Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

233.682 Postings in 30.704 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

Liste Lila Pudel 71-80 (Projekte)

Oberkellner, Sunday, 24.06.2012, 20:04 (vor 4296 Tagen) @ Oberkellner

LP 71 Christian Kortmann, Journalist und freier Sachbuchautor, geboren 1974 in Köln, studierte Kulturwissenschaften, schrieb für die Tageszeitung, die ZEIT, Süddeutsche Zeitung und den Zürcher Tages-Anzeiger

http://www.sueddeutsche.de/,tt5m1/kultur/260/457916/text/

Zur tagtäglichen Verarsche und Abwertung von Männern in der Werbung fallen einem gewissen Christian Kortman in der SZ so weise und verständnisvolle Sätze ein wie "..Die Frauen haben historisch gesehen also einiges gut, unter anderem das Recht, die Männer satirisch härter anzugreifen als umgekehrt."

LP 72 Michael Spindelegger (Aut), geboren 1959 in Mödling (Aut), politisch der ÖVP zugehörig, Aussenminister und Vizekanzler Österreichs

"Frauen und Mädchen sind die Hauptleidtragenden in bewaffneten Konflikten, ob im Ostkongo oder Darfur. Deshalb fordert Österreich im UNO-Sicherheitsrat den Schutz der Zivilbevölkerung systematisch in alle Mandate von internationalen Friedensmissionen aufzunehmen", so der Außen-minister weiter."

Wien, 6. März 2009 – "Armut ist oft weiblich. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten ist daher der Fokus auf Gleichberechtigung enorm wichtig", so Außenminister Michael Spindelegger anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März.

Quelle: www.bmeia.gv.at/aussenministerium/aktuelles/presseaussendungen-

Wien, 5. März 2010 - "Frauen sind eine tragende Säule unserer Gesellschaft. Dennoch ist ´Gleichbehandlung´ in vielen Ländern und Regionen der Welt nach wie vor ein Fremdwort. Echte Gleichstellung zwischen Männern und Frauen ist aber Basis für Armutsminderung, sozialen Frieden und nachhaltige Entwicklung. Daher muss die Förderung der Rechte von Frauen ein integrales Ele-ment unserer Außen- und Entwicklungspolitik sein", so Außenminister Michael Spindelegger zum Internationalen Frauentag am 8. März.
Heuer jährt sich die Annahme der UNO-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit zum zehnten Mal. "Diese Resolution war ein Meilenstein in Sachen internationaler Frauenrechte und Schutz von Frauen. Sie hat sich erstmals mit der Auswirkung von bewaffneten Konflikten auf Frau-en und ihrer aktiven Rolle in allen Phasen des Friedensprozesses befasst. Damit hat diese Resolution wesentlich dazu beigetragen, das Bewusstsein für dieses Thema weltweit zu schärfen", so der Außenminister, der fortfuhr: "Trotz Fortschritten in Teilbereichen, wie der Vorbeugung und Be-kämpfung von sexueller Gewalt bleibt noch viel zu tun. Das zehnjährige Bestehen der Resolution muss uns neuen Antrieb geben, ihre Umsetzung in allen Bereichen weiter konsequent voranzutrei-ben", so Spindelegger. Ein vom Außenministerium mitorganisiertes Expertentreffen nächste Woche in New York wird dazu konkrete Impulse liefern.
Frauen sind nicht nur oft Opfer von Gewalt in bewaffneten Konflikten sondern auch von häuslicher oder traditionsbedingter Gewalt wie Genitalverstümmelung. Österreich unterstützt die weltweite Kampagne von UNO-Generalsekretärs Ban Ki-Moon zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Auf nationaler Ebene hat Österreich die Gesetzgebung zum Schutz vor häuslicher Gewalt gegen Frauen verschärft: "Gewalt gegen Frauen, darf national wie international keine Chance haben. Für die Täter darf es keine Straffreiheit geben", so Spindelegger.
"Auch in meinem Ministerium ist es mir ein Anliegen, das Potenzial der Frauen voll zu nützen und sie bestmöglich zu fördern. Mit Dezember 2009 waren rund 48 % meiner Mitarbeiter weiblich. Im letzten Jahr ist die Zahl der Abteilungsleiterinnen um fast 50% gestiegen. Auch an den Spitzen der Austrian Development Agency und des Österreich-Instituts stehen weibliche Führungskräfte. Ich unterstütze diesen Trend zu einer völligen Gleichstellung und hoffe, dass er sich weiter fortsetzt", so der Außenminister abschließend.
http://www.entwicklung.at/presse/internationaler-frauentag-2010/

LP 73 Prof. Rolf Pohl, geboren 1951 in Hannover, Soziologe und Sozialpsychologe, Professor am Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Universität Hannover
Der Privatdozent Dr.phil Rolf Pohl lehrt am Sozialpsychologischen Institut der Leibniz-Universität Hannover. Ein für das Sommer-Semester 2009 angekündigtes Seminar trägt den bezeichnenden Titel: Männlichkeit als kulturelles und psychosoziales Konstrukt.

Zu seinem Buch Feindbild Frau - Männliche Sexualität, Gewalt und die Abwehr des Weiblichen gibt der Offizin-Verlag u.a. folgende Inhaltsangaben :
Sexuelle Gewalt ist männlich. Täglich konfrontieren uns die Medien mit Berichten über "normale" sexuelle Belästigungen, Vergewaltigungen oder gar Sexualmorde. Was sind die tieferen Ursachen für dieses Verhalten? Rolf Pohl kommt zu der Erkenntnis, daß diesen Gewaltformen eine ambivalente bis feindselige Einstellung zu Frauen zugrunde liegt, die als Tendenz bei fast allen Männern nachweisbar ist. Weiblichkeit wird von Männern unbewußt als Bedrohung erlebt und deshalb abgewehrt.
[...]
Die typisch männliche Gewaltbereitschaft entspringt einer aus Lust, Angst, Neid, Wut und Hass bestimmten unbewußten Einstellung zur Weiblichkeit.
http://www.offizin-verlag.de/themes/kategorie/detail.php?artikelid=37

taz: Herr Pohl, die Frauenbewegung der Siebzigerjahre hat unsere Gesellschaft als sexistisch beschrieben. Ist sie das noch?
Rolf Pohl: Ja. Aber "Sexismus" war eine Kampfparole in einer Zeit, in der Männer ihren Herrschaftsanspruch noch ganz offen formulierten. Heute ist sexistisches Verhalten offiziell verpönt, wir haben eine rhetorische Modernisierung erlebt. Weil die Diskriminierungen subti-ler geworden sind, wirkt der Begriff nun ungenau. Ich würde auch nicht mehr sagen, wir leben in einem Patriarchat, sondern: Wir leben in einer männlich dominierten Gesellschaft mit klaren Geschlechterhierarchien.

