Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Gedankenanstoss

Holger, Tuesday, 18.01.2011, 00:34 (vor 4851 Tagen) @ Michael

Hallo Michael,

da kommst Du auf ein wichtiges Thema zu sprechen: inwieweit wäre die Judikative verantwortlich zu machen für die absolute Scheidungs- und Unterhaltskatastrophe?

Du hast richtigerweise bemerkt, daß die Unterhaltsgesetze mehr als schwammig abgefasst wurden und dies aus gutem Grunde:
jedes Gesetz muß auf die rechtsethische Begründbarkeit geprüft werden, sonst muß es vom BVG gekippt werden. Dies ist der Hauptgrund für die völlige Schwammigkeit, ja Beliebigkeit: erst die Interpretation wird dann im Einzelfall relevant.

Nun obliegt es Gerichten, Gesetze umzusetzen und zwar nach Billigkeit und Einzelfallprüfung und dabei kann dann in Gesetze nahezu Beliebiges hineininterpretiert werden, wenn man denn will. Als innergerichtliche Kontrollinstanz gelten die Instanzen: OLGs haben sehr große Macht, der BGH fast unumschränkte: nachgeordnete Richter müssen sich sklavisch an deren Auffassung orientieren und sind eigentlich nichts anderes als die Büttel und Schergen des Mittelalters. Und genau dort setzt die Politkaste an: Richter beim BGH und BVG werden vom Richterwahlausschuß des Bundestages und den Ländern bestimmt, also reine Quotentussen auf juristisch, bestes Beispiel ist die grünlesbische Extremistin Baer, deren Rechtsverständnis in anderen Ländern zu jahrzehntelangen Haftstrafen wegen Rechtsbeugung reichte.

Die OLG- Richter werden nach einer Probezeit von den Justizministern der einzelnen Länder berufen und man geht nicht fehl in der Annahme, daß da die Gesinnung ein Wörtlein mitzureden hat: so manches Zeitgeistfreislerlein hat sich da zum 'Vorsitzenden Richter' emporgeaftert, um vielleicht mal in den erlauchten Kreis am BGH vorzustoßen- das sind die willfährigsten Fotzenknechte der 'Frau' Hahne vom 12. Senat des BGH.
Du hast also recht damit, Richter als wichtigste Stellgröße im Unrechtssystem auszumachen.

Allerdings ist es eine Melange aus
Böswilligkeit Einzelner und vorsätzlich insuffizienten Gesetzen:
dem Interessierten dieser Link mit geballter Info, über den nachzusinnen wirklich lohnt:

http://www.reference-global.com/doi/abs/10.1515/JURU.2008.309

da jetzt kostenpflichtig, hier mal ein download aus dem Cache:

