Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Liste Femanzen Kategorie Journalie9 (Liste Femanzen)

Oberkellner, Saturday, 24.03.2012, 17:50 (vor 4388 Tagen)

Claudia Neusüß (Freitag)
Blumen inbegriffen
Der Internationale Frauentag ist gut. Er sollte um einen Männertag ergänzt werden
Weitergehen. Zwei Schritte vor. Keinen zurück. So trotzig und beharrend, wie das Motto zum diesjährigen Frauentag, im Jahr zwei der ersten Bundeskanzlerin in Deutschland, klingt, provoziert das geradezu die kritische Frage, ob der 8. März mitsamt seinen Ritualen heute noch ein relevantes Datum ist. Zumindest für die Blumenläden der Republik lässt sich die Frage klar beantworten: Valentinstag, Muttertag und Frauentag - die deutschen Dienstleister sind bereit.
Was ist nicht alles passiert, seit Clara Zetkin auf der II. Internationalen Konferenz Sozialistischer Frauen 1910 in Kopenhagen einen jährlichen Internationalen Frauentag forderte. Damals kämpften die Genossinnen noch um das Frauenwahlrecht. Kein europäisches Land (außer Finnland), auch nicht die USA, bot seinen Bürgerinnen das demokratische Kernrecht. Inzwischen hat sich der Aufstieg der Frauen in der Politik nach ganz oben ordentlich dynamisiert. Die Medizinerin Michelle Bachelet steht seit 2006 an der Spitze Chiles. In den USA macht Nancy Pelosi George Bush im US-Repräsentantenhaus das Leben erfreulich schwer. In Frankreich will es Ségolène Royal wissen. Möglicherweise erlebt die Welt im nächsten Jahr eine erste US-Präsidentin, die Finnen (übrigens auch die Isländerinnen!) haben es sowieso raus, und nun haben auch in Nordrhein-Westfalen die Sozialdemokraten mit Hannelore Kraft eine Frau an der Spitze. Auch in den Wissenschaften ziehen die Frauen - wenn auch langsam - nach. Prominentestes Beispiel ist die Historikerin Drew Gilpin Faust. Sie wird Präsidentin der US-Elite-Universität Harvard.
Und doch: Am Anfang des Europäischen Jahres für Chancengleichheit liegt Deutschland in Sachen Gleichstellung lediglich im europäischen Mittelfeld. Ein politischer Dauerbrenner der Frauenbewegung hat noch nicht gezündet: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Wie lange wird es noch dauern, bis die am besten ausgebildete Frauengeneration, die wir je hatten, nicht nur symbolisch, sondern auch materiell gleichgestellt wird? Von Frauen in der Privatwirtschaft ganz zu schweigen - da sind sie immer noch "ganz unten". Nein, die Forderungen der Frauen nach Chancengleichheit, nach Frauenrechten als Menschenrechten sind weltweit längst nicht eingelöst und weiterhin aktuell. Und sie müssen immer wieder neu erkämpft werden. Trotzdem reicht der Frauentag nicht.
In den öffentlichen Institutionen, in Verwaltungen und Behörden tut sich nämlich etwas. Die politische Strategie des Gender Mainstreaming soll dazu beitragen, in Politik und Öffentlichkeit Hierarchien zwischen den Geschlechtern abzubauen. Soviel Gender war hier noch nie! Doch über die Erfolge und Schwierigkeiten dabei würden wir gern mehr und regelmäßig in der Öffentlichkeit hören. Auch über Männer würden wir generell gern viel mehr wissen. Im Wissenschaftssprech: mehr Wissen über die soziale Konstruktion von Männlichkeit.
Und überhaupt: Männer, wir vermissen euch! In der Debatte und in der Praxis, in der Politik und im Alltag und zwar als Geschlechtswesen. Da übernimmt endlich Familienministerin Ursula von der Leyen die Sache mit der (nachholenden) Modernisierung, und doch ist bei Krippenbetreuung und Elterngeld vor allem von Akademikerinnen die Rede. Das "andere" Elternteil taucht nur am Rande auf. Männer, hier könnt ihr eure Stimmen erheben. Kämpft (mit uns!) für eure Rechte! Entlastet die Frauen!
Im Grunde muss ein Männertag her. Nein, kein Vatertag mit feuchtfröhlicher Kumpanei am Ausflugsziel. Ein richtig politischer Männertag. Ein Tag, an dem öffentlich darüber nachgedacht wird, wie Männer zu Männern gemacht werden oder wo die Dinge in Bewegung geraten. Etwa, wenn junge Männer Krankenpfleger oder Kosmetiker werden wollen und sich mit ihren Schulabschlüssen schwer tun. Wenn junge Muslime sich mutig gegen ihre Verwandten stellen, wenn die eigene Schwester in Gefahr gerät. Wenn männliche Nachwuchsführungskräfte in Unternehmen darauf bestehen, Erziehungszeiten zu nehmen, den eigenen Vater pflegen oder schlicht andere als bloß erwerbsförmige Interessen haben. Wie sie es am besten anstellen können und was sie erleben, wenn sie es tun. Nur ran, meine Herren! Meine Unterstützung ist Ihnen sicher. Blumen inbegriffen ...

http://www.freitag.de/2007/10/07100102.php

Mangana Sangi und Soheyla Sangi (Autorinnen)

Nehmen Sie Ihren Mann an die Leine! Ein witziges Geschenkbuch für alle Männerhalterinnen – mit Tipps zu Erziehung, Ernährung und Unterbringung. >Männer sind Schweine« hört man oft. Stimmt aber nicht. Männer sind (wie) Hunde: Sie haben einen ausgeprägten Jagdtrieb, sie verstehen am besten kurze und klare Befehle und sie machen überall hin. Was liegt da näher, als die Domestizierung des Mannes so anzupacken wie einst die des Hundes? Die Schwestern Sangi & Sangi, seit einigen Jahren erfolgreiche Männerhalterinnen, stellen die verschiedenen Männerrassen vor und geben kostbare Tipps zu Pflege und Erziehung – damit Frauchen immer die Herrschaft über den Rüden behält. Und wenn der Mann gut erzogen ist, dann hat auch der Vermieter nichts dagegen, wenn er mit in die Wohnung zieht.
(Auszug aus „moderne Männerschule“, Eichborn-Verlag)

Prof. Dr. Sabine Hark und Prof. Dr. Ina Kerner (Freitag)

