Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Ein Linker versucht sich am Maskulismus (Bildung)

Manifold ⌂, Tuesday, 24.04.2012, 00:49 (vor 4392 Tagen)

Gerade habe ich auf Cuncti ein etwas wirres Interview mit dem Titel "Der wahre Maskulismus kann nur links sein" gelesen. Ich habe zwar leider nicht die Zeit, ausführlich darauf einzugehen, genauso wenig wie ich mich gerade auch nicht um dieses Manifest eines "linken Maskulismus" kümmern kann, da ich momentan mit relevanteren Themen beschäftigt bin. Nichtsdestotrotz möchte ich auf zwei Standpunkte aus diesem Interview reagieren.

So meinte der linke "Maskulist", dass die Äusserung "wahre Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung" nicht maskulistisch sein könne:

"Die Forderung nach "wahrer Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung" ist nicht maskulistisch, da sie keine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern trifft."

Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe den Satz drei Mal gelesen und den Kontext mehrfach überprüft, der linke "Maskulist" sieht die Forderung nach wahrer Gleichberechtigung mitsamt Gleichverpflichtung tatsächlich nur deshalb nicht als maskulistisch an, weil sie nicht zwischen den Geschlechtern unterscheidet ...

Ich dachte ja persönlich immer, dass sich Männerrechtler immer an der einseitigen, feministischen Interpretation der Gleichberechtigung, die daraus erwachsende Privilegierung der Frauen und die Ignoranz von Männerdiskriminierung stören würden. Aber nun höre ich von einem linken "Maskulist", dass wahre Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung - also die konsequente Absage an rechtlicher Privilegierung des einen Geschlechts auf Kosten des anderen und damit DAS Mittel zur Bekämfung von Frauenbegünstigung und Männerdiskriminierung und somit die Stärkung des Maskulinen - doch tatsächlich nicht maskulistisch sei.

Gerne würde ich von diesem linken "Maskulisten" wissen, wie er sich denn die Bekämpfung von Männerdiskriminierung und Frauenprivilegierung vorstellt, so ganz ohne einen geschlechterunabhängigen Massstab, welcher von allen Menschen gleiche Rechte für gleiche Pflichten verlangt? Wie soll man denn Frauenprivilegierung und Männerdiskriminierung als Unrecht entlarven können und dadurch den Weg zu Männerrechten öffnen, wenn nicht an einem neuen Ideal, welches konsequente Gleichberechtigung unabhängig vom Geschlecht verlangt und deshalb nicht zwischen den Geschlechtern unterscheidet?

Wird der linke "Maskulist" bei den Feministen betteln, dass sie ihn doch endlich erhören mögen? Wird er die linken Parteien, welche die menschliche Gesellschaft durch die Überwindung der männlichen erreichen möchten (wie die SPD) oder welche ausdrücklich erklären, dass die Abschaffung von Männerdiskriminierung nicht ihr Wille sei (wie die deutschen Grünen), darum bitten, Männer doch bitte genauso zu privilegieren wie Frauen?

Das ist ja gerade das revolutionäre, das geradezu bahnbrechende am Maskulismus - dass er das Ausmass an Gleichberechtigung nicht am Geschlecht des Empfängers bindet, sondern unabhängig davon allen Menschen die gleichen Rechte zu gleichen Pflichten ermöglicht. Gerade das lehrt uns ja die vierzigjährige Geschichte des Feminismus - dass wir von der geschlechterfixierten Politik weg kommen müssen, hin zu einem geschlechterunabhängigen Verständnis von Gleichberechtigung!

In diesem Sinne ist also gerade das Pochen auf eine geschlechterneutrale Interpretation der Gleichberechtigung als gleiche Rechte und Pflichten für alle eine zutiefst maskulistische Forderung, weil nur diese eine Forderung uns erlaubt, Frauenprivilegierung und Männebenachteiligung zu erst zu entlarven und anschliessend zu bekämpfen. Ironischerweise erlaubt auch gerade diese Forderung, zwischen den Geschlechtern zu unterscheiden - denn bisher werden Männer in Sachen Gleichberechtigung lediglich als Täter und Sündenbock im festen Bezug auf das Opfer Frau wahrgenommen, während durch diese Forderung Männer plötzlich in diesem Bereich als Individuen sichtbar und losgelöst vom ewigen Frauenopfer als echte Menschen mit Würde unterschieden werden können. Wahre Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung für beide Geschlechter erlaubt uns also erst, Männer losgelöst von Frauen sehen!