Rolf Pohl, 57, ist Professor für Sozialpsychologie in Hannover und schrieb u. a. "Feindbild Frau. Männliche Sexualität, Gewalt und die Abwehr des Weiblichen".
Foto: Uni Hannover
Was ist der Unterschied?
Niemand sagt mehr: Eine Frau darf nicht Bundeskanzlerin oder Führungskraft werden. Aber die Eigenschaften, die etwa dem Amt von Frau Merkel zugeschrieben werden, sind einer positiven Vorstellung von dominanter Männlichkeit entliehen. Und dann ist das Geschlecht der Amtsinhaberin natürlich mediales Dauerthema. Dieser Umstand ist mit "hegemonialer Männlichkeit" besser beschrieben als mit dem Begriff Patriarchat, in dem eine Frau auf dem Posten des Kanzlers nicht akzeptabel ist.

Und woran erkennt man die Hegemonie?
Die australische Soziologin Raewyn Connell weist drei Bereiche aus: Wer dominiert in der Wirtschaft? Wer dominiert in der Politik? Und wer dominiert in den emotionalen Beziehun-gen? Wer bekommt Aufmerksamkeit, Geld oder Zuwendung, und welches Geschlecht wird eher diskriminiert? Besonders in den privaten Beziehungen gibt es eine sehr starke Ausprä-gung männlicher Vorherrschaft.

In den privaten Beziehungen? Das würden viele Paare von sich weisen.
Natürlich versuchen viele Männer, die Idee der Gleichberechtigung zu leben. Aber zum einen hat derjenige mehr Macht, der Zugang zu Geld hat. Zum anderen findet vieles unbewusst statt. Sexismus wird oft verlagert, in Witzchen etwa. Freud würde sagen: Ein offiziell tabuisiertes Thema - Frauenverachtung - taucht als Witz wieder auf. Wenn man darüber lacht, schadet man Frauen nicht direkt und gilt deshalb nicht als Sexist. Männer generieren auch Macht in ihrer Beziehung, indem sie Aufmerksamkeit verweigern, hinhalten, Aufgaben vergessen, Bedürfnisse ihrer Partnerin ignorieren.

Aber die Abgrenzung muss doch nicht zwangsläufig negativ ausfallen.
Sie tut es aber. Wenn man die Gruppe der Männer höher bewertet als die der Frauen, kann man jenseits der Hierarchiekämpfe eine Gruppenidentität herstellen. Deshalb kommt es in reinen Männerrunden manchmal zu Verbrüderungsszenen, in denen Frauen sexualisiert und als minderwertig markiert werden. Etwa beim gemeinsamen Puffbesuch: Frauen haben dort Männer zu bedienen und Männer können ihre heterosexuelle Potenz vor den anderen de-monstrieren. Diese gemeinsamen Erfahrungen zur Stabilisierung einer männlichen Grup-penidentität auf Kosten abgewerteter Frauen ist ein Beispiel für das, was nach Connell als "patriarchale Dividende" bezeichnet.

Sie sagen, die Geringschätzung präge sich früh ein. Wie tut sie das?
Unser vorherrschendes Männlichkeitskonzept lautet: Sei autonom, hab alles unter Kontrolle. Besonders in der Sexualität hat ein Mann aber weder seine Sexualfunktionen noch die Aktion oder Reaktion der Frau unter Kontrolle. Diese Diskrepanz macht in zweifacher Rich-tung Angst: Nach einer Umfrage haben 84 Prozent der deutschen Männer Angst vor Po-tenzversagen und 88 Prozent Angst vor Frauen. Und diese Angst wird häufig durch eine Kontrollfantasie kaschiert: Ich kann immer, sie will immer. Je abhängiger er sich fühlt, desto eher neigt er zur Kontrolle bis hin zur Gewalt. Und da geht es nicht um Bagatellen, solange die UNO zählt, dass weltweit jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben von Män-nern körperlich oder sexuell misshandelt wird.
Reagieren Männer deshalb so allergisch auf Feministinnen? Weil die sich der Kon-trolle entziehen?
Ja, das ist eine mögliche Abwehrstrategie zur Bestätigung einer "intakten" Männlichkeit. Feministinnen wurden und werden lächerlich gemacht. Es gibt natürlich immer Unterschiede in der Heftigkeit der Abwehr. Das Extrem war wohl der Kanadier, der Mitte der Neunziger mit einer Schnellfeuerwaffe in einen Hörsaal stürmte, alle Männer rausschickte und einen Großteil der Frauen erschoss, mit dem Ausruf: Ihr Feministinnenpack!
Der war ja wohl schwer gestört.
Aber wie kam er auf die Idee, seine Störung an vermeintlichen Feministinnen auszuleben? Auch viele Sexualstraftäter sind "gestört". Aber wo holt man sich eine ultimative Machterfah-rung, wenn die Kontrolle über das eigene Leben zu entgleiten droht? Bei der Gruppe, von der man sich mit aller Macht abgrenzen will und die vermeintlich Schuld an der eigenen Misere trägt.
Und wie soll man daran etwas ändern können?
Man muss an die Wurzeln gehen. Im Moment wird der Mythos aufrechterhalten, dass Män-ner ihre Sexualität benutzen können, wie sie wollen. Entweder als Waffe oder friedlich. Die Angst, die dem zugrunde liegt, kommt nicht zur Sprache. Über diese Angst müssen wir re-den, nicht erst über ihre Konsequenzen, die Gewalt.
Können Eltern ihre Söhne zu "Antisexisten" erziehen?
Da bin ich etwas skeptisch. Solange es gesellschaftlich verpönt ist, dass Männer ihre Hilfs-bedürftigkeit zugeben, kann sich das Gefüge nicht ändern.
Aber es gibt Väter, die Elternzeit nehmen. Trauen Sie denen nichts zu?
Das sind sehr wenige, die einen verlängerten Familienurlaub nehmen. Vor allem aber kommt es darauf an, welche Form von Männlichkeit der Vater repräsentiert. Der Vater kann nach außen wie ein "neuer Mann" wirken - aber unbewusst weiter seine Frau abwerten, etwa weil er sich als Supervater inszeniert, der alles besser kann. Dann hat er wieder das traditionelle Männlichkeitsbild vermittelt.
Wie sollen sich Männer verhalten? Alles herkömmlich "Männliche" wird doch hono-riert. Kein Wunder, dass keiner der Frauenversteher sein will.
Eines der wirksamsten Mittel gegen Vorurteile ist für meinen Lehrer Peter Brückner das Hören auf "unpassende Nachrichten". Das heißt, man darf dieses Unbehagen in den Ge-schlechterbeziehungen nicht zukleistern, sondern muss weiterfragen, was für eine Angst die Männer an diesem Punkt befällt.
Die sogenannten Alphamädchen betonen, sie wollten nicht gegen Männer, sondern mit Männern Feministinnen sein. Was halten Sie davon?
Das ist zunächst positiv. Man kann etwas über wechselseitige Wahrnehmungen herausfin-den und zusammen etwas entwickeln. Allerdings macht mich stutzig, wie diese Rede geführt wird. Wenn die geltenden Männlichkeitsideale nicht infrage gestellt werden, dann betreiben diese Frauen bloße Affirmation.
Sie halten wohl nicht viel vom neuen Feminismus?
Der "neue Feminismus" ist für mich zunächst ein medial inszeniertes Backlash-Phänomen. Junge, hübsche Gesichter werden hier zu den alten feministischen "Schlachtrössern" in Konkurrenz gesetzt. Das dient erst einmal dazu, den "alten Feminismus" abzuwerten. Aber diese Frauen analysieren die vorherrschenden Machtstrukturen nicht. Sie folgen eher dem allgemeinen Trend der Individualisierung, nach dem jeder seines Glückes Schmied ist. Das ist keine Kritik an der Geschlechterhierarchie. Ein Feminismus, der nichts verändern will, ist keiner.
Wie reagieren Männer darauf, wenn Sie sie auffordern, sich mit ihrer Angst zu be-schäftigen?
Bei meinen Vorträgen reagieren vor allem die Frauen positiv. Männer sind eher irritiert und oft peinlich berührt. Über seine Ängste nachzudenken anstatt sie als Bedrohung abzuwehren ist in der Männerrolle nicht vorgesehen.

