Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Liste Femanzen Kategorie Journalie 8 (Liste Femanzen)

Oberkellner, Saturday, 04.02.2012, 18:44 (vor 4436 Tagen)

Silke Burmester (taz)

Auf dem Boden ein Kreidekreis. Darin steht ein Kind. Zur Seite zwei, die sich um das Sorgerecht streiten. Jeder hält einen Arm des Kindes, um auf Kommando des Richters das Objekt der Begierde auf seine Seite ziehen zu können. Nach kurzem Gezerre lässt die Magd das Kind los, die leibliche Mutter reißt es an sich und ist doch Verliererin in Brechts "Kaukasischem Kreidekreis" - wer sein Kind liebt, so der Schluss des Richters, will ihm keine Gewalt antun.
Von dieser Einsicht hat sich die heutige Rechtsprechung weit entfernt, wie die Beiträge dieses Themenabends eindrucksvoll schildern. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit von Vaterschaftstests Anfang des Jahres hatte die latente mediale Stilisierung des Mannes zum eigentlichen Trennungsopfer ihren Höhepunkt erreicht. Unter Ausblendung von Trennungsgründen wie durch den Mann ausgeübte Gewalt gegen Frau und Kinder, Alkoholismus und psychische Störungen, wurden Frauen zu Monstern aufgebaut, die den Mann in die Pflicht nehmen, zur Kasse bitten und ihm die Kinder vorenthalten.
Mit zwei Dokumentationen und einer Gesprächsrunde nimmt sich Arte dieser verzerrten Darstellung an. In ihrem Film "Trennungsdramen - Wenn der Mann zum Feind wird" lässt die Fernsehjournalistin Claudia Deja deutsche und französische Mütter zu Wort kommen, die von ihren Ehemännern geschlagen, vergewaltigt und mit dem Tode bedroht wurden, deren Kinder durch den Vater traumatisiert sind und die dennoch das Sorgerecht mit den oft polizeilich als gewalttätig registrierten Männern teilen müssen. Sie wirft einen Blick auf die Position von Ämtern und Gerichten, "für die gilt, dass ein Kind einen Vater braucht, egal wie der Vater gestrickt ist", wie es im Film heißt.
Geradezu aufklärerisch wirkt die Dokumentation "In Nomine Patris - Die Interessen der Väterbewegung" von Myriam Toneletto und Marc Hansmann. Sie verdeutlicht, dass hinter Vätergruppen wie "SOS Papa" aus Frankreich oder der britischen "Fathers for Justice" nicht der verantwortungsbewusste Vater steht. Den Forderungen solcher Vereine nach Kontrolle und Mitbestimmung über Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch, nach Aufenthalt der Ex-Partnerin, stellen die Filmemacher die Einordnungen von Psychologen und Soziologen gegenüber. Diese erkennen hierin nicht die Sorge ums Kind als vielmehr eine Bewegung, die sich gegen Frauen und die weibliche Gleichstellung richtet.
(Berliner Zeitung am 23.03.2005)

Gehen Sie in die Politik, meine Damen!
Das kennen wir doch: Männer zerlegen ein Land, Frauen räumen es wieder auf. Aber Michelle Münteferings Entschluss, sich für den Bundestag zu bewerben, darf nur der Anfang sein. Es braucht noch mehr Politikerinnen, um Deutschland von dem Irrweg abzubringen, den das Land eingeschlagen hat.
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Sehr geehrte Damen im besten Alter!
Sie haben einen ausrangierten Politiker-Gatten zu Hause? Zehren von seinem Namen und haben dennoch Ihre Aufgabe zugunsten des Gemeinwohls noch nicht gefunden? Sie suchen eine erfüllende Herausforderung? Und würden gern Ihre Eigenständigkeit und Kompetenz unter Beweis stellen? Dann kommen Sie in die Politik! Nachwuchssorgen, Imageprobleme und Quotenregelungen machen es Frauen derzeit besonders leicht, Fuß zu fassen und auch höhere Posten zu erklimmen - bei bester Bezahlung versteht sich.
Nehmen Sie sich ein Beispiel an Doris Schröder-Köpf, 48 Jahre und Michelle Müntefering, 31 Jahre alt. Sie sind die Heldinnen der Gegenwart, denn diese Politikergattinnen denken nicht im Traum daran, ihren 19 bzw. 39 Jahre älteren Männern beim Zittrigwerden zuzusehen. Im Gegenteil! Sie sind bereit, das nach vorn zu bringen, was ihre Gatten durch Hartz-IV ruiniert haben: die SPD.
Und das ist wahrlich kein leichtes Erbe. Da reicht es nicht, ein paar Kindergärten zu besuchen oder ein paar Krebspatienten das Haupt zu streicheln. Da muss an der Basis - vor den Arbeitsagenturen, im Park bei den Ein-Euro-Müllsammlern, den Minijobbern in der Altenpflege - gekämpft werden, da will die potentielle Anhängerschaft erobert und sollen die verlorenen Genossen zurückgewonnen werden. Und - das wird die bitterste Kröte sein, die diese Frauen schlucken müssen - das alte Rollenmuster muss akzeptiert werden: Die Männer zerlegen ein Land, die Frauen räumen es auf. Insofern darf der Entschluss der beiden, in den Landtag bzw. im Falle Michelle Münteferings in den Bundestag einziehen zu wollen, in der heldinnenhaften Tradition derer gesehen werden, die dieses Land aus der Zerstörung herausgeschaufelt haben: der Trümmerfrauen.
Wenn das Prestige schwindet, dürfen Frauen ran
Natürlich machen die zwei Trümmerfrauen der SPD noch keinen deutschen Frühling. Es braucht noch mehr Damen mit aussortierten, aber erfahrenen Männern im Schlepptau, um Deutschland von dem Irrweg den die Gier nach Geld eingeschlagen hat, abzubringen. Nicht, weil Frauen ohne Männer nichts wären, sondern um sich den Hillary-Effekt zunutze zu machen. Jenen Umstand, dass manche Tür bei gewichtigen Namen, Namen wie Clinton, schneller aufgehen. Wobei sich gewichtig nicht zwangsläufig auf die Körperfülle des Namensgebers beziehen muss.
Minu Barati-Fischer zum Beispiel. Auch eine Frau, die bei der Eheschließung ihren Mädchennamen als Zeichen der Eigenständigkeit behielt und wohl dennoch nicht auf eine mögliche Wirkung des Gattennamens verzichten wollte. Minu Barati-Fischer, Ehefrau von Joschka Fischer, bringt all das mit, womit sich auf dem politischen Parkett heutzutage glänzen lässt: Intelligenz, Autonomie, gutes Aussehen, Medientauglichkeit und einen Mann, der zu repräsentieren versteht.