August Heft 8/2008 309
JURISTISCHE
RUNDSCHAU
Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich – sind unsere
familienrechtlichen Ausgleichssysteme noch zeitgemäß?11
Von Professorin. Dr. Elisabeth Koch, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Die Frage nach dem Sinn und der Funktion, vor allem aber auch die
Frage nach der Legitimation der von Gesetzes wegen im Falle des
Scheiterns einer Ehe vorgesehenen Ausgleichssysteme Zugewinnausgleich,
Versorgungsausgleich und Unterhalt beschäftigtWissenschaft
und Rechtsprechung immer wieder. In diesem Jahr ist sie
Thema des vom 26.–29. September in Erfurt stattfindenden Deutschen
Juristentages.
a) Zugewinnausgleich
Über den Sinn und die Legitimation des Zugewinnausgleichs, in
demdas in der Ehe erwirtschafteteVermögen hälftig verteiltwird,
besteht weitgehende Einigkeit.
Die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft
während des Bestehens der Ehe herrschende Gütertrennung hat
zur Folge, dass jeder Ehegatte Eigentümer und Inhaber des
Vermögens bleibt, das er hat und Eigentümer und Inhaber all
dessen wird, was er erwirbt. Geteilt wird erst am Ende der Ehe.
Dann wird der während ihres Bestehens erwirtschaftete Vermögenszuwachs
rechnerisch ermittelt und als jeweiliger Zugewinn
der Ehegatten festgestellt (§ 1373 BGB). Die beiden Zugewinne
werden einander gegenübergestellt und derjenige, der
mehr erwirtschaftet hat, muss dem anderen die Hälfte der Differenz
des Überschusses abgeben (§ 1378 BGB). Da es bei der
Ermittlung des Zugewinns und bei seinem Ausgleich immer nur
um Rechengrößen geht, hat derjenige, der weniger Vermögen
erwirtschaftet hat, gegen seinen Partner einen Zahlungsanspruch
– die Gegenstände als solche werden nicht geteilt und verbleiben
im jeweiligen Eigentum.
Diese Teilung des Vermögens beruht auf dem Gedanken, dass
alles, was Ehepartner während ihres gemeinsamen Zusammenlebens
– auf welchemWege im Einzelnen auch immer – erwerben,
von ihnen beiden erwirtschaftet ist. Wenn einer in der Lage ist,
Alleineigentum an einem Grundstück oder an einem Kunstgegenstand
zu erwerben, so ist ihm dies möglich, weil sein
Partner andere Ausgaben übernommen hat oder durch den
Einsatz eigener Arbeit und Zeit Ausgaben erspart hat. Der individuelle
Erwerb des einen beruht immer auch auf der Mitwirkung
des anderen – egal, wie diese gegenständlich aussieht.
Dass diese Annahme auf einer typisierenden Vorstellung von
der Ausgestaltung ehelichen Lebens beruht, ist evident. Die
Zugewinnausgleichsregeln des BGB gehen davon aus, dass beide
Ehepartner ihre Kräfte und ihre Fähigkeiten einsetzen, um das
ehelicheZusammenleben materiell auszugestalten, der materielle
Gewinn mithin Ergebnis ihrer beider Leistungen ist.
Die auf dieser typisierenden Annahme beruhende Teilung des
in der Ehe erwirtschafteten Gewinns erfolgt nach dem Regelwerk
der §§ 1372 ff. BGB schematisch und kann in concreto unangebracht
sein. Die im Interesse der Rechtssicherheit und Praktikabililtät
starr und schematisch angelegten Berechnungen können
zu einer überschießenden Beteiligung wie auch umgekehrt zu
einer zu geringen Beteiligung des Ehepartners am Vermögenserwerb
des anderen führen. Als Beispiel überbordender Gewinnbeteiligung
sei die Partizipation an den Wertsteigerungen genannt,
die ein vom Ehegatten in die Ehe eingebrachter
Gegenstand ohne Zutun der Eheleute erfährt: Das vomEhemann
lange vor der Eheschließung erworbene Stück Ackerland wird
während der Ehe zum Bauland. An dieser Wertsteigerung des
Grundeigentums ihresMannes partizipiert die Ehefrau, obgleich
der darin liegende Vermögenszuwachs ohne jegliches Zutun
ihrerseits eingetreten ist.
Als Beispiel zu geringer Beteiligung sei die Nichtberücksichtigung
des in der Schuldentilgung liegenden wirtschaftlichen
Gewinns eines Ehepartners genannt. § 1374 Abs. 1 Hs. 2 BGB
