Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Liste Femanzen Kategorie Justiz2 (Liste Femanzen)

Oberkellner, Friday, 08.04.2011, 19:54 (vor 4738 Tagen)

Gisèle Halimi (Fra)
Miese Aufstiegschancen, weniger Gehalt, Willkür: In Europa haben Frauen noch immer mit Benachteiligung zu kämpfen. Die prominente französische Bürgerrechtlerin Gisèle Halimi will das jetzt ändern - per Meistbegünstigungsklausel. Sarkozy unterstützt den Vorstoß.

Paris - Sie sind unterrepräsentiert in Politik und Wirtschaft, verdienen immer noch weniger als Männer und haben geringere Chancen auf eine Karriere: Trotz des Gleichheitsgebots werden Frauen in der Europäischen Union noch benachteiligt.

Eine juristisch-gesellschaftliche Schieflage, die auch das Leben in Frankreich kennzeichnet, dem Land der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Gerade in dieser Woche beklagten Experten anlässlich des "Tages gegen Gewalt an Frauen" andauernde Willkür und mangelnde Rechte bei Ehe oder Scheidung.

"Es ist ein trauriger Zustand, der seit Jahrzehnten andauert", sagt Gisèle Halimi, "und ich mache mir seit langem Gedanken, wie man das ändern könnte." Die prominente Anwältin, die sich als Frauenrechtlerin für das Recht auf Verhütung und sexuelle Selbstbestimmung einsetzte, gründete 1971 mit Simone de Beauvoir die feministische Organisation "Choisir" (Wählen) und setzte sich ein für jene Frauen, die sich im "Manifest der 343" mit dem Bekenntnis zu ihrer damals illegalen Abtreibung geoutet hatten.

"Das Problem lässt mich nicht los - es verfolgt mich wie eine Marotte", sagt die frühere Abgeordnete in der Pariser Nationalversammlung, Delegierte des Uno-Kinderhilfswerks und Regierungsberaterin, und fragt: "Wie kann man der mangelnden Gleichstellung wirkungsvoll beikommen?" Ihre Antwort: Mit einem juristischen Kunstgriff aus dem Wirtschaftsrecht.

"Das Beste für Europas Frauen"

Die Idee der Bürgerrechtsaktivistin erwies sich dabei als ebenso originell wie praktikabel: "Die Meistbegünstigungsklausel - das Beste für Europas Frauen." Die etwas sperrige Formel steht für die die simple Überlegung, aus dem gesamten Gesetzeskodex der 27 EU-Staaten alle jene Rechtsvorschriften herauszulösen, die das Leben der Frauen betrifft – und dann die jeweils weitestgehenden Gebote zum künftigen EU-Standard zu erheben.

Dafür waren freilich mehrjährige Recherchen nötig. Die 81-Jährige scharte eine kleinen Gruppe von ehrenamtlichen Helferinnen um sich – Anwältinnen, Gewerkschafterinnen und Geschäftsfrauen, die meisten von ihnen ein halbes Jahrhundert jünger. Systematisch wurde die Rechtsliteratur der 27 EU-Staaten durchforstet, ausgewertet, verglichen. Halimi und ihre Crew konzentrierte sich dabei auf fünf Schwerpunkte: Sexualität, Familie, Gewalt gegen Frauen, Arbeitsrecht und Gleichstellung in Parteien und Politik.

Das Ergebnis ist verblüffend, denn die juristische Top-Liste stützt sich vornehmlich auf Gesetze der kleineren und jüngeren EU-Staaten: Dänemark erhielt die Bestnote für Sexualerziehung, die Niederlande sind vorbildlich bei der Ausgabe von Verhütungsmitteln – gratis und frei. Österreichs Eherecht gewann den Zuschlag für den Vorrang der Zivilehe, Spaniens Scheidungsgesetzgebung kommt ohne Schuldzuweisung aus. Schweden fand das Lob der Fachfrauen, weil es bei der Prostitution die männlichen Kunden bestraft und in Frankreich überzeugte das Arbeitsrecht die juristischen Prüferinnen.

"Simpel und brillant"

Juraprofessor Jean-Luc Sauron ist begeistert von dem Vorgehen: "Simpel und brillant", sei die Idee. Es handele sich dabei nicht um wolkige Visionen, sondern um in der Praxis bewährte Gesetze, um bestehende Rechtssprechung. "Hier muss nichts neu erfunden werden", so der Experte für Europarecht an der Pariser Universität Dauphine, "statt billiger Kompromisse, die bisweilen die Brüsseler Verfahren bestimmen, nehmen wir einfach das Beste."

Das "Gesetzesbündel" überzeugte nicht nur ein europaweites Netzwerk von Frauenorganisationen und prominenten Feministinnen, das Projekt erhielt auch Rückendeckung durch Frankreichs Regierung. "Verblüffenderweise erhielten wir Unterstützung nicht nur durch den Élysée, der sich während der EU-Präsidentschaft in Frauenfragen profilieren will", meint Halimi, "auch Außenminister Bernard Kouchner und Rama Yade, die Staatssekretärin für Menschenrechte, werden auftreten."

Hochkarätig sind auch die Delegationen aus den anderen EU-Staaten - nur aus Deutschland fehlen Stellvertreterinnen aus Regierung oder Frauenorganisationen. "Familienministerin Ursula von der Leyen sagte aus Zeitgründen ab", berichtet Tina Glibotic, die sich für "Choisir" vergeblich um deutsche Beteiligung bemühte, "aber auch prominente Feministinnen waren leider nicht zu gewinnen".

Die Initiative, begleitet von einer umfänglichen Dokumentation, die bereits im Frühjahr erschien, wird ab Donnerstag während eines zweitägigen Kolloquiums im "Internationalen Konferenz-Zentrum" in Paris vorgestellt. Ein Ende für den Kampf um die Gleichstellung der Frau ist damit nicht in Aussicht. "Aber die Meistbegünstigungsklausel schafft eine ganz eigene Dynamik", glaubt die streitbare Frauenrechtlerin Halimi: "Kein EU-Abgeordneter, kein Bürokrat und keine Regierung kann sich dem Argument verweigern, dass in ihrem Land Frauen schlechter gestellt sein sollen als beim europäischen Nachbarn."

htttp://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,593058,00.html

Jutta Wagner (Anwältin)

Das habe ich nicht gewollt!
Etwas läuft falsch mit dem Sorgerecht!
Von Jutta Wagner
Wie sich doch die Zeiten ändern! Im Jahr 1980 habe ich als ganz junge Anwältin im Auftrag eines unverheirateten Elternpaares und des gemeinsamen Sohnes vor dem Bundesverfassungsgericht dafür gestritten, dass auch unverheiratete Väter mit Zustimmung der Mutter die elterliche Sorge für ihr Kind ausüben können. Damals habe ich verloren, weil Karlsruhe es für verfassungsgemäß hielt, den unverheirateten Vater von der elterlichen Sorge auszuschließen.
Heute soll den unverheirateten Müttern auch gegen ihren Willen das gemeinsame Sorgerecht mit den Vätern aufgezwungen werden können. Aus dem Bundesjustizministerium hört man, dass dort ein Gesetz vorbereitet wird, welches das Sorgerecht für ein Kind unverheirateter Eltern von Geburt an automatisch der Mutter und dem Vater gemeinsam überträgt. Der Mutter würde lediglich ein zeitlich befristetes, gerichtlich überprüfbares Widerspruchsrecht zugestanden.