http://www.taz.de/!31436/

Krise der Männlichkeit oder Re-Maskulinisierung der Gesell-schaft?
07. Februar 2012 17:29
White Ribbon lädt zum Vortrag über Antifeminismus und Weiblichkeitsabwehr in der neuen deutschen "Männerbewegung"
"Es gibt keine aktuelle Krise der Männlichkeit, denn in männlich dominierten Kulturen und Ge-sellschaften ist Männlichkeit grundsätzlich ein fragiles und krisenhaftes Konstrukt." Das konstatiert Rolf Pohl von der Universität Hannover, den White Ribbon Österreich zum ersten Gender Talk im Jahr 2012 eingeladen hat.
Beherrschendes und diffamierendes "Feminat"
In seinem Vortrag wird er auf die "verbreiteten Klagen über die 'Krise der Männer', die 'be-nachteiligten Jungen' und die 'entsorgten Väter' als eine rückwärtsgewandte Reaktion auf die marktradikale Verschärfung des gesellschaftlichen Krisengeländes, die immer wieder mit mi-sogynen (frauenfeindlichen) Schuldzuweisungen einhergeht", eingehen. "Eine kritische Ausei-nandersetzung mit der Überlagerung gesellschaftlicher und geschlechtlicher Ungleichheitslagen schrumpft bei vielen diskursbestimmenden Ansätzen auf das manichäistische, die Welt der Geschlechterbeziehungen in 'gut' und 'böse' unterteilende Bild eines die Männer beherrschenden und diffamierenden 'Feminats' zusammen."
Re-Maskulinisierung der Gesellschaft
Vor diesem Hintergrund könne die daran entzündete, selbsternannte" Männerbewegung" laut Pohl als Backlash, als antifeminine und antifeministische Gegenbewegung im Rahmen einer allgemeinen Re-Maskulinisierung der Gesellschaft interpretiert werden.
Der Vortrag wird diese Entwicklung kritisch nachzeichnen und mit einem eigenen Ansatz zur Konstitution der von einem grundlegenden Dilemma gekennzeichneten Struktur von Männlichkeit in Gesellschaften mit männlicher Hegemonie konfrontieren. (red)
http://diestandard.at/1328507143151/Gender-Talks-Krise-der-Maennlichkeit-oder-Re-Maskulinisierung-der-Gesellschaft
Kommen wir abschließend noch einmal auf die wichtigsten Topoi der aktuellen Debatten über die Krise des Mannes zurück, dann kann die hier geführte Auseinandersetzung thesenförmig in vier Punkte zusammengefasst werden:

1. Es gibt keine zeitbedingte „Krise der Männlichkeit“, denn Männlichkeit selbst ist strukturell ein konflikthafter und konfliktsensibler Krisenzustand. D.h.: Die inzwischen inflationär und mit misogynen Schuldzuweisungen geführte Rede von der aktuellen Krise der Männlichkeit verdeckt, dass es sich bei den vorherrschenden Formen von Männlichkeit in männlich dominierten Kulturen und Gesellschaften grundsätzlich um ein fragiles und krisenhaftes Konstrukt handelt.

2. Zu den inhärenten Merkmalen dieses Konstrukts Männlichkeit gehören nach wie vor unbewusst verankerte und körperlich eingeschriebene Überlegenheitsansprüche und eine ambivalente, bis zur Feindseligkeit reichende Weiblichkeitsabwehr. Dies hat insbesondere auf dem Feld der normierten (Hetero-)Sexualität eine unlösbare Zwangslage zwischen Autonomiewunsch und Abhängigkeitsangst zur Folge, die als „Männlichkeitsdilemma“ bezeichnet werden kann und die eine der wichtigsten Quellen von sexueller und nichtsexueller Gewalt als Mittel der Wiederherstellung einer aus den Fugen geratenen „intakten“ Männlichkeit darstellt.