Gelänge es Schröder-Köpf und Müntefering, Frau Barati-Fischer zum Eintritt in die SPD zu bewegen, wäre dies nicht nur ein gutes Zeichen hinsichtlich der kürzlich beschlossenen Selbstverpflichtung der SPD, dass den Führungsgremien der Bundespartei zukünftig 15 Prozent an Personen mit Migrationshintergrund angehören sollen, auch die gute alte Tradition der SPD-Troika könnte mit der SchröMüFi-Troika in die Zukunft geführt werden. Und dass diese auch in der Politik weiblich ist, daran wird keiner Zweifel haben, der den Prestigeverlust beobachtet, den der Beruf des Politikers erleidet.
Aktuell tut Christian Wulff was in seiner Macht steht, um das Amt des Bundespräsidenten zu demontieren. Auch das Gebaren seiner Berufskollegen, Verantwortung oder sogar Schuld weit von sich zu weisen, wie Guttenberg, Dieter Althaus oder auch Adolf Sauerland es getan haben, kratzt am Image der Volksvertreter. Und wie immer, wenn in einer Branche das Prestige schwindet, öffnet sie sich wie durch Zauberhand für Frauen.
Bleibt nur noch, Maike Kohl-Richter unterzubringen. Die 47-jährige, die vor drei Jahren den heute 81-jährigen Helmut Kohl heiratete, möchte sicherlich auch mal etwas anderes hören, als zum tausendsten Mal die Abenteuer, "wie ich und Gorbi die Mauer zu Fall brachten". Zu weit vom Haus wird sie sich sicherlich dennoch nicht wegbewegen wollen. Sie könnte das Amt für Denkmalpflege übernehmen.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,809013,00.html

Der moderne Mann
Adieu, haariges Biest!
Von Silke Burmester
Er steht in der Ecke und trinkt Softie-Getränke. Alle hacken auf dem Mann um die 30 herum. Warum eigentlich? Ist doch toll, dass er eine Frau nicht behandelt wie einen 12er-Schlüssel aus der Werkzeugkiste. Dank an die, die ihn geschaffen haben: die Mütter. Stoßen wir mit Grapefruit-Bier auf sie an!
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Liebe Mütter der um die 30-Jährigen,
gerade wird eine neue arme Sau durchs Dorf getrieben: der moderne Mann. Der Vorwurf an den 30-Jährigen lautet, er sei zu weich, zu unentschlossen, zu fragend. Vertreter der betroffenen Spezies räumen Übereinstimmungen mit dem Vorwurf ein und weisen darauf hin, dass die Frauen der entsprechenden Generation auch nicht ohne Fehl und Tadel seien, was in dem (unausgesprochenen) Vorwurf mündet, bei so dominanten Weibern kann man ja sowieso keinen mehr hochkriegen.
Und während die beiden Parteien sich aktuell über die Leitmedien dieses Landes total verständnisvoll aussprechen, stehen die Schirrmachers und Matusseks dieser Republik sicherlich schon in den Startlöchern, um das Ganze weiterzudrehen, indem sie die Schuldigen an dieser Misere benennen: die Mütter. Wen sonst.
Das Kind zu dick, das Kind magersüchtig, depressiv, schlecht in der Schule, zu viel vorm Computer - schuld sind immer die Mütter, so oder so, das kann man drehen und wenden, wie man will.
Doch nicht für mich! Für mich, liebe Mütter der um die 30-Jährigen, seid Ihr die Heldinnen in dieser Geschichte. Denn der Macker ist - von fremden Kulturen in diesem Land und Michael Ammer einmal abgesehen - so gut wie verschwunden. Allenfalls in Folge genetischen Aufbäumens versucht noch das ein oder andere Objekt mit Sprüchen wie "Hey, Babe!" sein Glück.
Mann, mach mal den Mund auf!
Dank Eures Einsatzes, liebe Mütter, habt Ihr uns eine Gesellschaft beschert, in der der junge Mann als freundliches Wesen gilt, als empathiefähig und sensibel und nicht länger - wie es in dem Film "Manche mögen's heiß" heißt - als "schreckliches, haariges Biest".
Gut, an manchen Stellen ist die Entwicklung über das Ziel hinausgeschossen - sicherlich hatte keine von Euch gewollt, dass ein Mann am Ende etwas ist, das in Röhrenhosen und mit Schlabbertuch in der Ecke der Bar steht, sich an seinem Grapefruit-Bier festhält und den Mund nicht aufbekommt. Oder auch, dass die jungen Frauen meinen, Männer seien nur noch zum Bestäuben gut, sonst aber nicht zu gebrauchen. Aber das sind Schrauben, an denen kann man drehen, das lässt sich über die Feinjustierung hinbekommen.
Nein, viel wichtiger ist doch, dass Euch genau das gelungen ist, was man den Herren jetzt zum Nachteil auslegen möchte: dass aus schrecklichen, haarigen Biestern Menschen männlichen Geschlechts geworden sind, die fähig und willens sind zu reflektieren. Die sich und ihr Handeln in Frage stellen, anstatt sich als gottgegebenes Geschenk zu wähnen, an dem es nichts auszusetzen gibt. Männer, die starke Frauen aushalten und wissen, dass ein weibliches Wesen anders anzufassen ist, als wenn man im Werkzeugkasten den 12er-Schlüssel sucht.
Wo sind all die Macker hin?
Nun mögen die jungen Frauen - Eure Töchter - sagen, diese Röhrenheinis seien nicht männlich genug. Es fehle die breite Brust, und ein wenig Mackertum ist doch eigentlich ganz schön. Dass sie überhaupt in der Lage sind, dies sagen zu können, geht gleichfalls auf Euer Konto, denn Ihr habt nicht nur die Jungs auf einen guten Weg gebracht, sondern auch die Mädels. Noch nie gab es eine Generation Frauen, die so selbstbewusst war. Die so autonom und unabhängig dasteht und die Möglichkeiten hat, sich aus der Macht des Patriarchats zu befreien und eine neue, eine gleichberechtigte Gesellschaft zu formen. Nicht zuletzt, weil die Wirtschaft nicht länger auf Sozialkompetenz und beste Abschlüsse verzichten kann.
Dass die Frauen dort angekommen sind, ist vor allem Euer Verdienst. Weil Ihr allen Unternehmungen zum Trotz, das Wort "Feminismus" zum Schimpfwort zu wandeln, an das Ziel geglaubt habt, diese Gesellschaft verändern zu können. Indem Ihr Eure Kinder anders erzogen habt, als Ihr selbst erzogen worden seid.

Zugegeben, wir müssen an die Schwachstellen noch mal ran: also die Jungs ein wenig zurückpfeifen und sie eine Balance zwischen Reflexionsvermögen und Männlichkeit finden lassen und den Mädels mitgeben, dass das Leben kein Hollywood-Film ist, kein Traum, in dem alles möglich ist. Und vor allem, dass eine breite Männerbrust die Ergänzung zur weiblichen Autonomie sein kann, nicht aber die Alternative.
1988 hat die Politikwissenschaftlerin und Autorin Katja Leyrer in ihrem Buch "Hilfe! Mein Sohn wird ein Macker" die damalige Jungengeneration betreffend folgende Bedenken geäußert: "Ob sich bei ihnen schon ein Unterschied zeigen wird zu den Männern, mit denen wir uns heute abplagen, wage ich zu bezweifeln." Das ist 24 Jahre her. Die damals Sechsjährigen sind heute 30. Hat doch bestens geklappt!, möchte ich Katja Leyrer und Euch, den Müttern ihrer Generation, sagen. Ihr könnt wirklich zufrieden sein!
Bleibt nur die Frage, was aus den Männern geworden ist, mit denen Ihr Euch damals abgeplagt habt. Wahrscheinlich laufen die heute nach drei gescheiterten Ehen frei herum. Und organisieren sich im Männerforum "Breite Brust".