Konstruktionsfehler
in der F-Klasse
Der neue Feminismus will nicht der alte sein, weil das Opferkleid schlecht zur konservativen Diskursmode passt
Auf den ersten Blick ist die Debatte um Familienpolitik, Gender Mainstreaming und neuen Feminismus zu begrüßen. Endlich wird wieder öffentlich darüber gestritten, was Geschlechtergerechtigkeit heißen könnte. Was sie mit Blick auf Politik und öffentliche Verwaltung bedeutet und was mit Blick auf Haushalts- und Fürsorgearbeit. Auf welchen Wegen sie erreichbar scheint. Und was ihre Konsequenzen wären. Dass es Bedarf an einer solchen Debatte gibt, beweist allein schon ihre Dauer. Spätestens seit Die Zeit im vergangenen Sommer nach einem neuen Feminismus rief und 15 beruflich profilierte Frauen Bilanz über Geschlechterfragen ziehen ließ, wird die Diskussion unentwegt befeuert. Die Nachrichtensprecherin Eva Herman verkündet, das Glück der Erde läge im Kinderwagenschieben und der Hausfrauenschaft; die Schriftstellerin Thea Dorn propagiert die neue F-Klasse, einen Quasi-Feminismus - sie mag das Wort Feminismus nicht - für durchsetzungsstarke Individualistinnen; der Kommunikationswissenschaftler Norbert Bolz poltert gegen eine Familienpolitik, die Männern das wahrhafte Mannsein unmöglich mache.
Schaut man sich das, was in den verschiedenen Beiträgen verhandelt wird, jedoch genauer an, und achtet man dabei besonders darauf, wer wen wie darstellt, so ist die Debatte nicht mehr vor allem gut, sondern vor allem bizarr. Oder auch bezeichnend, und zwar für die Kraft antifeministischer Rhetorik, die man etwas pessimistischer auch als die Macht des antifeministischen Diskurses beschreiben könnte. Eines Diskurses, der längst fast alle Statements der Debatte erfasst hat, und zwar nicht nur diejenigen der Hermans und Bolzens, sondern auch jene, die auf eindeutige Plädoyers für geschlechterpolitischen Wandel hinauslaufen. Also auf Proklamationen des alten, meist aber eines neuen Feminismus. Besonders deutlich wird dies beim Umgang mit der Figur des Opfers, die erstaunlich prominent ist in der aktuellen Geschlechterdebatte; als ob es nach nun schon gut 40 Jahren neuer Frauenbewegung und feministischer Theorie - zumindest in Westdeutschland - nicht auch nuancierter ginge.
Opfer - soviel ist sonnenklar - will unter den neuen Feministinnen keine sein. Das ist durchaus verständlich - zumal in einer Zeit, in der vor allem Stärke zählt, und in der symptomatischerweise "Du Opfer" auf den Schulhöfen als Schimpfwort grassiert. Weniger nachvollziehbar ist jedoch, warum es zum guten Ton des neuen Feminismus zu gehören scheint, sich vom alten Feminismus abzugrenzen. Wobei dessen Protagonistinnen, die alten Feministinnen also, in erster Linie der Selbstviktimisierung bezichtigt werden. Der neue Feminismus hebt sich vom alten dadurch ab, kein "Opferfeminismus" sein zu wollen. Das geht nun allerdings schon seit Jahren so.
"Der angebliche Feminismus ist in der Bundesrepublik zu einem Opferritual verkommen", konstatierte Signe Zerrahn bereits 1995. Die "Mütter der Bewegung" sähen jede Frau als "armes Häschen, das von der Gemeinschaft der Schwestern gehätschelt und getätschelt werden muss", schrieb Zerrahn in ihrem Buch Entmannt - Wider den Trivialfeminismus; als ob Konkurrenz und Ränkeschmiederei - so unangenehm sie auch sein mögen - vor feministischen Kreisen je halt gemacht hätten. Vier Jahre später bliesen Susanne Weingarten und Marianne Wellershoff - Autorinnen des Bandes Die widerspenstigen Töchter. Für eine neue Frauenbewegung - in das gleiche Horn. Angesichts einer bloß verhaltenen Begeisterung von Mädchen und jungen Frauen für die feministische Sache mutmaßten sie, dass jenen wohl "die pauschalisierende Opfer-Rolle zuwider ist, in die sie sich von der traditionellen Frauenbewegung gedrängt fühlen". Dieser sei ein entscheidender Fehler anzulasten: anstatt den notwendigen Kampf gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung zu führen, habe sie sich gemütlich in der Identität des Opfers eingerichtet.
Die fragwürdige These von der Passivität just jener Frauen, die das Label "Feministin" für sich beanspruchen, befeuert seit dem letzten Jahr nun auch Thea Dorn. Zumindest implizit. In ihrem Portraitband Die neue F-Klasse, einer Leistungsschau erfolgreicher weiblicher Biografien, betont sie, dass keine der Frauen, die sie interessierten, "in irgendeiner Weise Wert darauf legen würde, für benachteiligt oder gar für ›ein Opfer‹ gehalten zu werden". Das ist einer der Gründe, weshalb sie in ihrem Buch darauf verzichtet, positiv auf den "Feminismus" Bezug zu nehmen.
Nun ist nicht zu leugnen, dass es in feministischen Analysen tatsächlich um die unterschiedlichsten Facetten geschlechtlicher Benachteiligung geht, und dass Frauen da nach wie vor meist schlechter dastehen als Männer. Wer Nachweise sucht, schaue nur in den jüngsten Report des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zum Lohngefälle zwischen Frauen und Männern. Dazu kommt der Differenzfeminismus. Darunter versteht man eine Position, die den Unterschied der Geschlechter betont und zudem Werte, die traditionell Frauen zugeschrieben werden - etwa Fürsorglichkeit und Beziehungsdenken - aufwertet und gesamtgesellschaftlich relevanter zu machen trachtet. Der Differenzfeminismus bezieht sich mit diesem Programm also tatsächlich affirmativ auf Attribute, die eher Abhängigkeit und Selbstbescheidung nahe legen als Durchsetzungsvermögen. Aber muss man das - wie berechtigt mancher Einwand dagegen auch sein mag - als Selbstviktimisierung missverstehen? Und, weit gewichtiger: was legt nahe, eine heterogene politische Bewegung in ihrer Gesamtheit abzulehnen, bloß weil man einzelne ihrer Stränge und Akteurinnen für kritikwürdig hält? Das wäre, wie gegen die gesamte Bundesliga zu sein, bloß weil man findet, mehrere ihrer Teams spielten schlecht. Denn längst nicht jede selbsterklärte Feministin ist Differenzfeministin - viele betonen eher die Gleichheit als die Differenz der Geschlechter, oder gehen sogar noch einen Schritt weiter, und interessieren sich vor allem dafür, wie Vorstellungen von Geschlecht überhaupt erzeugt und gestützt werden. Gemeinsam ist ihnen allen jedoch, dass sie geschlechtlich vermittelte Ungerechtigkeit anprangern und adäquate Gegenmittel suchen, wie auch immer die im Detail aussehen mögen. Warum also diese einseitigen und verkürzenden Interpretationen?

Und woher kommt der Opferfeminismusvorwurf? Versuchen wir eine Antwort über einen kurzen Umweg.
Folgt man dem afroamerikanischen Philosophen Tommy Shelby, der sich in seinem unlängst erschienenen Buch We Who Are Dark um eine theoretische Fundierung schwarzer Solidarität bemüht, so lässt sich ein analoger Fall des diskreditierenden Gebrauchs der Opfer-Metapher in den USA beobachten. Konservative Kräfte, schreibt Shelby, diffamierten den Ruf nach schwarzer Solidarität als Ausdruck einer "Opfermentalität". Anstatt über ihre Situation zu lamentieren, sollten Afroamerikaner lieber aktiv die Chancen wahrnehmen, die Amerika biete. Der Kampf um "Rassengerechtigkeit" sei längst gewonnen; das Problem anhaltender Ungleichbehandlung sei daher auch nicht mehr strukturell bedingt, sondern eine Sache persönlicher Einstellungen und Einsatzbereitschaft.
Schon mal gehört? Vielleicht bei Dorn, die bekräftigt, in ihrem Programm der F-Klasse gehe es weniger um "Frauensolidarität um jeden Preis" denn um "Klasse-Frauen", ausgezeichnet "durch das individuell von ihr Erreichte und Gelebte"? Oder in der Zeit, die in einer Redaktionsnotiz just zu jener Ausgabe, die der Forderung eines neuen Feminismus verschrieben war, entschuldigend kundtat, "einen neuen Feminismus zu fordern war in den letzten 20 Jahren so ziemlich das Unsouveränste, was man als Frau tun konnte", denn "man outete sich damit nicht als kämpferisch, sondern als schwach, als eine, die sich noch immer als ›Opfer der Verhältnisse‹ begreift"? Es steht zu befürchten, dass die neuen Feministinnen - ob sie sich nun so nennen oder nicht - hier konservative, antifeministische Parolen reproduzieren. Das mag opportun sein in einer Welt, die von konservativem und antifeministischem Denken geprägt ist. Doch Opportunismus war noch nie eine Erfolg versprechende feministische Tugend. Man muss sich also fragen, ob nicht die Anschlussfähigkeit an dominante Diskurskonjunkturen zum Preis der feministischen Entsolidarisierung erkauft wird, zu einem Preis, der sich am Ende selbst für die Sache der F-Klasse als zu hoch erweisen könnte.
Nun sollte nicht so getan werden, als habe der Feminismus niemals die zweifelhafte politische Strategie des Moralisierens verwendet. Er hat. Und tatsächlich ist die Strategie des Moralisierens immer schon eine Strategie der Schwäche. Eine soziale Gruppe, die sich für benachteiligt hält, weist privilegierte soziale Gruppen darauf hin, dass deren Privilegien vor dem Hintergrund allgemeiner Gleichheitsversprechen ungerecht sind. Bei jenen Mitgliedern der privilegierten Gruppen, die die Ungerechtigkeitsdiagnose teilen, erzeugt das im Zweifelsfalle ein schlechtes Gewissen - und im Glücksfalle politisches Handeln. Nun finden wohl die meisten Menschen ein schlechtes Gewissen unangenehm - manchmal wollen sie daher nicht allzu viel zu tun haben mit jenen, die es in ihnen hervorrufen könnten. Unangenehm ist selbstverständlich auch der Job, ein schlechtes Gewissen zu erzeugen; man macht sich damit nicht beliebt. Die neofeministische Abwehr des Opferfeminismus kann vor diesem Hintergrund als Ansage verstanden werden, dass es ab sofort ohne Moralisieren gehen soll. Das ist zunächst angenehm für alle. Wie weit der Friede trägt, wird sich zeigen müssen. Denn es könnte sein, dass der Hinweis auf ungerechte Verhältnisse durch diejenigen, die besonders durch sie benachteiligt sind, immer gefährdet ist, als Moralismus interpretiert zu werden. Das ist kein Argument für aktives Moralisieren - aber die Vermutung, dass sich der Feminismus gegen den Moralismusvorwurf nicht vollends immunisieren kann. Er sollte es daher auch nicht versuchen, vor allem nicht mit dem Mittel der Entsolidarisierung.
Dass wir einen neuen Feminismus tatsächlich brauchen, darüber werden sich alle, die über Geschlechterverhältnisse nachdenken, wohl schnell einig werden können. Die Herausforderungen von heute sind andere als diejenigen, auf die der Feminismus der siebziger Jahre reagierte. Politisch sinnvoller als die Geste des großen Bruchs, demonstriert durch den Griff in die antifeministische Klamottenkiste, wäre hier allerdings eine durchdachte Revision. Eine Revision, die nach wie vor gültige Versatzstücke des Alten mit Neuem verbindet und Kraft eher aus ihren Zielen schöpft denn aus dem Versuch, sich im konservativen Lager beliebt zu machen - sei es durch die Rhetorik individueller Leistungsfähigkeit oder durch die Entsolidarisierung mit jenem Feminismus alter Schule, der durch das Anprangern gesellschaftlicher Strukturen und durch radikale Forderungen aufgefallen ist.
Schließlich, und das ist vielleicht mehr als nur eine Petitesse, wird an anderer Front stilisiert und gejammert, was das Zeug hält. Denn während die neuen Feministinnen wieder und wieder betonen, keine Opfer zu sein, viktimisieren sich in der aktuellen Geschlechterdebatte vermehrt die antifeministischen Männer. Vorreiter ist hier der Interessenverband MANNdat, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, öffentlich aufzuzeigen, "wo Männer überall zu kurz kommen". Ohne Stärkung der Rechte von Männern und Jungen, so der Verein, sei eine "wirkliche Gleichberechtigung" unmöglich. Einen lautstarken Leidensgenossen findet der Verein in Norbert Bolz, der sich ebenfalls als Opfer wähnt: Feministinnen, Politiker und Bevölkerungswissenschaftler arbeiteten an einer Umerziehung der Männer. Sie bürdeten ihnen Verantwortung für Haushalt und Familie auf und machten sie damit für Frauen unattraktiv. Was soll man dazu sagen?