Das habe ich nicht gewollt! Es ist wirklichkeits- und praxisfern und mütter- und damit auch kinderfeindlich.

Wie sieht es denn im Alltag unverheirateter Mütter und ihrer Kinder aus? Von Beginn der Schwangerschaft an und erst recht meist ab der Geburt trägt die unverheiratete Mutter die Verantwortung für ihr Kind allein.

Die Ausnahmefälle, in denen Paare sich bewusst - ohne verheiratet zu sein - für ein Kind entscheiden, spielen bei Streitigkeiten um das Sorgerecht kaum eine Rolle. Entweder der Vater kann mit Zustimmung der Mutter das Sorgerecht mit ihr gemeinsam ausüben oder er trägt praktisch die Verantwortung. Dann kann er auch mitentscheiden. Denn für die Fragen des täglichen Lebens braucht er kein Sorgerecht auf dem Papier.

Nichts spricht dagegen, all jene Fälle gerichtlich prüfen zu lassen, in denen der Vater das gemeinsame Sorgerecht haben möchte, die Mutter dabei aber nicht mitwirkt. Dies und nicht mehr hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte von der Bundesrepublik Deutschland gefordert.

Nichts spräche auch dagegen, aus der Übergangslösung im jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eine gesetzliche Regelung zu machen. Dann würde sogar das Veto einer Mutter gegen den Antrag des Vaters gerichtlich überprüft. Sollte das mütterliche Nein unbegründet sein und das Kindeswohl nicht dagegen stehen, könnte das Familiengericht gegebenenfalls ein gemeinsames Sorgerecht anordnen oder es dem Vater allein übertragen.

Ich bin aber dagegen, Müttern die gemeinsame elterliche Sorge mit einem Vater aufzuzwingen, mit dem sie häufig nichts zu tun haben wollen, auch weil er die wirklich existentielle, die tägliche Verantwortung für das Kind nicht mit trägt.

Macht sich eigentlich irgend jemand der Verantwortlichen einmal Gedanken darüber, in welcher Situation sich eine Mutter mit einem Neugeborenen befindet? Wieviel Raum in ihrem Kopf und in ihrem Tagesablauf für Behörden- und Anwaltsbesuche ist? Wer je die seitenlangen Abhandlungen frustrierter Väter gelesen hat, weiß, daß jede Mutter mit Kleinkind dem einfach nicht gewachsen ist.

Für die Mütter jedenfalls wird das Leben nicht leichter werden. Sie werden Widerspruch gegen das gesetzlich gewollte, gemeinsame Sorgerecht einlegen. Und die Väter werden dagegen klagen, weil sie sich ihr Recht nicht nehmen lassen wollen. Familiengerichtliche Auseinandersetzungen sind also vorprogrammiert.

Ein gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen der Mutter bzw. des Vaters, so er das Kind fast ausschließlich betreut und erzieht, produziert dauernden Streit, tagtäglich - um den Arztbesuch, den Kindergarten, den Wohnsitzwechsel und vieles mehr. Erst recht, wenn das gemeinsame Sorgerecht vom Familiengericht angeordnet wird. Dies alles selbstverständlich zum Wohl der Kinder. Übrigens sind die Gerichte ja auch nicht bereit, getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern das gemeinsame Sorgerecht zu erhalten, wenn sie nicht in der Lage sind zusammenzuwirken.

Obwohl ich mich als Anwältin über dieses zusätzliche Beschäftigungsprogramm freuen sollte, frage ich mich, wo eigentlich der Protest der betroffenen Frauen und Mütter bleibt.


Jutta Wagner (Bild: privat)
Jutta Wagner, Rechtsanwältin, wurde 1949 in Kassel geboren. Sie arbeitet seit 1978 als Rechtsanwältin in Berlin. 1996 wurde sie zusätzlich zur Notarin bestellt. Seit 2005 ist Wagner Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1241545/

Lilian Hofmeister (AUT), Vorsitzende Verein Frauen-Rechtsschutz, Ersatzrichterin Verfassungsgerichtshof und Bettina Gamperling (AUT), Geschäftsführung Verein Frauen-Rechtsschutz

Viele Frauen können sich in schwierigen Lebenssituationen häufig keine adäquate Rechtsvertretung leisten, außerdem ist gerichtliche Verfahrenshilfe nicht in allen Verfahrensarten rechtlich vorgesehen...

Lilian Hofmeister und Bettina Gamperling im dieStandard.at-Gespräch über Gesetzesdefizite und Ziele ihrer Vereinsarbeit
Viele Frauen können sich in schwierigen Lebenssituationen häufig keine adäquate Rechtsvertretung leisten, außerdem ist gerichtliche Verfahrenshilfe nicht in allen Verfahrensarten rechtlich vorgesehen. Unter anderem aus diesem Grund wurde 1998 der Verein Frauen-Rechtsschutz von Mitarbeiterinnen des Vereins Wiener Frauenhäuser und von Juristinnen um den Verein Österreichischer Juristinnen gegründet. Ziel des Vereins ist es, jene Defizite für Frauen beim Zugang zum Rechtssystem abzubauen, die diese in vielerlei Bereichen erleben. Lilian Hofmeister, die Vorsitzende des Vereins, und Bettina Gamperling, die die Geschäftsführung innehat, schildern im dieStandard.at-Gespräch unter anderem warum der Verein besonders an Musterverfahren interessiert ist. Derzeit plant der Verein eine Evaluierung der bisher durchgeführten Verfahren, um etwa politischen EntscheidungsträgerInnen eine Grundlage für künftige Gesetzgebung vorlegen zu können. Der Verein wird von verschiedenen Ministerien und Frauenabteilungen einiger Bundesländer subventioniert. Einnahmen werden auch aus privaten Spenden und Mitgliedsbeiträgen lukriert. 

