Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Stephen Biddulph - Jungen

Garfield, Friday, 31.01.2003, 14:22 (vor 7773 Tagen) @ Peter

Als Antwort auf: Re: Stephen Biddulph - Jungen von Peter am 30. Januar 2003 21:44:22:

Hallo Peter!

Du hast geschrieben:

"Du zitierst Biddulph dann weiter:

Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, Jungen Bescheidenheit und Rücksichtnahme beizubringen. Dies ist am besten zu erreichen, wenn man von ihnen verlangt, Entschuldigungen auszusprechen oder tätig Abbitte zu leisten, wenn man sie dazu anhält, anderen zu helfen und sich stets rücksichtsvoll zu verhalten. Kinder müssen ihren Platz in der Welt kennen lernen, ansonsten wird ihnen die Welt höchstwahrscheinlich eine harte Lektion erteilen.

Darin kann man etwas richtiges lesen, nämlich, dass ALLE Rücksichtnahme lernen sollten, nicht nur die Mädchen - abgesehen davon, dass man mit ständiger Entschuldigung auch nirgendswohin kommt."

Ja, auf alle Kinder bezogen finde ich diese Aussagen auch durchaus sinnvoll und richtig. Nur leider bezog sich das nur auf Jungen. Das Problem besteht ja gerade darin, daß heute von Jungen immer mehr verlangt wird, von Mädchen jedoch immer weniger. Für Mädchen gilt Rücksichtslosigkeit und Egoismus neuerdings als Zeichen von Stärke und Selbstbewußtsein. Solche negativen Eigenschaften werden ihnen also nicht nur nicht mehr aberzogen, sondern noch regelrecht nahegelegt. Das spiegelt sich auch in der Tatsache wieder, daß Worte, die eigentlich Frauen gegenüber als Schimpfworte gebraucht werden, wie z.B. Schlampe oder Zicke, von jungen Mädchen heute stolz wie Ehrentitel auf T-Shirts herumgetragen werden.

Man hört dazu oft die Aussage, daß es ja früher angeblich umgekehrt gewesen wäre, daß sich da also die Jungen alles erlauben durften, während die Mädchen immer brav und lieb zu sein hatten. Selbst wenn es so gewesen wäre, wäre das aber auch keine Entschuldigung dafür, Mädchen heute zu negativen Verhaltensweisen zu erziehen, die auch ihnen selbst langfristig
nur schaden.

Außerdem war es nicht so. Früher war die Erziehung allgemein strenger, und auch Jungen konnten nicht machen, was sie wollten. Es wäre früher undenkbar gewesen, einen Jungen dazu zu erziehen, daß Gewalt gegen Mädchen schon okay und sogar lustig ist. Mädchen bzw. Frauen werden heute aber genauso erzogen. Wie sonst ist es zu erklären, daß Frauen sich einander Videos zuschicken, in denen Frauen Gewalt gegen Männer ausüben, und daß sie das teilweise auch noch urkomisch finden? Vor 100 Jahren wäre es undenkbar gewesen, daß Jungen in der Schule Fotos oder Zeichnungen tauschen, auf denen Männer abgebildet sind, die Frauen zusammen prügeln, und daß sie über solche Abbildungen auch noch lachen.

Es ist richtig, daß Mädchen früher dem gerade üblichen Rollenbild entsprechend erzogen wurden. Was aber gern übersehen wird, ist, daß es Jungen ganz genauso erging. Heute wird versucht, die Mädchen von ihrem typischen Rollenbild wegzubewegen, während die Rollenbilder für Jungen noch genauso starr sind wie vor 100 Jahren. Zwar wird versucht, auch die Jungen von ihrem Rollenbild abzubringen. Während Mädchen, die nicht dem alterhergebrachten Rollenbild entsprechen, heute weitgehend akzeptiert werden, ist jedoch die Akzeptanz für Jungen, die sich nicht ihrem alten Rollenbild entsprechend verhalten, real immer noch sehr niedrig. So geraten Jungen immer wieder in die Situation, es niemandem recht machen zu können. Folgen sie den Ratschlägen von Pädagogen und Eltern, werden sie zwar von ihnen gelobt, von den Mädchen aber als Schlaffis betrachtet und zumeist links liegen gelassen. Widersetzen sie sich allen Versuchen, sie von dem althergebrachten Männerbild abzubringen, sind sie bei den Mädchen erfolgreicher, ecken aber bei Pädagogen und Eltern immer wieder an.

DAS ist meiner Meinung nach das zentrale Problem bei der Erziehung von Jungen. Dieses Problem haben Mädchen so nicht, denn Frauen haben heutzutage grundsätzlich die freie Wahl zwischen allen denkbaren Lebensalternativen und werden in jedem Fall von der Gesellschaft akzeptiert. Das funktioniert für sie aber eben nur, solange die Männer weiterhin auf ihre alte Rolle als Ernährer festgelegt sind. Folglich bleibt den Jungen - wenn sie eine feste Partnerin haben möchten - eben nur die Möglichkeit, sich an ihr althergebrachtes Rollenbild zu halten und alle Versuche, sie davon abzubringen, möglichst zu ignorieren.