3. Die wichtigen Fortschritte in der Frauen-, Gleichstellungs- und Geschlechterpolitik sind Ausdruck einer bloß „rhetorischen Modernisierung“ (Wetterer 2003), solange die grundlegenden Asymmetrien in einer weiterhin geschlechterhierarchischen Gesellschaft geleugnet oder verschleiert werden. Ein männlicher Krisendiskurs, der diese Tatsache ignoriert oder essentialistisch umdeutet ist ein entkontextualisiertes, und damit scheinheiliges Gerede, mit dem „der“ Mann larmoyant zum beklagenswerten Opfer der als „feminisiert“ angeprangerten Verhältnisse stilisiert wird;

4. Die Rede von der „Krise der Männlichkeit“ ist eine rückwärtsgewandte Reaktion auf die marktradikale Verschärfung des gesellschaftlichen Krisengeländes und enthält hohe projektive Anteile. Das bedeutet: Die Krise erscheint in vielen einschlägigen Diskursen als Folge einer die Männer pauschal diffamierenden, vor allem aber die Jungen und Väter einseitig vernachlässigenden Frauenpolitik und Mädchenförderung und kann, zugespitzt, als Backlash, als antifeminine und antifeministische Gegenbewegung im Rahmen einer allgemeinen Re-Maskulinisierung der Gesellschaft interpretiert werden.

Um es abschließend noch einmal zu betonen: Die hier skizzierte Struktur und Entwicklung eines grundlegenden Männlichkeitsdilemmas ist keine anthropologische Tatsache und damit kein unausweichliches Schicksal, sondern Ausdruck der Kontinuität gesellschaftlicher, wenn auch modernisierter Geschlechterarrangements. Eine wirksame, auch für die Konstitution der männlichen Subjektivität folgenreiche Gegenstrategie müsste grundsätzlich das Ziel einer „nicht auf Abwertung [der Weiblichkeit, R.P.] beruhenden Ausbildung der männlichen Geschlechtsidentität“ verfolgen (Pech 2002, 43). Nach der Grundidee in Jessica Benjamins paradigmatischem Anerkennungs-Modell scheint eine halbwegs gelungene Befriedung des Geschlechterverhältnisses prinzipiell möglich, ohne die Spannungen des Gegengeschlechtlichen grundsätzlich aufzugeben bzw. die Differenzen insgesamt durch Dekonstruktion aufzulösen (Benjamin 1995; vgl. Schmauch 2005, 39).

http://anonym.to/?http://www.agpolpsy.de/wp-content/uploads/2010/06/pohl-krise-der-mannlichkeit-vorabdruck-2010.pdf

LP 74 Kurt Beck (SPD), geboren 1949 in Bergzabern (RP), Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz

Berlin/dpa. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hat die Einführung einer sozialen Dienstpflicht für alle jungen Männer vorgeschlagen. In der «Berliner Zeitung> (Freitag) begründete er das mit der mangelnden Wehrgerechtigkeit. Derzeit wird lediglich jeder dritte junge Mann zur Bundeswehr einberufen, auch am Zivildienst kommen viele vorbei.
«Ich selbst bin ein leidenschaftlicher Anhänger der Wehrpflicht>, sagte Beck. «Aus Gründen der Dienstgerechtigkeit sollten wir nun über einen sozialen Pflichtdienst für alle jungen Männer nachdenken.> Bedarf in der Gesellschaft gebe es genug, beispielsweise in der Behindertenbetreuung, der Pflege, aber auch im Umweltschutz. Beck machte klar, dass die soziale Dienstpflicht nur für Männer gelten solle: «Junge Frauen nehme ich aus. Sie haben später oft berufliche Nachteile, wenn sie sich für ein Kind entscheiden.(Naumburger Tageblatt, 04.10.04)

Zum 100. Weltfrauentag am 19. März haben Ministerpräsident Kurt Beck und Frauenministerin Malu Dreyer die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern als politisches Ziel bekräftigt. "Der Weltfrauentag ist eine wichtige Plattform, um öffentlich zu machen, an welche rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Grenzen Frauen noch immer stoßen“, sagte der Ministerpräsident anlässlich der Veranstaltungen zum 100. Weltfrauentag in Mainz.
Der Weltfrauentag wird in diesem Jahr zum 100. Mal gefeiert.
Dreyer stellte fest, dass der Weltfrauentag auch nach 100 Jahren nichts von seiner Bedeutung verlo-ren habe. Zwar sei vieles von dem, wofür die Frauen vor einem Jahrhundert kämpfen mussten in Europa inzwischen selbstverständlich, doch würden Frauen in wichtigen Bereichen noch immer diskriminiert. "Es bestehen weiterhin beachtliche Lohn- und Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern, die auch weitreichende Folgen für die Alterssicherung haben. In Rheinland-Pfalz verdienen Frauen durchschnittlich 21,6 Prozent weniger als Männer, im Bundesdurchschnitt sind es gar 23 Prozent Entgeltunterschied“, so die Ministerin. Gemeinsam mit dem Ministerpräsi-denten betonte sie: "Als Landespolitiker setzen wir uns nachdrücklich für die Beseitigung der Ent-geltdiskriminierung ein. Gleichstellung der Geschlechter ist eine wichtige Voraussetzung für Wachstum, Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt.“
Auch wenn die Erwerbstätigkeit von Frauen mittlerweile auf 70,2 Prozent gestiegen sei, sei das kein Indiz für gleichberechtigte berufliche Teilhabe. "Die guten Qualifikationen von Frauen spiegeln sich nicht in einer qualifizierten Berufstätigkeit wider. Denn Frauen sind mit einem Anteil von rund 70 Prozent überproportional im Niedriglohnsektor vertreten“, so Beck und Dreyer. Auch seien Frauen in Führungs- und Entscheidungspositionen von Politik, Wirtschaft und Verwaltung deutlich unterrepräsentiert. Das müsse sich ändern.
"Dazu hat die rheinland-pfälzische Landesregierung einiges auf den Weg gebracht“, so die beiden Politiker. Maßnahmen zur Förderung der Berufsorientierung von Mädchen in zukunftsorientierte Berufe wie das Ada-Lovelace-Projekt und die Unterstützung des "Girls’ Day“ gehörten ebenso dazu wie die Schaffung von Rahmenbedingungen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Neben dem Ausbau der Kinderbetreuungsangebote und der Ganztagsschulen seien vor allem die Förderung im Rahmen des Audits Beruf und Familie, die Beratungsstellen "Frau und Beruf“ und die Informationsstelle ZeitZeichen für innovative Arbeitszeitmodelle zu nennen.
Darüber hinaus setze sich die Landesregierung dafür ein, Unternehmen in Rheinland-Pfalz für frei-willige Entgeltanalysen zu gewinnen. "Entgeltanalysen bieten die Chance, speziell auf den einzelnen Betrieb zu schauen und Einkommensunterschiede auf Ungleichbehandlungen zu untersuchen“, so die beiden Politiker. Auch habe das Land mit dem Landesgleichstellungsgesetz die Gleichstellung und Frauenförderung in Rheinland-Pfalz zur gesetzlichen Aufgabe im öffentlichen Dienst gemacht, erklärten Beck und Dreyer.

http://www.rlp.de/no_cache/einzelansicht/archive/2011/march/article/gleichstellung-von-frauen-bleibt-wichtiges-ziel/

LP 75 Prof. Fritz Breithaupt, geboren 1967, lehrte Germanistik in Hamburg, Mannheim und an der FU Berlin und arbeitet nun an der Indiana University in Bloomington, USA.