http://www.spiegel.de/kultur/tv/0,1518,810406,00.html

Susanna Harringer, Buchhandleslehre, Lektorin, veganfeminist.blogsport.de

„Kör­per wer­den kon­su­miert, ent­we­der se­xu­ell oder buch­stäb­lich, es geht nicht um das ge­sam­te Le­be­we­sen, son­dern um ein­zel­ne Kör­per­tei­le, es fin­det kein im ent­fern­tes­ten gleich­be­rech­tig­ter Akt statt, son­dern ein ein­sei­ti­ger Kon­sum, der für das Huhn töd­lich, für Men­schen ab­wer­tend ist.
In der herr­schen­den Hier­ar­chie gilt der weiße, nicht­be­hin­der­te, he­te­ro­se­xu­el­le, wirt­schaft­lich er­folg­rei­che Mann als das an­ge­se­hens­te, wert­volls­te Le­be­we­sen. Eine kluge ame­ri­ka­ni­sche Fe­mi­nis­tin hat dazu be­merkt, dass dann wohl die weiße Frau und der nicht­wei­ße Mann um die zwei­te Stufe auf der Lei­ter kämp­fen müs­sen. Die Tiere ste­hen auf der un­ters­ten Ebene der Hier­ar­chie und sind jeder Will­kür, Mord und Tot­schlag aus­ge­lie­fert. Ihre Herr­schaft über die Welt und die Le­be­we­sen zei­gen viele Män­ner auch in ihren kon­kre­ten Taten im All­tag: in der Ge­walt in der Fa­mi­lie, beim Fleisch­es­sen und in der Jagd. Das Essen von Fleisch, gern auch in gro­ßen Men­gen, wird ge­sell­schaft­lich als Zei­chen von Männ­lich­keit und Kraft be­trach­tet, jede Flei­sch­re­kla­me spielt auf die männ­lich­keits­för­dern­de, po­tenz­stei­gern­de Wir­kung des Fleisch­ver­zehrs an…“ (Su­san­na Har­rin­ger)

“Zum Verzehr bestimmt. Eine feministisch-vegetarische Theorie” (Wien, 2001)

Im Feminismus geht es um die Gleichberechtigung der Frauen?
Ja, es geht um Unterdrückungsverhältnisse, Gewalt und Hierarchien in der Gesellschaft. Aber
nicht nur, was die Geschlechterverhältnisse betrifft, sondern im gesamten Zusammenhang von
Arbeit und Leben der Menschen. Nur mit einer fünfzigprozentigen Teilnahme der Frauen an allem
wäre es nicht getan, denn unsere Gesellschaft ist nach kapitalistischen Gesichtspunkten organisiert,
und es geht doch darum, Ausbeutung und Gewalt insgesamt abzuschaffen und nicht
gleichmäßig aufzuteilen. Genauso wenig bringt es, wenn Frauen an gewaltbereiten, hierarchischen
Organisationen wie dem Militär teilnehmen, es sollte lieber gar kein Mensch daran teilnehmen.

Heutzutage sind die Frauen ohnehin emanzipiert, die Bewegung hat ihr Ablaufdatum
überschritten.
Schön wär’s. In jeder gesellschaftlichen Gruppierung und Schicht sind nach wie vor die Lebenschancen
für Frauen schlechter als für Männer verteilt. Bei gebildeten einheimischen Mittelschichtfrauen
äußert sich das natürlich nicht so schlimm wie bei Migrantinnen oder behinderten
Frauen, aber statistisch – jaja, wir wissen schon, jeder kennt eine Ausnahme! – sind Frauen im Gegensatz zu Männern deutlich schlechter gestellt. Sie arbeiten bei gleicher Ausbildung meist in schlechteren Positionen, verdienen deutlich weniger, sind viel öfter von Gewalt betroffen und geraten
wesentlich öfter – vor allem wenn sie alleinerziehend oder alt sind – in echte Armut.

http://www.guthmann-peterson.de/pdf-docs/Harringer%20Susanna%20Feminismus%20und%20Tierrechte.pdf

Suzanne Brogger (DK), Schriftstellerin

"Sondern erlöse uns von der Liebe", 1973 von der dänischen Autorin Suzanne Brøgger verfaßt, ist zwar vordergründig kein feministischer Klassiker, aber doch eines der Lieblingsbücher von mir und anderen Frauen. Antiquarisch bekommt frau das Buch noch als 1980 erschienes Rowohlt-Taschenbuch. Ein paar Kostproben gefällig?

"Wenn aber die Monogamie ein Martyrium für den Mann ist, weil er immer eine Schuld mit sich trägt (weil die wenigsten Männer in ihren Ehen oder festen Verbindungen monogam bleiben wollen), dann ist das Martyrium für die Frau wohl noch größer. Denn sie steht irgendwie ganz allein mit der Monogamie, einer Sache, mit der sie als Teil ihrer 'Natur' auf den Kopf geschlagen wird. Es ist an und für sich egal, ob der Mann viel oder wenig mit anderen schläft (das Normale ist natürlich die Mitte - die Mittelklassenuntreue). Der springende Punkt ist, daß die Welt dem Mann ganz anders als der Frau offensteht."

"Die Frau zahlt gern ihre moralische Macht über den Mann mit Monogamie. Viele Federn am Hut und Geld in der Kasse der Frauen sind auf Kosten der 'schweinischen' Natur des Mannes erworben. Oft ist die Frau dazu bereit, alle anderen Menschen gleichgültig an ihrem Leben vorbeigleiten zu lassen, wenn sie nur einen einzigen Mann dazu kriegt, seine fundamentale Schuld anzuerkennen. Theoretisch müßte es viele monogame Superfrauen geben, die ihre Enthaltsamkeit nicht als Pressionsmittel benutzen. Aber normalerweise macht die monogame Hausfrauenrolle die Frau zur Nutte, weil sie sich selber und ihre Bedürfnisse unterdrückt und die Liebe als Mittel einsetzt."

"Wenn so viele Frauen ihre Identität außerhalb von sich selbst festgemacht und Angst davor haben, sich hinzugeben und sie selbst zu werden, weil sie dadurch riskieren, ihre Männer zu verlieren und wenn so viele Frauen sich und jede Sinnlichkeit kastriert haben, dann läßt sich die monogame Lebensweise noch nicht einmal sonderlich rechtfertigen - dann ist sie der hellste Wahnsinn. Die Glücksschwelle der Frau in der Monogamie, mit der sie im Stich gelassen wurde, läßt sich nur negativ definieren und wird meist mit der Zeit immer niedriger.
'Ich bin glücklich, wenn er mir nur nicht untreu ist.'
'Ich bin glücklich, wenn ich nur nicht weiß, daß er mir untreu ist.'
'Ich bin glücklich, wenn er mich nur nicht verläßt.'
'Ich bin glücklich, wenn er nur zu den Mahlzeiten erscheint.'
'Ich bin glücklich, wenn er nur ab und zu nach Hause kommt und nicht nur herumbrüllt.'
'Ich bin glücklich, wenn er mich nur nicht schlägt.'
Solange er mir nur nicht die Augen mit einem Messer aussticht, ja solange er nur das Messer nicht herumdreht, solange ist das Leben immer noch lebenswert."

"Eine Frau, die die traditionelle Frauenrolle mit allem, was dazugehört, spielt und die alle Erwartungen, die an sie gestellt werden, erfüllt, ist meiner Meinung nach nicht 'unterdrückt'. Sie ist lediglich ein schlauer Molch oder etwas anderes Exotisches aus einer vergangenen Zeit. Sie hat keine eigentliche Existenz im sozialbiologischen Sinn, weil sie dazu beiträgt, ein zersplittertes Weltbild aufrechtzuerhalten. Im Grunde ist sie ein bißchen gemein, weil sie ihren Nachwuchs in dem Glauben erzieht, es sei völlig in Ordnung, ein Molch zu sein, und wenn die Molche erwachsen sind, stehen sie dumm da....Die konforme Frau ist nicht unterdrückt, sie ist lediglich ein Verräter an den Überlebenschancen ihres Geschlechts. Aber die meiste Angst habe ich vor den wirklich unterdrückten Frauen. Die gibt es nicht erst seit gestern. Viele von ihnen, die immer noch am Leben sind, sind 40, 50, 60, 70 Jahre alt. Es gibt Frauen, die schon vor vielen Jahren abgesprungen sind. Die, die keine Lust mehr hatten. Sie hatten gespürt, daß das Leben nichts von all dem war, was es zu sein vorgab. Aber sie konnten es nicht beweisen, unter anderem, weil sie nicht die entsprechende Ausbildung hatten."