Aber was weiss ich schon - der wahre Maskulismus ist ja schliesslich links ...

Noch amüsanter wird der linke "Maskulist" hingegen weiter unten im Text, als er sich doch tatsächlich nach einer "maskulistischen Utopie" sehnt:

"Der Linke träumt von der klassenlosen Gesellschaft, der Braune vom Rassenstaat, der Gender-Feminist von einer Gesellschaft ohne dominierender Zweigeschlechtlichkeit (das ist krass!), aber der Maskulist? Es gibt keine maskulistische Utopie. [...] Irgendeine Altfeministin [er meint Gloria Steinem, eine notorische Männerhasserin] legte mal den Eid ab, dass der Feminismus auch den Mann befreien würde. [...] Nach allem ausgeführten muss eine maskulistische Utopie genau bei dieser Erkenntnis ansetzen: Der Mann ist verurteilt zu Armut oder Arbeit. Das ist ein linker Ansatz. Rotzfrech: Wahrer Maskulismus kann nur links sein. Eine entsprechende Utopie wurde bereits vorgeschlagen von – Ehrenrettung! – einer Frau."

Nicht nur, dass sich ein "Maskulist" hier tatsächlich auf eine Feministin beruft, um eine maskulistische Idealgesellschaft herzuleiten, nein, nur schon die Idee einer maskulistischen Utopie an sich ist unsinnig, wie Savvakis vor einigen Jahren schon schrieb:

"1. In der Unmittelbarkeit und Übereinstimmung seiner Inhalte und Zielsetzungen gegenüber der gesellschaftshistorischen Kontinuität: Die gesellschaftshistorischen Entwicklungen, in welchen sich das Verhältnis der Geschlechter entfaltete, werden im Maskulismus nicht als ein Konstrukt abgetan, mit dem sich der Mensch - im krassen Fall jahrtausendelang - selbst unterschlug, sondern als evolvierender historischer Sachverhalt, als Prozeß also, der keinen Sprung zu seiner Weiterentwicklung benötigt, sondern einen unter weiterem Einsatz der in eben diesem Prozeß erworbenen Bewußtheit und Vernunft fortschreitenden Gang. Da so der Maskulismus keine alternative Welt voransetzt, die erst ideell erstellt und politisch durchgesetzt werden müßte, sondern ausdrücklich zur Zurücknahme solcher politischer Ambitionen und Techniken aufruft, kann er auch keine Ideologie gebrauchen, geschweige denn selbst eine sein."

Savvakis wird wohl nicht ohne Grund dies als erste These des Maskulismus formuliert haben, wenn es ihm damit nicht besonders ernst gewesen wäre. Ausdrücklich warnt er uns Maskulisten hier davor, eine romantisch verklärte, idealistische Welt in unseren Träumen zu kreieren, denn zu viele Ideologien taten in den letzten 100 Jahren genau dies - sie träumten von einem Paradies auf Erden, zu dessen Glück die Menschen mit Umerziehung und Zwang hingetrieben werden mussten. Genau so verendete der Feminismus, so dass wir uns heute mit einem umerzieherischen Staatsfeminismus herumplagen müssen, welcher uns ins Genderparadies befördern möchte.

Doch gerade weil Savvakis nicht wollte, dass der Maskulismus das gleiche Schicksal ereilt, schiebt er bereits in seiner ersten These diesem utopistischen Wahnsinn einen starken Riegel vor, indem er auf die Beibehaltung der gesellschaftshistorischen Kontinuität ohne Brüche pocht. Gerade deshalb erstaunt auch die Utopiensehnsucht des linken "Maskulisten" - schliesslich scheint er Savvakis Texte zu kennen, wie man an einer früheren Stelle im Interview sieht, denn er zitiert ihn.

Aber was weiss der grosse Maskulist Savvakis schon vom Maskulismus - der wahre Maskulismus kann ja schliesslich nur links sein ...

http://sonsofperseus.blogspot.com/2012/04/ein-linker-versucht-sich-am-maskulismus.html

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"Zur Durchführung seines Zieles erachtet der Maskulismus [...] als aufrichtig und sinnvoll: [...] das ursprüngliche Anliegen einer wirklichen Gleichberechtigung beider Geschlechter." - Michail A. Savvakis


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