Neulich bin ich beim Korrigieren der Klausuren eingenickt. In meiner REM-Phase war ich Prof im Jahr 2099. Die Studenten, so träumte ich, beamen sich per E-Projektionen in den absurdesten Formen in den Kurs. Batgirl, ein Delfin und die Hexe Lizizytin schweben im Raum, dass mir ganz schwindlig wird. Wie soll ich so unterrichten?
Jetzt sehe ich ein Touchpad vor mir. „Testmodus“, leuchtet in grünen Buchstaben darunter. Ich streiche mit dem Finger über das Feld. Die Aliasse verschwinden, und ich sehe die Studenten vor mir, schummelsicher im Original. Was sage ich? Studenten? Studentinnen.
Der ganze Raum ist voller Mädchen! Wunderbar! „Wo sind denn die Jungs geblieben?“ Frage ich. Bin ich an einer Frauen-Uni gelandet? „Du kommst wohl vom Uranus, Prof“ ruft eine Studentin zurück. „So ähnlich“ sage ich. „Die Jungs sind am Siq gescheitert“. „Siq?“ frage ich zurück. „Ist das ein Gesundheitstest?“ „Sozialintelligenzquotient. Ist Voraussetzung, um zu studieren.“
Ich wache auf, den Kopf auf dem Stapel der Essays. Sofort durchforste ich das Namensregister meiner Kurse. Puh, da gibt’s noch Männer! Doch der Trend geht in Richtung Frau. Frauen sind besser qualifiziert und bessere Teamspieler, an meiner Uni stellen sie schon 60 Prozent der Absolventen. Der Eigenbrötler Mann bleibt im Wii-Alter stecken und schafft den Sprung an die Uni des 21. Jahrhunderts nicht. Ich merke es in meinen Kursen: die Frauen hören besser zu und reagieren auf die Ideen der anderen. Die Männer stehen auf steile Thesen, halten stur an ihrer Meinung fest – und riskieren dabei intellektuelle Bauchplatscher.
Trotzdem sind wenige Profs Frauen; selbst bei ZEIT CAMPUS schreibt ein Mann die Prof-Kolumne. Was läuft schief? Dazu eine Studie: Zwei Testgruppen von Profs wurde je ein Stapel von Lebensläufen zur Bewertung vorgelegt. Beide Stapel waren gleich – mit einer Ausnahme: Die männlichen und weiblichen Vornamen waren ausgetauscht. Das Ergebenis: Die Besten und Schlechtesten wurden unabhängig vom Vornamen ähnlich bewertet. Im Mittelfeld aber wurden die vermeintlichen Männer über die Frauen gesetzt. Diskriminierung ist eine leise Praxis.
Kann diese Studie nun erklären, warum wir so wenige Professorinnen haben? Nein, denn die Besten setzen sich ja durch (lesen Sie mit, Frau Gleichstellungsbeauftragte?). Mir als Mann ist alles klar: Die Frauen sind schlicht zu schlau dazu, an der Uni zu bleiben. Ich bin gerettet. Das lernen wir Männer ja am liebsten von der Zukunft: das alles bleiben kann, wie es ist.
(Quelle: die Zeit Campus, Ausgabe 2/09)

LP 76 Wolfgang Sielaff, geboren 1943, Kriminalist, Landespolizeiinspekteur in Hamburg, Chef von Weisser-Ring-Hamburg - lbhamburg@weisser-ring.de

'...Der Weisse Ring Hamburg hat im vergangenen Jahr 1284 Opfern von Kriminalität geholfen. Die rund 80 ehrenamtlichen Helfer haben dafür 13 000 Stunden ihrer privaten Zeit aufgewendet. "Knapp drei Viertel der betreuten Kriminalitätsopfer waren Frauen oder Mädchen", sagte Wolfgang Sielaff, Vorsitzender der Opferschutzorganisation in Hamburg. "Das untermauert die bittere Erkenntnis, dass das Opfer von Gewalt in unserer Gesellschaft meistens weiblich ist." ...'
http://www.abendblatt.de/daten/2009/03/23/1095086.html

Laut Kriminalstatistik sind zwei Drittel aller Gewaltopfer männlich. In Deutschland erleiden 430 000 Männer pro Jahr bei einer registrierten Straftat Gewalt. Besonders betroffen sind Jugendliche. Einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Hannover zufolge sind 1997 etwa in der Altergruppe der 14- bis 18jährigen Jungen 3,7 mal häufiger Opfer von Gewalt geworden als Mädchen.

LP 77 Karl Grammer, geboren 1950 in Mühlacker (BW), Anthropologe, Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe, Studium der Zoologie, Anthropologie und Physik an der Universität München - leitet das Ludwig-Boltzmann-Institut für Stadtethologie in Wien –
http://www.philosophicum.com/fileadmin/webData/archiv/2009/referenten/bilder/Grammer.jpg
karl.grammer@univie.ac.at

Die gute Nachricht ist: Der Mann ist ein Auslaufmodell, seine Tage sind gezählt. >Eigentlich«, sagt Grammer, >sind Männer überflüssig. Auch für die moderne Reproduktion brauchen Sie keine Männer mehr.« Frauen sind besser in der Schule, arbeiten härter im Job, halten Schmerz besser aus als männliche Weicheier, da macht es nur Sinn, dass sie auch die Paarprobleme ganz allein lösen. Grammer guckt dabei kein bisschen traurig ob seines drohenden Schicksals"

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/28735

LP 78 Hermann Droske, Journalist der Süddeutschen Zeitung

„Die Wirtschaftskrise ist vor allem eine Krise der Männer. Im Ernst: Wäre Frauen der ganze Mist passiert?“
as Schlimmste an der Krise ist, dass sie so langweilig ist. Immer noch sieht man in den Nachrichten lauter Männer in knitterfreien Anzügen, die unbeirrt knitterfreie Textbausteine vortragen. Marktbe-reinigung, wird schon wieder, blablabla.