dieStandard.at: Sie sind seit 1976 Richterin, nun in Alterspension und seit November ehrenamtliche Vorsitzende des Verein Frauen-Rechtsschutz. Wie kam es dazu?
Lilian Hofmeister: Ich war fast 40 Jahre in der Justiz, überwiegend am Handelsgericht Wien, tätig. In den 80er Jahren habe ich begonnen, mich für Frauenrechte zu interessieren, weil ich gemerkt habe, dass am Arbeitsplatz einiges nicht so gelaufen ist, wie ich mir das vorgestellt hatte. Mir ist auch aufgefallen, dass rechtssuchende Frauen vor Gericht eigentlich schlechter behandelt wurden als Männer. Das wurde von den KollegInnen zwar immer wieder bestritten, aber es war offensichtlich, dass da Vorurteile im Spiel waren.
dieStandard.at: Können Sie ein Beispiel nennen?
Hofmeister: Ich meine damit beispielsweise, wie die Glaubwürdigkeit einer Zeugin im Verhältnis zu einem Zeugen bewertet wird oder wie ernst man eine Klägerin nimmt. Meiner Erfahrung nach hat man da eher dem Beklagten zugehört als der Klägerin, die einen Anspruch verfolgen wollte. Das ist auch der Bezug zum Verein. Ich bin durch meine Berufserfahrung darauf gekommen, dass sich Frauen innerhalb der Rechtsordnung nicht annähernd gleich gut durchsetzen können wie Männer. Insbesondere aber nicht gleich gut durchsetzen können wie multinationale Konzerne, Versicherungen oder Banken. Für die nämlich ist die Rechtsordnung nahezu maßgeschneidert und wenn denen Vorschriften fehlen, können sie in den Parlamenten lobbyieren - wie wir inzwischen ja alle wissen. Große Unternehmen gehen, wenn sie etwa Zweifel an der Auslegung eines Gesetzes haben, zum Verfassungsgerichtshof, zum Obersten Gerichtshof, nach Luxemburg oder zum Menschenrechtsgerichtshof und lassen das ausjudizieren. Dann haben sie eine gesicherte Basis für ihr Handeln.
Für Frauen gilt das nicht. Frauen haben zwar oft vehemente Ansprüche. Das Problem dabei ist auch, dass ihr Fall meist eine Querschnittsmaterie ist, sodass mehrere juristische Fächer angefragt sind. Für solche Fälle gibt es fast keine juristischen Fachpersonen. Der zweite Punkt ist, dass Frauen Verfahren ökonomisch oft nicht durchhalten.
dieStandard.at: Verstehen Sie sich dann als eine juristische Lobby für Frauen?
Hofmeister: Den Begriff "Lobby" möchte ich dafür nicht verwenden. Lobby ist gerade sehr in Misskredit gekommen und hat jetzt zum Teil einen anderen Begriffsinhalt, sodass auch kriminelle Handlungen hineinspielen. Wir sind parteilich in Bezug auf Frauen. Das heißt, wir sind bereit, rechtssuchenden Frauen ihre Geschichte erst einmal zu glauben. Das sind Vorschusslorbeeren, die wir diesen Frauen geben, weil sie im staatlichen Getriebe immer wieder gleich am Start abgeschmettert werden. Der nächste Schritt ist dann, dass wir schauen, ob wir statutenmäßig und auch in budgetärer Hinsicht fähig sind, diese Fälle zu unterstützen. Da gibt es sehr krasse Fälle, wo eigentlich staatliche Organe tätig werden müssten. In der Praxis ist das aber nicht immer der Fall. Da sind wir parteiisch zugunsten von Frauen.
dieStandard.at: Vertreten Sie auch Transgender-Personen?
Hofmeister: Wir wollen zukünftig auch Tansgender-Personen einbeziehen. Wir prüfen gerade, inwieweit die Statuten das ohnedies schon zulassen, ansonsten werden wir die Statuten dahingehend ändern.
dieStandard.at: Wie viele Klientinnen vertritt der Verein pro Jahr?
Hofmeister: Wir prüfen jährlich rund 100 Verfahren. Einen Teil davon begleiten wir. Dabei muss man aber bedenken, dass ein Verfahren auch mehrere Jahre dauern kann. Manchmal gibt es auch Anschlussverfahren, nicht im juristischen sondern im faktischen Sinn, sodass wir uns um eine Frau in mehreren Phasen ihrer Rechtsdurchsetzung kümmern.
dieStandard.at: Können Sie ein Beispiel nennen?
Hofmeister: Zur ziemlich gleichen Zeit wurden zwei Frauen von ihren Ehemännern schwer bedroht. In einem Fall hat weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft, und im anderen Fall hat nur die Staatsanwaltschaft diese Gewalt falsch eingeschätzt, nämlich bagatellisiert. Polizei und Justiz meinten, dass die Verfolgung des Aggressors im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes ausreichen würde. Tatsächlich aber waren es schwere Drohungen mit Tod und Körperverletzung. Die Täter haben die Drohungen schließlich wahr gemacht und beide Frauen umgebracht. Hierbei wurde nach der CEDAW, der Frauenrechtskonvention, festgestellt, dass Österreich den rechtssuchenden Frauen ungenügend Rechtsschutz gewährt hat. Diese zwei Verfahren haben wir erfolgreich geführt. Die Nachkommen der ermordeten Frauen haben sich dann aber nicht mehr getraut, ein Amtshaftungsverfahren gegen die Republik durchzuziehen. Das wäre aber wichtig gewesen, weil das der juristische Abschluss der tragischen Fälle gewesen wäre.
dieStandard.at: Wo bleibt hier der Rechtsstaat?
Hofmeister: Der Staat ist nicht sehr hilfreich. Ich kenne die Justiz sehr gut. Ich kenne auch die Personalpolitik in der Justiz und ich kenne auch die Auffassungen, die im Justizministerium und in der Richterschaft herrschen. Beispielsweise bei der Österreichischen Vereinigung der RichterInnen ist das Thema Gender - gelinde gesagt - "unterbelichtet", auch wenn es einige Verbesserungen und Veränderungen gab. Jetzt verwendet man allmählich eine Gender-Rhetorik, aber den Geist der Gesetze hat man noch nicht erfasst.
dieStandard.at: Abgesehen von diesem schweren Delikt, mit welchen Anliegen kommen Klientinnen sonst zu Ihnen?
Hofmeister: Wir haben einerseits arbeitsrechtliche Fälle, wo uns die Gleichbehandlungsanwaltschaft auf den Fall aufmerksam macht und die Klientin zu uns schickt - dabei handelt es sich etwa um Diskriminierung am Arbeitsplatz, Mobbing, sexuelle Belästigung, etc. Tatsächlich haben wir schon jetzt sehr viele Fälle im Bereich Pflegschaft, Obsorge, Besuchsrecht, Kindesentführung. Dann haben wir natürlich die gesamte Asyl- und Fremdenrechtsproblematik in allen Variationen aus Sicht der Migrantinnen.
dieStandard.at: Wie steht der Verein zu den geplanten Gesetzesänderungen der Justizministerin in der Obsorge-Debatte?
Hofmeister: Das ist alles wenig ermutigend. Wir haben jetzt schon Obsorgefälle laufen, die zeigen, dass es einen bestimmten Prozentsatz an schweren Ausreißerfällen gibt. Die PolitikerInnen sagen als Entschuldigung dann immer, dass das halt Härtefälle sind und dass sie sich darum nicht kümmern brauchen. Das halte ich für sehr unseriös. Ich halte das für eine Frage der Gleichheit vor dem Gesetz. Rechtsnormen müssen so gestaltet sein, dass es möglichst keine Härtefälle gibt. Als Richterin meine ich, dass der Einzelfall gut gelöst sein muss und dass sich die Qualität der Rechtsordnung daran bemisst, dass sich der einzelne Mensch durchsetzen kann, zu seinem Recht und einer fairen Lösung zu kommen.