"Man entmystifiziert nicht ungestraft das Vergewaltungssyndrom. Vergewaltigung muß partout von der genitalen Seite her betrachtet werden, damit die übrigen Formen der Vergewaltigung weiterhin unbestraft bleiben können. Die männlichen Genitalien müssen partout das Zentrum der Weltordnung sein und haben Anspruch auf Furcht und Vergötterung. Die Frauen müssen so entsetzt sein und so viel Angst haben, daß sie schreien und brüllen und sich in Panik strangulieren lassen. Wenn sie tot sind, wird die Gesellschaft sie mit Respekt und bedauern belohnen, denn es war ja eine schreckliche Geschichte. Besitzt sie jedoch die Frechheit, nicht vor Schreck zu sterben, dann muß man es ja genossen haben. Man kann ja bekanntlich nicht eine Frau vergewaltigen, 'wenn sie es nicht möchte': Wieder einmal eine Redewendung, die Gewalt negieren und maskieren soll."

"Vergewaltigung hat nicht a priori etwas mit Anatomie oder Biologie zu tun - wie es die meisten Männer gern hätten. Wird ein Geschlecht vergewaltigt und ein anderes nicht, hängt es mit den Mythen und Vorstellungen zusammen, die wir an das maskuline bzw. feminine Geschlecht knüpfen. Wenn die Männer in ewiger Angst davor lebten, würden sie auch vergewaltigt werden. In einer Frauengesellschaft, in der Frauen Macht, Ehre und Geld (auf Männerart) besäßen, würden die Männer auch vergewaltigt werden. Sie würden sich nicht gegen die Machthaber wehren können, und selber daran schuld sein, wenn sie vergewaltigt würden, ganz einfach, weil sie nun einmal Männer sind."

http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=review&p=articles&id=348&area=1

Miriam Ollbrisch (der Spiegel)

Sind es die Vorurteile? Ist es Diskriminierung? Oder sind sie einfach nur schüchtern? Wenn es um Führungspositionen geht, drängen Frauen selten in die erste Reihe. In den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen muss man sie mit der Lupe suchen. Gerade einmal zweieinhalb Prozent von ihnen sind weiblich, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ausgerechnet.

"Eine Monokultur von Männern", formuliert DIW-Forscherin Elke Holst. Und wenn es dann doch mal eine Frau nach oben schafft, dann häufig, weil sie aus der Unternehmerfamilie stammt wie Susanne Klatten (BMW) oder Simone Bagel-Trah (Henkel). Was die Karriere angeht, erwarten die Frauen nicht viel - und zwar schon von Anfang an, wie die Studentenspiegel-Umfrage des SPIEGEL von McKinsey und StudiVZ zeigt.
Woran das liegt? Glaubt man Forscherin Holst, fehlt es ihnen an Vorbildern. Es gibt nur wenige, an denen junge Frauen sich orientieren könnten.
Mit der Quote gegen "geschlossene Systeme"
Ina Schlie könnte so jemand sein. Die 43-Jährige ist Prokuristin beim Software-Konzern SAP. Ihr Büro liegt im vierten Stock der Walldorfer Zentrale, nur wenige Türen vom Finanzvorstand entfernt. In ihren Händen liegt die globale Steuerplanung des Unternehmens, genauso wie die Verantwortung für 50 Mitarbeiter. Dass sie heute hier sitzt, schreibt sie auch ihren Vorgesetzten zu. Sie habe Glück gehabt, erklärt die gebürtige Bielefelderin bescheiden, immer unter Männern zu arbeiten, die sie förderten.
"Ich habe die ganze Geschlechterthematik erst entdeckt, als ich schon oben war", sagt sie und streicht ihren weißen Hosenanzug glatt. Dass sie daneben auch ihren Wunsch nach einer großen Familie erfüllte, sei dabei kein Hindernis gewesen. Die Fotos ihrer drei Kinder hängen über dem Schreibtisch - und wenn ihr ältester Sohn mal während eines Meetings anruft, weil er die Stimme seiner Mama hören möchte, könnten die Kollegen das verstehen, sagt Schlie.
Schlies Karriereweg ist ein Vorzeigebeispiel, klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Auch die Telekom möchte sich mit solchen Biografien schmücken, verlässt sich dabei aber nicht auf wohlwollende Vorgesetzte. Das Rezept gegen die männliche Dominanz in den Chefetagen stammt ausgerechnet von einem Mann: Bei Thomas Sattelberger steht das Telefon in den letzten Monaten nicht mehr still.
Einzelne Frauen schätzen auch ihre besondere Sichtbarkeit
Seine Idee erregt Aufsehen. Als erster Dax-Konzern soll die Telekom auf Geheiß ihres Personalvorstands konzernweit mindestens 30 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzen. Eine Quote nach skandinavischem Vorbild. In Norwegen etwa müssen seit bald drei Jahren 40 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder weiblich sein.
Bei der Telekom soll die Quote dazu dienen, das "Revierverhalten" der Männer zu durchbrechen, wie Sattelberger sagt. Es seien "geschlossene Systeme entstanden", die verhinderten, dass Qualität sich letztlich durchsetzt.
Doch nicht nur die Männer sieht er hier in der Pflicht. "Frauen versäumen es oft, andere Frauen zu fördern", sagt Sattelberger. Vielleicht, weil sie möchten, dass "ihre besondere Sichtbarkeit als Rarität" erhalten bleibt. Vielleicht fühlten sie sich allein unter Männern handlungsunfähig.
Doch auch wenn Quotenregelungen und sensibilisierte Personalchefs den Frauen ein Treppchen zum Chefsessel bauen - hinaufsteigen müssen sie immer noch selbst. "Dazu braucht man eine gewisse Basis-Aggressivität, Teamfähigkeit und große Ausdauer", sagt eine, die es geschafft hat. Antonella Mei-Pochtler ist Seniorpartnerin bei der Boston Consulting Group. Gerade die Ausdauer sei eine typisch weibliche Eigenschaft - und auf die kommt es an.
"Frauen sollten damit leben können, dass sie nicht von allen gemocht werden"
Nur oben sein, reicht nämlich nicht. Dort fängt die Arbeit oft erst an. Genau wie männliche Vorgesetzte müssen Chefinnen ihre Mitarbeiter führen, Verantwortung tragen, sich immer wieder behaupten. Dabei hilft eine Quote nicht. Antonella Mei-Pochtler hat immer wieder beobachtet, dass sich ihre Geschlechtsgenossinnen damit schwertun. "Viele Frauen wollen immer Kompromisse erzielen", sagt die Managerin. Doch um voran zu kommen, müssten sie auch lernen, sich Konkurrenz und unangenehmen Entscheidungen zu stellen. "Frauen sollten damit leben können, dass sie nicht von allen gemocht werden", sagt die 51-Jährige.
Und sie müssen bereit sein, das Maximum zu leisten. Trotz dreier Kinder leistet Mei-Pochtler jede Menge Überstunden. Wie SAP-Prokuristin Ina Schlie ist auch sie der Meinung, dass die Familie der Karriere nicht schadet - wenn man es richtig anstellt. "Die Babypausen sind häufig zu lang", beklagt die Unternehmensberaterin und sieht sich selbst als Musterbeispiel, dass es auch anders gehe: Sie setzte nach der Geburt ihrer beiden jüngeren Kinder jeweils nur vier Wochen aus.
Bei der ältesten Tochter habe sie sich noch drei Monate gegönnt. Und selbst in dieser Zeit sei sie für Kollegen und Vorgesetzte immer erreichbar geblieben, nahm an Telefonkonferenzen teil und ließ sich Berichte ans Wochenbett schicken. Wer ein Jahr aussteige, rutsche auf der Beförderungsliste unter Umständen nach hinten. Für Mei-Pochtler durchaus nachvollziehbar: "Führungskräfte riskieren, bei einer längeren Pause den Anschluss zu verlieren."

http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,722501,00.html

Katja Leyrer (Autorin)

http://www.amazon.de/Hilfe-Sohn-Macker-Frau-Gesellschaft/dp/3596247489/sr=8-2/qid=1161597455/ref=sr_1_2/303-0631004-5...

