Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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"Die Jungs sind die Verlierer des Bildungssystems" auf WELT.de (Manipulation)

Oliver, Sunday, 01.07.2012, 20:35 (vor 4288 Tagen)

Die Jungs sind die Verlierer des Bildungssystems

Alle reden von Gleichstellung, aber in den Schulen wird für die Jungen nichts getan. Dabei geraten sie immer mehr ins Hintertreffen – auch wegen der Lehrerinnen. Von Birgitta vom Lehn

Bei der Präsentation des Bildungsberichts 2012 standen die üblichen Verdächtigen im Mittelpunkt: die Benachteiligten in Gestalt von Kindern aus Migrantenfamilien und/oder sozial schwachen Verhältnissen. Aber die größte benachteiligte Gruppe wurde gar nicht erwähnt: die Jungen. Dabei haben mehrere Studien in jüngster Vergangenheit gezeigt: Jungs werden in der Schule oft schlechter bewertet als Mädchen, bleiben öfters sitzen und machen seltener das Abitur.

Die letzte Erhebung dieser Art stammt aus dem vergangenen November, als Bildungsforscher im Auftrag der Vodafone-Stiftung kundtaten: Mädchen erhalten im Schnitt bessere Noten als Jungen (2,58 versus 2,67), obwohl sie in standardisierten Leistungstests schlechter abschneiden.

Schwerer Weg in die Berufsausbildung

Zwei Jahre zuvor meldete der Aktionsrat Bildung etwas Ähnliches: Beim Übergang auf das Gymnasium müssen Jungen eine deutlich höhere Leistung erbringen als Mädchen. Der Weg in die Berufsausbildung sei für Jungen erschwert, kritisierte der damalige Ratsvorsitzende Dieter Lenzen, inzwischen Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz.

Die einstige Bildungsbenachteiligung des katholischen Arbeitermädchens vom Lande ist also abgelöst worden durch die Jungen als neue Bildungsverlierer. Weil der Schulabschluss aber die gesamte Erwerbsbiografie beeinflusst, sind junge Männer auch deutlich häufiger arbeitslos als junge Frauen.

Männer tummeln sich in den unteren Segmenten

Diese Entwicklung spiegelt auch der jüngste Bildungsbericht: Zwischen 2001 und 2010 lag die Zahl männlicher Erwerbsloser durchgängig über der der Frauen. Und: Die Mehrzahl der oberen Segmente der Ausbildungsbereiche, für die eine bessere Vorbildung nötig ist und bei denen anschließend ein besseres Gehalt winkt (vor allem die kaufmännischen Berufe), haben Frauen erobert, während sich Männer in den unteren Segmenten tummeln. Jungen brauchen, wie der Bildungsbericht auch wieder zeigt, vor allem Unterstützung im sprachlichen Bereich. Aber wo bleiben die Sprachförderprogramme, Literatur- oder Theater-AGs speziell für Jungs?

Der Schulbetrieb – von der Kita-Landschaft ganz zu schweigen – ist wie kaum ein zweites Arbeitsfeld fest in weiblicher Hand. Dass der bundesweite Trend sich insgesamt sogar noch verstärkt hat, zeigt ein Blick auf die neuesten Zahlen: Gegenüber 2002 schrumpfte der damals schon magere Anteil männlicher Grundschullehrer von 27.000 acht Jahre später auf knapp 26.000, während der damals schon sechsfach höhere weibliche Anteil von 161.000 auf 172.000 kletterte.

Waren die Grundschulen schon länger in Frauenhand, so galten die Gymnasien bislang noch als männerlastig. Doch auch dieses Blatt hat sich gewendet: Gab es vor zehn Jahren noch 79.000 männliche und 76.000 weibliche Lehrkräfte, so unterrichteten dort 2010 bereits gut 100.000 Lehrerinnen und nur noch 80.000 Lehrer. Nur an den Berufsschulen liegen Männer noch vorn, allerdings mit sinkender Tendenz.

Männerschwund in den Kitas

In der Frühpädagogik zeichnet sich gerade ab, dass die Akademisierung der Kita-Kräfte zu einem weiteren Männerschwund führen wird. Erste Ergebnisse einer noch laufenden Studie am Institut für Hochschulforschung in Halle zeigen: Der ohnehin schon verschwindend geringe Männeranteil mit Berufswunsch Erzieher hat sich mit Einführung entsprechender Studiengänge, die die Ausbildungsgänge an Fachschulen ersetzen, halbiert.