ordnet an, dass bei der Ermittlung des Anfangsvermögens Verbindlichkeiten
grundsätzlich nur bis zur Höhe des vorhandenen
Vermögens abzuziehen sind. Das bedeutet, dass das Anfangsvermögen
eines Ehegatten immer mindestens Null ist und nicht
negativ sein kann. Das nun aber führt dazu, dass ein Ehegatte, der
bei Eintritt in den Güterstand mit 5 50.000 verschuldet ist und
diese Schuld während der Ehe tilgt, den ihm damit entstandenen
wirtschaftlichen Vorteil nicht ausgleichen muss. Denn da sein
Anfangsvermögen mit Null angesetzt wird und die Verbindlichkeiten
nicht auftauchen, kann auch derWert ihrer Tilgung nicht
im Endvermögen als Zugewinn verbucht werden. Ein Ehepartner
steht nun aber dem ökonomischen Gewinn, der zur aktiven
Mehrung des Vermögens des anderen führt, nicht näher und
nicht ferner als dem Gewinn, der durch die Abtragung von
Schulden erzielt wird.
In beiden hier exemplarisch aufgezeigten Konstellationenwird
der Grundgedanke des Zugewinnausgleichs >hälftige Teilhabe an
den während der Ehe erzieltenWertschöpfungen« konterkariert:
Einmal durch eine zu hohe Partizipation, nämlich auch an
Wertsteigerungen, die in die Ehe eingebrachte, einem allein
gehörende Gegenstände ohne jedes Zutun der Eheleute erfahren,
einmal durch eine zu geringe Partizipation dadurch, dass die
Mitwirkung bei der Abtragung von Verbindlichkeiten unberücksichtigt
bleibt.
Abgesehen von solchen Unstimmigkeiten, die bereits seit
Einführung der Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand
im Jahre 1957 thematisiert und problematisiert werden
und Folge des schematisierend angelegten gesetzlichen Ausgleichssystems
sind,2 wird der Grundgedanke des Zugewinnausgleichs
bei Scheidung der Ehe jedoch allgemein für richtig
1 Themader Abteilung Zivilrecht desvom23.–29. September 2008 in Erfurt
stattfindenden Deutschen Juristentages.
2 Der Referentenentwurf zur >Änderung des Zugewinnausgleichs- und
Vormundschaftsrechts« vom 1. 11. 2007, abrufbar unter http://www.
bmj.bund.de, dort unter >Themen«, >Zivilrecht«, >Familienrecht«, >Güterrecht
«, enthält einige Änderungen von Bestimmungen, die die wertschöpfende
Beteiligung der Ehegatten nicht hinreichend ausgleichen. So
soll es nach dem Entwurf etwa zukünftig negatives Anfangsvermögen
geben. Zu dem Entwurf Koch Die geplanten Neuregelungen des Zugewinnausgleichs,
FamRZ 2008, 1124.
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gehalten. Dass Vermögen, das aufgrund der gemeinschaftlichen
Lebensleistung von den Ehepartnern erworben oder vermehrt
worden ist, geteilt wird, entspricht heutigem Gerechtigkeitsempfinden.
Es ist als Gebot der iustitia commutativa anerkannt, beim
Auseinanderlaufen von gemeinschaftlich verbunden gewesenen
Personen den in den Zeiten des Beisammenseins gemeinschaftlich
erreichten Gewinn zu teilen. Wie in jeder Personengesellschaft
hat auch in der Ehe jeder schließlich zu diesem beigetragen,
indem er die ihm zugedachten Aufgaben erledigt hat.3
Versorgungsausgleich
Ähnliche Zustimmung erfährt der bei Ende der Ehe durchzuführende
Versorgungsausgleich, mit dem die während der Ehe
erworbenen Anwartschaften und Aussichten auf Alters- und
Erwerbsunfähigkeitsversorgung geteilt werden (§§ 1587 ff.
BGB). Im Versorgungsausgleich geht es mithin, wie im Zugewinnausgleich,
um die hälftige Teilung während der Ehe angesammelten
Vermögens: Geteilt wird das Versorgungsvermögen,
das im Alter oder bei verminderter Erwerbsfähigkeit benötigt
wird. Auch diese Versorgungsanwartschaften und -aussichten
haben die Eheleute mit ihren jeweiligen, entsprechend der vereinbarten
Aufgabenteilung erbrachten Arbeiten und Leistungen
gemeinschaftlich erwirtschaftet.
Von daher wird es allgemein als angemessen und richtig
angesehen, die für den Fall des Alters und der Krankheit angesammelten
Anwartschaften und Versorgungsaussichten zu teilen