http://www.freitag.de/2007/18/07181701.php

Staatsfeminismus | 27.07.2007 | Sabine Hark/Ina Kerner Eine andere "Frau" ist möglich
Die Regierung Merkel macht Gleichstellungspolitik nur für Alpha-Mädchen. Wie tatsächliche Geschlechtergerechtigkeit aussehen könnte

Wer in den letzten Jahren nach bekennenden Feministinnen oder wenigstens nach feministischen Bekenntnissen suchte, wurde meist enttäuscht. Es galt die Verona-Maxime: Am Besten fährt, wer sich aufreizend distanziert. Seit kurzem ist das anders. Selbst Familienministerin Ursula von der Leyen findet, "konservativer Feminismus" sei ein spannendes Konzept. Ohne Zweifel: Die Scham ist vorbei und Feminismus auch hierzulande auf die diskursive Bühne zurückgekehrt.

Verwundern sollte diese Rückkehr allerdings nicht. Verwundern sollte eher, dass sich der deutsche Feminismus zwischenzeitlich nicht mehr auf dem Spielplan fand. Denn das war, zumindest im internationalen Vergleich, ein Sonderweg. Wenn hierzulande nun nach einer längeren Pause wieder positive Bezugnahmen auf Feminismus zu finden sind, geschieht dies also mit einiger Verspätung; geschlechterpolitisch ist Deutschland eben langsam. Unsere - feministisch gesehen - erheblichen Modernisierungsdefizite belegen die Statistiken zum Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern oder zu deren unterschiedlicher Zeitverwendung ebenso wie etwa die Tatsache, dass rund 85 Prozent aller Professuren mit Männern besetzt und deutsche Vorstandsetagen praktisch frauenfrei sind. Aber auch die hysterischen Debatten zu "Rabenmüttern", "Wickelvolontariat" und der kuriosen These vom Dahinschwinden heterosexueller Erotik durch zunehmende Gleichberechtigung sind Index deutscher Provinzialität in Sachen Geschlechtergerechtigkeit.

Nicht ohne Ironie ist vor diesem Hintergrund, dass nun ausgerechnet Politikerinnen, die bis vor kurzem als feministisch unverdächtig galten, die Beseitigung dieser Modernisierungsdefizite auf ihre Agenda gesetzt haben. Allen voran Mittelstürmerin Ursula von der Leyen und Angela Merkel als geschickt die Mannschaftsteile verschiebende Abräumerin im Mittelfeld. Die zu diesem Zweck vorgenommene Verzahnung familienpolitischer Instrumente mit Gleichstellungspolitik, die bereits von Renate Schmidt eingeleitet worden war und nun von ihrer Nachfolgerin forciert wird, kann sich durchaus sehen lassen. Stutzig macht sie dennoch. Was wir seit 2006 erleben, ist nicht nur eine Art nachholende Gerechtigkeitspolitik; es ist auch die Übersetzung einer feministischen Forderung der siebziger Jahre - Verbesserung der Kinderbetreuungs-Infrastruktur als Voraussetzung für die Integration von Frauen in die Erwerbsarbeit - in schwarz-rote Regierungspolitik, die mit diesen Maßnahmen zudem unverhohlen demografische Ziele verfolgt.

Doch Feminismus, das zeigt sich hier, ist längst nicht gleich Feminismus; noch das radikalste Bewegungspostulat kann nach Dekaden in der Warteschleife in konservativen Maßnahmen enden. Dabei ist die neue, konservative Variante nicht deshalb konservativ, weil sie von einer christdemokratischen Ministerin in Umlauf gebracht wurde. Es lassen sich vielmehr eine Reihe von Gründen dafür anführen, warum und inwiefern wir es hier mit einer Politik zu tun haben, von der in überproportionalem Maße jene Frauen (und Männer) profitieren, die man auch vorher schon als gesellschaftlich privilegiert beschreiben konnte.

Schauen wir uns also die aktuelle Familien- und Geschlechterpolitik etwas genauer an, und setzen zu diesem Zweck eine am Paradigma der Intersektionalität geschulte feministische Brille auf. "Intersektional" meint, nicht allein die Genusgruppen "Männer" und "Frauen" im Blick zu haben und dabei davon abzusehen, dass diese intern jeweils äußerst heterogen sind. Ein intersektionaler Feminismus sucht zum einen danach, wie Geschlechterverhältnisse, Klassenverhältnisse und Fragen von Ethnizität und Rassismus in der Sozialstruktur und der institutionellen Verfasstheit einer gegebenen Ökonomie und Gesellschaft verbunden sind - im nationalen wie transnationalen Zusammenhang. Zum anderen beobachtet ein intersektionaler Feminismus, was mit diesen spezifischen, dennoch aufeinander bezogenen Verhältnissen unter den gegenwärtig zu erlebenden Bedingungen sozialer, politischer und ökonomischer Transformation geschieht. Drei verschiedene Aspekte fallen bei einer solchen Betrachtung ins Auge.

Erstens wird deutlich, dass wir es heute im Vergleich zu den siebziger Jahren mit einer deutlich veränderten gesellschaftlichen Konstellation zu tun haben. Einer Konstellation unter neoliberalen Vorzeichen, die auf dramatische Weise und im globalen Maßstab auch Geschlechterverhältnisse reorganisiert. Diese neoliberale Konstellation hat einen entscheidenden Einfluss darauf, welcher Ausgang aus dem gegenwärtigen Geschlechterarrangement möglich ist - und dabei handelt es sich nach wie vor um ein hierarchisiertes Geschlechterarrangement. Um eines zudem, das heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit nicht nur voraussetzt, sondern auch stets aufs Neue reproduziert. Vor diesem Hintergrund fallen nun bemerkenswerte Entwicklungen auf. Zum einen nämlich wird just in Zeiten von massivem Arbeitsplatzabbau, der Verallgemeinerung von Prekarität und der Ausweitung des Niedriglohnsektors auch für Frauen das Modell der allgemeinen Erwerbstätigkeit propagiert. De facto führt das dazu, dass diese neoliberal als Marktsubjekte emanzipiert werden, die, auf sich allein gestellt, die eigene Existenz zu sichern angehalten sind - von denen, die es schaffen, Lehrerinnen, Ministerinnen oder Finanzbeamtinnen zu werden, mal abgesehen. Zum anderen knüpfen sich an dieses für Deutschland neue Ideal der allgemeinen Erwerbsarbeit bloß verhaltene Ideen darüber, wie bisher Frauen zugewiesene Pflegearbeiten erledigt werden sollen - ausgenommen ist hier nur die nachmittägliche Kinderbetreuung. Man könnte also sagen, dass es sich hier um eine Politik handelt, welche die gesellschaftliche Frage der Nachwuchssicherung und Fürsorgearbeit allein mit deren Kommodifizierung zu beantworten weiß. Zumindest implizit wird sie als Angelegenheit betrachtet, die Frauen unter sich ausmachen (sollen). Das bedeutet einerseits - darauf hat die Frankfurter Soziologin Silvia Kontos hingewiesen -, dass die Reibungsverluste zwischen flexibilisiertem Arbeitsmarkt und Betreuungs- und Bildungsanforderungen von Kindern vor allem zu Lasten jener Frauen gehen, die sich den Zukauf von Betreuungsleistungen über den Markt schlicht nicht leisten können. Andererseits führt es zu der für feministische Kritik schwierigen Situation, dass berufliche Gleichstellungsgewinne besser gestellter Frauen nicht zu einer Umverteilung von Hausarbeit zwischen Frauen und Männern führen, sondern dass sie im Gegenteil eine Umverteilung von Hausarbeit zwischen Frauen nach sich ziehen. Arbeiten im Privathaushalt - gehen wir einmal von der heterosexuellen Kleinfamilie aus - bleiben damit "typische" Frauenarbeiten. Der Unterschied ist nur, dass diejenigen, die es sich leisten können, sie nicht mehr selber erledigen, sondern polnische Pflegerinnen, peruanische Putzhilfen oder französische Au-pair-Mädchen engagieren. Und diese arbeiten zumeist unter äußerst prekären, das heißt schlecht abgesicherten Verhältnissen.

