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"Friday for Future" hieß in der DDR "No Future" (Allgemein)

El Hotzo, Tuesday, 24.09.2019, 09:22 (vor 1669 Tagen)

Auf die Sahne | Bei ihrer Jugendarbeit hat die SED neue Schwierigkeiten: mit Punker-Gruppen.

Der 19jährige Mike schied in Halle mit dem Notenschnitt 1,6 aus der Schule, wäre gern Photograph geworden, arbeitet aber auf dem Bau. Einige Altersgenossen, so Mike, hatten bessere Zensuren und bekamen die Stelle als Photograph - obwohl sie eigentlich Baufacharbeiter werden wollten.

Seither sieht Mike für sich no future mehr: Als Punker lebt er "in einer Abrißbude", ein Kumpel wohnt bei ihm. Zusammen mit Freunden erzeugen sie auf Gitarren, einer Konzerttrommel, zwei Pauken und ein paar blechernen Gurkenfässern einen Lärm, den sie "Doof-Rock" nennen. "Diese ganze Erziehung zur Maschine", so Mike, "die ganze staatliche Jugendszene hat mich angekotzt. Es war nichts da. So langweilig. Wenn ich bloß an unsere Diskotheken denke. Würg!"

Zum Speien finden Punker, die mittlerweile in fast allen DDR-Großstädten auftauchen, ihren mausgrauen Alltag im SED-Staat. Die Aussteiger unter den drei Millionen Jugendlichen zwischen 14 und 25 Jahren haben keinen Bock auf die überfüllten Staats-Diskotheken der Freien Deutschen Jugend (FDJ), wo Musik und Kleidung zensiert werden: kein Punk, keine Jeans.

Die Statussymbole im Wohlstandssozialismus, Schrankwand und Farbglotze, Auto und Datsche, gelten vielen Jugendlichen als "spießbürgerlich" (Mike), reizen nicht mehr zu Arbeit und Konsum. Häufig klagen sie über Leistungsdruck in der Schule, staatliche Bevormundung bei der Wahl von Lehrstelle und Beruf - Verdruß am Staat hüben wie drüben.

Punker-Mädchen Silke, 15, aus Magdeburg: "Hier fliegt sowieso bald alles in die Luft, da will ich wenigstens vorher noch etwas Spaß haben." In Cottbus verweigert sich der 18jährige Tim: "Weil sich hier sowieso nichts ändert, möchte ich wenigstens so auf die Sahne hauen." Mike über die Szene: "Unter vielen Jugendlichen macht sich eben auch hier 'no future' breit."

Und das nicht nur im Untergrund. Zum ersten Mal wagten sich die real existierenden Punker vor knapp einem Jahr in die DDR-Öffentlichkeit. Auf einem Jugendfest der Ost-Berliner Galiläa-Gemeinde schmetterte eine Gruppe von 50 Punkern den überraschten Jungchristen und deren Pfarrer entgegen: "Laßt euch nicht verführen, es gibt kein höheres Wesen. Laßt euch nicht vertrösten, denn hinterher kommt nichts."
Seither können DDR-Bürger die Exoten mitunter auf offener Straße begaffen: In Jena etwa tragen manche noch das Rüstzeug der Ur-Punker, Ketten, Schlösser und Sicherheitsnadeln. Anderswo genügen Buttons auf dem schwarzen Lederwams mit rüden Sprüchen ("Verpiß dich") oder Bekenntnissen zu West-Bands wie den Punk-Ahnen "Sex Pistols".

Manche trauen sich auch, die Haare schrill zu färben. "Da haben die uniformierten Spießer in der S-Bahn schön was zu glotzen", ergötzt sich ein 17jähriger aus Prenzlau, der jeden Samstag nach Berlin fährt. Die Freaks versammeln sich bei privaten Feten, hören die Musik ihrer Gruppe in Hinterhöfen und Lagerschuppen, auf Schrottplätzen und Müllhalden. "Die Szene", so Mike, "ist noch ziemlich klein. Bei den Konzerten kommen aber immer mehr."

Ost-Punker stehen auf West-Gruppen wie "Einstürzende Neubauten", "Hans-A-Plast" und "Deutsch-Amerikanische Freundschaft". Nur wenigen Fans sind die eigenen Punk-Bands bekannt: in Magdeburg etwa "Juckreiz" und "Chaiselongue", in Weimar "Restbestand" und "Ausfluß", "Maulsperre" in Gera und "Pankow" in Ost-Berlin.