– und zwar so, dass jeder Ehegatte nach der Scheidung eigenständige,
von denen des anderen unabhängige Leistungsansprüche
gegen einen (oder auch mehrere) Versicherungsträger hat.
Unter dem Aspekt, dass diese Versorgungsansprüche der Deckung
des Lebensunterhalts dienen, hat die Teilung der Versorgungsanwartschaften
auch unterhaltsrechtliche Bedeutung. Im
Unterschied zur Versorgung durch unterhaltsrechtliche Ansprüche
aber erfolgt die Alimentation hier nicht durch den geschiedenen
Ehegatten, sondern durch den jeweiligen Versicherungsträger.
Außerdem – und das ist ein wesentlicher Unterschied –
basieren die Zahlungen auf Anteilen, die in der Vergangenheit
mit erarbeitet worden sind und werden nicht mit Einkünften
gedeckt, die von dem anderen erst nach der Scheidung erzielt
werden. Durch die von dem Versorgungsträger gewährte Altersoder
Erwerbsunfähigkeitsrente partizipiert der Ehegatte also
nicht an Einkommen, das von dem anderen überhaupt erst nach
Beendigung der Ehe erwirtschaftet wird.
Insgesamt ist der Versorgungsausgleich dem nachehelichen
Unterhaltssystem also nicht vergleichbar. Abgesehen von seiner
primären, dem Zugewinnausgleich ähnlichen Funktion sind
auch die unterhaltsrechtlichen Auswirkungen grundlegend anders
ausgestaltet als bei dem in §§ 1570 ff. BGB geregelten nachehelichen
Ehegattenunterhalt.
Die geplante >Strukturreform des Versorgungsausgleichs«4
lässt diese Teilungsgrundsätze unberührt und zielt lediglich auf
eine bessere Umsetzung. Im Wesentlichen geht es um den zeitnahen
und abschließenden Ausgleich bei Scheidung durch Realteilung
der Betriebsrenten und Zusatzversorgungen auf der
Grundlage eines Kapitalwertes. Der bislang praktizierte sog.
Einmalausgleich, der solche Versorgungen außerhalb der Regelversicherungssysteme
(gesetzliche Rentenversicherung, Beamtenversorgung
u.ä.) aufgrund der Barwertverordnung umrechnete,
hat sich nicht bewährt.5
Nachehelicher Unterhalt
Anders als im Zugewinnausgleich und im Versorgungsausgleich
geht es beim nachehelichen Unterhalt nicht um die Verteilung
von Werten, die während der Ehe erwirtschaftet worden sind,
sondern um die Partizipation an Einkommen, das erst nach
Auflösung der Ehe erzielt wird. Die Legitimation der Pflicht,
den früheren Ehepartner an Einkünften teilhaben zu lassen, die
nach Beendigung der Ehe im neu eingerichteten Leben erzielt
werden, gestaltet sich schwierig.6
Einfach und stimmig begründen lässt sich lediglich der Anspruch
auf Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Ist ein Ehegatte
wegen der Betreuung undVersorgung gemeinschaftlicher Kinder
nicht in der Lage, erwerbstätig zu sein und für seinen Lebensunterhalt
selbst aufzukommen, so muss der andere dies im
Interesse des Kindes mittragen. Mittelbar dient der Unterhaltsanspruch
aus § 1570 BGB nämlich dem Kind. Für dieses sind und
bleiben beide Elternteile verantwortlich, auch wenn sie ihre
eheliche Bindung aufgelöst haben. Insofern ist der in § 1570
BGB enthaltene Unterhaltstatbestand auch unabhängig von
der Ehe begründbar. Es ist daher konsequent, dass der Gesetzgeber
einen solchen Anspruch in gewissen Grenzen auch einem
nicht verheirateten Elternteil zugesteht, wenn dieser wegen der
Betreuung und Versorgung eines Kindes nicht berufstätig sein
kann (§ 1615 l Abs. 2 S. 2–5; Abs. 4 BGB).
Die Legitimation all der anderen Unterhaltstatbestände, die in
§§ 1571 ff. BGB geregelt sind, wurde und wird hingegen kontrovers
beurteilt, teils auch völlig in Frage gestellt – die rechtsethische
Rechtfertigung mithin schlechthin verneint.
Die nacheheliche Unterhaltspflicht mit Sanktionsgedanken
und Schadensersatzaspekten wegen schuldhafter Zerstörung der
Ehe in Zusammenhang zu bringen, verbietet sich seit der Einführung
des Zerrüttungsprinzips und der Schaffung eines verschuldensunabhängigen
Scheidungsrechts im Jahre 1977 jedenfalls
