Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Von der sittlichen Verpflichtung zum Faustrecht 2.Teil

Holger, Monday, 14.12.2009, 23:01 (vor 5218 Tagen) @ Holger

Nun, liebe Kinder, gebt fein Acht, ich hab euch etwas mitgebracht:

Teil 2

Ein weiteres Pseudoargument gegen das Schuldprinzip rotierte damals wie ein Brummkreisel durch die Medien und die Juristerei:

‚Vermeidung des Waschens schmutziger Wäsche’

Ich erinnere mich noch sehr gut an das Trommelfeuer, das damals täglich konzentriert auf den Medienkonsumenten und Politikinteressierten niederprasselte, es wurde geradezu zum Fetisch erhoben und keine Polita beendete ihre Rede im Bundestag, ohne das Vermeiden des Wäschewaschens anzumahnen.
Was für ein lächerlicher Humbug! Spätestens der Streit um das Sorgerecht führt zur Schlammschlacht und es dürfte mittlerweile Allgemeinplatz sein, dass in diesen Prozessen die Keulen ‚Kindesmißbrauch’ und ‚Vergewaltigung’ regelmäßig in großer Zahl gezückt werden (vgl. Willutzki vom Familiengerichtstag, hier oft belegt und kommentiert, leider steht mein Link nicht mehr, kann einer aushelfen?).
Und selbst der Frömmste nähme ein paar Stunden ‚Wäschewaschen’ in Kauf, wenn er damit schweren nachehelichen Belastungen entgehen kann und umgekehrt sein Konterpart so richtig abkassieren kann. Der Normalbürger lebt nun mal nicht in einem Mädchenpensionat und das Durchleben äußerst unangenehmer Situationen bleibt einem hienieden in diesem Jammertale keinesfalls erspart. Außerdem gilt zwingend: ‚Mit einem verschuldensunabhängigen Scheidungsfolgenrecht können keinesfalls Schärfe und Verbitterung aus der Auseinandersetzung genommen werden- vielmehr wird die Verbitterung desjenigen, der jetzt zu Unrecht bluten muß, oft ins Unerträgliche gesteigert werden’ (Friedenberger S. 120)


‚Das Verschuldensprinzip ist grob ungerecht gegenüber der Frau’

Diese auch vom Unbeleckten leicht als ideologische Phrase erkennbare Behauptung machte eine erstaunliche Karriere und wurde sofort in die Diskussionsgrundlagen der Eherechtskommission aufgenommen (DiskE S. 33; BT-Drucks. 7/4361 S.15; Diederichsen NJW 1977, 353).
Es wurde kühn behauptet, dass der wirtschaftlich stärkere Gatte im Falle seines Verschuldens seine Existenzgrundlage behalte, während der schuldig gesprochene Schwächere, also in der Regel die Frau (insbes. die Nur- Hausfrau), diese verlöre. Dies sei insbesondere deshalb unbillig, da hierdurch sämtliche während der Ehe erbrachten Leistungen der Frau unberücksichtigt blieben. Dies verletze sogar das Gleichberechtigungsgebot des Art.3 Abs.2 GG.
Legendär dazu die Zeitgeistpresse, allen voran die Spiegelin und die Sternin, letztere mit einem Leitartikel des ultimativen Frauenverstehers und Linksjournalisten Sebastian Haffner: ‚Unfair zu Mutti’. Im Gesetzgebungsverfahren hat diese konzertierte Aktion der linken Zeitgeistpresse ihre Spuren hinterlassen…

Friedenberger zur Grundbehauptung messerscharf: ‚Diese Auffassung ‚übersieht’ schon einmal ganz bewusst, dass es einen gewaltigen Unterschied ausmacht, ob der Mann nach Scheidung Unterhaltsansprüchen ausgesetzt ist, weil er sich wesentlich gegen Ehepflichten verfehlt hatte, oder ob er aufgrund ehekonformen Verhaltens davon freigestellt ist. Um diesen ‚kleinen’ Unterschied geht doch letztlich die gesamte Auseinandersetzung…So mag zwar der sich verfehlt habende Mann seine ‚Existenzgrundlage’ nicht verlieren (nicht selten verliert er sie doch), oft genug wird er aber auf ein Existenzminimum herabgestuft… Das Existenzminimum muß aber auch der Frau verbleiben- sei es in Form von Unterhalt oder durch öffentliche Unterstützung. ‚Existenzgrundlage’ ist erforderlichenfalls anstelle des Mannes eben das Sozialamt…Die Abschaffung des Verschuldensprinzips kann also in keiner Weise für ein geeignetes Mittel gehalten werden, um bei der Scheidung von Ehen wirtschaftliche Nachteile nicht oder nicht voll erwerbstätiger Frauen auszugleichen etwa nach dem Motto ‚weil du weniger verdienst, darfst du dir in der Ehe alles erlauben und erhältst dennoch Unterhalt’. Derartige Einstellungen zeugen nur einmal mehr von einem Verständnis der Ehe als einer immerwährenden Versorgungseinrichtung auch über die Scheidung hinaus. Der wirtschaftliche Nachteil des sozial Schwächeren soll nach diesen feinen Ansichten durch die Rechtlosstellung des anderen Ehepartners kompensiert werden- noch deutlicher können Umverteilungs- und Enteignungsideologien wohl nicht mehr formuliert werden. Mit Gleichberechtigung hat dies nicht das Geringste zu tun!’
Ergänzend wäre zu bemerken, dass hinter dem Propagandafeldzug gegen das Schuldprinzip eine Generalabsicht stand: völlige Lösung der Scheidungsfolgen vom Verantwortlichkeitsprinzip. Dazu später mehr.