Vielleicht ist das ja die Botschaft, die einem beigebogen werden soll: Es wird sich nie etwas ändern. Immer werden die ganz großen Jungs mit unserem Geld spielen. Und niemand wird sie aus dem Spiel nehmen, auch wenn ihnen niemand mehr vertraut. Was die großen Jungs übrigens nicht stört. Sie sind überzeugt von sich. Selbst wenn sie gerade die Weltwirtschaft in den Abgrund gerissen haben.
Dabei könnte man sich durchaus die Frage stellen, wozu man sie überhaupt braucht. Im Boom tra-gen sie einem bloß penetrant vor, worauf man alles verzichten müsse, damit der Boom anhält (Ge-halts-erhöhungen, Sozialleistungen, Freizeit, Kündigungsschutz). Dennoch kommt der Crash, den sie nie vorhersehen, obwohl sie Wirtschaftsweise sind, und die Einzigen, die nicht unter ihm leiden müssen, sind sie, die großen Jungs mit ihren todsicheren Anlagetipps.

Während viele die Krise bei Hartz IV aussitzen müssen, bekommen sie (von uns) ein paar Milliar-den, um ihre Läden wieder flottzumachen, damit sie uns für die nächste Runde eventuell wieder einstellen, zu deutlich schlechteren Bedingungen. Falls einer von ihnen doch seinen Job verliert, macht er mit seiner Abfindung ein Weingut auf und gibt Interviews über sein Glück, gerade noch rechtzeitig im Leben die wahren Werte entdeckt zu haben.

Das würden wir auch gern, aber die wahren Werte können wir uns nicht leisten, weil die Big Player mal wieder ihr Spiel verloren haben. Wenn es sie nicht gegeben hätte, ahnen wir, säßen wir wenigs-tens immer noch in Feinripp-Unterhosen vor Märklin-Eisenbahnen, aber die haben sie uns auch genommen. Jetzt haben wir nur noch Abwrackprämien und ihre Sprüche.

Vielleicht ist genau das das Problem: Dass es sich immer nur um Männer handelt, die an den ganz großen Stellschrauben drehen dürfen. Doch das ist eine Feststellung, die ein wenig ranzig riecht, weil sie schon so oft folgenlos vorgetragen wurde. Außerdem hat man in der Krise Wichtigeres zu tun als darüber nachzudenken, ob sie einem nicht von einer sich selbst überlassenen und in sich selbst verliebten Männerkultur eingebrockt worden ist. Man ist vollauf damit beschäftigt, sich durchzuschlagen. Und verschiebt die Gender-Diskussion auf den nächsten Boom, in dem man auch keine Lust auf sie haben wird.

Und so werden auch weiterhin Männerclubs die Weltwirtschaft regieren und regulieren. Bankvor-stände, Börsenparkette, Investment-Firmen, Weltwirtschaftsgipfel: lauter so frauenfreie Zonen wie Urologen-Wartezimmer. Und wenn man sich ein paar Wochen lang die Wirtschaftsnachrichten, Schlusskursdepeschen und Leader-Interviews antut, beginnt man zu ahnen, dass die Ökonomie von genau den männlichen Deformationen in Schwung gehalten wird, die man auch sonst im Leben nur schwer ertragen kann.

Immer geht’s ums Gewinnen, ums Bessersein, ums Imponieren. Es ist eine seltsame Männerkultur, die da am Drücker ist: pompöse Bescheidwisser; Strategen, die das große Ganze im Auge haben und nie die kleinen Konsequenzen; Aufsteiger, die andere Aufsteiger übertrumpfen wollen; Spieler, die Verluste mit noch höheren Einsätzen ausgleichen wollen; Nerds, die sich exotische Instrumente ausdenken; und Gurus, die ihr Zahlengeschubse zum Zen, zum Krieg oder zu einer Kombination von beidem verklären. Doch wenn sie alle zusammen mal verlieren, weiß keiner, wie es geschehen konnte, es ist eben einfach so passiert.

Alle einschlägigen Untersuchungen liefern eine Menge Wissen darüber, wie unterschiedlich das ökonomische Handeln von Männern und Frauen ist: Männer gehen größere Risiken ein, sind un-empfänglicher für Warnsignale, aber empfänglicher für Gruppendruck, wetten bereitwilliger und denken seltener über die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nach, auch wenn sie andere betreffen als bloß sie selbst. Männer werden eher als Frauen zu pathologischen Glücksspielern, agieren auf dem Börsenparkett emotionaler und abergläubischer.

Frauen dagegen setzen ihre ökonomischen Mittel vorsichtiger ein, setzen seltener alles auf eine Kar-te, denken eher über Vorsorge nach und werden nach Fehlentscheidungen klüger (außer, es handelt sich darum, Männern zu vertrauen). Deswegen gibt Muhammad Yunus, der 2006 für die Gründung der Grameen Bank mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, seine Mikro-Kredite bereit-williger an Frauen – er weiß, dass sie eher zurückzahlen.

Dass es sich so verhält, ist immer wieder empirisch ermittelt worden; warum es sich so verhält, weiß man nicht genau, weil sich in der Wirklichkeit anders als im Labor Handlungsbedingungen nicht fein säuberlich voneinander isolieren lassen. Dass Männer beim Wirtschaften größere und mitunter die eigene Existenz gefährdende Risiken auf sich nehmen, könnte mit ihrem Hormonspiegel zu tun haben; eine Untersuchung bei Londoner Börsenhändlern ermittelte erstaunliche Zusammenhänge zwischen Testosteronpegel und Spekulations-Wagemut.

Vielleicht ist die Neurochemie dafür verantwortlich, dass Männer riskanter wetten. Vielleicht ist es, wieder einmal, das evolutionäre Erbe, das Männer und Frauen auch ökonomisch unterschiedlich handeln lässt. Schließlich bekamen in der Steinzeit die mutigeren Jäger, die die größeren Mammuts erlegten, die gesünderen, fruchtbareren Frauen, die verlässlicheren Frauen die tolleren Alpha-Tiere, und so etwas gewöhnt man sich nicht so schnell ab.

Außerdem leben wir alle in einer Kultur, in der draufgängerische Männer immer noch bewundert werden (auch von Frauen), während ihre sanfteren, biedereren Geschlechtsgenossen schnell als Weicheier gelten, vor allem bei den anderen Jungs. Das ist in dem, was man Wirtschaftsleben nennt, nicht anders als überall sonst.

