Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Prof. Dr. Frigga Haug (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 11.01.2015, 11:18 (vor 3413 Tagen)

F339 Prof. Dr. Frigga Haug– geboren am 28.03.1937 in Mühlheim an der Ruhr als Frigga Langenberger – Studium der Psychologie und Sozialpsychologie in Berlin – trat dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) bei - Mitherausgeberin der Zeitschrift “das Argument” – mit Wolfgang Fritz Haug verheiratet, der Mitglied im Frauenbund war – 1979 gründete sie zusammen mit Wolfgang Fritz Haug die Berliner Volks-Uni - Eintritt in die Partei DIE LINKE 2007 – Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von attac und im wissenschaftlichen Beirat der Rosa-Luxemburg-Stiftung – Frigga Haug ist Vorsitzende des Berliner Instituts für eine kritische Theorie – bis 2001 Professorin für Soziologie an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik – lebt in Esslingen (Baden-Württemberg) - www.friggahaug.inkrit.dehttp://www.friggahaug.inkrit.de/images/LPJan09-3.JPG - http://www.die-linke-berlin.de/fileadmin/marz-hell/haug_frigga_web.jpg

Gesonderte Frauenpolitik bringt Frauen und die LINKE nicht weiter, meint die Feministin Frigga Haug
Vor der Bundesfrauenkonferenz am kommenden Wochenende in Magdeburg und dem Programmparteitag in Erfurt wird in der Linkspartei über die Frauenpolitik und die feministischen Ansätze im Programm debattiert. Eine Gruppe von Feministinnen scheiterte mit dem radikalen Antrag, dem Programm eine Präambel voranzustellen. Mit der Wissenschaftlerin und Präambel-Autorin Frigga Haug sprach Silvia Ottow über die Frauenpolitik in der Linkspartei.