prinzipiell. Im Übrigen hatte der Strafgedanke bereits unter
der Geltung des Verschuldensscheidungsrechts als Rechtfertigung
nachehelicher Unterhaltspflichten nicht voll überzeugt.
Denn abgesehen davon, dass es Unterhaltspflichten auch bei
beidseitigem Scheidungsverschulden gab, setzten sie immer auch
Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und Bedürftigkeit des Berechtigten
voraus, also zwei Umstände, die mit Strafe und Sanktion
nichts zu tun haben.
Die Unterhaltspflicht aus dem Lebenszeitprinzip der Ehe zu
folgern und als Ausdruck nachehelicher Solidarität zu begreifen,
wie es die überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung
tut, verbietet sich von der Ausgestaltung des Scheidungsrechts
her. Zwar ist das Lebenszeitprinzip nach wie vor im BGB
verankert – nach § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB wird die Ehe >auf
Lebenszeit geschlossen«. Doch setzt das liberale Scheidungsrecht,
das die Auflösung der Ehe nach Ablauf gewisser Trennungsfristen
ohne weiteres ermöglicht – nach dreijährigem Getrenntleben
Scheidung auch gegen den Willen des anderen, mit dessen Einverständnis
schon nach einjährigem Getrenntleben – der Geltung
des Lebenszeitprinzips deutliche Grenzen. Es ist jedenfalls ein
Widerspruch, Ehegatten die juristischen Mittel an die Hand zu
geben, mit denen sie die eheliche Gemeinsamkeit jederzeit aufkündigen
können, sie dann aber nach Auflösung des Ehebandes
unterhaltsrechtlich aneinander zu binden – in der Sache lässt
3 Auch dasGutachten zur Abteilung I des 67. DJTstellt den Grundgedanken
des Zugewinnausgleichs nicht in Frage und beschränkt sich auf Vorschläge
zur Beseitigung einzelner Unstimmigkeiten bei der Durchführung,
Dethloff Gutachten A für den 67. Deutschen Juristentag, in:
Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 67. Deutschen Juristentages
Erfurt 2008, Band I Gutachten, München 2008, S. A 5 ff.
4 Entwurf der Bundesregierung v. 21. 5. 2008 (VAStrRefG).
5 Auch dasGutachten zur Abteilung I des 67. DJTstellt den Grundgedanken
des Versorgungsausgleichs nicht in Frage und beschränkt sich auf Vorschläge
zur besseren Abstimmung dieses Ausgleichs mit dem Zugewinnausgleich,
Dethloff Gutachten A für den 67. Deutschen Juristentag
(Fn. 3).
6 Zur Problematik Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht,
5.Aufl. 2006, § 30 Rdn. 1 ff., Muscheler Familienrecht, 2006, § 25
Rdn. 411 ff., Diederichsen Geschiedenenunterhalt – Überforderung
nachehelicher Solidarität?, NJW 1993, 2266; Knöpfel Gerechtigkeit
und nachehelicher Unterhalt – eine ungelöste Frage, AcP 191 (1991) 107;
van Els Nacheheliche Solidarität, FamRZ 1992, 625.
Elisabeth Koch Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich JR Heft 8/2008
311
man damit die Scheidung quoad mensam, was den Unterhaltstisch
angeht, nicht gelten. Der besser gestellte frühere Ehepartner
ist verpflichtet, den Tisch des anderen weiterhin zu decken.
Nach einer in neuerer Zeit verbreitet vertretenen Erklärung
dienen nacheheliche Unterhaltsansprüche dem Ausgleich ehebedingterNachteile.
DiesemGedankenhat der Gesetzgeber in deram
1. Januar 2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsreform zu
verstärkter Geltung verholfen – gleichwohl vermag er nicht zu
überzeugen.Unter dem AspektAusgleich ehebedingterNachteile
sind nämlich so zentrale und wesentliche Unterhaltstatbestände
wie der wegen Alters (§ 1571 BGB) und wegen Krankheit (§ 1372
BGB) nicht zu rechtfertigen. Diese setzen nämlich nach allgemeinerMeinungvonGesetzes
wegengerade nichtvoraus, dass die
wegen Krankheit oder Alters entstandene Bedürftigkeit etwas mit
der Ehe zu tun hat. Das gleiche gilt für den Erwerbslosigkeitsanspruch
aus § 1573 Abs. 1 BGB, der einem Ehegatten zusteht,
solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene
Erwerbstätigkeit zu finden vermag. Mit ehebedingtenNachteilen