Mit diesen Effekten eng verbunden ist der zweite Aspekt, der am aktuellen Staatsfeminismus auffällt. Es geht um den Umstand, dass unbeeindruckt von der seit mittlerweile bald drei Dekaden immer wieder formulierten feministischen Kritik von einem einheitlichen Kollektivsubjekt "Frau" ausgegangen wird. Man könnte sogar sagen, dass der konservative Staatsfeminismus diese Kritik aktiv hintertreibt. "Frau" meint heute zwar nicht mehr die heterosexuelle, nicht-erwerbstätige deutsche Mittelschichtshausfrau und Mutter, sondern die Vereinbarkeit von Karriere und Familie suchende heterosexuelle Frau und Mutter. Es wird aber weiterhin so getan, als seien alle Frauen gleich. Das staatsfeministische Gleichstellungsprogramm reproduziert damit nicht nur ein heteronormativ gerahmtes, hierarchisches Geschlechterarrangement, das Frauen und Männer als Genusgruppen mit je einheitlichen Lebenslagen und -interessen konstruiert. Es verhehlt auch, dass es selbst eine Politik ist, die zu neuen gesellschaftlichen Spaltungen beiträgt. Nicht zuletzt die Frage, wer von diesem Umbau der Geschlechterverhältnisse "von oben" profitiert und wer verliert, kann auf diese Weise kaum noch gestellt werden.
Drittens schließlich sticht ins Auge, dass derzeit - unter Bedingungen einer stets verknappenden Ökonomie der Aufmerksamkeit - die politische Energie vor allem auf Vereinbarkeitsfragen von Familie und Beruf gelenkt wird. Andere geschlechterpolitisch relevante Konflikte werden auf diese Weise tendenziell aus dem Spektrum feministischer Politiken ausgegrenzt. Das betrifft etwa die bereits beschriebenen ökonomisch und politisch motivierten Aktualisierungen von sozialen Trennlinien durch Klasse und Ethnie. Forciert werden damit nicht nur erhebliche Verwerfungen, Spaltungen und Hierarchien auch zwischen Frauen; erschwert wird zudem, etwa antirassistische Kämpfe ebenso wie globale Auseinandersetzungen um Verteilungsgerechtigkeit als genuin feministische Anliegen wahrzunehmen.

Das gilt aber auch für jene politischen Kämpfe, die als Körperpolitiken beschrieben werden können und deren Inhalt die Anfechtung eines gewaltförmig organisierten zweigeschlechtlichen Systems zur Einteilung menschlicher Körper ist. Ein System, das reguliert, welche Körper als normal und welche als abweichend und folglich korrekturbedürftig gelten, etwa bei der medizinischen Regulierung und Pathologisierung von Intersexualität oder durch die Behandlungsstandards von Transsexualität.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass der neue Feminismus konservativer Prägung problematisch ist, insofern er zwar als allgemeiner Feminismus verkauft wird, tatsächlich jedoch ein Feminismus für Wenige ist. Wenn Feminismus aber Geschlechtergerechtigkeit in einem umfassenden Sinne anstrebt - und das hieße auch, immer wieder danach zu fragen, wen und welche Anliegen er adressiert -, kann er sich nicht darauf beschränken, die Lebensbedingungen von "Alpha-Mädchen" zu verbessern. Er muss sich vielmehr der Frage stellen, welche Antworten er anzubieten hat für die hier nur kursorisch umrissenen, komplex ineinander verwobenen Herausforderungen einer globalisieren Welt, die in extremer Weise zugleich homogenisiert und trennt. Einer Welt, deren vordringlichstes Problem nicht die geglückte Work-Life-Balance westlicher "Unternehmerinnen ihrer selbst" ist.

Wenn die Zukunft des Feminismus nicht die eines bürgerlichen Spartenprojektes sein kann, bleibt die Aufgabe, darum zu streiten, welchen Anforderungen er heute Rechnung tragen muss. Unverkennbar ist, dass ein altes Versprechen ausgedient hat: Dass Politik im Namen aller Frauen machbar sei, ohne dass bestimmte Frauen dabei ausgeschlossen würden. Was folgt daraus für einen neuen Feminismus?

Zunächst einmal die Einsicht, dass Geschlechterverhältnisse nicht unabhängig von anderen gesellschaftlichen Teilungsverhältnissen existieren, verstanden und verändert werden können. Die Einsicht, dass wir es mit intersektionalen Verhältnissen zu tun haben, muss zur Leitlinie eines künftigen Feminismus gemacht werden. Denn wen die Achsen der Ungleichheit auf welche Weise trennen und verbinden und wie diese jeweils als Ausformungen von Macht und Herrschaft verfasst sind, das kann - darauf hat die Hannoveraner Sozialtheoretikerin Gudrun-Axeli Knapp hingewiesen - an der Genus-Gruppe "Frauen" allein nicht erkannt werden.

In einer Welt, zu deren hauptsächlichen Problemen der Zugang zu Nahrung und Behausung, zu Bildung und Wissen, die Erfahrung von Krieg und Verfolgung, Missbrauch und Gewalt, von Armut und Mangel, von Überflüssigkeit und verweigerter Anerkennung, von Rechtlosigkeit und Willkür, von Sexismus, Homophobie und Rassismus in ihren vielfältigsten Manifestationen gehören, kann es daher kein Zurück geben hinter die Einsprüche lesbischer und schwarzer, eingewanderter und queerer, postkolonialer und transgender FeministInnen. Der Anstrengung, Feminismus hinsichtlich dieser Aufgaben komplexer zu artikulieren, müssen wir uns alle unterziehen. Und zwar auch innenpolitisch.

Ein neuer, intersektionaler Feminismus, der sowohl die Erfahrungen als auch die widersprüchlichen Erfolge der zweiten Frauenbewegung zum Ausgang nimmt, um die vielfältigen, dynamischen Geschlechtergerechtigkeitsdefizite, mit denen wir nach wie vor zu kämpfen haben, mit erfolgverheißenden Strategien zu parieren, braucht daher vor allem dreierlei: Offenheit, Selbstreflexivität und Flexibilität. Offenheit für Belange und Anliegen, die er bislang nicht oder nur weit hinten auf der Tagesordnung hatte, wie Fragen von Staatsbürgerschaft und Illegalisierung.

Selbstreflexivität, weil es in einem breit angelegten politischen Projekt fast unumgänglich ist, dass es zu internen Verwerfungen kommt, dass interne Machtverhältnisse ihre Wirkungen entfalten und dass die gewählten Strategien mitunter in verschiedene Richtungen weisen. Wie ein Zusammspiel jener Varianten von Gender Mainstreaming, die eindeutig verschiedene Lebenswirklichkeiten von Männern und Frauen unterscheiden und damit Vorstellungen der Zweigeschlechtlichkeit reproduzieren, mit Ansätzen queerer Repräsentationspolitik, die darauf hinauslaufen, diese Unterscheidung gerade zu destabilisieren. Ein zukunftsfähiger Feminismus, der mehr sein will als ein Spartenfeminismus der Starken, braucht angesichts dieser Situation die Bereitschaft und Mechanismen, den eigenen Mainstream immer wieder zu hinterfragen und gegebenenfalls zu modifizieren. In der Unabgeschlossenheit, die die Ambivalenzen eines breit angelegten politischen Projektes immer mit sich bringen, sollte eher nach Vorteilen als nach Nachteilen gesucht werden.

Flexibilität schließlich braucht der neue Feminismus, um in einer zunehmend beweglichen Welt angemessen und am besten auch noch schnell reagieren zu können. Nicht alle Rezepte, die von der zweiten Frauenbewegung im Laufe der letzten Jahrzehnte erprobt wurden, sind veraltet. Aber als Patentrezepte für Gegenwart und Zukunft können wir sie keinesfalls werten.

Ein solches Programm mag den einen zu vage erscheinen oder auch zu anstrengend. Für andere wiederum wird es nach Freiheit klingen und vielleicht sogar nach Spaß. Auf den Versuch käme es an. Zu tun ist viel, und zum Nulltarif war eine bessere Welt noch nie zu haben.