Ich habe das Buch von Biddulph zwar nicht gelesen, aber den Zitaten nach zu urteilen vermute ich mal, daß er diese Problematik gar nicht oder nur am Rande erwähnt hat. Es wäre natürlich auch politisch/sexuell unkorrekt gewesen, dieses Problem anzusprechen. Deshalb taucht es ja auch in der öffentlichen Diskussion zum Thema Jungenerziehung kaum auf.

Problematisch ist eben, daß sämtliche Umerziehungsversuche zwecks Verbesserung der Menschheit in den letzten Jahrzehnten immer nur bei Jungen und Männern angesetzt haben. Folglich hat es nur bei ihnen einen Umdenkprozeß gegeben, was nun bewirkt, daß die Mehrheit der Männer Frauen in allen denkbaren Rollen akzeptiert. Bei den Frauen hat es solch einen Umdenkprozeß in Bezug auf Männer niemals gegeben, weil er einfach nie so vehement von ihnen verlangt wurde. Zwar kommt heute öfter mal die Aussage, daß Hausmänner ja soooo fortschrittlich wären, und viele Frauen sagen mittlerweile auch schon, daß sie es gut finden, wenn ein Mann Hausmann ist - nur der eigene Partner soll dann bitteschön nicht auf die Idee kommen, Hausmann zu werden und ihr damit die Allein-Ernährer-Rolle zuzuweisen... Es ist kein Zufall, daß viele Paare sich genau dann trennen, wenn der männliche Partner mal längere Zeit arbeitslos ist.

Problematisch ist auch, daß viele Frauen offenbar selbst nicht wissen, welchen Typ Mann sie eigentlich bevorzugen. Zum einen ist da die gesellschaftliche Erziehung. Die trichtert uns heute ein, daß die Frau das Maß aller Dinge ist. Der weibliche Körper gilt ohnehin als Schönheitsideal, und neuerdings kriegen wir ja auch immer wieder zu hören, wie überlegen Frauen doch angeblich auch geistig und psychisch wären. Andererseits sind da aber auch die uralten Instinkte, die dafür sorgen, daß sich Frauen perfekte Ernährer und Beschützer wünschen. Dafür halten sie dann aber instinktiv genau die Männer, die dem von der Gesellschaft heute propagierten weiblich geprägten Idealbild eben nicht entsprechen.

Man hat das sogar mal getestet. Man setzte Frauen an Computer mit einem Gesichts-Veränderungs-Programm. Dort konnten sie Fotos von Männern so verändern, daß sie ihnen attraktiver erschienen. Es wurden immer zwei Testgruppen gebildet: Die Frauen in der einen Gruppe hatten gerade ihren Eisprung, die Frauen in der anderen Gruppe nicht. Und siehe da: Während die Frauen in der Eisprung-Phase sich immer Traummann-Gesichter bastelten, die besonders männlich aussahen, bauten sich die Frauen außerhalb der Eisprung-Phase Traummänner mit eher weiblichem Aussehen zusammen.

Während des Eisprungs wirken die Instinkte also stärker und bewirken, daß Frauen sich männlich aussehende Partner wünschen. Außerhalb des Eisprungs dagegen überwiegt der Einfluß der gesellschaftlichen Erziehung, so daß Frauen sich dann auf einmal eher weibliche Männer wünschen. Ganz ähnlich dürfte das in Bezug auf den Charakter der Männer aussehen.

Somit ist dann auch ganz klar, wieso Männer es Frauen heute eigentlich nie recht machen können, und auch das Dilemma der Jungen findet hier seine Erklärung. Männer hetzen den Wünschen der Frauen bereitwillig hinterher, nur um dann immer wieder festzustellen, daß sie sich mittlerweile schon wieder geändert haben. Es ist wie in dem Märchen von Hase und Igel: Wo auch immer der Hase ankommt - der Igel ist immer schon da...

Natürlich bemühen sich Frauen und Mädchen umgekehrt genauso darum, den Wünschen von Männern und Jungen zu entsprechen. Nur ist es da dann so, daß die instinktiven Wünsche der Männer und das von der Gesellschaft propagierte Frauenbild sich nicht so sehr unterscheiden. Außerdem gibt es ja heute für Frauen gar nicht mehr DAS Rollenbild, sondern Frauen haben ja mehrere Rollenbilder zur Auswahl, die allesamt akzeptiert werden. So findet fast jeder Mann ein Frauenbild, daß auch in etwa seinen instinktiven Wünschen entspricht und schwankt dann also nicht immer hin und her.

Für die Männer gibt es da nur einen Ausweg: Eben nicht mehr jedem weiblichen Wunsch hinterher zu hetzen. Nur wie soll einem Jungen, der kaum Lebenserfahrung hat und gerade mitten in der Pubertät steckt, das klar werden, wenn er obendrein noch von überallher kontraproduktive Ratschläge bekommt?

Und genau das Thema vermisse ich eben in Büchern zur Jungen-Erziehung.

Freundliche Grüße
von Garfield



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