suche nach Antworten. Für uns war es eine enorme Erleichterung zu wissen, dass wir mit dem, was wir erfahren haben, nicht alleine sin... Mehr anzeigen
Bild könnte enthalten: Himmel, Gras, Wolken, Pflanze, Dämmerung, Baum, im Freien, Natur und Wasser"
Und, wie es ein weiterer Zufall so wollte, stieß ich auf ein Kinderbuch, welches diese Zeit reflektiert und massenhaft Zuschriften/Bewertungen von "Kurkindern" bekam:
"Im Vorhof zur Hölle - ein Stück selbst erlebte Zeitgeschichte...
Von Fieke am 31. Oktober 2014
Ich habe "Schwarze Häuser" mit großer Betroffenheit und Trauer gelesen, da ich selber in den 60er Jahren als 6-jähriges Mädchen völlig unvorbereitet nach Borkum ins Adolfinenheim verschickt wurde und viele in diesem Buch geschilderten Grausamkeiten als erlebt bestätigen kann. Milchsuppen, die wir damals mit Zwang in uns hineinwürgen mussten und deren Geruch noch heute bei mir Übelkeit erzeugt, waren noch das Harmloseste in einer langen Serie unmenschlicher Mißachtung kindlicher Grundbedürfnisse. Die seelischen Verletzungen, die uns Kindern damals zugefügt wurden, sind heute, nach fast 50 Jahren, bei mir immer noch schmerzhaft spürbar und sitzen tief."
Es gibt im Forum Romanum auch eine sehr lange Diskussion dazu, die letztendlich alles oben Geschriebene bestätigen - oder noch schlimmere Abgründe aufzeigen:
"Ehemalige Kurkinder Seehospiz
Sorry, ist etwas lang geworden. Aber ich habe mich bemüht, diesen erlebten Albtraum halbwegs lesbar zu halten. Geprägt hat dieser rückblicken wohl mein ganzes Leben! Und ich bekomme immer noch Brechreiz bei "Fruchkaltschalen" und "Schokoladensuppen".
PS: Meine Eltern wollten auch meinen Bruder hinschicken und trafen sich dafür mit Nachbarn, eine Straße weiter. Ich bin damals dort mitten in der Nacht aufgekreuzt und habe vor der entsetzten Elternschaft gesagt, dass ich nicht will, dass meine Freunde dorthin gehen. Meine Mutter sagte später: Wir waren Alle leichenblass ...
gesamter Thread:
- Kinderhölle Korntal -
Christine,
11.07.2017, 11:15
- Dazu hätte ich etwas sehr Persönliches beizusteuern: -
Emannzer,
11.07.2017, 19:40
- Kinderheime im Allgemeinen - Christine, 13.07.2017, 07:15
- Dazu hätte ich etwas sehr Persönliches beizusteuern: -
Emannzer,
11.07.2017, 19:40