http://www.freitag.de/2007/30/07301701.php

Elke Heidenreich, Schriftstellerin

"Nie wieder ekelhafte Altmännerliteratur!"
Emphatisch, euphorisch, radikal subjektiv, so avancierte Elke Heidenreich zur mächtigsten Frau des deutschen Literaturbetriebs. Und erfand ein neues Genre jenseits des akademisierten Feuilletons: die Talkshow für Leselust.
Glückwunsch, Sie sind in die Top Ten der 500 wichtigsten Intellektuellen Deutschlands aufgerückt!
Ich habe in meinem Umfeld sehr viel klügere Menschen als mich, aber die kommen mit Sicherheit nie auf Ihre Liste.
Sie haben eben Deutungsmacht im Lande, das prädestiniert nicht nur für Listen, auch für Preise. Welcher ist Ihnen der wichtigste: Der Bambi? Die „Kolbacher Klapperschlange“? Oder der Medienpreis für Sprachkultur?
Der Sprachkulturpreis, der hat mich gefreut! Denn er zeigt doch: Ich kann offenbar ganze Sätze bilden, mit Subjekt, Prädikat, Objekt. Und das ist doch was heutzutage, wo alles nur „geil“ und „super“ ist. Wenn ich jetzt bei Ihnen genannt werde auf der Liste, dann gibt es Einige, die werden darüber lächeln, oder sie werden mich gerade deshalb noch mehr zersägen als sonst: „Ach, das fehlte uns gerade noch, die jetzt auf Platz acht? Die auch noch auf der Liste?“ Und wieder andere werden sagen: „Sieh an, die ist auf der Liste, das ist aber hochinteressant!“ Mir als Elke ist das jedoch ganz egal, ich habe keinen einzigen meiner Preise hier zuhause rumstehen.
Auf den vordersten Plätzen liegen Grass & Co, und auch die politischen Debatten sind fest in der Hand der Großvätergeneration. Woran liegt denn das?
Das ist eine ganz ekelhafte Altmännerliteratur, die wir da jetzt haben: Grass, Walser - diese eitlen, alten Männer, die den Mund nicht halten können! Ich weiß nicht, woran das liegt: Mich interessiert die politische Debatte in der Literatur relativ wenig. Es muss in erster Linie gute Literatur sein. Und ich finde, dass Grass und Walser seit Jahren nichts Gutes geschrieben haben.
Haben die Herren gar keine Chance mehr bei Ihnen?
Ich habe aufgehört, Walser zu lesen seit „Dorle und Wolf“ - ein grottenschlechter Roman über eine Ost-West-Liebe. Und bei Grass hat mich immer das Übermaß an Eitelkeit und Selbstgefälligkeit gestört. Er hat den Nobelpreis bekommen, gut, aber ich muss ja nicht alles lieben, was von oben kommt. Mich erreicht diese Art Literatur nicht. Mich erreichen aber übrigens auch die jungen Dreißigjährigen oft nicht, die dreihundert Seiten darüber schreiben, dass sie noch nichts erlebt haben. Das langweilt mich auch zu Tode. Ich habe schon einen richtig deftigen Erzähler am allerliebsten.
Fritz J. Raddatz sagte einmal, dass uns heute die großen charismatischen Intellektuellen deshalb fehlten, weil die Nachkriegsgenerationen die existentielle Erfahrung von Krieg, Bedrohung und Überlebensnöten nicht kennen.
Da hat Raddatz recht – Raddatz schreibt ja selbst so wunderbar, ich habe seine Biografie gelesen, die schillert, die ist intellektuell. Wir haben diese umfassend gebildeten Renaissancemenschen nicht mehr. Das hat sicherlich unter anderem mit dem Dritten Reich zu tun.
Mit dem Exodus und der Ermordung vieler Künstler…
Ich sehe das auch in der Musik – durch die Nazis wurde radikal ein ganzer Zweig abgeschnitten, der sich blühend entwickelte, mit Komponisten wie Erich Wolfgang Korngold oder Carl Goldmark. Dann kam in den sechziger Jahren die Zerhackerei in der Literatur und in der Musik, alles wurde dekonstruiert und zerhackt, und danach hat man sich sehr, sehr schwer getan, wieder richtig zu erzählen oder wieder tonal zu komponieren.
War diese Art der Avantgarde eine Einbahnstraße?
Es muss endlich mal Schluss sein mit diesem ewigen: „Worüber grämen wir uns heute?“ Das interessiert mich nicht mehr. Ich weiche ja momentan vor allem auf spanische, auf holländische und amerikanische Autoren aus und finde in der deutschen Literatur allzu viel nicht, was mich interessiert.
Dazu passt, dass Sie auch das deutsche Regietheater des unsinnlichen Modernismus bezichtigt haben und sich über die „Interpretationswut“ und das barbarische „Sezieren“ der deutschen Opernregieszene mokierten.
Ich habe nur für mehr Emphase plädiert. Wir erleben heute kulturell den Kampf zwischen Emphatikern und Gnostikern. Ich würde mir wünschen, es würde sich mehr mischen – es wäre wunderbar, wenn die sehr Intelligenten ein bisschen gefühlsstärker wären und die sehr Gefühlsstarken etwas intelligenter. Ich denke, dass ich mich auf der Mitte zwischen Beidem befinde: Ich weiß, was ich tue, aber ich habe mir meine Gefühle noch nicht versaut und bin nicht von Eitelkeit zerfressen.
Ist das Ihr Erfolgsgeheimnis für die Sendung „lesen!“?
Ich mache diese Sendung halt nicht für die Kollegen, sondern für die Leser, die Zuschauer, Denn ich will auch einfache, furchtsame Leute erreichen, die nicht James Joyce’s Ulysses für das wichtigste Buch der Welt halten.
Ist die Zeit reif, die autokratischen Deutungsmächtigen abzulösen, die großen Leitwölfe?
Ich glaube, dass wir zu lange Zeit lang verharrt haben in gnostischem Wichtiggetue.
Weil die Literaturkritik meist in den Händen anämischer Akademiker liegt?
Dort liegt sie ja nicht nur. Es gibt wunderbare Rezensenten wie Ulrich Greiner oder Volker Weidermann, der auch ein Emphatiker ist und dafür geprügelt wird. Es muss bei komplizierten Büchern zwar die differenzierte Auseinandersetzung mit dem Text geben, man muss sich dann nur klar sein, dass man damit die erreicht, die es ohnehin schon wissen, und nicht die, die man noch einfangen will. Ich bin ein Einfänger. Ich möchte Leute ans Lesen bringen, die sonst verloren sind ans grottenschlechte Fernsehen und möchte ihnen sagen: Hier geht’s lang, das macht die Welt besser, und es macht euch glücklicher.
Sie gelten als mächtigste Frau des deutschen Literaturbetriebs – sind Ihre Emotionalität und Ihre radikale Subjektivität Schlüssel Ihres Erfolgs?
Ja, ich glaube das. Es ist zwar wichtig, sich auch intellektuell mit Texten und Büchern auseinanderzusetzen, und das kann nur das Feuilleton. Da kann man die Sätze nachlesen, da kann man schwierige Texte noch mal überprüfen. Aber wenn ich Literatur im Fernsehen präsentiere, muss ich mit den paar Sätzen, die ich spreche, das Publikum gewinnen. Und das geht nicht intellektuell, das geht nur emotional. Man wirft mir das ja oft vor, doch ich kann nicht Texte dekonstruieren und analysieren im Fernsehen und dann noch hoffen, dass mir jemand zuguckt und die Bücher liest. Ich kann es nur über Begeisterung und Sympathie und Empathie machen.
Marcel Reich-Ranicki ist der letzte Literaturpapst, der persönliche Geschmackskriterien zu gusseisernen Regeln formte – ein Roman solle nicht mehr als 300 Seiten haben, er solle nicht von Eskimos handeln, sondern möglichst von gebildeten Menschen. Sind Sie die entspannte Gegenpäpstin?
Das Wort von der Literaturpäpstin höre ich gar nicht gern. Ich gehe von einer Mischung aus meinem Empfinden und meinem Gefühl aus, Joachim Kaiser hat das einmal „Emotionsgewissheit“ genannt. Das heißt: Ich muss mir meiner positiven oder negativen Gefühle ganz sicher sein. Bei einem Buch, einem Menschen, einem Lieblingsessen. Dann erst kommt der Kopf, dann kommen die Kriterien. Und da ist überhaupt nichts ausgenommen, weder dicke Bücher noch dünne Bücher, Bücher von Frauen oder über Eskimos, keine Kurzgeschichten oder Romane - ich lasse mich erst einmal auf alles ein. Aber wenn man sich seiner Gefühle nicht sicher ist, hat das ganze intellektuelle Gequatsche keinen Sinn, denn dann erreiche ich die Leute nicht.
Sie engagieren sich auch politisch – zum Beispiel haben Sie sich einer Initiative der Peter-Weiss-Stiftung angeschlossen, den 20. März zum „Tag der politischen Lüge“ zu erklären, weil an diesem Datum die Amerikaner in den Irak einmarschiert sind. Spüren Sie als Figur der Medienöffentlichkeit eine politische Verantwortung?
Auf jeden Fall. Manchmal sollte man seine Stimme erheben. Es gibt bestimmte Menschen aus Politik und Kultur, die Vorbilder für mich sind, Alexander Kluge oder Hans Magnus Enzensberger zum Beispiel, das sind Leute, auf die ich höre – und wenn die sich für etwas engagieren, dann macht mich das hellhörig. Darum habe ich das unterschrieben, denn ich glaube, dass wir in den Medien sehr belogen werden, dass wir nicht mehr auseinander halten können, was richtig und was falsch ist, weil wir stark manipuliert werden.
Sie wären sicherlich auch in der Politik gut aufgehoben.
Meine Kraft und meine Zeit reichen nicht aus, um mich da als öffentliche Rednerin zu betätigen, aber meinen Namen setze ich gern unter etwas, wenn es der Sache hilft. Auch Greenpeace, die Tierschutzorganisation WASP oder Amnesty International sind Organisationen, bei denen ich ganz selbstverständlich dabei bin.
Interessieren Sie sich für politische Literatur?