Das einzig stichhaltige Argument gegen die Schuldscheidung ist die schlichte Erkenntnis, dass es keinen allgemeingültigen Maßstab (mehr!) dafür gibt, unter welchen Umständen ein Verhalten als ein eheliches Fehlverhalten zu charakterisieren ist bei weitgehender Gestaltungsfreiheit der ehelichen Verhältnisse durch die Partner (DiskE S.30). Im innerehelichen Verhältnis besteht aber sehr wohl eine meist sehr präzise Vorstellung über das, was gravierende Verfehlungen sind und es dürfte kaum eine Ehe geben, in der sie nicht vorgekommen sind. Wohl kaum zufällig decken sich die meisten innerehelichen Vorstellungen von Verfehlung mit den ganz rigiden Formulierungen des alten Schuldscheidungsrechts um 1900- ich behaupte das mal einfach und jeder Leser gehe mit sich in medias res bezüglich seines Gesponstes, was es damit auf sich hat. Ich bin sicher, ich behalte Recht.
Die Konventionalscheidung böte sich als Ideallösung also an für diese Fälle. In ihr ist das (im Wortsinne gemeinte, nicht gesetzgeberisch so definierte) Zerrüttungsprinzip an sich enthalten und es ist niemanden damit gedient, eine gescheiterte Ehe formalrechtlich noch lange Zeit aufrecht zu erhalten. Zudem vermag die Schuldfrage zur Rettung einer kaputten Ehe nichts beizutragen, das sieht Friedenberger genau so. Zugegeben ist meine Vorstellung ziemlich naiv: es war die unverhohlene Absicht des Gesetzgebers, mit ausschließlichem Etablieren der Zerrüttung- wohlgemerkt unter Ausschluß jeglicher Schuldbewertung- dieses Prinzip auch auf die Scheidungsfolgen zu übertragen.

Es ging im gesamten Reformverfahren mit all den hahnebüchenen Diskurslügen einzig und allein darum, Frauen entscheidende Vorteile in der Ehe als auch danach zu gewährleisten.

Nur die Betrachtung der gesamten Angelegenheit unter diesem Gesichtspunkt erklärt all die Ungereimtheiten, Verbiegungen (um nicht zu sagen Beugungen!) schlüssig.
Warum keine Konventionalscheidung als Reformziel? Simpel, sie hob das Schuldprinzip nicht auf. Man kann in Offenheit schlecht den einen, im allgemeinen Verständnis Schuldigen dazu verurteilen, dem anderen Schuldigen die Hälfte seines Einkommens fortan bis ans Ende der Tage und danach das seiner eigenen Erben einfach so zu überlassen, noch weniger den Unschuldigen, wenngleich das Ergebnis letztlich genau dem entsprach- was nur keiner merken sollte!
Darum diese erbärmlichen, ideologisch rechtsverkürzenden, an jeglicher Realität vorbeigehenden Versuche, Schuldfindung beim Scheitern einer Ehe als unmöglich zu definieren.
Genau an dieser Stelle erhob sich ein neues Problem für unsere sozialdemokratisch- FDP- liberalen Rechtsbeuger. Friedenberger ( S. 110) hat es mit ätzender Schärfe auf den Punkt gebracht:

‚Wer die Frage der Herausnahme des Verantwortlichkeitsprinzips bejaht, steht vor allem vor dem Problem, wie in diesem Fall nacheheliche Ansprüche überhaupt begründet werden können’. Buhahaha! Das ist Dialektik (oder gar Hybris?) in Reinkultur!
Friedenberger stampfte damit das absehbare, katastrophal schlecht begründete Urteil des mit juristischen Polithuren besetzten BVerfG vom 14.7.81 (BVerfG 57, 378) in Grund und Boden, als es ausführte, ‚dem Wegfall der Verschuldensprüfung bei der Scheidung entspräche es, wenn dies auch im Scheidungsfolgenrecht so sei’.
Politisch korrekte Rechtsprechung mit der Brechstange. Es ist fehl am Platze, vor derlei Kretins auch nur eine Spur von Achtung zu haben.


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