dieStandard.at: Wenn eine potentielle Klientin auf sie zukommt, wie funktioniert dann das Prozedere?
Bettina Gamperling: An den Verein ist ein schriftlicher Antrag zu richten. Darin sind auch Fragen den Sachverhalt betreffend zu beantworten. Es wird auch eine Kostenschätzung verlangt. Das heißt, uns vorgelagert sind Rechtsberatungsstellen, an die wir die Leute weitervermitteln, so sie sich privat an uns wenden und nicht schon über eine Institution der Antrag an uns gerichtet wird. Der Antrag wird dann von den Beirätinnen - das ist ein Konsortium bestehend aus 50 Prozent JuristInnen und 50 Prozent aus Personen der sozialarbeiterischen Praxis - die inhaltlich entscheiden, ob der Verein Frauen-Rechtsschutz fördern soll. Die Entscheidung des Beirats geht dann an den Vorstand - auch der Vorstand ist von JuristInnen und SozialarbeiterInnen durchmischt. Dort wird dann über die Höhe der Mittel - nach Maßgabe der Verfügbarkeit - entschieden. Wir sind also kein JuristInnen-Verein, sondern es geht insbesondere um soziale Belange, daher der hohe Anteil an SozialarbeiterInnen. In den meisten Fällen kommen die Frauen durch andere Fraueneinrichtungen zu uns. Sie können sich aber auch telefonisch oder über das Internet per Mail an uns wenden.
dieStandard.at: Der Verein ist in Österreich einzigartig. Gibt es Bestrebungen auch in den Bundesländern Stellen einzurichten?
Gamperling: Unsere Ansprechpersonen sitzen österreichweit in Gewaltschutzzentren, in den Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern. Wir sind auch in den Bundesländern in ständigem Kontakt mit RechtsanwältInnen und SozialarbeiterInnen und sind diesbezüglich sehr stark vernetzt.
dieStandard.at: Sie scheinen außerdem ein besonderes Interesse an Musterverfahren zu haben.
Hofmeister: Ja, aber unsere Auffassung von der Sache ist, dass man die Frauen nicht als "Versuchskaninchen" einsetzen sollte, wenn sie uns ihren Fall zur Verfügung stellen. Das Ziel ist, den Fall gut zu lösen, sodass die Frauen auch wirklich etwas davon haben. Gleichzeitig soll das dann beispielgebend für andere Frauen sein. Wenn ein Fall also zum Obersten Gerichtshof oder zum Verfassungsgerichtshof geht, soll da ein juristischer Mehrwert in eine genderorientierte Richtung heraus kommen. Das ist unser Ziel. Es hängt aber auch immer vom Durchhaltevermögen der Klientinnen ab.
Derzeit planen wir eine Evaluation unserer Verfahren und der Jahresberichte. Dabei sollen die Ergebnisse gut fasslich aufbereitet werden, um auf politische Fragestellungen Antworten zu geben. Das wäre für politische EntscheidungsträgerInnen nützlich als Anregung für künftige Gesetzesprojekte.
dieStandard.at: Müsste das durch die Verankerung von Gender-Mainstreaming nicht ohnehin geschehen?
Hofmeister: Feminismus ist in der Justiz und im öffentlichen Dienst leider ein Schimpfwort. Wenn man als Feministin bezeichnet wird, ist es noch schlechter, als als Emanze bezeichnet zu werden. Der Geist einer egalitären, Gender orientierten Rechtsordnung kann nur dann weiter getragen werden, wenn die Menschen, die diese Rechtsnormen anwenden sollen, ein entsprechendes Bewusstsein haben. Das fehlt aber derzeit.
Gender-Gerechtigkeit heißt natürlich auch Gerechtigkeit für Männer - nicht aber Vorrechte für Männer. Es ist auch kein Ausdruck des Feminismus, wenn ein Mann Antragssteller ist, gerechtfertigte Anliegen hat und dann schlecht behandelt wird. Das ist genauso falsch. Den weiblichen Lebenszusammenhang verstehen die wenigsten - auch nicht die Frauen und auch viele Richterinnen nicht. Richterinnen leben oft ganz anders als andere Frauen und abgehoben im Verhältnis zu Teilen der weiblichen Bevölkerung. Die können oft nicht verstehen, dass manchmal ein Betrag von 200 Euro im Monat für Frauen existenzsichernd ist.
dieStandard.at: Wie sieht es dabei mit der Finanzierung der Verfahren oder der Evaluierung aus?
Gamperling: Der Verein will aber kann die Verfahren nicht in allen Fällen ausfinanzieren. Wir versuchen das natürlich. Aber aufgrund unserer eigenen prekären finanziellen Situation geht das nicht immer. Keines der bisher vom Verein unterstützten Verfahren hätte ohne die Finanzierung durch den Verein Frauen-Rechtsschutz geführt werden können.
Hofmeister: Wir sind Bittstellerinnen bezüglich des Budgets. Manchmal habe ich den Eindruck, dass sich an uns Funktionärinnen die Amtssituation der Klientinnen wiederholt, wenn es um die finanziellen Rahmenbedingungen des Vereins geht. Wir haben zwar große Unterstützung von den verschiedenen Stellen, aber es gibt immer den jährlichen Unsicherheitsfaktor. Die Budgetzusagen sind immer sehr kurzfristig.
dieStandard.at: Frau Hofmeister, Sie sind seit 1998 auch Ersatzrichterin am Verfassungsgerichtshof. Im letzten Jahr haben Sie sich dort als Richterin beworben. Wie kam es dazu, dass die Entscheidung auf jemanden fiel, der bezüglich Erfahrung und Qualifikationen weniger vorweisen kann als Sie?
Hofmeister: Verfassungsrichterin wird man nach einem Ritual, das in der Bundesverfassung vorgesehen ist. Aber natürlich gibt es auch hier Feinheiten im Alltag - zum Beispiel nicht nur welche staatliche Institution die/den RichterIn vorschlagen darf, sondern auch welche politische Partei tatsächlich vorschlägt. Bei der letzten Bewerbung im Herbst war das nicht so. Da hat man mir, aber vermutlich auch den anderen KandidatInnen, bis zuletzt nicht gesagt, ob ein Vorschlag im Nationalrat seitens der SPÖ oder der ÖVP an den Bundespräsidenten geht.
dieStandard.at: Nach dem Prinzip der Abwechslung war aber die SPÖ an der Reihe.
Hofmeister: Ja, dran war die SPÖ. Während des Bewerbungsverfahrens habe ich erkannt, dass man eigentlich gar nicht wollte, dass ich zum Hearing komme, obwohl ich eingeladen worden war. Natürlich bin ich zum Hearing gegangen, weil ich die Bewerbung sehr ernst genommen habe. Das Hearing war auch ein sehr positives Erlebnis - etwa 30 Abgeordnete aller Parlamentsparteien haben zugehört und sich interessiert gezeigt. Letztendlich habe ich allerdings den Eindruck gewonnen, dass die Reihung schon im Vorhinein fest stand. Als es zur eigentlichen Abstimmung im Parlament kam, gab es einen Schönheitsfehler auf dem Wahlzettel: Ich bin darauf gar nicht erschienen.
dieStandard.at: Das ist schon sehr seltsam und eigentlich eine Wahlfälschung, oder?
Hofmeister: Das sei dahingestellt. Ich war die letzte Bewerberin im Rennen. Eigentlich hätte ich auf den Wahlzettel kommen müssen. Außerdem habe ich zwölf Jahre Erfahrung am Verfassungsgerichtshof und 35 Jahre Erfahrung in der Rechtssprechung. Ich denke, meine Qualifikationen sind in Ordnung. Man muss dieses Prozedere als semi-demokratischen Prozess sehen, wo auch die "gläserne Decke" ins Spiel kommt.
(Die Fragen stellte Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at, 3.4.2011)