ND: Die Linkspartei ging nach den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern streng quotiert in die Sondierungsgespräche mit der SPD. Zwei Frauen und zwei Männer. Ist das ein Zeichen dafür, dass die Linkspartei in Sachen Frauenpolitik gut da steht?
Haug: Das ist ein Zeichen dafür, dass die LINKE einen Anfang machte. Es gilt ja die Quote in der gesamten Linkspartei, aber sie ist immer bedroht, auch weil nicht genügend neue Frauen in die LINKE eintreten. Aber die Quote ist notwendig, damit Frauen auf Augenhöhe verhandeln können. Sie ist ein Weg, nicht selbst das Ziel. Ich bin dafür.
Warum sind Sie 2007 auf dem Gründungsparteitag eingetreten?
Ich war schon fast 70 und bis dahin in keiner Partei gewesen, obwohl ich mein ganzes Leben in linker Politik verbracht habe, in einer theoretischen Zeitschrift, in der Frauenbewegung, im sozialistischen Studentenbund, in den Gewerkschaften, in der kirchlichen Erwachsenenbildung und an der Uni. Als sich dann endlich PDS und WASG zusammenschlossen, dachte ich: Dies ist die Chance, die LINKE auch im Westen – ich war ja im Westen – aus dieser zerstrittenen Winzigkeit und Bedeutungslosigkeit herauszuziehen und eine Kraft jenseits der zum Neoliberalismus übergegangenen SPD zu gewinnen. Wie ich theoretisch und praktisch Politik mache, wäre es ganz unglaubwürdig, wenn ich dort nicht mitmachte. Und ich war empört, als das erste Eröffnungsbild in Gestalt von drei Männern mit erhobenen Fäusten vor mir stand.
Gysi, Bisky, Lafontaine.
Ja. Aber ich habe dann gleich verkündet, mit diesen drei Männern als Symbol kann das nicht weiter gehen. Ich trete jetzt ein, das zu verändern. Schon auf dem Gründungsparteitag haben wir ein Frauenplenum gemacht, Konferenzen geplant und darüber diskutiert, wie wir die Frauen zusammenführen können, dass wir andere Vorschläge machen müssen, wie in dieser Partei frauenpolitisch gearbeitet werden müsste.
Was hat sich seitdem geändert?
Für mich ganz viel. Ich bin wenig später in den Parteivorstand eingeladen worden, um Vorschläge zur »Erhöhung der frauenpolitischen Kompetenz der LINKEN« zu machen. Bisky und Lafontaine haben mich offiziell aufgefordert, die Erstellung des Programms feministisch-wissenschaftlich zu begleiten, damit es nicht so weitergeht, wie es war. Es ist immer so und bis heute und auch in dem jetzigen Programmentwurf, dass irgendwann jemandem auffällt: Ach, wir haben schon wieder die Frauen vergessen. Dann wird ein kleiner Absatz geschrieben...
...und Frauen werden wie Petersilie drüber gestreut, wie Sie einmal formulierten.
Genau. Jeder darf sagen, was ihm noch zu Frauen einfällt. Das steht dann irgendwo zwischen Migrantenpolitik und Individualrechten. Aber es gibt keinen Zusammenhang, keine Perspektive, keine Konsequenz, keine Grundlegung. So kann man höchstens zeigen: Es stehen immer noch die gleichen Frauenforderungen auf der Tagesordnung wie vor 100 Jahren und alle fangen zu gähnen an, wenn sie das hören. Mit Recht übrigens, denn offensichtlich ist etwas an den Forderungen verkehrt.
Was fordern Sie?
Eine theoretische Forderung, mit praktischen Konsequenzen ist, dass die Partei keine eigene Frauenpolitik machen sollte. Die Zuweisung der Themen Kindergärten, Kinderkrippen, Familie und so weiter in den Bereich der Frauenpolitik ist ein Skandal. Das sind doch allgemeine gesellschaftliche Fragen wie Wirtschaftspolitik und Finanzen. Bezeichnet man die als Frauenpolitik, werden sie sofort unwichtig und interessieren nur noch wenige, alle anderen können schon mal essen gehen oder etwas Wichtigeres tun. Die LINKE sollte das nicht mitmachen. Es ist vieles zu tun, für das es feministisches Engagement und entsprechende Kompetenzen braucht, Räume und Zeiten. Das Wesentliche ist es, diese Übersetzungsarbeit zu leisten, die Fragen von Frauen also als allgemeine Menschheitsfragen zu stellen.
. . die ins Programm gehören?
Sie gehören zur Politik für das Leben der Menschen und für die nächste Generation wie Wirtschafts- und Umweltpolitik, Städtebau, Gesundheitswesen oder die Friedensfrage. Und die LINKE sollte sich nicht länger auf einen Arbeitsbegriff stützen, der nur die Lohnarbeit meint. Ich halte es für einen Skandal, wenn lebenserhaltende und lebensentwickelnde Tätigkeiten, also Fürsorge, Reproduktion nicht ebenfalls dazu zählen. Einige der WASG-Genossen, die gewerkschaftlich orientiert sind, befürchten eine Auflösung des Klassenbegriffs und den Verlust des antikapitalistischen Impulses, wenn als Arbeit Tätigkeiten auch außerhalb der Lohnarbeit gefasst werden. Ich aber halte das für unverzichtbar. Es gibt ja auch noch die politische Arbeit, die alle machen sollten. Es ist in dieser krisengeschüttelten Gesellschaft offensichtlich, dass alle sich politisch einmischen müssen, sonst wird ihnen das Fell über die Ohren gezogen. Wenn man dann noch Marx und Engels folgend berücksichtigt, dass »die Entwicklung eines jeden Voraussetzung der Entwicklung aller« sein können muss und also auch Zeit dafür nötig ist, hat man die vier Bestandteile gesellschaftlich notwendiger Tätigkeiten, die wir Arbeit nennen können: Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit, eigene Entwicklung und Politik. Lohnarbeit nur einen Bruchteil davon ab.
Das ist die Vier-in-einem-Perspektive, die ich als reale Utopie in die LINKE bringen wollte. Da stoße ich auf den Widerstand derer, die sagen, wir können uns jetzt nur um Lohnarbeit kümmern, alles andere kommt später. Das aber ist kleinkariert. Man schämt sich ein bisschen, in dieser Partei zu sein, denn dass alles andere auch Arbeiten sind, hat sich praktisch weltweit rumgesprochen. Die LINKE ist eine der letzten Bastionen im gesellschaftspolitischen Feld, in denen nur Lohnarbeit als Arbeit zählt.
Bereuen Sie den Schritt in die LINKE, weil Sie sich im Programmentwurf nicht wiederfinden?
Offensichtlich ist die Arbeit viel schwerer als ich gedacht hatte. Ich hatte angenommen, wenn ich das sorgfältig auseinanderlege und dann auch noch so spreche, dass auch die Lidl-Verkäuferin mich versteht, werden es auch alle erleichtert durchsetzen wollen. Das ist offenbar nicht der Fall. Ich habe nicht genügend darüber nachgedacht, dass die involvierten Männer es gar nicht so einfach unterstützen können, weil sie sich selbst dabei verändern müssen. Ich unterschätzte auch, dass die politischen Strukturen nicht alle Frauen auf die Frauenseite bringen, sondern ebenfalls in den alten Strukturen belassen. Aber ich bereue nicht, ich arbeite umso stärker daran.
Wie machen Sie weiter?