ist dieser Anspruch nur inZusammenhang zu bringen,wennman
unterstellt, dass es ohne Eheschließung einen Arbeitsplatz gegeben
hätte und dieser auch erhalten geblieben wäre, ansonsten
verlagert dieser Unterhaltstatbestand lediglich das allgemeine
Arbeitsmarktrisiko auf die geschiedenen Ehegatten – in Zeiten
wirtschaftlicher Prosperität kommt er jedenfalls gar nicht zum
Tragen.
Aus dem gleichen Grunde führt es auch nicht weiter, die
Unterhaltspflichten mit der ehebedingten Bedürftigkeit zu verknüpfen.
Auch diese Begründung setzt voraus, dass die Unfähigkeit
des Ehegatten, selbst für die materielle Lebensexistenz zu
sorgen, mit der Ehe zusammenhängt. Und das ist bei den genannten
Krankheits- und Altersunterhaltstatbeständen ebenso
wenig der Fall wie beim Arbeitslosenunterhaltsanspruch. Ehebedingtheit
der Bedürftigkeit setzen diese Ansprüche nach allgemeiner
Meinung sämtlich nicht voraus.
DerVersuch, die nachehelichenUnterhaltspflichten unterdem
Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu legitimieren, vermag im
Hinblick auf die jederzeitige leichte Auflösbarkeit der Ehe durch
Scheidung ebenfalls nicht zu überzeugen. Den bedürftigen Ehegatten
auf Kosten des anderen zu schützen, weil er auf die
Umsetzung des einst gefassten, auf lebenslange Gemeinsamkeit
gerichteten Planes vertraut hat, geht nicht an, weil Vertrauensschutz
immer Vertrauendürfen voraussetzt. Im Hinblick aber auf
die leichten Scheidungsmöglichkeiten und ihre verbreitete Nutzung
im gesellschaftlichen Alltag kann heute niemand mehr als
schützenswert angesehen werden, der sich darauf verlässt, dass
gerade seine Ehe – imGegensatz zu den vielen anderen – Bestand
habenwird. Angesichts der Häufigkeit der Ehescheidungen kann
ein solches Vertrauen in juristischem Zusammenhang nicht als
berechtigt anerkannt werden.
Im Hinblick auf die Möglichkeit, die Ehe durch Scheidung
jederzeit zu beenden, überzeugt es auch nicht, nacheheliche
Unterhaltsansprüche mit dem Teilhabegedanken zu begründen
und aus einem Recht auf Teilhabe am ehelichen Lebensstandard
über das Ende der Ehe hinaus herzuleiten. Auch wenn der
erreichte Lebensstandard einst Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen
war, wird er doch jetzt von einem allein unter neuen
Bedingungen und ohne jedes Zutun des alten Partners weiter
gehalten und erwirtschaftet – warum soll dieser dann noch an
ihm partizipieren?7
Die dargestellten Schwierigkeiten beziehungsweise die Unmöglichkeit,
die im BGB statuierten nachehelichen Unterhaltsverantwortlichkeiten
der Eheleute füreinander zu rechtfertigen,
hängt mit dem herrschenden Eheverständnis zusammen. Mit der
Verdrängung der christlich geprägten Vorstellung von der Ehe als
Institution, die der Verfügbarkeit der Ehegatten grundsätzlich
entzogen ist, hat sich das Vertragsverständnis der Ehe durchgesetzt.
Die Qualifizierung der Ehe als Vertragsverhältnis hat
juristisch zur Folge, dass die eheliche Beziehung zur Disposition
der Ehepartner steht und nach ihremWillen nicht nur begonnen
wird, sondern auch beendet werden kann. Die Ehe ist zwar
insofern ein besonderer Vertrag, als sie eine Bindung hervorbringt,
die unter dem Schutz des Grundgesetzes steht (Art. 6 GG)
und nur mit staatlicher Mitwirkung, nämlich durch richterlichen
Akt, beendet werden kann (§ 1564 BGB). Das aber ändert nichts
an ihrer vertraglichen Struktur, die impliziert, dass es im Belieben
der Vertragsparteien steht, nach einer nicht allzu lange bemessenen
Trennungszeit die vertraglich begründete eheliche Gemeinsamkeit
aufzukündigen.
Und damit steht man vor dem Problem, warum der aufgelöste
und gekündigteVertrag so weitreichende und langeNachwirkungenzeitigen
soll.GewissenachvertraglichePflichten gibt eszwarin
allen rechtsgeschäftlichen Beziehungen, doch sind die nach BGB