http://diestandard.at/1297822057783/Frauen-Rechtsschutz-Feminismus-ist-in-der-Justiz-ein-Schimpfwort

Die niederösterreichische Richterin Lilian Hofmeister ist seit November 2010 Vorsitzende des Verein Frauen-Rechtsschutz. Seit 1998 ist sie Ersatzrichterin am Verfassungsgerichtshof. Ihre Richterinnen-Laufbahn verbrachte sie hauptsächlich am Handelsgericht Wien.

Prof. Dr. Ute Sacksofsky (Professorin für öffentliches Recht und Rechtsvergleichung an der Johann Wolfgang von Goethe Universität Frankfurt am Main), seit 2003 Landesanwältin beim Staatsgerichtshof

Geschlechterverhältnisse im Recht, feministische Rechtswissenschaft;

http://anonym.to/?http://www.gender-in-gestufte-studiengaenge.de/expertin_beispiel.php?print=1&main=5&lg=de&a...

Betreuungsgeld verfassungswidrig

http://www.freiewelt.net/nachricht-6083/verfassungsrechtlerin-h%E4lt-betreuungsgeld-f%FCr-verfassungswidrig.html

Rechtsgutachten zur Frage
„Vereinbarkeit des geplanten Betreuungsgeldes nach § 16 Abs. 4
SGB VIII mit Art. 3 und Art. 6 GG“
Von Prof. Dr. Ute Sacksofsky, M.P.A. (Harvard)

http://www.gruene-bundestag.de/cms/familie/dokbin/363/363617.rechtsgutachten_betreuungsgeld.pdf

„Das Grundgesetz legitimiert eine Quote. Es verpflichtet zur Durchsetzung der Gleichberechtigung.“

http://www.wiwo.de/management-erfolg/ist-die-quote-verfassungswidrig-455879/

Annette Peteranderl, Fachanwältin für Familienrecht
Rosetta Puma, Fachanwältin für Strafrecht

SZ-Mitarbeiterin Alexandra Raetzer sprachmit den Referentinnen Annette Peteranderl, Fachanwältin für Familienrecht, und Rosetta Puma, Fachanwältin für Strafrecht über Opfer häuslicher Gewalt.
Opfer häuslicher Gewalt fürchten oft juristische Schritte. dpa (Symbolbild)
Welche juristischen Schritte kann eine Frau einleiten, die von ihrem Mann/Partner geschlagen oder misshandelt wird?
Peteranderl: Zunächst kann die Betroffene Strafanzeige erstatten und sich im Strafverfahren zur Wahrung ihrer Interessen anwaltlich unterstützen lassen. Daneben kann sie Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz einleiten, so etwa ein Verbot, dass der Täter sich ihr nicht auf der Straße oder am Arbeitsplatz nähern darf. Auf Antrag kann ihr auch die Wohnung zugewiesen werden und dem Täter jegliche Kontaktaufnahme untersagt werden.
Wie kann sichergestellt werden, dass die Frau nach einer Anzeige keinen weiteren Angriffen durch ihren Mann/Partner ausgesetzt ist?
Puma: Außer in besonders gravierenden Fällen, bei denen es zu einer Untersuchungshaft des Täters kommt, bietet die Erstattung einer Strafanzeige allein keinen unmittelbaren Schutz vor weiteren Übergriffen. Schutz kann jedoch kurzfristig durch einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz erreicht werden. So kann beispielsweise innerhalb weniger Tage ein gerichtliches Näherungsverbot erwirkt werden oder die Zuweisung der gemeinsamen Wohnung zur alleinigen Nutzung erreicht werden. Ist ein Gewaltschutzverfahren in die Wege geleitet, kann auch ein von der Polizei verhängter Platzverweis, der längstens zehn Tage Gültigkeit hat, um bis zu weitere zehn Tage verlängert werden.