Zunächst geht es weiter darum, wie die Vier-in-einem Perspektive ein Projekt für die LINKE werden kann. Ich habe mit anderen Frauen zusammen eine Präambel geschrieben, die auf unseren Vorstellungen von Arbeit beruht und vor das Programm gestellt werden sollte – in der Annahme, dass die Herangehensweise, von der Arbeit und ihrer Teilung auszugehen und nicht von der Gleichstellung der Geschlechter in einer schlecht geordneten Gesellschaft, Zustimmung finden wird. Wir beginnen, Marx folgend, mit den vier großen Arbeitsteilungen: die Teilung in Frauen- und Männerarbeit, in solche in der Stadt und auf dem Land, in »Arbeit«, die nur von anderer Hände Arbeit lebt und in die Teilung in Kopf- und Handarbeit, eine Abgrenzung, die das Ganze herrschaftlich untermauert. In diesen grundlegenden Beziehungen sind die Geschlechterverhältnisse immer enthalten.
Wer sind Ihre Verbündeten?
Beim Erarbeiten waren wir etwa 20 Frauen, Funktionärinnen aus Vorstand, Fraktion und Landesverbänden. Danach kamen im ganzen Land Diskussionen und Veranstaltungen. Zu den Unterstützern gehören jetzt viele Gruppen, ganze Landesverbände, sowie die letzte Bundesfrauenkonferenz. 150 Einzelpersonen haben den Antrag an die Programmkommission unterzeichnet. Aber zusammen sind das sicher viele Hundert.
In der Kommission, die Änderungsvorschläge für den Programmparteitag bearbeitet, war von vier Mitgliedern nur Katja Kipping, die an der Präambel mitgearbeitet hat, dafür?
Es war wahrscheinlich ein bisschen tollkühn zu glauben, man kriegt das durch. Dabei ist die Ablehnung nicht unbedingt repräsentativ für die Gesamtpartei. Aus dem sächsischen Landesverband heißt es, dass alle dafür sind, auf dem Parteitag in NRW waren es fast die Hälfte. Wir wollen jetzt auf dem Erfurter Parteitag versuchen, die Präambel wenigstens als Nachtrag ins Programm zu bekommen.
Dann wäre sie von vorn nach hinten gerutscht?
Es ist ein Kompromissvorschlag. Wir hoffen, dass er angenommen wird. Einige kleinere Änderungsvorschläge werden vermutlich auch durchkommen, aber es braucht einen zusammenhängenden Text, sonst bleibt es bei einem Flickwerk, das nicht ermutigend für feministisches Eingreifen ist. Die Frauen in unserer Gruppe und viele Delegierte hoffen, dass auf dem Parteitag über diese Anträge und Feminismus im Programm wirklich diskutiert wird. Sie sagen, wir haben so prima Argumente, die kann man verstehen. Ich glaube nicht, dass der Parteitag ein Ort ist, wo die Zeit für wirkliche Diskussion reicht. Wichtig ist eher, wie viele Delegierte man im Vorfeld für diese Ideen gewinnt.
Was kommt nach dem Parteitag?
Wir überlegen mit anderen zusammen, eine Strategiediskussion zu führen. Was der LINKEN fehlt, ist aus meiner Sicht ein eigenes Projekt, wozu ich die Vier-in-einem-Perspektive vorgeschlagen habe. Andere haben etwas andere Perspektiven, aber auf jeden Fall brauchen wir irgendetwas Erkennbares, wofür es sich lohnt, in dieser Partei zu kämpfen. Und dann arbeiten wir nicht mehr am Programm, sondern verstärkt an der Perspektive dieser Partei. Sie braucht eine, sonst wird sie zerkrümelt werden, schon deswegen, weil sich die Schwarz-Grünen derartig blamiert haben, dass die SPD in der Opposition sich etwas nach links bewegt hat. In dem Maße, in dem die SPD das tut, wird man schnell sehen, dass die LINKE kein wirklich eigenes Profil hat. Unsere Präambel heißt »Kämpfe um Zeit«.
Worum geht es darin?
Es geht um die Wiederaneignung der entfremdeten Zeit, worin die Lohnarbeit und ihre gerechte Verteilung natürlich einen strategischen Platz einnimmt. Das würde ein Alleinstellungsmerkmal der LINKEN sein und man könnte praktisch alle Politik darauf zuspitzen. Marx hat gesagt: »Ökonomie der Zeit, darin löst sich schließlich alle Ökonomie auf«. Das kann man verstehen, sowohl im Großen der Gesellschaft, als auch im individuellen Leben. Es braucht der Mensch Zeit, um sich zu entwickeln und lernen zu können. Die Zeit, die er im Erwerbsarbeitsprozess verbringt, sollte anspruchsvoll gelebt werden, es ist Lebenszeit. Jetzt werden viele Menschen dort einfach vernutzt wie Maschinen und später zum alten Eisen befördert. Verlieren sie ihren Arbeitsplatz, bekommen sie keine freie Zeit, sondern eine riesige Bürokratie ist damit befasst, die frei gewordene Zeit mit Beschäftigungsprogrammen und Anträgen auszufüllen. Die sogenannte Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein einziger Stress, besonders für die Frauen. Sich politisch zu engagieren und sich zu erlauben, eigene schöpferische Fähigkeiten zu entfalten, werden bloßer Luxus. Kämpfe um Zeit als Politik setzt an den Alltagserfahrungen an. Das muss doch ein Thema für die LINKE sein.
Und die Vision ist dann die 20-Stundenwoche?
Nicht allein, sie ist ein Element davon. Die 20-Stundenwoche gehört in die Vision von einem Menschen hinein, der sein Leben in die Hand nehmen kann. Er kann sich künstlerisch betätigen oder tanzen oder Märchen erzählen, in die Politik eingreifen, fürsorglich tätig und dabei erwerbstätig sein. Ich sehe die 20-Stundenwoche nicht als Einzelziel. Da denke ich wie Rosa Luxemburg: »Jedes für sich allein gesprochen wird reaktionär auf Dauer«. Verknüpft mit den anderen drei Zielen wird es eine völlig andere Politik.
Dann wird man nämlich nicht nur streiten müssen, ob und wie man den Lohnausgleich für die 20-Stundenwoche hinbekommt, sondern davon ausgehen, dass man diese radikale Verkürzung der Erwerbsarbeit für die Entwicklung der Möglichkeiten braucht, die in einem Menschen schlummern. Setzen wir, wie in bisheriger Frauenpolitik angelegt, allein auf fürsorgende Arbeit, bekommen wir diese Mütterpolitik, die Christa Müller uns vorschlug, und die Frauen ans Kreuz der Geschichte nagelt. Und im Übrigen behält man auf ewig Frauen als Unterpfand für eine Stellvertreterpolitik. Damit werden Frauen passiv gehalten, statt alle Bürger in die Lage zu versetzen, politisch eingreifen zu können. Gesonderte Frauenpolitik bringt die LINKE ebenso wenig weiter wie die Frauen selbst.
Vor der Bundesfrauenkonferenz am kommenden Wochenende in Magdeburg und dem Programmparteitag in Erfurt wird in der Linkspartei über die Frauenpolitik und die feministischen Ansätze im Programm debattiert. Eine Gruppe von Feministinnen scheiterte mit dem radikalen Antrag, dem Programm eine Präambel voranzustellen. Darin geht es vor allem um die Arbeit, deren Verständnis sich den Verfasserinnen zufolge nicht auf Erwerbsarbeit reduzieren darf, sondern auch eigene Entwicklung, Erziehung, Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege und Politik umfassen sollte. Mit der Wissenschaftlerin und Präambel-Autorin Frigga Haug sprach Silvia Ottow über die Frauenpolitik in der Linkspartei. Die streitbare 73-jährige Publizistin ist seit vier Jahren Parteimitglied, arbeitet in den wissenschaftlichen Beiräten von Attac und Rosa-Luxemburg-Stiftung, im Kuratorium des Instituts für Solidarische Moderne sowie im Schriftstellerverband. Sie ist Vorsitzende des Berliner Instituts für kritische Theorie