Marianne Quoirin, Kölner Stadtanzeiger

Die Krise der Kerle
Von MARIANNE QUOIRIN, 06.09.06, 06:57h, aktualisiert 06.09.06, 14:21h
Mit ihren anti-feministischen Ergüssen hat Eva Herman Frauen und Männer verwirrt. Aber was eigentlich ist männlich und weiblich? Zur aktuellen Diskussion ein strittiges wie streitbares Plädoyer für das wahre schwache Geschlecht.

Hat es auch nicht leicht mit den Frauen: George Clooney
Was ist männlich, was ist weiblich? Zur aktuellen Diskussion ein strittiges wie streitbares Plädoyer für das wahre schwache Geschlecht.
Erbarmen mit den Männern, denn sie sind das verletzliche Geschlecht! Sie stecken in der größten Krise, aber die meisten wollen nichts davon wissen - oder behaupten schlicht das Gegenteil. Ihr Aufschrei gegen die wachsende Diskriminierung findet überwiegend auf Internetseiten statt, wo Männer Gleichberechtigung fordern und weibliche Chuzpe beim Kampf um Kinder und Unterhalt beklagen, die von Richtern auch noch sanktioniert wird. „Justitia, du bist Frau und blind“, schimpft Christian Kronherr in einem Beitrag, und Hunderte pflichten ihm bei.
Ihr Kommentar zum Thema
Kronherrs Mitstreiter geben sich als Väter von untergeschobenen Kuckuckskindern zu erkennen, beneiden die „unfairen Ladys“ um ihre Erfolge in Beruf wie Publizistik, sie sammeln Unterschriften gegen „gewollte Vaterschaften“, weil sie genug Beispiele kennen aus ihren kleinen Väter-Initiativen. Sie fordern deshalb auf zum Zeugungsboykott. Demnächst, so prognostizieren namenlos bleibende Tiefenpsychologen, werde es gar eine wachsende Impotenz als „Rache des Mannes an der Frau“ geben.
Unsicher, ängstlich, desorientiert: Der deutsche Mann trägt schwer, aber meist schweigend an „seinem gefühlten Machtverlust“, wie der Bremer Männerforscher Professor Walter Hollstein feststellt. Anders als in den USA, Großbritannien, Australien, Skandinavien und in den Niederlanden sind „Men's Studies“ in Deutschland noch keine akademische Disziplin, sondern ein Thema für Soziologen, Feuilletons und Frauenzeitschriften. So lästert der „Spiegel“ über das „schwache Gemächt“, und die Tiefdruck-Frauenblätter versuchen den „Mythos Mann“ zu entschleiern oder „Elf Wahrheiten über Männer und Sex“ zu entschlüsseln.
Während die Doppelbelastung in Familie und Beruf bei Frauen die Anpassungsfähigkeit fördert, wenn sie sich nicht gerade als Frauen überfordert fühlen und lauthals darüber klagen, reduzieren zu viele Männer ihr Leben immer noch auf ihre traditionellen Ks: Karriere, Konkurrenzkampf, Kollaps. Dabei sind Männer ebenso wenig wie Frauen eine homogene Gruppe. Machos, Patriarchen sind ohnehin vom Aussterben bedroht wie auch die Softies der 70er Jahre, die ohne Murren in den selbst gestrickten Strampelanzügen ihrer Freundinnen auf die Straße gingen. Die so genannten Pragmatiker sind nach Meinung der Soziologen im Kommen wie auch die neuen Väter, die weder Windeln noch nasse Aufwischlappen fürchten. Ihren Mut demonstrieren sie, wenn sie ihre Frauen oder Lebensabschnittsgefährtinnen zur Schwangerschaftsgymnastik begleiten und das Hecheln üben.
Die Autoren jüngster Männer-Zustandsbeschreibungen weiden sich an der Misere des Mannes auf Orientierungssuche, obwohl es letztlich Frauen sind, die eine veränderte, sprich variantenreichere Männerrolle torpedieren. „Für sie ist der traditionelle, gut verdienende Mann mit hohem Prestige einfach attraktiver als einer, der gut spült“, meint Professor Hollstein, Leiter des Instituts für Geschlechter- und Generationenforschung.
Warum soll ein Mann ein neuer werden, wenn ihn die Frauen so gar nicht wollen. „Die öffentliche Kritik am Männlichen hat das Selbstbild der Männer ins Schwanken gebracht“, predigte ein Pastor zum „Männersonntag im Oktober 2005“ seiner Gemeinde. „Für viele ist offenkundig, dass die Zukunft weiblich und aus den Herren der Schöpfung Herren der Erschöpfung geworden sind.“ Und zum 6. „Welttag des Mannes“ am 3. November werden prominente Männer abermals den schlechten Gesundheitszustand der Geschlechtsgenossen betrauern, die fast sieben Jahre früher als Frauen von ihren Lastern und Leiden dahingerafft werden - von Alkohol, Nikotin, Übergewicht, Stress, Herzinfarkt - und natürlich von den überhöhten Ansprüchen ihrer Frauen. Und sie werden daran erinnern, dass die Selbstmordrate bei Männern um ein Vierfaches höher ist als bei Frauen, Verkehrsunfälle zu 40 Prozent die Todesursache für junge Männer zwischen 15 und 25 Jahren bleiben; 17 Prozent bis zum Alter von 44 Jahren.
Keine Frage: Die Männer werden zu Verlierern, das starke Geschlecht wird schwach. Mann braucht also Förderung! Das signalisiert nicht nur der „gefühlte Machtverlust“, wie er gern in schwammigen Zeitgeist-Geschichten heraufbeschworen wird. Dafür gibt es objektive Merkmale - und zwar ganz schön viele. Von der Wiege bis zur Bahre ist das männliche Geschlecht mehr Risiken ausgesetzt als das weibliche.
Die Krise der Kerle beginnt schon in der Kindheit, da viele ohne Väter oder männliche Vorbilder aufwachsen. Im Kindergarten treffen sie zu 95 Prozent auf Erzieherinnen, in der Grundschule sind allenfalls der Rektor und dessen Stellvertreter männlich. Der auf Harmonie zielende Erziehungsstil auf dem Schulhof bekommt den Jungen nicht, insbesondere dann nicht, wenn Mama zu Hause die Männlichkeit des Sohnes appelliert: „Ein Junge weint nicht.“ Und : „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“

http://www.ksta.de/html/artikel/1156330354865.shtml

Sabine Lüdtke-Pilger (Autorin)