Obwohl die Punker in der DDR bislang allenfalls nach Hunderten zählen, reagiert die SED nervös. Das Trauma der Jugendkrawalle vor fünf Jahren, nach Prügeleien auf dem Alexanderplatz starben vier Polizisten, wirkt nach.

Leitende FDJler sehen das Gedeihen ihrer Arbeit, so formulierten sie jüngst S.61 auf einer Bezirkskonferenz in Ost-Berlin, durch "zwei Hauptgefahren" bedroht: die Friedensbewegung junger Christen und die Punker. Die FDJ-Funktionäre wurden angewiesen, den Einfluß der staatlichen Jugendarbeit unter "problematischen" und "sozial auffälligen" Jugendlichen wiederherzustellen.

Auch DDR-Medien beginnen, sich mit dem Thema Punk auseinanderzusetzen. Im Organ des FDJ-Zentralrats, der Zeitschrift "Forum", ereiferten sich im Mai die Musiker der wohlgelittenen DDR-Rockgruppe "Lift" über den Aufbruch der Bürgerschrecks: "Was sich da an New Wave, Funk, Punk oder in der BRD als 'neue deutsche Welle' und so weiter abspielt, kann für unsere Musikentwicklung wohl kaum die richtige Alternative sein." Und die Fernsehillustrierte "FF dabei" mäkelte, "daß manche 'Formen' bei weitem nicht dem Inhalt sozialistischer Unterhaltungskunst entsprechen".

Die Texte der Punk-Bands auch nicht. "Mein Abenteuer will ich jetzt!", fordert eine DDR-Gruppe, eine andere beschreibt ihre "angeweile im sozialistischen Musterstaat: Jeden Morgen Steh' ich" " vorm Tor Und komm' mir langsam selbst bescheuert vor Ich " " halt' das nicht mehr länger aus Ich muß aus diesem Dreck mal " " raus. "
In Halle tragen Punker zu eigener Musik einen Song der West-Band "Abwärts" vor: Mittwoch ist der Krieg sehr kalt Breschnew lauert "n " der Badeanstalt. Donnerstag, du weißt es schon, tausend " " Agenten in der Kanalisation. Freitag gehört der Mafia. Das " " Radio sendet aus Florida. Samstagabend Irrenanstalt. Der KGB " " im deutschen Wald. Sonntag, da ist alles tot. Im Golf von " " Mallorca der Weltkrieg droht. Stalingrad Stalingrad - " " Deutschland Katastrophenstaat. "

Solche Aufsässigkeit ist weniger politische Opposition gegen die DDR-Führung als vielmehr totale Verweigerung: geil auf gar nichts. Bauarbeiter Mike: "Manche Leute denken von mir, weil ich nun nicht gerade positiv zu diesem Staat eingestellt bin, möchte ich nach dem Westen. Aber ich finde, daß es hier wie drüben die gleiche Scheiße ist."

Auch den jungen Christen, die in der DDR gegen künftige Stalingrads demonstrieren, sind die Punker nicht grün: Die Friedensfreunde werden als Langweiler in Latzhosen und Wallegewändern verspottet. Die 18 Jahre alte Punkerin Jule aus Ost-Berlin: "Mich kotzen die DDR-Hippies an, diese Softies mit den zerfetzten Parkas und den Turnschuhen. Ich hatte auch Haare bis zum Arsch, aber die hab' ich mir einfach abgeschnitten. Das ist alles nichts."

Für den Umgang mit Punkern hat die Volkspolizei offenbar noch keine einheitliche Weisung. Von Vopos wurde Mike aus Halle wegen der Buttons auf seiner Jacke angehalten - und wieder laufengelassen. Die Beamten hatten nach etwas anderem gesucht: dem verbotenen "Schwerter zu Pflugscharen"-Aufnäher der christlichen Friedenskämpfer.

https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14341569.html

Also die Jugend hat schon immer versucht, gegen den Staat zu opponieren ... obwohl es ihr eigentlich relativ gut ging. Der Unterschied zu damals ist, dass es für die DDR ein Alternativsystem gab. Das ist heute anders. Heute wollen die Freitagsidioten eine Rolle rückwärts in die DDR machen und das dies damals schon nicht funktioniert hat, wollen die nicht begreifen.

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