http://www.neues-deutschland.de/artikel/207014.petersilie-fuers-parteiprogramm.html

Editorial - Das Argument 281 (3/2009)
Frigga Haug in Das Argument (01.08.2009)
Editorial
Auf den ersten Blick scheint die Weltwirtschaftskrise das gesamte politische Leben in der Zivilgesellschaft erschlagen zu haben. Ungläubig ducken sich die Menschen, dass der Sturm vorübergehe. Noch scheinen die meisten zu hoffen: »Heiliger Sankt Florian, verschon’ dies Haus, zünd’ andere an.« Ein Jahr, so heißt es, und wir alle können gestärkt aus der Krise hervorgehen. Offiziell wird Wachstum versprochen, als sei dies so ohne Weiteres zu haben und als sei es dies, das wir wollen müssen. Gleichzeitig gibt es längst einen Wachstumsbereich in der Gesellschaft, der sich in der Krise immer weiter aufbläht. Es ist der Sektor der Umsonstarbeit. Hier zeigen sich Risse im gesellschaftlichen Fundament. An allen Ecken und Enden gibt es Arbeit, die unbezahlt getan werden soll. Immer mehr Menschen werden dafür gebraucht und angerufen, nicht nur jüngst in der ›Woche des Ehrenamtes‹. Betroffen sind wesentlich die Bereiche, die die Sorge um Menschen und ebenso die der Sorge um die Naturbedingungen betreffen, wobei Letztere mit dem Etikett des Ökologischen an Unwiderrufliches, an Ungetanes gemahnt. Beide Bereiche sind in Krise, beide werden mit ständigen Kompromissen vertröstet.
Der soziale Bereich, von dem im Folgenden die Rede sein soll, wird vorwiegend von Frauen bevölkert. Die Arbeit wird hier zumeist unbezahlt verrichtet. Aber es gibt auch in diesem Sektor eine Vergesellschaftung von Arbeit, Erwerbsarbeit, die, eben weil sie der weiblich umsonst verrichteten so nahe kommt, geringfügig bezahlt wird. Das gilt für Krankenschwestern und Altenpflegerinnen, für Erzieherinnen, für den gesamten Sozialbereich, soweit er von Sozialarbeiterinnen erwerbsmäßig besetzt ist usw. Jetzt erst, inmitten der Weltwirtschaftskrise, da die Anforderungen wachsen, weil die vielen Teilzeit- und die entlassenen Leiharbeitenden, die perspektivlosen0-Stunden Kurzarbeitenden ohne Aussicht, den an der Armutsgrenze berechneteneigenen Haushalt nicht mehr finanzieren können, jetzt gibt es Bewegung von unten .Große Demonstrationen gegen Hartz IV. Ein Bildungsstreik, Streik im Gesundheitswesen und jetzt die Erzieherinnen, die sich weigern, das»flexible« Berufsleben von vielen abzusichern. Sie streiken nicht einfach für einen höheren Lohn. Mit dem anhaltenden Erzieherinnenstreik wird jetzt für alle sichtbar wird, was man unter dem Tisch hielt, dass nämlich diejenigen, welche die kommenden Generationen erziehen sollen, selbst in ärmlichen Verhältnissen leben und Gehälter bekommen, die nur wenig über Hartz IV liegen. Aber diese Zumutung in der Aufgabe, die nächste Generation zu befähigen, das eigene Leben zu gestalten und zugleich selbst ein Leben voller kleinlicher Berechnung führen zu müssen, ist nicht das einzig Bemerkenswerte an diesem Streik. Sichtbar wird auch, dass die Ausbildung derer, die die Ausbildung der Nächsten fundieren sollen, dürftig, uneinheitlich, kurz unzureichend ist. Gestreikt wird dafür, dass der Beruf einer Erzieherin als qualifizierter Beruf anerkannt wird mit entsprechender Ausbildung, für Gesundheit im Beruf und dann auch einer Bezahlung, von der man gut leben kann.
Diese Krise ist neben einer Überakkumulationskrise von Kapital auch eine Überproduktionskrise. Sie wird sinnfällig u.a. an den Autohalden vor den Werkstoren, diesen widersprüchlichen Produkten, die das Leben nicht nur leichter machen, sondern auch auf mehrfache Weise gefährden, nicht zuletzt ökologisch. Täglich wird zudem in den Tageszeitungen verkündet, dass wieder Produktionsstätten abspecken und tausende von Arbeitenden entlassen. Jetzt folgt Einsparung in jedem Haushalt und rückwirkend die Krise in den riesigen Verkaufsanlagen wiederum mit Massen von Arbeitslosen, hauptsächlich weiblichen. All dies betrifft den großen Sektor der Erwerbsarbeit, in dem also Gegenwehr organisierbar ist. Aber jetzt allmählich treten die Risse im gesellschaftlichen Fundament deutlicher hervor. Wie in dem ehemals reichen, jetzt verarmten Washington/USA die aus den gebrochenen Rohren der Kanalisation schießenden Wasserfontänen die Verrottung des ganzen Systems zeigten, so offenbart sich in der Wirtschafts- und Finanzkrise, dass diese Gesellschaft auf einer immer mehr verwahrlosenden Schicht uneingeholter Zivilisation – auf der Vernachlässigung ihrer eigenen Reproduktion aufgebaut ist.
Die Hüterinnen des Reproduktionsbereichs sind vereinzelt in privatem Heim oder zersprengt in vielen kleinen Jobs, um sich und ihre Angehörigen zu ernähren. Sie sind nicht das Proletariat, auch kein Lumpenproletariat. Eher schon gehören sie zu den Prekären, den Marginalisierten, den kaum Sichtbaren im Hintergrund. Der Erzieherinnenstreik ist daher auch ein erstes Echo auf den verkommenen Zustand der Gesellschaft in ihrer eigenen Reproduktion. Die Medien erzählen in genussvoll-unschuldig verbreiteten Nachrichten fast täglich davon: Da beißt und tritt ein 15-jähriger Babysitter das ihm anvertraute zweijährige Mädchen zu Tode – die Mutter verließ für nicht einmal zwei Stunden das Haus; da erschießen Schüler ihre Mitschülerinnen, ihre Lehrerinnen und Lehrer; eine Mutter tötet ihre Kinder – man könnte diese Liste lange fortsetzen. Jetzt in der Krise bricht die Verrohung auf, weil der Druck insgesamt steigt.
Wir suchen die organisierende Kraft und Stimmen, die Zeichen lesen, den Protestaufnehmen, die, den moralisierenden Diskurs, der sich gegen ›schlechte‹ Lehrer, Schüler, Eltern, Erzieherinnen, zuletzt gegen Frauen richtet, aufbrechen und eine Analyse vorantreiben, die Menschen nicht apathisch, sondern handlungsfähig macht.
Die Themen, die in der Krise aufbrechen, betreffen den Kapitalismus im Ganzen. Sie betreffen die Lebensweise, den Sinn von Arbeit, Arbeitsteilungen und den Sinn von Leben selbst. Die Frauenbewegung der 1970er Jahre hatte sich an Fragen des Alltagslebens entzündet, dessen Zurichtung das Leben von Frauen außerordentlich einschränkte. Fragen der Hausarbeit, der Bedeutung von Frauenunterdrückung in der Reproduktion von Gesellschaft, darin die Fragen sexueller Gewalt waren Brennpunkte der Bewegung. Sie wurden lange schon, bereits Anfang der 1980er Jahre fallengelassen zugunsten immer spitzfindigerer Erkenntnisse über die Vielfältigkeit von Herrschaftspraxen, der eine ebenso große Vielfältigkeit von differenten Frauensubjekten entsprach. Die Suche nach möglichen Orientierungen in der gegenwärtigenbrutalen Lage findet daher zunächst nichts. Ja, im Gegenteil, sie steht vor der Problematik, dass eine Reihe feministischer Forderungen, die einst den Aufbruch antrieben, zufriedengestellt im neoliberalen Projekt Platz nahmen, welches allerdings jetzt selbst in Krise ist. Die Frauenbewegung, aus der Initiative und Kraft kommen könnte, ist seit langem versickert, von Außen und Innen zersetzt, integriert oder ins Akademische davongezogen. Was geschehen muss, ist zugleich eine selbstkritische Reflexion der Entwicklung feministischer Theorie und Praxis zusammen mit einer Analyse kapitalistischer Verhältnisse, also eine Neuvermessung der Kräfteverhältnisse.
Unser Weg nach vorn geht zunächst zurück in die Geschichte. Suchen wir aus den Trümmern des vergangenen Feminismus der zweiten Frauenbewegung Elemente für ein neues linkes feministisches Projekt zurückzugewinnen. Dabei sind wir keineswegs allein. Der Arbeit an diesem Heft ging eine internationale Umfrage zu dieser Problematik voraus (2008-2009). Sie brachte eine Art Cahiers de Doléance hervor<!--[if !supportFootnotes]-->[1]<!--[endif]--> und war Grund, mit der vorwegnehmenden Veröffentlichung einiger überarbeiteter und erweiterter Beiträge (Butler, Segal und Seddon) in diesem Heft die Diskussion um eine erneuerte feministische Initiative im Argument zu beginnen.<!--[if !supportFootnotes]-->[2]<!--[endif]--> In den letzten Monaten erreichen uns zudem aus verschiedenen Ländern der Welt linke feministische Aufarbeitungen des Vergangenen in der Perspektive, sich neu zusammenzufügen, die wir ebenso in diesem Heft vorstellen (Fraser, Soiland, Ullrich).
Aus den vielfältigen Zerstreuungen, aus dem Verlust des Frauen-Wir gilt es, einkollektives Subjekt zu erkennen, welches, aus den Fehlern der Bewegung lernend, sich an der Analyse der gegenwärtigen Lage, in der Perspektive einer Erstarkung von gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit versucht. Es geht zunächst noch nicht um den alternativen Entwurf einer anderen Gesellschaft, die jetzt in der Krise eine Chance hätte. Es geht um Rückgewinnung verlorener Posten wie des betroffenen »Wir« (Seddon), um Besichtigung der Schäden, die die Preisgabe dieses Frauen-Wir durch die Einführung des Gender-Begriffs erfahren hat (Soiland). Die Analyse von Klasse, Rasse und Geschlecht zwingt, für ungleichzeitige Realitäten eine Politik der Verknüpfung zu ersinnen (Segal). Der selbstkritisch geschärfte Blick nimmt die passive Revolution, die Integration von Frauenforderungen ins neoliberale Projekt auf (Fraser) und gewinnt durch Einbezug der Entwicklung der Produktivkräfte zum Hightech-Kapitalismus in die feministische Analyse Umrisse eines neuen feministischen Projekts (Haug). Angesichts der Erschütterungen in den migrierenden Bevölkerungen werden Vorschläge gemacht, die neuen Herrschaftsstrategien der sich reproduzierenden Staatsmächte politisch zu analysieren (Butler). Dabei sind die Schwierigkeiten kommender Frauengenerationen zu begreifen (Ullrich).
Dieses Heft markiert zugleich einen Einschnitt in der Organisation von Frauenthemen im Argument. Wir bilden wieder eine Frauenredaktion – eine noch offene Struktur zunächst, jedoch auf Stabilität und Dauer geplant. In ihr finden sich derzeit die »Alten«:Frigga Haug, Jutta Meyer-Siebert, Claudia Gdaniec, Ilse Schütte und Gundula Ludwig. Neu hinzugekommen sind Brigitte Gläser und Nicola Tiling, im nächsten Heft wird Sabine Plonz zu uns stoßen.
FH
http://www.linksnet.de/de/artikel/24765