Das Buch „Feminisms Revisited“ entstand aus einer gleichnamigen Veranstaltungsreihe an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Veranstalterin sowie Herausgeberin des darauf basierenden Sammelbandes ist die promovierte Wissenschaftlerin Meike Penkwitt, die Deutsch und Biologie studierte und seither Lehraufträge zu Themen wie „Feministische Naturwissenschaftsforschung und -kritik“, „Pornografie in Literatur, Film und Kunst“ oder „Ekel und Trauma im Film unter Genderaspekten“ hatte.
Initialzündung für „Feminisms Revisited“ war die in unterschiedlichen Kontexten beobachtete Ausrufung eines „Neuen Feminismus“ – eines Feminismus, der insbesondere in der Medienwelt seine Ausformung findet. Populäre Beispiele hierfür sind Publikationen wie „Wir Alphamädchen“ von Meredith Haaf oder „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche. Aber auch Lady Bitch Ray mischte mit ihren legendären Auftritten bei Maischberger oder Harald Schmidt die Medienwelt auf und heizte die Diskussion um einen neuen Feminismus an.
Gibt es tatsächlich einen alten Feminismus, der sich ohne Weiteres von einem neuen Feminismus abgrenzen lässt? Wenn eine Lady Bitch Ray verkündet, dass ihre Möse juckt und sie stolz darauf ist, eine „bitch“ zu sein, mag das zunächst revolutionär wirken, doch eigentlich verweist sie dadurch nur auf die Bedeutung von Sprache bei der (Re-)Inszenierung von Geschlechteridentitäten, eine Bedeutung die Judith Butler bereits vor über zwei Jahrzehnten konstatierte. Nicht alles, was neu scheint, ist also neu. Darum wissen auch die Autorinnen. Dieser Sammelband beschäftigt sich kritisch und gleichzeitig wertschätzend mit der Relevanz aktueller feministischer Fragestellungen sowie dem Stand der feministischen Theoriebildung.
Die verschiedenen Aufsätze bilden ein transdiziplinäres Panoptikum, eine seismografische Momentaufnahme, die die Bedeutung der Geschlechterforschung für alle Wissenschaftsbereiche und das gesellschaftliche Leben anschaulich herausstellt. Gender-Mainstreaming alleine reicht nicht aus, um die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern auszuradieren. Es braucht eine lebendige Debatte, ein kritisches Bewusstsein, um eine Gleichstellung zu erreichen (dabei bedeutet Gleichstellung nicht unbedingt eine Gleichmachung der Geschlechter, sondern vielmehr eine gleichwertige Behandlung, auch unter der Berücksichtigung geschlechterspezifischer Unterschiede). Dazu reicht es nicht, einen neuen Feminismus auszurufen, weil einem der alte Feminismus zu „unsexy“ ist. So beschäftigt sich ein Teil der Aufsätze zu Recht mit der Aktualität von Theoretikerinnen wie Butler und Simone de Beauvoir. Aber auch Phänomene der Populärkultur, wie Eva Herman, das Ehepaar Pease und Frank Schirrmacher werden kritisch beäugt, da sie in ihren wenig differenzierten Publikationen ein konservatives Rollback propagieren – gerne auch unter dem Label der Biologie oder der evolutionären Psychologie.
Gegen pseudobiologische und antiintellektuelle Feminismuskritik neueren Datums wendet sich die Literaturwissenschaftlerin Tina-Karen Pusse in ihrer lesenswerten Streitschrift „Undoing Feminism: Über female brains, Apfelkuchen und Motorsport“. Die Naturwissenschaftlerinnen Sigrid Schmitz eröffnet interessante Einblicke in die feministische Naturwissenschaftskritik. Das Thema Körper als Gegenstand feministischer Reflexionen taucht im Beitrag der Medizinerin Elisabeth Zemp auf. Sie fordert Geschlechtsunterschiede nicht als Festlegung, sondern als Ausgangspunkt der Beobachtung und Beschäftigung mit Zusammenhängen zwischen Geschlecht und Gesundheit zu nutzen. Spannend sind auch die Ausführungen der Diplompädagogin Lotte Rose, die sich mit den Paradoxien der modernen Entbindungsformen auseinandersetzt. Die Autonomie der Gebärenden ist ihres Erachtens keineswegs mit einer totalen, normativen Freisetzung der Gebärenden gleichzusetzen. Die Geburt wird damit nicht zur Privatsache, wie es das Autonomieideal suggerieren mag – die Reformen des Gebärens werden sogar von massiven Endprivatisierungsvorgängen begleitet. Welche junge Mutter fühlt sich nicht manchmal von der Flut an Ratgebern, Erlebnisberichten, Kursen, Selbsterfahrungsgruppen und Internetforen überfordert.
Wer denkt Feminismus sei „out“ oder überflüssig, der wird spätestens durch die Lektüre dieses Buches eines Besseren belehrt. Ohnehin hat Feminismus nie als Singular existiert. Neben der Vielfalt gab es auch innerhalb der verschiedenen Strömungen immer Meinungsverschiedenheiten. Ob es tatsächlich eine Zäsur gibt, die es nun verlangt von einem neuen Feminismus zu reden, bleibt abzuwarten. Aber das ist eigentlich auch gar nicht so wichtig. Die Inhalte müssen stimmen! Das dabei auch auf alte Theoretikerinnen zurückgegriffen werden muss, versteht sich. Schließlich geht es hier um Wissenschaft und nicht um die vermeintliche Entdeckung eines Apfelkuchen-Gens.

http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=15516

Antonia Kurz, Süddeutsche Zeitung

Das Internet kann helfen, die Welt zu verändern. Warum nicht auch einem weiteren schwierigen Projekt neues Leben einhauchen? Feministinnen setzen ihre Hoffnungen seit einiger Zeit auf die Digitalisierung, um der ins Stocken geratenen Emanzipierung der Frau auf die Sprünge zu helfen.

Das Internet ist heute überall ansteuerbar - doch für Frauen ist es kein Paralleluniversum, in denen die Mechanismen des Geschlechter-Zusammenlebens außer Kraft gesetzt wurden. (© dpa)
Die diesjährige DLD Women Konferenz unter der Schirmherrschaft des Burda-Verlags etwa widmete sich ganz diesem Thema. Und die Emma brachte ein Dossier heraus unter dem Titel "Feminismus 2.0".
Frauen, an die Tasten - auf den ersten Blick ergibt die Strategie Sinn. Das weibliche Geschlecht nutzt das Internet mittlerweile fast so intensiv wie das männliche. Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2011 sind 68 Prozent der deutschen Frauen und 78 Prozent der deutschen Männer regelmäßig im Netz. 100 Prozent der Jungen und Mädchen zwischen 14 und 20 Jahren surfen, chatten und bloggen. "Die Anfänge des Internets prägten die Männern, mittlerweile haben die Frauen nachgezogen", sagt die Hamburger Soziologin Tanja Carstensen.