Doch in Wahrheit ist es völlig egal, ob es die Gene sind oder die kulturellen Werte, die dafür sorgen, dass das Schicksal der Welt so sehr von den Entscheidungen abhängt, die in den Boys Clubs gefällt werden. Es würde schon reichen, wenn man endlich Begriffe, wie viele Probleme man sich einhandelt, wenn man sich zu sehr auf Monokulturen verlässt. Monokulturen begünstigen Gruppen-druck, fördern Kritiklosigkeit, haben selten einen Plan B, wenn Plan A nicht funktioniert. Niemand sagt mal: So kann das nicht mehr lang gut gehen. Und niemand ist da, der solchen Warnungen zu-hören würde. Bloß business as usual unter businessmen as usual.

Ob wir uns mit Lehman Sisters eine Wirtschaftskrise eingebrockt hätten, ob Frauen bessere Invest-mentbanker wären, weiß niemand – aber nur, weil es viel zu wenige gibt. Die paar Ausnahmen, die es schaffen, sich auf dem Parkett zu behaupten, müssen sich an die Spielregeln halten, die sie vor-finden. Damit die Kontrollmechanismen und Wertesysteme sich verändern können, braucht man logischerweise genügend neue Mitspieler.

Dafür könnte man jetzt endlich sorgen, rein experimentell. So wie eine Herde von Männern jahre-lang an dem Experiment teilgenommen hat, herauszufinden, was geschieht, wenn man Habenichtsen Häuser finanziert, Kredite an Leute verteilt, von denen man weiß, dass sie sie nie zurück-zahlen werden, und sich zur Absicherung Wetten ausdenkt, die so esoterisch sind, dass nicht einmal das Wettbüro sie versteht.

Wie dieses Experiment ausgegangen ist, wissen wir nun: Die Leute haben keine Häuser mehr, keine Arbeit, kein Geld und keinen Kredit. Bis auf die ganz großen Jungs, die sich das Experiment ausge-dacht haben.
Frauen in die Bank-Vorstände? Erstens: unbedingt, schon aus Gerechtigkeitsgründen. Zweitens: Wann, wenn nicht jetzt? In Island – dessen Wirtschaft gründlich von Männern ruiniert wurde – ver-suchen sie das jetzt, mit Birna Einarsdóttir und Elin Sigfusdóttir, die das Kommando bei der Lands-banki and der Glitnir-Bank übernommen haben. Und Halla Tómasdóttir und Kristin Pétursdóttir haben den Investment-Fonds >Audur Capital« gegründet, der weibliche Werte und rentables Wirt-schaften zusammenbringen will.

Tómasdóttir, die früher eine leitende Position in der isländischen Handelskammer hatte, sagt: >Wir haben fünf weibliche Grundwerte. Erstens Risikobewusstsein: Wir werden in nichts investieren, was wir nicht verstehen. Zweitens wollen wir Kapital nur investieren, wenn nicht nur wirtschaftlicher Gewinn dabei herauskommt, sondern auch positive gesellschaftliche und ökologische Effekte. Drittens entscheiden wir auch emotional: Wir investieren nur in Unternehmen, deren Betriebskultur uns behagt. Viertens: Wir wollen Klartext reden, weil wir davon überzeugt sind, dass die Wirtschaft eine verständliche Sprache sprechen sollte. Und fünftens wollen wir dazu beitragen, dass Frauen wirtschaftlich unabhängiger werden, weil es durch wirtschaftliche Unabhängigkeit leichter ist, so werden zu können, wie man sein will.«

Klingt nach einem Unternehmen, in das man gern einsteigen würde. Ob es Erfolg hat, muss sich erst noch herausstellen. Falls nicht, würden wir es auch verkraften. Weil sich Frauen bekanntlich dafür entschuldigen, wenn sie Mist bauen. Auch das nämlich sind uns die Lenker und Denker des Wirtschaftslebens bisher schuldig geblieben.

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/28502/1/1/

LP 79 Jan-Rüdiger Vogler, geboren 1963, Studium der Publizistik und Kommunikati-onswissenschaft, betreibt eine psychologische Praxis in Hamburg, lebt in Schleswig-Holstein, freier Journalist und Kommunikationstrainer in Hamburg, dort betreibt er das Unternehmen Rol-lenwexel – vogler@rollenwexel.de jr@voglers.de - http://www.taz.de/uploads/images/132x132/25184707.jpg

Auf dem Weg zum Punkt hatte ich kurz meine Eier verloren“, offenbarte Bastian Schweinsteiger. Er beschrieb damit seinen Gefühlszustand, als er im Champions-League-Halbfinale zum entschei-denden Elfmeter gegen Real Madrid antrat. „Aber ich habe sie rechtzeitig wiedergefunden“, erklärte er die konsequente Ausführung des Strafstoßes.
Scheinbar ein typischer Machospruch, wie er im Männerfußball gepflegt wird seitdem Extorwart Oliver Kahn nach einer Pleite „Eier, wir brauchen Eier!“ forderte. Doch Schweinsteigers Äußerung transportiert ein anderes Männlichkeitsbild als das seines ehemaligen Mitspielers. Der 27-jährige zeigt damit, wo es mit dem Mann hierzulande hingehen kann.
Denn wie der Nationalkicker scheint auch der deutsche Mann auf dem Weg in die Neuzeit seine Eier verloren zu haben. Er fühlt sich als Opfer gesellschaftlicher Veränderungen. So legen es diverse publizistische Erzeugnisse nahe, die eine Art Männerbashing beklagen. „Das entehrte Ge-schlecht“ nennt zum Beispiel der Buchautor Ralf Bönt sein „notwendiges Manifest für den Mann“.