So ist es möglich, der Frau einen lückenlosen Schutz zukommen zu lassen, ohne dass sie beispielsweise in einem Frauenhaus Zuflucht suchen muss.
Wie wirksam sind diese Schutzmaßnahmen Ihrer Erfahrung nach?
Puma: Häufig beruhigt sich die Situation, sobald ein Gewaltschutzbeschluss vorliegt, denn dem Angreifer werden für den Fall eines Verstoßes Ordnungsmittel angedroht und Konsequenzen vor Augen geführt. Verstößt er trotzdem gegen die gerichtliche Anordnung, kann ein Ordnungsgeld bis zu 250 000 Euro festgesetzt werden, ersatzweise sogar Ordnungshaft. Zugleich macht sich der Angreifer bei widerrechtlicher Kontaktaufnahme strafbar und setzt sich der Gefahr eines weiteren strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aus.
Welche Anstrengungen hat der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren unternommen, um Frauen besser vor häuslicher Gewalt zu schützen?
Peteranderl: Neben dem Gewaltschutzgesetz hat der Gesetzgeber in dem neuen Familienverfahrensrecht die Zuständigkeit für Gewaltschutzsachen dem Familiengericht übertragen. Dort arbeiten Richter, die mit Partnerschaftskonflikten vertraut sind und auch die Interessen betroffener Kinder berücksichtigen. Außerdem ist ein Nachstellen, vielfach als Stalking bekannt, mittlerweile unter Strafe gestellt. Auch hier kann sich die Frau in einem Strafverfahren anwaltlich unterstützen lassen.
Was hält Frauen davon ab, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen?
Peteranderl: Häufig ist es die Angst vor weiteren Repressalien, aber auch vor sozialem Abstieg sowie die ungeklärte finanzielle Situation bei einer Trennung, die Frauen für sich und die gemeinsamen Kinder befürchten. Viele Frauen empfinden große Scham und Schuldgefühle, da sie oft seit Langem unter der häuslichen Situation leiden und denken, sie seien mitschuldig.
Wenn sich eine Mandantin wegen häuslicher Gewalt bei Ihnen meldet - welche Unterstützung erhält sie von Ihnen?
Puma: Zunächst muss eine eventuell fortdauernde Gefährdungslage geklärt werden und gegebenenfalls sofort Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz veranlasst werden. Außerdem informieren wir die Frauen darüber, dass sie sich am Strafverfahren als Nebenklägerin beteiligen können und so die Möglichkeit anwaltlicher Unterstützung haben. Auch die wirtschaftliche Absicherung, besonders wenn Kinder vorhanden sind, sowie Fragen des Umgangs- und Sorgerechts müssen häufig geregelt werden, um weiteren Konflikten vorzubeugen.
Wie lange dauert es in der Regel, bis ein Täter vor Gericht kommt?
Puma: Zu einer strafrechtlichen Hauptverhandlung kommt es in Fällen angeordneter Untersuchungshaft innerhalb von sechs Monaten nach Festnahme. In allen anderen Fällen dauert es etwa zehn bis 14 Monate. In Einzelfällen weicht dies nach unten oder oben ab. Zivilrechtliche Eilanträge zur Erwirkung eines Gewaltschutzbeschlusses werden entweder binnen weniger Tage sogar ohne mündliche Verhandlung beschieden oder in einem Anhörungstermin meist innerhalb von vierzehn Tagen verhandelt.
Weitere Informationen gibt es im Internet.

http://www.saarbruecker-zeitung.de/aufmacher/Saarland-Opfer-haeusliche-Gewalt-Deutscher-Juristinnebund-N-N-Beziehungs...

Brigitte Loacker (AUT), Anwältin
Was ist mit dem Vater los? Wer Oliver Hoffmann gegenübersitzt, muss den Eindruck bekommen, er ist ganz arm dran: Erst dient er als Samenspender. Dann will er sich um seine Kinder kümmern, aber er darf nicht. Die Frau hindert ihn daran, in Karenz zu gehen, und zwingt ihn zum Geldverdienen. Als sie seiner überdrüssig wird, „entsorgt“ sie ihn, diffamiert ihn als Gewalttäter, nimmt ihm die Kinder weg und benützt ihn bloß noch als Bankomaten. All das mit dem Segen des Staates. Denn „die Feministinnen haben die Macht übernommen“, sagt Hoffmann, der deswegen jetzt die österreichische Männerpartei gegründet hat. „Eine Frauenlobby hat Gesetze durchgedrückt, die ausschließlich ihren Interessen dienen. Väter sind da bloß noch ein Störfaktor.“

Was ist mit dem Vater los? Wer Jonni Brem gegenübersitzt, bekommt einen Befund, der sich nicht viel besser anhört. Bei ihm, in der Männerberatung, gehört der erwähnte „entsorgte Vater“ zur typischen Klientel. „Er fühlt sich ausgebeutet, und kämpft mit allen Mitteln um Besuchsrecht oder Obsorge“, so der Psychotherapeut: „Das kann zur fixen Idee werden.“

Überforderung beobachtet Brem in seinen vielen Vatergesprächen, Orientierungslosigkeit, Stress, und die Unfähigkeit, Fehler einzugestehen. „Fast jeder Vater will anders sein als der eigene Vater. Und rutscht dann doch immer wieder in die alten Muster hinein.“

Was ist los mit dem Vater? Wer schließlich die Chronikseiten der Zeitungen liest, kann ahnen, wie viel Frust und Aggression sich in ihm aufgestaut haben muss. Beinahe jede Woche wird von einem Scheidungskrieg berichtet, der in Gewalttätigkeiten ausartet. Es gibt Mord- und Selbstmorddrohungen, Kindesentführungen samt wilder Verfolgungsjagd. Mitunter Schüsse im Gerichtssaal oder am Jugendamt, manchmal sogar Tote.

Vom „Zorn“ der Väter ist dann die Rede, von ihrer „Verzweiflung“, ihrer „Ohnmacht“.

Ist der Zorn gerechtfertigt? Haben wir tatsächlich Ämter und Gesetze, die Männer gegenüber Frauen systematisch benachteiligen? Haben Väter keine Chance?

Wer sich im eigenen Freundeskreis umschaut, wird für diese These Beispiele finden. Jeder von uns kennt mindestens eine Alleinerzieherin, die ihr Kind dem Vater vorenthält – manchmal aus guten, manchmal aus weniger guten Gründen.

In vielen europäischen Ländern haben sich Väterrechtsgruppen gebildet, die, mit Bezug auf die Kinderrechtskonvention, das „Recht des Kindes auf beide Eltern“ einfordern. In einschlägigen Internetforen tauschen Leidensgenossen strategische Tipps für den Rechtskrieg aus (www.vaterverbot.at), lassen ihrem Hass gegen Richterinnen und Sozialarbeiterinnen freien Lauf (www.genderwahn.at) oder spenden einfach nur Trost und Rat. Mehrere Fälle von Diskriminierung trugen sie bereits vor die Höchstgerichte – mit Erfolg. Im österreichischen Justizministerium haben sie ein offenes Ohr für ihre Anliegen gefunden – dort erkennt man bereits „Änderungsbedarf bei der Rechtslage“. „Die Eignung einer Frau zur Mutter wird niemals hinterfragt“, beschreibt Männerpartei-Gründer Hoffmann das Grundproblem. „Als Vater hingegen stehst du unter Generalverdacht.“

Die österreichischen Zahlen scheinen seiner Analyse auf den ersten Blick Recht zu geben. Lediglich 20.000 alleinerziehende Männer gibt es hierzulande, das sind nur zwölf Prozent aller Alleinerziehenden. Aber was beweist das?

Es beweise jedenfalls nicht, dass Frauen bevorzugt würden, meint die auf Scheidungsverfahren spezialisierte Anwältin Brigitte Loacker. „Bei Obsorgeverfahren geht es nicht um die Befindlichkeit der Eltern, sondern ausschließlich um das Kindeswohl“, erklärt sie. „Die Obsorge bekommt normalerweise, wer die engere Beziehung zum Kind hat; und die engere Beziehung hat, wer sich mehr um das Kind kümmert.“

So gesehen ist an den 88 Prozent Alleinerzieherinnen nicht der Feminismus schuld, sondern – im Gegenteil – die sehr traditionelle Rollenverteilung in den österreichischen Familien: Nur sieben Prozent der Männer arbeiten Teilzeit (hingegen 41 Prozent der Frauen), der Männeranteil unter den Kindergeldbeziehern ist über fünf Prozent nicht hinausgekommen.