Eine einzige Veranstaltung des Attac-Kapitalismuskongresses machte Geschlechterverhältnisse zum zentralen Thema.
Julia Roßhart in an.schläge (23.04.2009)
Der Kapitalismus ist mit der Finanzkrise zum massenmedialen Thema avanciert, über Kapitalismus wird wieder verhandelt, Kapitalismus wird kritisiert. Befragt man die omnipräsenten Kritiken und Lösungsangebote auf ihre Radikalität hin, relativiert sich die Rede von der gegenwärtigen Salonfähigkeit der Kapitalismuskritik jedoch: Zielen die Kritiken auf den Kapitalismus als solchen ab oder wird bloß der gegenwärtige Status Quo des Kapitalismus als „Casino-Kapitalismus“ kritisiert? (Und: Wo liegt die Grenze zwischen beiden?) Verfolgen die vorgeschlagenen Maßnahmen eine Stabilisierung oder Reformierung, eine Transformation oder gar das Ende des Kapitalismus? 
So unterschiedlich die Diskussionsbeiträge hinsichtlich ihrer Radikalität und Stoßrichtung auch sein mögen, was in der aktuellen medial-öffentlichen Diskussion insgesamt – und fast vollständig – fehlt, sind feministische Kapitalismuskritiken und Reflexionen über das Verhältnis von Kapitalismus und Geschlecht.
Feminismus und Kapitalismus.
Vom 6. bis 8. März (Internationaler Frauentag!) fand in Berlin der Kapitalismuskongress der globalisierungskritischen Organisation Attac statt – mit 2.500 BesucherInnen ein unerwartet erfolgreicher Kongress, der in dutzenden Veranstaltungen Raum für Weiterbildung und Diskussion in Sachen Kapitalismus und Krise bot, und damit für linke Bewegungen in Deutschland ein wichtiges Moment kapitalismuskritischer Diskussion und Mobilisierung darstellte. 
Doch leider offenbarte der Blick in das Programmheft auch hier die gewohnte Leerstelle: Eine einzige von insgesamt knapp hundert Veranstaltungen befasste sich mit Kapitalismus und Geschlechterverhältnissen. Nur Frigga Haug, bis 2001 Professorin für Soziologie in Hamburg, entwarf eine dezidiert feministische Zielperspektive für eine alternative Organisation von Leben und Arbeit. Ihre „Vier-in-Einem-Perspektive“ gründet auf der Überzeugung, dass der kapitalistische Akkumulationsprozess durch eine Mittel-Zweck-Verkennung gekennzeichnet sei, in der die Produktion des Lebens der Produktion der Lebensmittel – heute organisiert als Lohnarbeit – untergeordnet sei. Das heißt: Reproduktionsarbeiten werden als Beiwerk des kapitalistischen Produktionsprozesses marginalisiert, der allerdings seinerseits in eine Überakkumulationskrise geraten sei. Darin machte auch Globalisierungstheoretikerin Saskia Sassen beim Eröffnungspodium die Spezifik der gegenwärtigen Krise aus: Sie ließe sich – und das sei neu – nicht lösen, indem weitere gesellschaftliche Sektoren in den Finanzsektor und seine Logik integriert werden, da fast nichts mehr übrig sei. Die Folge: „Capitalism implodes“. 
In der Marginalisierung jener Tätigkeiten, die sich nicht sinnvoll in die „Zeitsparlogik“ (Haug) oder in die Logik des „Maximalprofits“ (Publizistin Daniela Dahm auf dem Eröffnungspodium) einfügen lassen, treffen bei Haug Kapitalismus und Geschlechterungleichheit aufeinander. Die politische Forderung, die sie ableitet, zielt auf eine radikale Verkürzung der täglichen Erwerbsarbeitszeit auf vier Stunden, um Platz zu schaffen für reproduktive Arbeit, für die Gestaltung der Gesellschaft und für die Arbeit an sich selbst. Ziel ist die gleichwertige Verknüpfung der vier Bereiche Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit, politische Arbeit und individuelle Entwicklung, bei Anerkennung ihrer je eigenen Logiken. Damit einher geht eine Absage an die arbeitsteilige StellvertreterInnenpolitik: Mit dem vorgeschlagenen Zeitmodell kann diese durch die aktive Gestaltung von Gesellschaft durch alle ersetzt werden.
Unfeministische Kapitalismuskritik.
Haug sprach zudem die historische Marginalisierung der Frauenbewegung in der ArbeiterInnenbewegung an und bemerkte, dass auch gegenwärtige linke kapitalismuskritische Interventionen wie der Attac-Kongress schlicht unter Auslassung der Frauenfrage operieren. Auch Deborah Ruggieri, Mitglied der Gender-AG von Attac und Moderatorin auf dem Kongress, teilte diese Einschätzung: In globalisierungskritischen, linken Bewegungen und NGOs des deutschsprachigen Raumes sei es um die Verknüpfung von Feminismus und Kapitalismuskritik momentan schlecht bestellt. Bezogen auf den Attac-Kongress jedenfalls lässt sich eine wenig ruhmreiche Bilanz ziehen: Es blieb bei der einen Veranstaltung von Frigga Haug, die als einzige das Geschlechterverhältnis zum zentralen Thema machte. Was die zahlenmäßige Vertretung von Frauen auf dem Kongress anbelangt, standen circa vierzig Referentinnen etwa 110 Referenten gegenüber. Positiv hervorzuheben ist indes, dass die zentralen Podien auf dem Kongress geschlechterparitätisch besetzt waren. 
Auch sonst nimmt Attac bis dato keine Vorreiterrolle ein, was die Berücksichtigung feministischer Perspektiven, eine geschlechtergerechte Organisationsstruktur und die Repräsentation nach außen anbelangt. Allerdings tut sich hier etwas: 2008 hat sich die bundesweite Gender-AG gegründet, die auf die Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Organisation hinwirkt und zugleich inhaltlich zu Geschlecht und Globalisierung beziehungsweise Kapitalismus arbeitet. Die AG intervenierte am Abschlusstag des Kongresses mit einer politischen Aktion, um auf die Marginalisierung feministischer Perspektiven auf dem Kongress aufmerksam zu machen. Denn: „Auch bei Attac wird Wirtschafts- und Finanzkompetenz offensichtlich männlich geschrieben“, so das begründende Statement der AG auf ihrer Homepage. Ruggieri schätzt das feministische Veränderungspotenzial bei Attac allerdings sehr positiv ein: Erstens sei eine deutliche Tendenz in Richtung einer besseren Verankerung von Geschlechtergerechtigkeit auszumachen. Und zweitens werde die Verknüpfung von Geschlecht und Finanzkrise verstärkt zum Thema inhaltlicher Arbeit.
Kapitalismusunkritischer Feminismus.
Haug verwies darüber hinaus auf Nachfrage auf eine weitere Leerstelle: Das weitgehende Fehlen kapitalismuskritischer Perspektiven im gegenwärtigen akademischen Feminismus (was Deutschland und Österreich anbelangt). Tatsächlich scheint Kapitalismuskritik in den großen Debatten der feministischen Wissenschaften nicht gerade en vogue zu sein. Das heißt aber natürlich nicht, dass es überhaupt nichts dergleichen gibt – eine Fülle wissenschaftlicher Arbeiten befasst sich etwa kritisch mit dem Neoliberalismus und problematisiert den Abbau sozialer Absicherungen und dessen Prekarisierungsfolgen, von denen Frauen tendenziell in stärkerem Maße betroffen sind als Männer. Des Weiteren werden Kritiken an neoliberalen Subjektvorstellungen und politischen Programmen (HartzIV) formuliert, die auf individuelle Selbstverantwortung und „Aktivierung“ setzen: Ungleiche Ausgangsbedingungen aufgrund von Geschlecht, Klasse und Ethnizität würden unsichtbar gemacht, was zu einer Entpolitisierung und Entsolidarisierung beitrage. Arbeiten aus den Forschungskontexten der QueerTheory kreisen um die Frage nach dem Verhältnis von Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität auf der einen und Kapitalismus auf der anderen Seite. Hierhat eine Reflexion darüber eingesetzt, dass sich der gegenwärtige (neoliberale) Kapitalismus möglicherweise als so flexibel erweisen könnte, dass ihn auch eine grundlegende Irritation der zweigeschlechtlichen Gesellschaftsordnung nicht zwangsläufig maßgeblich erschüttern würde. 
Mit der Frage nach einer feministischen Kapitalismuskritik stellt sich auch jene nach einem zeitgemäßen linken Feminismus neu. Jenseits von „F-Klasse“ und „Karrierefeminismus“ sowie konservativer Familienpolitik und Mutter-Ethos; global denkend, nicht elitär, die unterschiedlichen und miteinander verknüpften Ungleichheitsrelationen und Ausschlussmechanismen im Blick. Möglicherweise liefern die wirtschaftliche Kriseund die sie umgebenden Debatten einen Anstoß für eine diesbezügliche Suchbewegung – in den wissenschaftlichen Kontexten ebenso wie in linken (globalisierungskritischen) Bewegungen.
http://www.linksnet.de/de/artikel/24420