bestehendenUnterhaltspflichten von ihrenVoraussetzungen und
Auswirkungen her mit diesen nicht vergleichbar. Als Beispiel sei
die Pflicht des Vermieters genannt, nach Beendigung des MietvertragesundAuszug
des Mieters ein Praxisschild mitHinweis auf
dessen neue Adresse eine Weile hängen zu lassen. Solche nachvertraglichen
Rücksichtspflichten tangieren die rechtliche Position
des früherenVertragspartners jedoch immer nur in gewissem
Maße und keinesfalls derart tiefgreifend, dass dessen Persönlichkeitsrechtsentfaltung
und Handlungsfreiheit, alsoPositionen, die
in Art. 2 des Grundgesetzes geschützt sind, massiv gehindert
werden. Das aber gerade geschieht durch die nachehelichen Unterhaltspflichten.
Diese beschränken die Lebensführungsmöglichkeiten
deswirtschaftlich bessergestellten Ehegatten in großem
Maße, verhindern teils neue Lebenspläne völlig. >Unterhaltsknechtschaft
«, >Leibeigenschaft«, >societas leonina«8 sind die
Vokabeln, mit denen die nacheheliche Unterhaltsbindung aus
Sicht des Verpflichteten bei gleichzeitiger Geltung eines liberalen
Scheidungsrechts unter diesem Gesichtspunkt überspitzt charakterisiert
wird.
Die nicht schlüssigen und nicht überzeugenden rechtspolitischen
und rechtsethischen Rechtfertigungsversuche nachehelicherUnterhaltssolidarität
zeigen jedenfalls, dass wirtschaftliche
Verantwortlichkeit vonEhepartnern füreinander auf der Basis des
Verständnisses und der Regelung der Ehe als Vertrag nicht zu
rechtfertigen sind. Dass nach Beendigung der Ehe in all den in
§§ 1571 ff. BGB beschriebenen Konstellationen Ansprüche auf
Teilung der Einkünfte des anderen bestehen, ist schlüssig nur zu
begründen, wenn man in der Ehe mehr sieht als einen Vertrag.
Und insofern basiert die sich in den nachehelichen Unterhaltspflichten
des BGB dokumentierende Verantwortlichkeit für die
materielle Lebensexistenz des anderen letztlich doch auf einem
institutionellen Verständnis der Ehe. Nur wenn man davon ausgeht,
dass die Ehezu einerVerantwortungsgemeinschaft führt, die
auch nach derAuflösung der vertraglichen Lebensbindung durch
Scheidung fortbesteht, sind nacheheliche unterhaltsrechtliche
Verantwortlichkeiten füreinander in all den Fällen begründbar,
in denen die Bedürftigkeit nicht aus der Betreuung gemeinsamer
Kinder resultiert. Antoine de Saint-Exupéry lässt den Fuchs in der
Unterhaltung mit demKleinen Prinzen sagen: >Du bist zeitlebens
für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast«9 – das
klingt rührend in der Geschichte und bezieht sich auf die Rose des
Prinzen, die dieser auf seinem Stern zurückgelassen hat. Die
Aussage passt aber nicht in unser heutiges Verständnis von Ehe
mitdemindividuellenRecht jedesPartners, diese zu beenden und
7 Das Gutachten zum 67. DJT problematisiert die derzeitige Regelung des
nachehelichen Unterhaltsrechts unter all diesen Aspekten und sieht sie
gerechtfertigt im Hinblick auf Ausgleich ehebedingter Nachteile, Vertrauensschutz,
Teilhabe am ehelichen Lebensstandard, Dethloff
(Fn. 3).
8 Knöpfel (Fn. 6) S. 123
9 Der Kleine Prinz, Kap. 21.
Elisabeth JR Heft 8/2008 Koch Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich
312
die Chance eines neuen Lebens in anderen Zusammenhängen zu
ergreifen – gleichwohl beruhen die geltenden Unterhaltsregeln
des BGB zu Recht auf diesem Gedanken, sind im System des
liberalen Scheidungsrechts aber schwer begründbar.
Der Deutsche Juristentag jedenfalls wird im September in
Erfurt über all diese Fragen diskutieren. Vermögensteilung im
Zugewinn und im Versorgungsausgleich, unterhaltsrechtliche
Versorgung über das Ende der Ehe hinaus – man darf gespannt
sein,wie die Teilnehmer der Tagung die Tragfähigkeit der Grundgedanken
und Prinzipien dieser Systeme beurteilen.

Ich hoffe, daß es gründlich gelesen wird. Auch von anderen außer Dir.

MfG


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