ist freier Journalist und Kommunikationstrainer in Hamburg sowie Mitautor von „Eier zeigen! – Männliche Stärken in der Partnerschaft“, erschienen im 35°-Verlag.
Und Christoph Kucklick erklärt in der Zeit und im Spiegel, wie der Mann zum „verteufelten Ge-schlecht“ wurde. Beide haben Phänomene ausgemacht, die dem Gleichberechtigungsstreben von Frau und Mann zuwiderlaufen. Zudem beklagen sie einen beständigen Angriff auf die männliche Würde.
Damit haben sie durchaus recht. Seit über zehn Jahren wird auf die geringere Lebenserwartung von Männern hingewiesen, auf die Schwierigkeiten von Jungen in einer weiblich geprägten Pädagogik und andere soziale Ungleichgewichtungen. Jedoch: Der Befund ist nicht neu und Therapieversuche waren zaghaft. Zudem ist „der Mann“ nicht Opfer der Gesellschaft. Er dominiert sie nach wie vor – vor allem wirtschaftlich. Dennoch sollte ernst genommen werden, dass sich Männer in ihrer Ge-schlechterrolle zunehmend unwohl fühlen. Denn es ist für den Zusammenhalt einer Gesellschaft bedenklich, wenn sich ein wesentlicher Teil seelisch demontiert fühlt.
Das Problem: Statistiken stellen Missverhältnisse als Größen dar. Das Beklagen lenkt den Blick auf Ungerechtigkeiten. Doch zu einer Lösung des empfundenen Unrechts führt beides nicht. Wie lässt sich also etwas ändern?
Unter anderem durch Symbole. Es ist leichter, neue Wege zu gehen, wenn es ein starkes Leitbild gibt. Für Männer war und ist dieses die „phallische Symbolik“. Ein nach außen gewandtes, auf Kraft, Härte und Aktionismus setzendes Leitbild. „Schneller, höher, weiter!“, heißt dessen Antrei-ber. Doch diese Symbolik ist mittlerweile stark demoliert. Sie wirkt – zumindest in der Mittelschicht – affektiert und lächerlich.
Für Männer ist das ein harter Schlag, denn sie haben damit einen Kodex verloren, der Männlichkeit im sozialen Zusammenhang definiert hat. Ihr „bestes Stück“, seit ewigen Zeiten als Lust- und Kraft-spender gefeiert, klar zu erkennen und greifbar, ist zu einem lächerlichen Anhängsel degradiert oder wird gar als Waffe zur Unterdrückung der Frau diffamiert. Der seelische Knacks dröhnt den be-troffenen Männern wie ein ständig wiederkehrender Tinnitus im Kopf.
Die Alternative heißt: „Eier zeigen!“ Nicht als Machogehabe, sondern als selbstbewusste Männ-lichkeit, die auf das setzt, was vorhanden ist. Die substanzielle Kraft eines Mannes liegt symbolisch in seinem Inneren. Sie ist unabhängig von seinen Erfolgen, seinen Taten, seinen sexuellen Präferen-zen und seinem Äußeren.
In den Eiern respektive den Hoden sind (Zeugungs-)Kraft und Verletzlichkeit gleichermaßen be-heimatet. Männlichkeit muss nicht durch Aktionismus ständig neu bewiesen werden. Sie ist biolo-gisch auch ohne Heldentaten vorhanden.
Diesem Leitbild zufolge ist das Mannsein nicht von blauen Pillen abhängig. Der Mann ist auch ohne Erektion ein Mann. Wenn es ihm gelingt, sich so zu akzeptieren, wie er ist, wird er männlicher sein als der Geschlechtsgenosse, der sich an Männlichkeitsidealen abarbeitet oder wegen seines fragilen Männlichkeitsbilds in Depressionen verfällt. Vor allem aber: Die Hoden müssen geschützt werden. Sie sind wertvoll. Sie sind die Kronjuwelen eines Mannes. Damit hat er etwas zu verlieren – und mit Stolz zu verteidigen.
„Eier zeigen“ ist keine maskuline Kampfansage an Frauen, sondern an die Beliebigkeit und die Be-quemlichkeit. Es symbolisiert die Fähigkeit, zu sich zu stehen und für etwas einzustehen. Dazu ge-hört auch der Mut, Dinge einzufordern oder für sie zu werben. Beispiel Karrierefreiheit: Noch im-mer verdienen Männer im Durchschnitt gut 20 Prozent mehr als Frauen. Dieses finanzielle Überge-wicht sichert ihnen eine starke gesellschaftliche Stellung, ist aber gleichzeitig auch ein Zwang. Wer, wie vom Autor Ralf Bönt gefordert, das Recht haben will, nicht zwangsweise der Ernährer einer Familie sein zu müssen, kommt nicht drum herum, „Eier zu zeigen“.
Beispiel Erziehungsarbeit: Trotz „Männer in Kitas“-Kampagnen, Elterngeld und ähnlichen Aktionen werden Väter nur dann ihren Kindern ähnlich nahe sein wie die Mütter, wenn sie klare Position beziehen. Sie müssen ihren Teil der Erziehungsarbeit einfordern und ausfüllen, denn freiwillig wer-den sie ihn nicht in gewünschter Form bekommen. Ebenso wie Männer stehen auch Frauen diesbe-züglich unter Zwängen, sind unsicher und haben etwas zu verlieren. In so einer Situation als Mann „Eier zu zeigen“, deutlich Wünsche und Ängste zu äußern, ist für alle ein Gewinn.

Im angelsächsischen Raum sind die „balls“ ebenso mit Wertschätzung verbunden wie die „cojo-nes“ in Spanien. „Eier zeigen“ kann ein kraftvoller Begriff für selbstbewusste Männlichkeit sein, wenn man ihn in ähnlicher Form nutzt, wie es Bastian Schweinsteiger getan hat – Kraft demonstrie-ren und Unsicherheit zulassen. Auch Frauen profitieren in Beziehungen von eigenverantwortlichen, klaren und selbstbewussten Partnern. Warum sollen wir diese Symbolik dem eindimensionalen Ma-chismo überlassen, wenn sie doch für beide Geschlechter innovativ sein kann?

http://www.taz.de/Debatte-Maennlichkeit/!95809/

LP 80 Ernst Theodor Rietschel, geboren 1941 in Gießen (Hessen), von 2005 bis 2010 Präsident der Leibnitz-Gemeinschaft, Chemiker, Bundesverdienstkreuz 1. Klasse

"Am vehementesten pro verbindliche Frauenquoten tritt der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft (WGL), Ernst Rietschel, ein. „Winnacker hat völlig recht. Wir müssen radikal solange Quoten verlangen, bis ein Ausgleich erreicht ist – bis hin zu 50:50. Andere können das“, sagte der Chemiker. „Wir haben keine Zeit und ohne massive, unpopuläre Eingriffe schaffen wir das nicht, denn Männer hatten 2000 Jahre Zeit, ihre Plätze zu erobern.“ Zur WGL gehören 84 Institute mit 1 000 Beschäftigten."
Handelsblatt
Der scheidende DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker hatte gesagt: „Wenn wir
nicht 40 Prozent unseres intellektuellen Potenzials vor der Tür lassen
wollen, helfen nur noch Quoten“.

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wissenschaft-streitet-um-frauenquote;1088693

--
Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus


gesamter Thread:

 

powered by my little forum