Warum soll jemand unter dem Eindruck starker politischer Erlebnisse nicht auch darüber schreiben? Ich habe viel mit Henning Mankell über AIDS in Afrika gesprochen und bin mit ihm und seinem AIDS-Buch auf Lesereise gegangen. Mankell hat AIDS-kranke Eltern in Afrika Tagebuch für ihre Kinder schreiben lassen, damit sie überhaupt wissen, woher sie stammen, wer ihre Familie war, weil ganze Generationen aussterben. Da bin ich mit ihm durch ein paar Theater gezogen, und wir haben viel diskutiert – glaube aber, dass generell die Beurteilung politischer Bücher besser bei den politischen Journalisten aufgehoben ist.
Sie sind ja gewissermaßen eine Doppelagentin des Literaturbetriebs – als Kritikerin und Autorin…
… leider schon lange nicht mehr. Leider.
Warum?
Wenn man so viel liest wie ich, dann hat man erstens den Kopf voll mit den Geschichten anderer Leute, und zweitens hat man einen solchen Respekt! Ich lese gerade ein Buch von John Cheever, da denke ich: Das kann ich nie, warum soll ich schreiben? Man darf aber so nicht denken. Wenn man eine Geschichte in sich wachsen fühlt, muss sie raus.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Literaturbetrieb als Autorin?
Eigentlich nur gute. Ich habe natürlich auch Verrisse bekommen, aber ich nehme einen Verriss nicht als schlechte Erfahrung, er gehört dazu. Wenn man in die Öffentlichkeit geht, dann muss man die Meinung der Öffentlichkeit ertragen. Ich habe aber, als ich 1992 begann zu schreiben, die solide Bürde der Else Stratmann auf dem Buckel gehabt…
…die Kunstfigur, mit der Sie berühmt wurden, eine resche Metzgersgattin aus Wanne-Eickel…
… und hatte Angst, dass man mein Schreiben als Else-Stratmann-Literatur abtut. Zum Glück ist das nicht passiert. Das Schärfste hat Hubert Winkels in „Tempo“ geschrieben, ungefähr so: „Wir können sie zwar nicht leiden, und sie ist Else Stratmann, aber, alle Achtung: Schreiben kann sie!“ Ich habe mich da immer gut und richtig behandelt und sehr prominent beachtet gefühlt. Ich habe das auch nie ausgenutzt, habe nie in meinen Sendungen mit meiner eigenen Literatur herumhantiert.
Für die Frauenzeitschrift „Brigitte“ haben Sie eine Buchedition herausgegeben. Lesen Frauen anders?
Ich finde – ja! Das hat mich Ruth Klüger gelehrt, die einen Essay mit genau diesem Titel geschrieben hat: „Frauen lesen anders“. Frauen schreiben nicht nur anders, sie suchen andere Dinge in Büchern. Frauen sind grundsätzlich mehr an Fiktion interessiert als Männer, die hauptsächlich Sachbücher spannend finden. Und: Fast alle Buchhändler sind Frauen.
Doch beim Schreiben wird es wieder überwiegend maskulin…
Stimmt, die Autoren sind in der Mehrzahl Männer, aber zu den Lesungen kommen viel mehr Frauen. Die kaufen dann ein Buch und sagen zu Hause zu ihren Männern: „Das solltest du auch mal lesen.“ Es sind die Frauen, die die Kinder und die Männer an die Literatur heranführen. Sie haben einen Bedarf nach Gedichten, nach Geschichten, nach Welterklärungen, nach Menschen - mehr als Männer, die lieber mit Sachwissen beschäftigt sind.
Haben Frauen mehr emotionale Intelligenz?
Auf jeden Fall entwickeln sie durch intensives Lesen mehr emotionale Kompetenz als Männer, die immer nur Sachbücher darüber lesen, wie man ein Auto zusammenschraubt oder die Karriere vervollkommnet.
Viele junge Leute lesen heute keine Bücher mehr – sie sind in Chats und Blogs im Internet unterwegs. Auch junge Schriftsteller. Normal oder fatal?
Das ist hochgefährlich. Wer nicht liest, kann auch nicht schreiben. Ich merke sofort bei der Lektüre eines Buches, ob der Autor literarische Erfahrungen hat oder nicht. Die können dann keine Sätze bilden, die haben keine Ironie, die können nicht ein Kapitel so aufbauen, dass man am Ende eine Motiv wieder findet. Die klotzen alles mögliche hin, Literatur ist das nicht.
Und was halten Sie von Blogs? Können sie die Empathieleistungen des literarischen Lesens ersetzen?
Nein. Da heißt es doch immer: „Ich, ich, ich! Ich erzähle von mir, und ich rechne damit, dass jeder andere das liest, sehr her, ich entblöße mein Inneres so wie in den Nachmittagstalkshows“. Ich glaube, dass die stille Konfrontation zwischen einem Menschen und einem Buch wichtiger ist, als immer nur von sich zu erzählen.
Was war Ihr wichtigstes Lektüreerlebnis in der Kindheit?
Dr. Dolittle und seine Tiere“ von Hugh Lofting, da habe ich gelernt, Tiere und Lebewesen zu achten, und dass Tiere eine Sprache haben, dass sie uns etwas sagen können. Mein ganzes Leben war ich immer von Tieren umgeben. Ich liebe Tiere und hatte meinen größten Erfolg mit „Nero Corleone“, einem Tierbuch.
Und später?
Als junges Mädchen, mit 14, 15, las ich von Carson McCullers „Das Herz ist ein einsamer Jäger“. Es ist ein Buch, das mich immer begleitet hat, ich habe es in verschiedenen Lebensphasen wieder gelesen. Und jedes Mal anders - jedes Mal habe ich eine andere Hauptfigur gesehen. Als ich ganz jung war, war es Mick, das Mädchen aus einfachen Verhältnissen wie ich, das sich unter die Fenster reicher Leuten setzt, um irgendetwas Schönes aus dem Radio zu hören. Als ich älter wurde, war es Blount, der Kämpfer für die Freiheit der Arbeiter – ich kam ja aus einer Arbeiterfamilie – und noch später wieder andere Figuren.
Waren das Projektionsflächen?
Schon. Je nachdem, wie ich mich in meinem politischen und persönlichen Werdegang weiterentwickelte, habe ich das Buch jedes Mal anders wahrgenommen. Und gesehen: Literatur kann das Leben verändern und kann einem die Welt erklären, die man nicht versteht.
Das ist eine eher schwermütige Geschichte über Außenseiter – sehen Sie sich heute als Außenseiterin?
Ja und nein. Ich bin ja sozusagen mitten drin im Getümmel, und dann doch wieder mit meinen Büchern ganz bei mir. Sagen wir so: Ich halte mich vom öffentlichen Betrieb weitgehend fern. Wenn das Außenseitertum ist, dann ja.
Werden Bücher, die man oft liest, zu einer Art biografischem Spiegel?
Ja, ganz stark geht mir das so mit Christa Wolfs „Kein Ort, nirgends“. Das ist eine fiktive Begegnung zwischen Karoline von Günderrode und Heinrich von Kleist. Die haben sich ja beide umgebracht, die Günderrode mit 26, Kleist mit 34. Zwei Künstler, denen nicht zu helfen war, weil sie nicht in einer Gesellschaft leben konnten, die sie nicht anerkannte. Das beschäftigt und bewegt und berührt mich immer wieder sehr, und das lese ich immer wieder - wenn ich mal verzweifelt bin, tröstet’s mich.
Zwei suizidal gefährdete Zweifler als Trostspender, wie geht das?
An einer Stelle sieht Kleist die Günderrode an und denkt: „Wäre das die Frau, die man lieben könnte, ohne Angst zu haben?“ Sie sieht ihm an, was er denkt, und sagt: „Ach, Kleist, die Berührung, nach der uns so unendlich verlangt, die gibt es doch gar nicht.“ Solch ein Satz begeleitet mich auch durch mein Leben, das tröstet mich. Wenn ich verwirrt bin oder nicht weiß, wo es lang geht, zeigen mir die Bücher den Weg. Und vielleicht ist das der Impetus meiner Sendung: Ich will kein Bildungsgetue, ich will einfach in diesem Achtzigtausend-Neuererscheinungs-Urwald pro Jahr den Leuten sagen: Hier geht’s lang, ich kann euch helfen.
Gibt es ein aktuelles Buch, das Sie uns ans Herz legen möchten?
Das eine nicht. Man sucht und findet immer geradezu seismographisch die Bücher, die man gerade braucht. Wenn ich frisch verliebt bin, entdecke ich andere Bücher, als wenn ich im Krankenhaus liege. Und bin dann glücklich zu erfahren, dass ich beispielsweise nicht die Einzige bin, die in Liebesdingen macnhmal nicht klarkommt – es geht auch anderen so, das lehren mich die Bücher. Bücher haben ihre Zeit, auch in unserem Leben. Ich sage ja immer: Proust mit vierzehn ist falsch, und die Häschenschule mit vierzig ist auch falsch.
Dann lassen Sie uns einen indiskreten Blick in Ihr Leben werfen: Was lesen Sie gerade?
Einen sehr schönen, kleinen Roman über Maurice Ravel, von Jean Echenoz. Musik ist derzeit mein Hauptthema, weil ich viel mit Oper und Musik zu tun habe. Unter anderem habe ich gerade ein Libretto für eine große Oper geschrieben, und ein junger Komponist sitzt jetzt dran und vertont das. Musik ist meine größte Liebe, Literatur meine zweitgrößte.
Sie moderieren, schreiben Kolumnen, Erzählungen, Libretti, sprechen Hörbücher. Was kommt als nächstes? Sind Sie auf dem Weg zum multipel begabten Renaissancemenschen?
Nein, längst nicht, mir fehlt so viel an Bildung, ich habe mit allem viel zu spät angefangen, vor allem mit der Musik. Und in den Naturwissenschaften kenne ich mich gar nicht aus. Sagen wir es so: Ich bin ein Mensch mit Interessen und Leidenschaften, die sich immer mehr entwickeln.
Dann dürfen wir doch auf weitere Überraschungen hoffen?
Ich verspreche Ihnen hiermit, niemals öffentlich Klavier zu spielen.
Das Gespräch führte Christine Eichel