Doch auch das Internet ist kein Paralleluniversum, in dem die Mechanismen, die in der Gesellschaft das Zusammenleben der Geschlechter regeln, außer Kraft sind. Der Netz-User verfügt nicht über ein digitales und ein reales Ich, die sich im Online-Diskurs unterscheiden.
Blogs sind weiblich, bekannte Blogger meist männlich
Wer im echten Berufsleben Scheu empfindet, ein berufliches Netzwerk aufzubauen und zu nutzen, wird dabei online kaum erfolgreicher sein. "Nur ein Drittel unserer Mitglieder ist weiblich und Frauen pflegen ihre beruflichen Kontakte weniger intensiv", bedauert Angela Rittig, Expertin für "Frauen und Netzwerke" bei Xing, einer großen deutschen Online-Plattform für Geschäftskontakte.
Der Kulturwissenschaftler Klaus Schönberger von der Universität Hamburg beobachtet die Entwicklung von Weblogs. Seine Ergebnisse zeigen, dass in zahlreichen europäischen Ländern rund zwei Drittel der Blogs von Frauen geschrieben werden. In der Tradition des Tagebuchs berichten Frauen über ihre letzte Urlaubsreise oder Modetrends. "Bloggen ist eigentlich eine Frauendomäne", sagt Schönberger.
Geht es jedoch um die Währung Aufmerksamkeit, sind wieder die Männer erfolgreicher. Unter den meistbesuchten Blogs sind die, die von Männern unterhalten werden, überrepräsentiert. Diese Männer werden dann wiederum als Netz-Experten nachgefragt.
Wenn also auch die Netzkultur als männerdominiert wahrgenommen wird, stecken Frauen in demselben Dilemma, das sich in jeder Unternehmenskonferenz offenbart: Sie fühlen sich weniger ermächtigt zu sprechen, doch solange sie nicht die Stimme erheben, ändert sich nichts an der Machtverteilung.
Aber was beschäftigt die Frauen im Netz, wenn sie die Themen Politik und Wirtschaft meiden? Auf der Videoplattform YouTube liefert das Suchwort "Kosmetik" eine Antwort. Eine stattliche Anzahl von Video-Bloggerinnen diskutiert zum Beispiel über die Wirkung von Shampoos. Diese "Kosmetik-Gurus" verbleiben zwar innerhalb der traditionell weiblich besetzten Sphäre der Körperpflege und werden kaum zu Leitfiguren beider Geschlechter.
Immerhin aber ebnen sie als kritische Konsumentinnen ihren Geschlechtsgenossinnen unbewusst den Weg in die Marketingabteilungen. Weil Frauen über rund 80 Prozent der Einkäufe entscheiden, setzen Unternehmen zunehmend darauf, dass Mitarbeiterinnen die Bedürfnisse der Kundinnen besser einschätzen können als ihre männlichen Kollegen.
Die feministische Netzkultur sieht sich dagegen immer wieder heftigen anonymen Attacken ausgesetzt. Die Autorin Anne Berg hat den Umgang mit sexistischen Kommentaren zum Thema eines Blogeintrags auf Mädchenmannschaft.net gemacht: "Ich seufze und drücke 'löschen'. Es ist kurz nach Mitternacht und eigentlich wollte ich gerade ins Bett gehen. Das muss jetzt aber noch einen Moment warten, denn inzwischen weiß ich: Wo so ein Kommentar ist, da lauern noch andere und gerade zu nächtlicher Stunde fallen die Hemmungen besonders schnell."
Berg glaubt, dass der Sexismus junge Bloggerinnen einschüchtern kann. "Dreißig Kommentare mit Vergewaltigungsszenarien muss man erst einmal aushalten können", sagt sie.
Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen spricht von Enthemmungseffekten: "Man hat keine direkten Kontakte zu denen, die man diffamiert, erlebt ihr Leid nicht mit und muss nicht sehen, was man womöglich auslöst." Die Autorinnen sind nun zum Gegenangriff übergegangen. Auf der Webseite hatr.org werden die schlimmsten Kommentare veröffentlicht.
Diskurs als Herausforderung
In Sachen Gleichberechtigung ist das Internet der Gesellschaft keinen einzigen Schritt voraus. Vielmehr scheint es so, als ob Frauen auch online die Herausforderung annehmen müssen, die großen Diskurse wirklich aktiv mitzubestimmen.
Zwei Wege stehen ihnen dabei offen: Sie können die männlichen Strategien kopieren, um Erfolg zu haben. Oder sie verändern die Maßstäbe, an denen Erfolg gemessen wird. Ob Frauen den Willen und die Kraft dazu aufbringen können, wird sich zeigen. In der Gesellschaft - und im Netz.

http://www.sueddeutsche.de/digital/gleichberechtigung-im-internet-warum-das-netz-neue-feministische-strategien-brauch...

Judith Luig (die WELT, Neon, taz)

Sex, Lügen, Twitter – die schlimmsten Männerpannen
2011 war das Jahr der Männer. Ist das nicht jedes Jahr, fragen Sie? Kann sein, aber dieses Mal war es das in besonderer Form: Ein Jahr, das durch Ereignisse bestimmt wurde, bei denen ein männlicher Protagonist, der angesehen, geschätzt und teilweise sogar bewundert wurde, über eine als besonders männliche verschriene Eigenschaft besonders dämlich stolperte. Selbstüberschätzung, Selbstgerechtigkeit und Realitätsverlust gelten ja schon lange als Männertugenden, aber selten haben sie so viele so dumm dastehen lassen wie in den vergangenen zwölf Monaten. Was ist passiert?

http://www.welt.de/vermischtes/prominente/article13788891/Sex-Luegen-Twitter-die-schlimmsten-Maennerpannen.html

Sandra Ernst Kaiser (Aut)