http://www.argument.de/wissenschaft/fh_4in1.html

Frauentag 2009 - Diskussion mit Frigga Haug
Die AG Frauen Marzahn-Hellersdorf der LINKEN lädt ein zu
"Feministische Utopien: Wofür brauchen wir sie im Bezirk? - Herausforderungen an linke feministische Frauenpolitik -
18 Uhr, im "Hafen" (Zentrum für Frauen, Mädchen und Gründerinnen e.V.),
Schwarzburger Straße 8, 12687 Berlin
Diskussion mit der Soziologin und Psychologin Frigga Haug (im Foto), die über ihren im Buch "Vier-in -einem-Perspektive - Politik von Frauen für eine neue Linke" beschriebenen Ansatz sprechen wird. Mit dabei auch Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle, DIE LINKE.

http://www.die-linke-berlin.de/nc/politik/termine/detail/artikel/frauentag-2009/

"Wir wollen mehr als Krippenplätze"
Der Feminismus ist zwar in einer Talsohle - doch er wird noch gebraucht. Denn noch immer müssen Frauen reparieren, was die Ökonomie zerstört. Ein Gespräch mit Frigga Haug über die Linkspartei und das Unglück von Hausfrauen
taz: Frau Haug, mit fast 70 Jahren treten Sie zum ersten Mal einer Partei bei. Womit hat die Linkspartei Sie überzeugt?
Frigga Haug: Seit 50 Jahren erfahre ich die Linke als untereinander zerstritten und verfeindet. Wenn es überhaupt eine Chance auf eine Kraft links von der SPD gibt, dann ist es diese. Ich mache mir keine Illusionen über die Partei, aber es gibt viele Menschen dort, die sich für Alternativen zur jetzigen Gesellschaft ernsthaft einsetzen. Auch ich wollte die Hoffnung nach dem Ende der sozialistischen Staaten nicht ganz fahren lassen. Die Linke hat eine Chance.
Als profilierte Feministin treten Sie in eine Partei ein, die von drei Männern dominiert wird. Wo ist da die Chance für Frauen?
Ich sehe die Möglichkeit, dort etwas zu gestalten. Es gibt gute und profilierte Frauen in der Linken, die etwas wollen. Mit ihnen möchte ich zusammenarbeiten. Das mit den drei Männern muss ja nicht so bleiben. Auf dem Gründungsparteitag haben wir spontan ein Frauenplenum abgehalten und eine Arbeitskonferenz beschlossen. Dort werden wir eine frauenpolitische Plattform erarbeiten, uns Strategien für den Umgang mit der Quote überlegen.
Wo ist der Unterschied zu den Grünen? Die haben auch als feministische Partei angefangen.
Die haben ja damals auch viel erreicht und dafür gesorgt, dass alle Parteien anfingen, zu quotieren. Jetzt haben die grünen Frauen allerdings kein Projekt mehr.
Der Feminismus wandert also zur Linkspartei?
Feminismus gibt es doch fast nicht mehr. Ob diese sehr verschiedenen Frauen aus dem Osten und dem Westen zusammen ein feministisches Projekt realisieren können, ist noch offen. Aber es gibt die Lust, etwas zu tun, sich und die Gesellschaft zu verändern - anders als in anderen Parteien.
Die frauenpolitischen Eckpunkte der Linken zielen auf die ökonomische Gleichstellung: gleicher Lohn, ein Gesetz für die Wirtschaft, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Einen solchen Ansatz haben Sie bisher kritisiert.
Ich war in dem Beirat, der die Entstehung der Eckpunkte begleitet hat. Ich fand diesen Gleichstellungsansatz viel zu eng. Feminismus will doch eine bessere Gesellschaft und nicht bloße Gleichberechtigung. Wir kamen damit nicht durch.
Das sind ja keine guten Vorzeichen. Welche Ziele hätten Sie gerne fixiert?
Ich habe für einen analytischen Vorspann plädiert. Der begründet, dass die schlechtere Position von Frauen in dieser Gesellschaft sich immer weiter reproduzieren wird, solange die Kinderfrage keine gesellschaftliche, sondern eine Privatfrage ist. Im Zweifelsfall sitzt immer wieder die Frau mit zwei Kindern auf einer Teilzeitstelle und kann sich alle anderen Träume an den Hut stecken. Wahrscheinlich lebt sie noch in Armut, weil der Mann über alle Berge ist.
Aber Kinderkrippen sind ja Vergesellschaftung - und das will heute auch schon die CDU.
Aber das ist doch nur ein Flicken. Wir wollen den ganzen Rock, um mit Brecht zu sprechen.
Und der wäre?
Wir brauchen Freiraum zur Mitgestaltung der Verhältnisse, in denen Kinder leben. Eine radikale politische Forderung wäre eine Erweiterung des Arbeitsbegriffs: Dann könnte man von einer Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf 16 Stunden sprechen: Vier Stunden in der Erwerbsarbeit, vier Stunden in der Politik, vier Stunden zum Lernen, für Kultur und Entwicklung, und vier Stunden brauchen wir für die Reproduktionsarbeit an uns, den Kindern, den Eltern.
In Bezug auf Erwerbsarbeit wäre das eine Arbeitszeitverkürzung. Hat die PDS auch schon gefordert. Mit vollem Lohnausgleich.
Diese Forderung kann nicht auf die Unterstützung der vielen Abgehängten und auch nicht der Frauen rechnen, die auf ihren Teilzeitstellen ohnehin keinen vollen Lohn erhalten.
Aber durchsetzbar ist Ihre wohl auch nicht.
Es geht ja auch zunächst darum, einen Debattenraum zu eröffnen. In diesem Raum muss auch die Frage nach einem Grundeinkommen erörtert werden.
Die frauenpolitische Sprecherin der Linken im Saarland, Christa Müller, möchte, dass daheimbleibende Mütter bezahlt werden. Lohn für Hausarbeit war doch auch mal eine feministische Forderung, oder?
Nur von wenigen. Die Mehrzahl wollte das Hausfrauendasein abschaffen. Wir wollen die Frauen nicht zu Hause einsperren, sondern engagiert in der Gesellschaft. Wir haben früher schon Hausfrauen zu politisieren versucht. Das war nicht sehr schwer, weil der Leidensdruck groß war.
Heute gibt es aber offenbar auch glückliche Hausfrauen.
Langfristig hält das niemand aus, sein menschliches Wesen in vier Wänden schadlos zu entfalten und bestenfalls noch für ein Lächeln Wohltaten zu verstreuen.
Wenn nun Ursula von der Leyen die Kinderbetreuung ausbaut, ist das doch ein Schritt in die richtige Richtung?
Von der Leyen besetzt eine Leerstelle, wo der Feminismus nicht mehr ist. Aber Feminismus ist viel mehr als Krippenplätze.
Aber diesen Feminismus gibt es doch nicht mehr, wie Sie selbst sagen. Rettet von der Leyen nicht eher noch einen Rest Feminismus?
Nein, sie entsorgt ihn durch eine passive Revolution, wie Gramsci sagen würde. Der Staat integriert Forderungen und stärkt sich, während zugleich das lebendige Feuer der Bewegung erlischt.
Die Verve der Frauenbewegung entstand ja aus einer Erfahrung des Leidens. Wenn nun diese spezifische Form des Leidens nicht mehr da ist, gibt es keine Bewegung mehr.
Die Frauenbewegung kämpfte natürlich gegen die fordistische Produktionsweise mit dem Alleinernährer und der Hausfrau. Beide sind Auslaufmodelle. So kann es keine einfache Neuauflage feministischer Politik geben. Aber es gibt neue Formen des Leidens: Wenn der männliche Ernährer wegfällt, muss die Frau Job und Kinder unter einen Hut bringen, eventuell als Alleinerziehende. Die Kinderbetreuung ist ein wichtiger Schritt, kommt aber viel zu spät und für zu wenige. Die Frage heute ist doch: Auf wessen Schultern wird die soziale Frage ausgetragen? Wer übernimmt die Reparaturarbeiten, die der neoliberale Kapitalismus schafft? Solange das die Frauen sind, ist die Frauenfrage nicht erledigt.
Auf dem feministischen Feld steht heute eher Thea Dorn, die sich nicht an Bewegungen richtet, sondern Empowerment für einzelne Frauen will.
Das ist ein reines Elitenprojekt.
Aber vielleicht ein lohnendes? Warum ist in der Linkspartei trotz Quote keine Frau in der Spitze? Thea Dorn möchte solche Leerstellen füllen - mit Empowerment.
Ja, diesen Impuls sollte man aufnehmen. Aber wofür sollen diese Frauen an die Spitze? Mit welchem Projekt? Wie soll die Gesellschaft werden? Das fehlt mir bei Thea Dorn.
Dafür erreicht sie Milieus, die für den "alten" Feminismus verloren sind.
Ja, das könnte natürlich Türen öffnen. Es ist elementar wichtig, sich mit vielfältigen Initiativen zu vernetzen. Das hat schon Rosa Luxemburg gesagt: Man muss sowohl auf Partei und Parlament setzen als auch auf die Unzufriedenen außerhalb. Jedes allein ist reaktionär.
INTERVIEW: HEIDE OESTREICH