Selbstverständlich spiegeln sich in Gerichten und Jugendämtern die allgemeinen gesellschaftlichen Normen; und auch unter den dort arbeitenden Beamtinnen und Beamten wird es die – oft unhinterfragte – Grundannahme geben, ein (kleines) Kind sei im Normalfall bei der Mutter am besten aufgehoben. Doch gerade bei diesen Gewissheiten sei in den letzten Jahren einiges ins Rutschen geraten, stellt Loacker fest.

„Früher war eine Scheidung ein klarer Schnitt, und Eindeutigkeit das oberste Prinzip“, hat sie beobachtet. Heute hingegen setze sich immer stärker die Erkenntnis durch, wie wichtig für ein Kind die langfristige Beziehung zu beiden Elternteilen sei. Sogar dann, wenn sich einer als unzuverlässig erweist: „Es kann für ein Kind besser sein, wenn es sieht: Der Papa hält nie, was er verspricht“, sagt Loacker, „statt ihn aus der Ferne zu idealisieren und nicht zu verstehen, warum die Mama ihn verlassen hat.“

Wegen der Bedeutung der Nähe zu beiden Elternteilen bleibt in Österreich daher seit 2001 die gemeinsame Obsorge nach einer Scheidung aufrecht. Allerdings nur, wenn beide Eltern einverstanden sind – und nur, wenn sie sich einigen können, bei wem das Kind wohnt.

Die deutsche Familienrechtsreform 2009 ging einen Schritt weiter. Dort kann ein Kind zwischen Vater und Mutter pendeln; das Gericht kann die gemeinsame Obsorge auch gegen den Willen eines Elternteils anordnen. Das Gesetz war wild umstritten, aber es sendet ein klares Signal an alle Eltern: Ihr werdet euch irgendwie einigen müssen, also einigt euch!

Eltern bleiben, obwohl man die Paarbeziehung beendet hat: In der Theorie klingt das einfach. Im Alltag ist es manchmal zu viel verlangt. Es setzt guten Willen und Rücksichtnahme voraus. Doch kaum eine Familie bricht ohne Kränkungen, Verletzungen und Rachegelüste auseinander; beinahe immer gibt es ökonomische und emotionale Abhängigkeiten. Und gerade da, warnen Anwälte, kann die Obsorgefrage als Machtinstrument eingesetzt werden, um dem Expartner das Leben schwerzumachen.

Jonni Brem teilt diese Befürchtung aus seiner 25-jährigen Erfahrung als Männerberater. „Männer können mit Kontrollverlust oft sehr schwer umgehen“, meint er. „Viele glauben, sie kriegen mit der gemeinsamen Obsorge die Kontrolle über ihre Ex zurück.“

Das Kind ist dabei oft bloß Mittel zum Zweck. Nicht erst einmal, erzählt Brem, habe er erlebt, wie ein Vater einen erbittert geführten Obsorgestreit gewann, um das Kind anschließend eher desinteressiert zu Verwandten abzuschieben. „Weil es weniger um das Kind ging, sondern mehr ums Prinzip. Ums Gewinnen. Ums Rechthaben.“

Auch Brem hält gleichberechtigte Elternschaft für das Ziel. Aber nach einer Trennung sei definitiv der falsche Zeitpunkt, um damit anzufangen, meint er. Getrennte Eltern zu sein gelinge generell jenen besser, die schon in der Beziehung gelernt hätten, gleichberechtigt Verantwortung zu übernehmen. „Da hat man geübt, wie man die vielen kleinen Alltagsdinge verhandelt und Kompromisse schließt. Und man ist materiell weniger voneinander abhängig.“

Verantwortung in der Familie zu erstreiten, bevor sie zerbricht – wäre das denn nicht ein lohnendes Betätigungsfeld für die Väterrechtsbewegung? Etwa, wenn es um die bessere Vereinbarkeit von Vaterschaft und Beruf geht, um Väterkarenz, Männerteilzeit, Auszeiten?

„Dafür haben wir im Moment keine Zeit und keine Ressourcen“, sagt Oliver Hoffmann. Der Kopf der Männerpartei ist ein kleiner, drahtiger Informatiker, der flink denkt, forsch formuliert und in jeder Sekunde unbändige Freude am Rechthaben ausstrahlt. Aber ein Mann, dem sein Vatersein wichtig ist, müsse doch darum kämpfen wollen, mehr Zeit mit seinen Kindern zu verbringen? „Ich kann keinem Mann raten, Fleißaufgaben zu machen, solange wir nicht die gleichen Rechte haben“, sagt Hoffmann.

„Es geht ums Prinzip“, sagt Hoffmann. Es ist einer jener Sätze, die Jonni Brem aus der Männerberatung bekannt vorkommen dürften.

Hoffmanns wichtigstes Argument ist damit jedoch noch nicht beantwortet. Gibt es im österreichischen Familienrecht tatsächlich Bestimmungen, die Männer diskriminieren?

Im Prinzip nicht. Gesetze sind generell geschlechtsneutral formuliert – von den Unterhaltsbestimmungen über die Karenzregelungen bis hin zum Gewaltschutz. Es gibt allerdings eine wesentliche Ausnahme, und Hoffmann hat Recht, dass diese weitreichende Folgen hat: Für ein Kind, das unehelich zur Welt kommt, hat die Mutter automatisch die alleinige Obsorge (siehe Randspalte).

Ob sie vom Vater bloß den Vornamen kennt oder mit ihm bereits seit 20 Jahren in einer Beziehung lebt; ob er sich fürs Kind interessiert oder nicht, macht dabei keinen Unterschied: Rechtlich gesehen ist sie Alleinerzieherin. Ohne ihre Zustimmung geht nichts.

Randgruppenphänomen ist das keines. Mittlerweile kommen 30 Prozent aller österreichischen Kinder unehelich zur Welt. Zwar kann die Mutter mit dem Vater gemeinsam zum Bezirksgericht gehen und dort die gemeinsame Obsorge beantragen – doch das geschieht so gut wie nie. In den allermeisten Fällen hängt der Vater rechtlich völlig in der Luft – und kann bei einer Trennung nur auf den guten Willen der Mutter hoffen.