Die IWF-Instrumente treffen in Europa rasant ein - Ökonomin Klatzer befürchtet eine verschärfte Krise für Frauen
Sex ohne Kondom wird in Lissabon schon für 20 Euro angeboten. Mit diesem Beispiel schilderte die Wissenschaftlerin Aline Santos Ende November in Porto die drastischen Auswirkungen der portugiesischen Sparpolitik. In Portugal rutschen seit der Wirtschaftskrise und der daraus folgenden rigiden Sparpolitik immer mehr Frauen in die Armut und daraufhin in die Prostitution, um ihre Familien ernähren zu können. Jenseits des Atlantiks steigen seit 2008/2009 die Delogierungen rasant in die Höhe. Nachdem Menschen ihre Jobs verlieren und dadurch ausstehende Kredite nicht mehr bedienen können, füllen sich die Campingplätze an den Speckgürteln der US-amerikanischen Großstädte. Auch in Wien haben Delogierungen im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent zugenommen, gibt etwa die Volkshilfe bekannt. Wenn nun neue Sparmaßnahmen in den EU-Ländern eingeführt werden, um "ausgeglichene Budgets" vorweisen zu können, werden soziale Probleme wie diese zwangsläufig steigen.
Den Zwang zum Sparen haben sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union schon beim Vertrag von Maastricht 1992 auferlegt - durch den damals formulierten Stabilitätspakt wurden die Mitgliedsstaaten, die den Euro als Währung einführen wollen, aufgefordert, ihre Defizite und Verschuldungen zu begrenzen. Was damals niemand wissen konnte oder wollte, war die unermessliche Steigerung der Verschuldung der Euro-Länder durch die andauernde Systemkrise des Finanzmarktes und des Wirtschaftssystems. Und diese rief auch den Internationalen Währungsfonds (IWF) auf den Plan.
Ökonomischer Offenbarungseid
Den ökonomischen Offenbarungseid leistete dabei der griechische Ex-Ministerpräsident Giorgos Papandreou, indem er Hilfe der anderen EU-Mitgliedstaaten beantragte. Das bereits vor Ort befindliche Personal des IWF übernahm daraufhin im Land die wirtschafts- und sozialpolitischen Zügel. Nach Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Estland, Lettland und Litauen war Griechenland damit das sechste Land in Europa in den letzten Jahren, dessen Politik wesentlich von der Washingtoner Finanzorganisation gestaltet wurde, und das erste innerhalb der Euro-Zone.
In den 1970er und 1980er Jahren konnte von Europa aus auf anderen Kontinenten beobachtet werden, wie dort die neokonservative Agenda des IWF durchgesetzt wurde und welche Folgen damit verbunden waren. Die Ökonomin Elisabeth Klatzer von feministATTAC hat diese Szenarien "mit Schrecken" verfolgt, wie sie gegenüber dieStandard.at betont. "Jetzt kommt diese neoliberale Agenda näher zu uns. Das ist Teil der gleichen Strategie und diese 'Religion' durchdringt inzwischen alle Institutionen".
Dem IWF war sein erstes Engagement in der Euro-Zone viel wert: die Washingtoner änderten dafür ihre Geschäftsgrundlage, um die erlaubte Kreditgröße auszudehnen. Nach dieser nämlich soll eine Kreditvergabe über drei Jahre hinweg nicht höher liegen, als die sechsfache IWF-Quote* des jeweiligen Landes. Im Falle von Griechenland wäre das bei einer Quote von 1,24 Milliarden US-Dollar 7,5 Milliarden - der derzeitige IWF-Kredit für Griechenland liegt weit über dem 30-fachen dieser Summe. Die Auflagen für IWF-Kredite blieben hingegen die gleichen wie in den 70er-Jahren: Griechenland muss privatisieren, deregulieren und gravierende Kürzungen der Staatsausgaben vornehmen.
Sozialer Kahlschlag
In der Zwischenzeit müssen auch die Staatskanzleien in Madrid, Lissabon, Rom und London Strukturmaßnahmen verkünden, wie sie klassisch für den IWF sind. Unter dem Kommando der US-amerikanisch dominierten Finanzorganisation heißt das: Erhöhung von Massensteuern, längere Arbeitszeiten, Entlassung von StaatsbeamtInnen, Kürzung von Löhnen und Renten - kurz: sozialer Kahlschlag. "Die Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone von Freitag geht ja noch einmal ein Stück weiter. Sie fordert einen ausgeglichenen Haushalt, der in der Verfassung verankert werden soll", so Elisabeth Klatzer, wiewohl sie zu bedenken gibt, dass die Krise in Europa hausgemacht ist.
Ganz im Sinne des IWF führt ein radikales Sparprogramm, wie es die EU vorsieht, nicht nur zu einer wirtschaftlichen Rezession, wie viele ExpertInnen monieren, sondern hat auch wesentliche Auswirkungen auf Frauen. Einerseits, so Klatzer, "profitieren Frauen von ausgleichenden Tätigkeiten des Staates, seien es Dienstleistungen wie Kinderbetreuung oder durch das Steuersystem. Andererseits sind besonders Frauen vom Abbau öffentlicher Beschäftigung stark betroffen". Dies führt zu einer doppelten Benachteiligung: Zum einen verlieren die Frauen ihre Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst, zum anderen ist der öffentliche Sektor jener, wo die Einkommensschere geringer ist als in anderen Sektoren. Klatzer erwartet zudem "viel schlechtere Bedingungen für Frauen am Arbeitsmarkt. Durch prekäre Beschäftigungen und Teilzeit-Stellen haben Frauen ohnehin eine Puffer-Funktion, die sich durch die anstehenden Sparzwänge weiter verschärfen wird".
Radikaler Demokratieabbau
Besonders wesentlich jedoch erscheint die Frage der politischen Partizipation von Frauen, die historisch betrachtet in jeder Wirtschaftskrise weiter unterminiert wurde. "In den letzten Monaten zeigte sich massiv, dass innerhalb der EU ein radikaler Demokratieabbau betrieben wird", beobachtet die Ökonomin. Die sogenannte EU-Wirtschaftsregierung stärkt die Finanzbürokratie - sowohl auf der Ebene der Kommission als auch auf nationalstaatlicher Ebene in den Finanzministerien. Elisabeth Klatzer sieht das durchwegs problematisch: "Das sind traditionell maskulin dominierte Bürokratien, die sehr intransparent arbeiten. Da ändert auch Maria Fekter als Finanzministerin nichts daran." Sie hält das Einsetzen der Fiskalunion für einen autoritären Umbau innerhalb der EU, der intransparent und undemokratisch sei. Die wenigen Partizipationsmöglichkeiten von Frauen auf nationalstaatlicher- aber auch auf EU-Ebene würden weiter ausgehebelt. "Wir haben es mit einem massiven maskulinen Umbau Europas zu tun".
Von Hayeks Ziele und Wünsche
Unterdessen erklärt Bundeskanzler Werner Faymann weiter, dass er die Schuldenbremse zum Verfassungsgesetz machen möchte, nachdem er vorerst daran gescheitert ist. Diese Schuldenbremse, wie sie in einigen Ländern Europas bereits Verfassungsrang hat, entspricht einer neoliberalen Finanz- und Wirtschaftspolitik, die die Gestaltung von Politik abstrakten Sparzwängen unterwerfen möchte.
Mit der Schuldenbremse tritt ein Mechanismus in Kraft, der den Wünschen und Zielen des neoliberalen Friedrich August von Hayek nahe kommt. Zum einen wird ein wesentlicher Bereich demokratischer Entscheidungsmacht preisgegeben, indem dies ohne Legitimation der Bevölkerung zustande kommt. Zum anderen werden Bund und Länder durch eine solche Schuldenbremse gezwungen, ab einer bestimmten Grenze keine neuen Kredite aufzunehmen. "Den maskulinen Finanzinstitutionen schwebt vor, dass es zu Automatismen der Entscheidungsfindung kommt. Im Wesentlichen sind das sehenden Auges Vertragsbrüche", urteilt Klatzer. "Es ist ein Durchpeitschen eines Autoritätsprogrammes sondergleichen, ebenso ein massiver Umbau der Entscheidungsfindung, von denen Frauen ausgeschlossener sind denn je". Neben den demokratietheoretischen Bedenken, stellt die Schuldenbremse auch ein Instrument im Verteilungskampf dar.
Kein Interesse am Wohl der Menschen
Mit der Fiskalunion wird ein Sachzwang in die Welt gesetzt, der die Finanzpolitik qua Verfassung zu weiterem Staats- und Sozialabbau zwingt. Sie nötigt die Mitgliedsländer zu einer restriktiven Ausgabenpolitik - genauso wie es sich die Washingtoner Finanzorganisation wünscht. Sozialpolitik oder gar Umverteilung von oben nach unten wird dadurch quasi verunmöglicht. Auch die OECD hat erst kürzlich bei der Veröffentlichung neuer Zahlen darauf hingewiesen, dass die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinanderklafft. Dem OECD-Befund, dass die zunehmende Ungleichheit den sozialen Zusammenhalt gefährdet und politische Instabilität schafft, schließt sich auch der Volkshilfe-Präsident Josef Weidenholzer an.
Aber wird es in Mitteleuropa zu Szenarien wie in Portugal, den USA oder Griechenland kommen? "Die europäischen Eliten, die derzeit das Sagen haben, haben keinerlei Interesse, das Wohl der Menschen zu fördern. Das oberste Zehntel gewinnt. Das ist Interessenspolitik zugunsten einiger weniger. Und daher: Leider Ja, meine Befürchtung ist, dass sich die soziale Krise weiter verschlechtert - in Bezug der Frauen geradezu verschärfen wird", so Klatzer.
Alternativen diskutieren
"Wenn man gesehen hat, mit welcher Mischung aus Repression und Diffamierung dem Widerstand der Betroffenen in Athen begegnet wurde, kann man das Ausmaß der aktuellen Strukturkrise erahnen", gibt Klatzer zu verstehen. Was also tun, um derartiges zu verhindern? Die Ökonomin von feministATTAC plädiert einerseits für eine europaweite Steuerharmonisierung etwa im Bereich der Unternehmensbesteuerung. Vor allem aber müsse die Staatsfinanzierung von den Finanzmärkten entkoppelt und durch die EZB finanziert werden. Außerdem würde eine Finanztransaktionssteuer die Staatseinnahmen deutlich verbessern. "All diese Initiativen werden aber auf die lange Bank geschoben", kritisiert Klatzer. Dass PolitikerInnen dabei immer wieder von "Alternativlosigkeit" sprechen, verhindere Diskussionen über alternative Lösungen der Strukturkrise, so die Ökonomin abschließend. (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at 11.12.2011)
* Die IWF-Quote ist der Anteil eines Staates am Kapitalschlüssel des IWF.

http://diestandard.at/1323222737749/Systemkrise-Der-maskuline-Umbau-Europas#forumstart

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