FRIGGA HAUG, 69, ist emeritierte Professorin für Soziologie und marxistische Feministin. Sie lebt heute in Esslingen und auf La Palma. Sie ist Mitbegründerin der Volksuni in Berlin und Mitherausgeberin der linken Theoriezeitschrift "Das Argument". Zudem ist sie Redakteurin des "Historisch-Kritischen Wörterbuchs des Feminismus". Ihre Themen sind unter anderem weibliche Vergesellschaftung, Arbeit und Automation.

http://www.taz.de/1/archiv/?id=archiv&dig=2007/06/23/a0218

Krise und Gewerkschaften
"Arbeitsplatz als Menschenrecht"

Pascal Jurt. Frigga Haug ist Vorsitzende des Berliner Instituts für kritische Theorie und unter anderem Redakteurin der Zeitschrift "Das Argument" und des "Historisch-Kritischen Wörterbuchs des Marxismus". Wir haben mit der Soziologin und Philosophin ein Gespräch geführt über die Angriffe des Kapitals, die zunehmende Prekarisierung und die besonderen Auswirkungen auf die Frauen.

VORWÄRTS: Während es in anderen Ländern schon länger Studien zur Prekarisierung gibt, wurde diese in Deutschland von einem grossen Teil der Mainstream-Soziologie und Politologie lange geleugnet. Es dauerte bis zur Veröffentlichung einer von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebene Studie, an die
sich eine absurde Diskussion um die Existenz oder Nichtexistenz einer "Unterschicht" anknüpfte. Was sind die Gründe für die verspätete Wahrnehmung?
FRIGGA HAUG: Deutschland kommt immer zu spät, schrieb Marx. Im Falle der Revolution am Tag der Restauration. Nun ist die Prekarisierung nicht gerade eine Revolution, das Zuspätkommen nicht ähnlich schwerwiegend. Aber die Frage selbst setzt auch ein wenig spät an. Denken wir zurück an die Computerisierung von Produktion und Verwaltung. Da rieten die SozialwissenschaftlerInnen den Gewerkschaften noch, den Umbruch der Produktivkräfte nicht als erheblich zu denken und die Folgen, wenn überhaupt als Dequalifikation. Deshalb sei es günstiger, das Vordringen von Hightech noch in den siebziger Jahren, als es schon mehr computergesteuerte Arbeit gab als solche am Fliessband, zu bekämpfen. Ein äusserst fataler Ratschlag mit bis heute spürbaren Folgen, dass nämlich kein alternatives Kampfkonzept entwickelt wurde, das die Umbrüche zugunsten der Beschäftigten genutzt hätte und der absehbaren Vermehrung von "Überflüssigen" mit einer aggressiven Zeitpolitik begegnet wäre.
Die Folgen tragen wir bis heute. Die Positionen der Gewerkschaften werden zunehmend schwächer, die Kapitalseite zunehmend ruchloser. Arbeitsplätze werden gleich zu tausenden abgeschafft, und so stehen die Gewerkschaften mit dem Rücken zur Wand und kämpfen um verbleibende Arbeitsplätze, nicht um die, die schon herausgeflogen sind.
Statt nun im Einzelnen zu forschen, warum die Diskurse um die Prekarisierung so spät erst aufgenommen wurden, scheint es mir besser, zu fragen, wie die stets wachsende Zahl an Prekarisierten aufgenommen werden könnte in ein allgemeines Konzept kämpferischer Gegenwehr.
VORWÄRTS: Die Entgrenzung von Arbeit und Leben, die Probleme des Ineinanderfallens von Arbeit und Freizeit und physischer Orte von Produktion und Reproduktion umfassen nun alle Lebensverhältnisse, nicht nur das Lohnarbeitsverhältnis. Glauben Sie, dass die Schärfung des Begriffs der Prekarisierung zum Verständnis alter und neuer Unsicherheiten kapitalistischer Vergesellschaftung beitragen kann?
FRIGGA HAUG: Die Strategie des Abwartens und der Nichtth¬matisierung der Arbeitszeit-verkürzung, eben weil es um Arbeitsplatzsicherung stattdessen ging, war gewiss äusserst problematisch. Die Diskurse um immaterielle und postfordistische Wissensarbeit finde ich bis heute eher verwirrend, unnötig kompliziert und nicht geeignet, die anstehenden Fragen eingreifend zu beantworten. Schliesslich geht es ganz brutal darum, dass der zunehmende Reichtum der Arbeit, also dass die Produktivkräfte soweit entwickelt wurden, dass nur mehr ein Bruchteil notwendiger Arbeit für die Reproduktion der Gesellschaft nötig ist (sagen wir die Hälfte oder weniger in den letzten 20 Jahren), ganz den Kapitaleig-
nern zu geschoben wurde. Die Arbeitszeiten blieben stabil oder wuchsen und infolgedessen wurden Arbeitskräfte nicht reicher, sondern entlassen. Dies konnte genutzt werden, um ein Heer von Überschüssigen als Druckmittel gegen das schrumpfende Arbeitsheer zu nutzen. In dieser Weise konnten die Ansprüche, Standard, historisches Niveau der Arbeitenden gesenkt werden. Jetzt muss man froh sein, überhaupt eine Arbeit zu bekommen. Diese Lage nutzt die Kapitalseite, um das Heer der Prekarisierten zugleich zu vermehren und botmässig zu halten: Zeitverträge und Hartz IV allenthalben als Durchschnitt für die Zukunft durchzusetzen. Mehr als einen genauen Begriff von Prekarisierung brauchen wir eine radikale Arbeitszeitverkürzung und damit einen Arbeitsplatz (von vier Stunden) für alle als Menschenrecht.
VORWÄRTS: In den letzten Jahren hat die gesellschaftliche Polarisierung von Armut und Reichtum dazu beigetragen, dass das Interesse an der Prekarisierung auch hierzulande spürbar zugenommen hat. Betrifft soziale Unsicherheit, Leiharbeit, latente und manifeste Armut und das Workfare-Regime zunehmend auch die Mitte der Gesellschaft?
FRIGGA HAUG: Dies ist einer der besseren Effekte der grossen Krise, dass mehr und mehr zugelassen wird, dass, wie es der Herausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schrieb, die Linken doch recht hatten mit ihrer marxistischen Analyse des Kapitalismus. Marxismus wird als Wissenschaft mehr und mehr ernst genommen, aber, was wichtiger ist, von einer wachsenden Gruppe nachwachsender Intellektueller studiert. Dies ist die eine Seite, die unbedingt von den verbleibenden MarxistInnen angenommen werden muss. Die andere Seite ist, dass die Ungerechtigkeit in Bezug auf die wachsende Armut und den noch schneller wachsenden Reichtum einiger so schreiend ist, dass eine soziale Bewegung oder mehrere, die dies nicht länger aushalten, unausbleiblich ist. Die täglich lesbaren und hörbaren Ziffern der grossen gesellschaftlichen Spaltung in 1 Prozent im Überfluss und 99 Prozent, die das tragen - hat ja schon jetzt begonnen.
VORWÄRTS:

Frauen sind nicht nur durch eine verstärkte Kapitalisierung des Reproduktionsverhältnisses, sondern auch durch die unbezahlte Reproduktionsarbeit sprichwörtlich "doppelt belastet" und von Armut gefährdet. Sie analysieren die Geschlechterverhältnisse als Produktionsverhältnisse. Inwieweit kann ihr feministischer Ansatz den Blickwinkel auf Arbeit erweitern?
FRIGGA HAUG: Ich ziehe es neuerlich vor, nicht von einer Erweiterung des Arbeitsbegriffs zu sprechen, was, mir unverständlich, soviel Gegenwehr und Angst hervorgerufen hat, obwohl es mir dem gesunden Menschenverstand angemessen schien, sondern schärfer und offensiver von einer Wiederaneignung des Arbeitsbegriffs. Das bedeutet, dass Arbeit auch begrifflich aus den Fesseln der Lohnarbeit zu befreien ist wie der Kampf für die Arbeitenden ja nicht der Verewigung der Lohnarbeitsverhältnisse gilt, sondern einer alternativen Gesellschaft. Meine feministischen Studien und Kämpfe von fast 40 Jahren haben mich dazu gebracht, die "Vier-in-einem-Perspektive" zu entwickeln, die die verschiedenen gesellschaftlichen Arbeiten zum Ausgangspunkt nimmt, um von daher eine Politik vorzuschlagen, die heute ansetzt aber eine Perspektive hat, die eine alternative Gesellschaft anzielt. Es sind dies die Arbeiten, die jetzt in Lohnform geschehen, dann diejenigen, die der Reproduktion aller zukom¬men, also die pflegende fürsorgende Arbeit mit Menschen, die Freunde, Alte, Behinderte, Kranke, Kinder umfasst, dann die der Eigenentwicklung aller Fähigkeiten, wodurch die gesamte Menschheit reicher wird und schliesslich der Gesellschaftsgestaltung, was wir Politik ne¬nen, in eigene Hände zu nehmen. Mein nächstes Buch wird der "Tragödie der Arbeit" gewidmet sein.
VORWÄRTS: Vor allem Teilzeitarbeit mit ihrem geringen sozialen Standard hat seit den 1980er Jahren zugenommen und betrifft Frauen, die die knappen Familieneinkommen auf-bessern müssen. Warum gibt es so wenig politische Anstrengungen, Teilzeitarbeit auch für Männer attraktiv zu machen?
FRIGGA HAUG: Teilzeitar¬beit als politisches Vehikel zu nutzen, daran arbeite ich schon seit Jahren. Teilzeitarbeit für alle! halte
ich für eine revolutionäre Forderung. Sie verallgemeinert das besondere und ist damit geeignet auch das Abzulehnende von Teilzeitarbeit öffentlich zu sprechen und damit zu verändern. Ich habe schon eine Kampagne dazu begonnen. Sie ist umstritten und zugleich gehört sie zum Projekt der "Vier-in-Einem-Perspektive", da ja alle nurmehr vier Stunden arbeiten sollten. Es ist nicht leicht, der Angst, alle würden dann auch nur vom halben Entgelt leben müssen, wirksam zu entgegnen. Es muss also diese Kampagne mit der Forderung nach einem Grund-einkommen, besser nach den sozialen Garantien des Lebens, wie dies Rosa Luxemburg aus-drückte, begleitet werden. Ich habe das letzte Sozialforum mit dieser Forderung eröffnet. Und derzeit läuft in der LINKEN in NRW eine Kampagne dazu. In der Tat setzt sich allmählich auch in der herrschenden Politik durch, dass Zeitkämpfe angesagt sind. Sowohl SPD, CDU als auch Grüne bewegen sich in die Zeitpolitik, einzelne Gewerkschaften fordern jetzt die 30-Stundenwoche, was nicht dasselbe ist, aber ein Schritt in die richtige Richtung.
VOWÄRTS: Unter der rot-grünen Regierung kam es mit den Hartz-Regelungen in Deutschland zu einer repressiven Aufwertung von Arbeit. Gesellschaftliche Teilhabe wurde nun direkt an einen "gemilderten" Arbeitszwang geknüpft, Leute in unsichere und prekäre Beschäftigungsverhältnisse gedrängt, Minijobs und Leiharbeit boomen seitdem. Wie hat sich die Situation für Frauen mit der Einführung der "Hartz-Reformen" verändert?
FRIGGA HAUG: Nicht der "Zwang" zur Arbeit ist ganz und gar abzulehnen, sondern ein Menschenrecht auf Teilhabe und also auch an gesellschaftlich notwendiger Arbeit gehört doch zu den Forderungen einer Linken für ein würdiges Leben. Aber die mit Hartz durchgesetzten Verhältnisse führen ja keineswegs zum Recht auf sinnvolle Arbeit und Teilhabe an Gesellschaft, sondern zu unwürdigem Lebens- und Zeitverbrauch bei steigender Armut einer Art Verwahrlosung kulturellen Lebens und einer Annullierung politischen Lebens für alle. Die Kluft zwischen der Forderung nach allseitiger Entfaltung aller Möglichkeiten und dem einen Euro, den unsere Regierung dagegen für die Kinder der Hartzempfänger vorsieht, wird schon im Denken kaum über-brückbar. Dies gilt, wie jeder-mann weiss, in eklatantem Mass für Frauen, die auf allen unteren Ebenen den grössten Anteil haben. Ihre bislang kaum skandalisierte Nutzung als teilzeitarbeitende Lückenfüller haben nicht nur ihre eigenen Ansprüche praktisch im Zaum gehalten - sie haben auch dafür gesorgt, eine allgemeine "Feminisierung der Arbeit" durchzusetzen in der Weise, dass das, was Frauen jahrzehntelang zugemutet wurde, nun auch im Namen von Gleichstellung für Män¬ner gelten kann.

http://www.schattenblick.de/infopool/medien/altern/vorw-822.html

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