Ist das gerecht? Ist es gut für die Kinder? Torpediert es das Engagement der Väter? Und wie kann man diese Ungleichheit argumentieren, ohne der Meinung anzuhängen, Frauen wären „biologisch“ oder „natürlich“ für Kinder zuständig? Eine schwierige Frage. Hilfreich für ihr Verständnis ist ein historischer Rückgriff: Bis zur Familienrechtsreform 1975 war der Vater der alleinige Vormund seiner ehelichen Kinder. Bei unehelichen Kindern übernahm diese Vaterrolle die Bezirkshauptmannschaft. Einer unverheirateten Frau die Vormundschaft für ihre Kinder von Geburt an zuzugestehen, war da ein großer emanzipatorischer Fortschritt. Doch ähnlich entmündigt wie die Mütter damals fühlen sich heute manche unverheirateten Väter.

Soll der Staat, um der Gerechtigkeit willen, hier eingreifen? Rechtsanwältin Loacker gefällt diese Idee nicht sehr. „Jede Familie ist unterschiedlich“, gibt sie zu bedenken, „und was prinzipiell gerecht ist, kann im Einzelfall verheerendes Unheil anrichten.“ Auch die Anwältin möchte sich der gleichberechtigten Elternschaft nicht in den Weg stellen. „Aber eine Neuregelung müsste differenziert, durchdacht und im Alltag lebbar sein. Eine punktuelle Änderung bringt nur neue Probleme.“

An dieser Stelle stoßen wir an ein grundsätzliches Dilemma in der Gleichbehandlungspolitik: Sind gesetzliche Regeln dazu da, die Wirklichkeit, so wie sie ist, bestmöglich zu organisieren? Oder sollen sie ein Ziel definieren, und den Menschen einen Weg weisen?

Der Männerberater Jonni Brem etwa sieht innerhalb der bestehenden Rechtslage genügend Spielraum für Männer, um zu zeigen, wie ernst sie es mit der Vaterschaft meinen. Spielraum, der bis heute ungenützt bleibt. „Um gleichberechtigt zu sein, müssen Männer ihre Bilder von Männlichkeit hinterfragen“, meint er. „Sie müssen sich ernsthaft damit auseinandersetzen, was es zu gewinnen und zu verlieren gibt, wenn man sich aus den traditionellen Geschlechterrollen löst.“ Es läge an einer echten emanzipatorischen Männerbewegung, diese Leerstellen in der öffentlichen Debatte zu füllen. In Skandinavien gibt es diese seit den 70er-Jahren – mit ausdrücklicher Ermunterung von staatlicher Seite. In Österreich hingegen klebt sie hartnäckig an der rechten Seite des politischen Spektrums fest. BZÖ und FPÖ sind zur Stelle, wenn mit dem Feminismus abgerechnet werden soll – und links der Mitte herrscht gähnendes Schweigen.

Auch Oliver Hoffmann fühlt sich nicht wirklich angesprochen, wenn es um echte Gleichberechtigung der Geschlechter geht. Er sieht in der Frauenbewegung keinen logischen Verbündeten, sondern einen Feind.

Warum eigentlich? Die Frage irritiert ihn. „Weil ich die Gesellschaft nicht verändern will“, sagt er dann.

http://www.falter.at/web/print/detal.php?id=1126

Marianne Ny (Schweden), Staatsanwältin

Im schwedischen Rechtssystem sind die Grenzen zur Verbrechensrubrizierung "Vergewaltigung" deutlich niedriger angesetzt, als in den meisten anderen EU-Staaten. Marianne Ny gilt darüber hinaus als besonders weitgehende Staatsanwältin. So hatte sie sich einst in einem Fall von Frauenmisshandlung dafür ausgesprochen, dass Männer, die von Frauen beschuldigt werden, aber nicht verurteilt sind, in jedem Fall vorsorglich eingesperrt werden müssten – um der Frau "Raum zum Nachdenken" zu verschaffen. "Erst wenn der Mann gefangen genommen ist und die Frau in aller Ruhe Zeit bekommt, mit etwas Abstand auf ihr Dasein zu blicken, bekommt sie die Chance zu entdecken, wie sie behandelt wurde", sagte sie damals.
http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-12/wikileaks-assange-schweden

Ursula Hubacek (AUT), Anwältin, Verein Frauen-Rechtsschutz
Barbara Stekl (AUT), Anwältin, Verein Frauen beraten Frauen

Die Sorge mit der Obsorge
Seit einiger Zeit fordern Vätervertreter massiv die automatische gemeinsame Obsorge auch nach einer Scheidung. Mit Erstaunen ist zu beobachten, dass mit dieser angestrebten Gesetzesänderung - nämlich der verpflichtenden gemeinsamen Obsorge - die Lösung aller diesbezüglichen Probleme und Konflikte erwartet wird. Weshalb infolge einer automatischen gemeinsamen Obsorge diese paradiesischen Zustände schlagartig entstehen sollen, ist jedoch den Erklärungen nicht zu entnehmen. Ganz im Gegenteil wäre dadurch eine Vervielfältigung und Verlängerung strittiger Verfahren zu erwarten.
Es wird in den Diskussionen davon ausgegangen, dass Mütter den Vätern nach einer Scheidung die Kinder prinzipiell entziehen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: aus meiner Beratungspraxis kann ich berichten, dass der Großteil der Frauen, die in die Beratung kommen, den Kontakt zwischen Vater und Kind als wünschenswert empfinden. Viele Frauen würden den Kontakt und die Mitbetreuung durch den Vater der Kinder begrüßen und dies auch als entlastend empfinden. Praktische Realität ist aber leider, dass sehr häufig Väter durch Abwesenheit glänzen und Frauen daher die Alleinbetreuung der Kinder übernehmen müssen.
Die Folge der auch in den Medien geführten Diskussion ist eine große Verunsicherung der betroffenen Frauen. In Folge dessen wird in der Beratung häufig die Frage gestellt, ob denn die "automatische gemeinsame Obsorge" jetzt bereits Gültigkeit habe.

Die Antwort darauf lautet: Nein! Nach wie vor besteht bei einer einvernehmlichen Scheidung folgende Wahlmöglichkeit:

Variante 1: Die Eltern vereinbaren weiterhin die gemeinsame Obsorge mit der Festlegung des Hauptwohnsitzes des Kindes bei einem Elternteil. In dieser Variante bleibt der in der Ehe bestehende Status der „gemeinsamen Obsorge“ aufrecht.
Variante 2: Ein Elternteil erhält die alleinige Obsorge. Dies geht entweder, wenn sich die Eltern einigen, dass beispielsweise die Mutter nach der Scheidung die alleinige Obsorge erhalten soll oder wenn das Gericht dies auf Antrag entscheidet.

Die Obsorge ist also ein Punkt, über den sich die Scheidungswilligen einigen müssen, damit eine einvernehmliche Scheidung zustande kommt. Im Streitfall entscheidet das Gericht im Sinne des Kindeswohls. Wir empfehlen immer gut abzuwägen, ob mit dem Kindesvater eine gemeinsame Obsorge auch tatsächlich möglich und sinnvoll erscheint und wir unterstützen Sie bei dieser Entscheidung mit Beratung.

http://www.frauenberatenfrauen.at/politik.html

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Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus


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