http://www.cicero.de/salon/nie-wieder-ekelhafte-altm%C3%A4nnerliteratur/37976

Literatur-Streit: "Grass langweilt mich, Walser stößt mich ab"
Der Streit zwischen ZDF-Moderatorin Elke Heidenreich und den Schriftstellern Günter Grass und Martin Walser spitzt sich zu.
Der Streit zwischen ZDF-Moderatorin Elke Heidenreich ("Lesen!") und den Schriftstellern Günter Grass und Martin Walser spitzt sich zu. Heidenreich wies jetzt den Vorwurf der beiden Altmeister der Literatur zurück, sie kritisiere deren Werke, ohne sie gelesen zu haben. Der Illustrierten "Bunte" sagte Heidenreich laut einem Vorabbericht vom Mittwoch: "Meine Meinung ist in der Tat, dass mich Grass seit einigen Jahren langweilt und Walser geradezu abstößt." Natürlich lese sie deren Bücher, lege sie aber "dann irgendwann auch ziemlich rat- und fassungslos beiseite".
Bereits im April hatte die Schriftstellerin die Bücher von Grass und Walser als "ekelhafte Altmännerliteratur" kritisiert. In dem Magazin "Cicero" sprach Heidenreich von "eitlen, alten Männern, die den Mund nicht halten können". Grass und Walser hätten seit Jahren "nichts Gutes geschrieben". Ihre Art der Literatur "von oben" erreiche sie zudem nicht.
Die beiden Beschuldigten wehrten sich daraufhin und argumentierten in der "Zeit", Heidenreich hätte ihre Bücher gar nicht gelesen. (mit ddp)

http://www.zeit.de/news/artikel/2007/06/20/2325173.xml

Julia Voß (faz)

FAZ.NET-Fernsehkritik Die Heulsusen-Runde

Zu dem Männerclub in Heiligendamm sollten gestern bei Maischberger acht Frauen einen weiblichen Gegengipfel bilden. Eigentlich fing es auch ganz lustig an. Aber bei der Weltregierung der Frauen blieb an diesem Abend die Welt erstaunlich klein. Eine Fernsehkritik von Julia Voss.
„Weltregierung der Frauen”
In der 61. Minute kam endlich der Satz von Hildegard Hamm-Brücher: „Wir reden hier die ganze Zeit nur über unsere Probleme. Es gibt Abermillionen von Frauen in dieser Welt, die weit entfernt von jeder Form der Gleichberechtigung sind.“ Eine Stunde lang war da bereits gestern im Ersten die Talkrunde von Sandra Maischberger wie Brei auseinandergeflossen, eine unförmige Gesprächsmasse, in der die immergleichen Diskussionsbrocken herumschwappten.
Beispiel Mascha Kritchevskaia, Moderatorin beim russischsprachigen Berliner Radiosender „Radio Russkij Berlin“. Frage Maischberger: „Sie sagen von sich, Sie seien nicht emanzipiert. Warum nicht?“ Antwort Kritcheskaia: „Ich mag, wenn man mir in den Mantel hilft. Ich bin sehr selbständig. Aber ich bleibe eine Frau.“ Um an dieser Stelle vielleicht einmal klar zu stellen, wie die Realität aussieht: In den Mantel wird auch jetzt den meisten Frauen nicht geholfen. Mehr Gleichstellung bekommen sie dafür aber nicht. Und in vielen Ländern, um die es sinnvoller Weise hätte gehen können, ist es ohnehin zu heiß für einen Mantel.
Für den gestrigen Abend war es allerdings bezeichnend, wenig über den Tellerrand zu schauen. „Weltregierung der Frauen“ hieß die Talkrunde und Thema war die Frage, was wäre, wenn mehr Frauen regieren würden. Eigentlich fing es auch ganz lustig an. Zu Beginn der Sendung hielt Sandra Maischberger die Staatschefs, die sich ab heute beim G8-Gipfel in Heiligendamm treffen, als Pappbilder hoch. Das Ergebnis war eindeutig: 7:1. Unter acht Staatschefs gibt es nur eine einzige Frau: Kanzlerin Angela Merkel. Das Erste hatte deshalb aus den acht Teilnehmerstaaten jeweils eine Frau eingeladen, darunter die italienische Verlegerin Inge Feltrinelli, die Journalistin der englischen Tageszeitung „Guardian“ Hella Pick oder die amerikanische Publizistin Melinda Crane.
Kluge Frauen
Zu dem Männerclub in Heiligendamm sollten die acht Frauen einen weiblichen Gegengipfel bilden. Statt aber über Klimaschutz, Afrikapolitik und Globalisierung zu diskutieren, ging es um Frauen und Karriere - um Krippenplätze in Frankreich, das Mutterbild in Deutschland oder die Vereinbarkeit von Beruf und Karriere im internationalen Vergleich. Statt um internationale Außenpolitik war also nationale Innenpolitik Thema. Langweilig muss das nicht sein und bei Maischberger saßen unbestritten kluge Frauen. Nur: Nach wenigen Minuten rastete damit das Gespräch bei den üblichen deutschen Talkshowthemen des letzten Jahres ein. Mit Heiligendamm hatte das nichts zu tun.
Wie Politik Frauen in Afrika erreichen kann, die Globalisierung oft am härtesten trifft, wurde zum Beispiel nicht angesprochen. Auch nicht, dass bei Naturkatastrophen, wie sie der Klimawandel bringen könnte, mehr Frauen sterben als Männer: Bei Erdbeben werden die im Haus arbeitenden Frauen verschüttet, bei Überschwemmungen helfen die Rettungskräfte häufig zuerst den Männern. Was also vielleicht tatsächlich Themen wären, würden sich in Heiligendamm weibliche Regierungsschefs treffen, kam auch bei Maischberger nicht zur Sprache.
Irgendwann gegen Ende der Sendung erwähnte Maischberger kurz, dass die Weltbank, um Armut und Krankheit zu verringern, vor allem die Bildung von Mädchen verbessern wolle. Eingegangen wurde darauf nicht. Hildegard Hamm-Brücher murmelte „Wehwehchen“. Statt Kinder und Karriere zu debattieren, hätte sie sich wohl mehr Außenpolitik gewünscht. Wir auch. Aber bei der Weltregierung der Frauen blieb an diesem Abend die Welt erstaunlich klein.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/faz-net-fernsehkritik-die-heulsusen-runde-1437410.html

Susanne Schulz Journalistin und Deutschlehrerin in Schweden

Von Susanne Schulz, Stockholm
Den Norwegern geht es nicht schnell genug mit der Gleichstellung von Mann und Frau. Jetzt erzwingt die Regierung per Gesetz eine 40-prozentige Frauenquote in den Aufsichtsräten. Unternehmen, die bis zum 1. Januar 2008 noch zu männlich sind, droht eine drakonische Bestrafung.

Stockholm - Das Projekt "Female Future" des Norwegischen Unternehmerverbands NHO hat sich zur echten Kaderschmiede entwickelt. Bilanzen lesen und Aktienrecht stehen hier auf dem Lehrplan – und wie man sich in der rauen Männerwelt durchsetzt. Denn die Kursbesucher sind ausschließlich Frauen, die sich auf ihre neue Rolle als Aufsichtsrätin vorbereiten. 500 Frauen hat der Verband bereits ausgebildet, rund die Hälfte davon hat einen Vertrag in der Tasche. Doch auch die übrigen Absolventinnen müssen sich keine Sorgen machen.