Der Trend ist also klar: Insgesamt unterrichteten an Deutschlands Schulen im Jahr 2010 gut 500.000 weibliche Lehrkräfte – fast doppelt so viele wie männliche. Vor allem im Osten ist die Lage extrem: Den bundesweiten Spitzenwert an weiblichen Lehrkräften von fast 79 Prozent erzielt Mecklenburg-Vorpommern. Das Saarland kommt mit "nur" 59 Prozent einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis am nächsten.

Mangel in der Gleichstellungspraxis

Dass sich an dieser Geschlechterschieflage in naher Zukunft etwas ändern oder gar eine Männerquote für die Lehrerschaft gefordert wird, steht zu bezweifeln. Es ist nämlich die Frage, ob das politisch überhaupt gewollt ist. Denn vergleichbare Programme wie MINT, die Mädchen in Technik und Naturwissenschaften locken sollen, fehlen umgekehrt für Jungs. Dabei hatte bereits die erste Pisa-Studie 2000 Jungenleseförderung als größte bildungspolitische Herausforderung benannt. Geändert hat sich seitdem so gut wie nichts.

Das Nachsehen haben Jungen auch am sogenannten Boys' Day oder Zukunftstag, dem Analogen zum Girls' Day: Nur rund fünf bis zehn Prozent der Kitas und Schulen boten in diesem Jahr für Jungen Plätze an, damit sie sich einen Einblick in ihre Tätigkeitsbereiche verschaffen könnten. Hätte jede Bildungseinrichtung auch nur einen Boys'-Day-Platz zur Verfügung gestellt, hätte es 263.000 Plätze geben können, hat das Männernetzwerk Manndat e.V. berechnet.

Dass sich viele Schulen und Kitas ignorant gegenüber Jungen zeigen, kritisiert das Netzwerk als Mangel in der Gleichstellungspraxis. Es lasse erkennen, "wie gering die Motivation der Schulen für Jungenförderung ist". Die Netzwerker hegen sogar einen bösen Verdacht: "Diversity Management in Kitas und Schulen ist nicht gewollt. 'Männlich' assoziierte Verhaltensweisen werden in Schule und Kita abgelehnt."

In den vielen Anhangtabellen zum jüngsten Bildungsbericht tauchen Jungen so gut wie gar nicht auf. Wenn nach Geschlechtern unterschieden wird, benennt man dort explizit meist nur den weiblichen Anteil. Den männlichen muss man sich im Kopf dazudenken.

Einsatz von Frauen für Frauen

Die vor einem Jahr aus dem Amt gedrängte Goslarer Gleichstellungsbeauftragte Monika Ebeling (SPD) weiß ein Lied davon zu singen, wie es ist, wenn man sich nicht nur gegen weibliche, sondern auch gegen männliche Diskriminierung stemmt. Ihre Parteigenossinnen, aber auch die Ratsfrauen der CDU und der Grünen haben sie dafür gehasst und gemobbt. "Gleichstellung" ist hierzulande im Wesentlichen immer noch Einsatz von Frauen für Frauen.

Das zeigt auch ein Blick auf die – fast durchweg weibliche – Besetzung von Stellen in diesem Bereich. In ihrem soeben bei Herder erschienenen Buch "Die Gleichberechtigungsfalle" zitiert Ebeling einen Satz aus dem Hamburger SPD-Programm: "Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden." Den Satz empfindet Ebeling als "kränkend", mit ihm möchte sie – auch als Genossin – "nichts zu tun haben".

Kita und Schule sind jene Bereiche, in denen Gesellschaft früh erprobt und geformt wird. Die zahlreichen Mädchenförderprojekte, die längst zu höheren Frauenabitur- und -studierquoten geführt haben, sind dafür das beste Erfolgsbeispiel. Die Jungen derweil im Regen stehen zu lassen ist jedoch ein Skandal, den sich gerade ein Land mit Fachkräftemangel nicht leisten sollte.

Erstaunlicher Artikel.
Wegen Löschgefahr hier gesichert!
;-)

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article107616947/Die-Jungs-sind-die-Verlierer-des-Bildungssystems.html

--

Liebe Grüße
Oliver


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