Denn als erstes Land der Welt hat Norwegen eine verbindliche Frauenquote für Aufsichtsräte eingeführt. Anfang 2006 machten die staatlichen Unternehmen den Anfang, doch das genügte dem damaligen Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen nicht. Der Konservative peitschte 2006 ein Gesetz durchs Parlament, das auch die Privatunternehmen zwingt, 40 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen zu besetzen.
Das Parlament gewährte den etwa 500 betroffenen Unternehmen aber eine Gnadenfrist. Zwei Jahre hatten sie Zeit, um ihre Aufsichtsräte mit mindestens 40 Prozent Frauen zu besetzen. Nun läuft die Frist ab, in knapp zwei Monaten wird es ernst.
Das kann man getrost wörtlich nehmen, denn die Sanktionen, die denjenigen drohen, die das Gesetz ignorieren, sind drakonisch. "Das Gesetz verlangt eine Zwangsauflösung der Unternehmen, die sich nicht daran halten", sagt Tom Hugo-Sørensen vom norwegischen Wirtschaftsministerium.
Ölindustrie und Finanzsektor betroffen
Wer sich nicht fügt, muss also damit rechnen, dass sein Unternehmen zwangsaufgelöst wird. Von der Abmahnung an bleiben den betreffenden Firmen allenfalls noch zwei Monate, dann wird die Sache dem Tingrett, dem zuständigen Gerichtshof, übergeben. "Der Vorgang ist aber nichts Besonderes", sagt Tone Ofstad vom norwegischen Justizministerium. Die Auflösung sei auch Folge anderer Gesetzesmissachtungen. Bei börsennotierten Unternehmen sei die Liquidierung ihres Wissens nach bislang allerdings noch nicht vorgekommen. "Ich glaube auch nicht, dass es jetzt so weit kommen wird", sagt sie.
Von dem Quotengesetz sind vor allem Unternehmen der Ölindustrie und aus dem Finanzsektor betroffen. Beispiel Det Norske Oljeselskap (DNO). Bis vor kurzem galt die Ölfirma, eine der größten Norwegens, als reine Männergesellschaft. Vor kurzem schließlich berief der Vorstand eigens eine außerordentliche Hauptversammlung ein, um die Erweiterung des Aufsichtsrats um zwei Frauen absegnen zu lassen.
Es gibt allerdings laut des Osloer Center for Corporate Diversity (CCD) noch insgesamt acht börsennotierte Gesellschaften, in denen die Männer ihre Entmachtung noch hinausschieben. Zu ihnen gehört der Förderplattformbetreiber Ocean Rig. "Es ist noch nichts geplant", sagt Finanzvorstand Anders Kvam. Man wolle jedoch noch vor dem 1. Januar dafür sorgen, dass dem Gesetz Genüge getan werde. Wie, wollte er nicht sagen.
Unternehmer unzufrieden
Denkbar wäre ein juristischer Winkelzug: die Umwandlung des Unternehmens in eine AS, der einfachen "aksjeselskap". Das Gesetz gilt nämlich nur für börsenfähige Aktiengesellschaften, die das Kürzel "ASA" im Namen tragen und am ehesten mit der deutschen AG vergleichbar sind. "Das ist ein Hintertürchen für Unternehmen, die nicht an der Börse notiert sind", erklärt Marit Hoel, Leiterin des CCD.
Theoretisch wäre dieser Ausweg für ungefähr 300 der 500 ASA-Unternehmen gangbar, da sie nicht an der Börse notiert sind. Es sind allerdings nur noch rund 70 von ihnen übrig, die keine Frau im Aufsichtsrat sitzen haben. Eine weitere Möglichkeit wäre der "Ausnahmeparagraf" des Gesetzes, so Hoel weiter. "Wenn ein Unternehmen nachweisen kann, dass es gegen substanzielles öffentliches Interesse spräche, wenn es dem Gesetz Folge leisten würde, dann kann die Regierung eine Ausnahme machen."
Insgesamt sind Norwegens Unternehmer eher unzufrieden mit der rabiaten Entmachtung durch die Politik. Interessanterweise bezieht auch der NHO, der das "Female Projekt" angestoßen hat, eindeutig Position: "Wir sind gegen dieses Gesetz." Man sei eher für eine freiwillige Lösung, erklärt Kari Mæland vom NHO.
Statistik belegt: Ohne Zwang geht's nicht
Dass jedoch allein die Debatte um das Gesetz die Verhältnisse in den Unternehmen bereits drastisch verändert hat, räumt auch der NHO ein. In Norwegen habe sich eine ganz neue Familienorientierung etabliert, räumt Mæland ein. Es sei inzwischen normal, dass Männer und Frauen, die Kinder haben, ihren Arbeitsplatz spätestens um 17 Uhr verließen, um diese vom Hort abzuholen. Notwendige Arbeiten würden spätabends nachgeholt
Die Statistiken des CCD liefern jedoch den Beleg dafür, dass es nur mit Zwang geht. Allein zwischen März und November des Jahres stieg der Frauenanteil in den Aufsichtsräten von 24 auf 33 Prozent. Bis Mitte 2005 hatte es die Regierung dagegen bei Appellen belassen. Doch nur etwa 13 Prozent der Unternehmen erfüllten bis dahin die Auflage. Unter Zwang waren es dafür im Juni 2007 schon 55 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland sind nach einer Erhebung des DIW gerade einmal 7,5 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder Frauen.
Einen anderen Grund für das Gleichstellungsgesetz als die gerechte Machtbeteiligung von Mann und Frau gibt es laut Gleichstellungsministerium nicht. Ob Frauen in Führungsetagen für eine höhere wirtschaftliche Effizienz sorgen, ist den Skandinaviern letzen Endes egal. Oder besser: Diese Frage stellt sich für die Norweger überhaupt nicht. Es wird fast schon als unschicklich angesehen, danach zu fragen, wer eventuell kompetenter sei. "Es geht um Demokratie", erklärt Siri Wolland vom norwegischen Gleichstellungsministerium. "Wir wollen die Ressourcen unserer gesamten Bevölkerung nutzen, und nicht nur der Hälfte."
Dem Charme dieses großen gesellschaftlichen Gleichberechtigungskonsenses in Norwegen kann sich selbst der NHO nicht entziehen. Und so kann es nur in Norwegen geschehen, dass eine Vertreterin eines Unternehmerverbandes sagt: "Letzten Endes ist ja nicht wichtig, wie die Frauen in die Führungsposition gekommen sind, sondern was sie dort leisten."

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,521289,00.html

Germaine Greer Australia

"Penetration hat wenig mit Liebe zu tun und noch weniger mit Wertschätzung. Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wurden mehr Frauen tiefer und häufiger penetriert als in irgendeiner Epoche zuvor. Das Ergebnis in Großbritannien ist ein epidemisches Auftreten von Chlamydien, Genitalwarzen und Herpes, insbesondere bei Frauen zwischen 16 und 19, sowie eine Schwangerschaftsrate bei Teenagern, die nur von den USA übertroffen wird."

Germaine Greer
australische Autorin und Schriftstellerin

http://diestandard.at/3090466?sap=2&_slideNumber=2&_seite=

Beate Koma (Brigitte)

Erziehungscamp für prügelnde Ehemänner
Jede vierte Deutsche wurde schon mal von ihrem Mann schwer misshandelt, Hunderte von Frauen sterben jedes Jahr an den Folgen häuslicher Gewalt. Doch in den Talkshows diskutieren Politiker lieber über kriminelle Jugendliche als über prügelnde Ehemänner. Warum eigentlich?, fragt sich BRIGITTE-Redakteurin Beate Koma.
*Hinweis zur Bilderstrecke: Die Fotos stammen aus der Ausstellung "Opfer". Sie entstand in einer Zusammenarbeit des WEISSEN RINGS (der sich um die Opfer von Kriminalität und Gewalt kümmert) mit dem Studiengang "Visuelle Kommunikation" der Bauhaus-Universität Weimar. Die Ausstellung konfrontiert die Besucher mit dem (nachgestellten) Leid der Opfer, um auf die alltäglich stattfindende Kriminalität und das Thema "Häusliche Gewalt" aufmerksam zu machen. Die Bilder sollen aufrütteln und zum Teil auch provozieren. Einige der Exponate arbeiten mit Kontrast: Vordergründig zeigen sie eine heile Welt - dahinter tun sich Abgründe auf.
Ludger W., ein 60-jähriger Versicherungsmakler aus Münster, erwürgt im November 2007 seine 26-jährige brasilianische Ehefrau. Der erfolgreiche Geschäftsmann ist eifersüchtig, weil seine Frau einen jüngeren Mann kennen gelernt hat und ihn verlassen will. Im Dezember 2007 erschießt ein 47-jähriger deutscher Polizist seine Ex-Frau, ihren neuen Freund und anschließend sich selbst. Im Januar 2008 steht ein 33-jähriger aus Kreuzwertheim vor Gericht, der seine trennungswillige Ehefrau in der Badewanne erwürgte. Anschließend warf einen Fön ins Wasser, um einen Selbstmord der Frau vorzutäuschen.
Die Orte, die Methoden, Alter und sozialer Status der Beteiligten unterscheiden sich. Die Gemeinsamkeiten sind: Die Täter sind in erster Linie Männer. Die Opfer Frauen. Zwischen 200 und 250 Frauen werden in Deutschland jedes Jahr durch Ehemänner, Partner oder Freunde getötet, schätzt Jens Hoffmann, Kriminalpsychologe vom Institut für Psychologie und Sicherheit in Darmstadt anhand der amtlichen Kriminalstatistik. Im Vergleich dazu ist die Zahl jener Frauen, die von einem völlig fremden Täter im Park umgebracht werden, verschwindend gering.
Zehntausende, wenn nicht gar hunderttausende Frauen werden zudem jedes Jahr von ihren Partnern geschlagen, gewürgt, mit Gegenständen attackiert. Genaue Zahlen fehlen. Anhaltspunkte liefert eine im Jahr 2004 veröffentlichte repräsentative Studie des Bundesfamilienministeriums: Jede vierte befragte Frau gab an, sie sei bereits einmal von ihrem Partner schwer misshandelt worden. "Der gefährlichste Ort für Frauen ist ihr Zuhause", behaupten Experten, die sich mit dem Thema Partnergewalt beschäftigen. Und sie sagen auch: "Eine Trennung ist immer ein Risiko für die Frau." Für viele Männer ist es offenbar schwer auszuhalten, dass die Frau eigene Wege gehen will. Oder sich einem anderen Ma

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Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus


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