Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Nachkriegsfamilien, Alt-68er und Vorkriegsfrauen (Allgemein)

Toxido, Monday, 30.07.2007, 01:12 (vor 6125 Tagen) @ Flint

Der Artikel - gerade bei Arne Hoffmanns Genderama thematisiert - ist lief schon mal durch diese Forenwelt, ist aber immer wieder lesenwert. Denn man liest ja sonst mehr von problematischen Nachkriegsfamilien, in denen plötzlich der Vater aus der Gefangenschaft heimkehrt, nichts falsch gemacht und vor allem keinen Krieg verloren hat und seine Autorität mit übertriebener Strenge wieder herzustellen versucht. Dabei bleibt die Rolle der Frau meist unterbeleuchtet bzw. sie wird zum lebenslang leidenden Opfer stilisiert. Hier aber lesen wir von einem, der gebrochen und mit erloschenem Selbstbehauptungstrieb zurückkehrt und für diese Schwäche von seiner Frau per Scheidung verbannt wird. Was in anderen Nachkriegsfamilien unter der Oberfläche brodelte (so einiges), was davon auf weibliche Enttäuschung über Kriegsverlierer zurückgeht, ist eine Frage, um die jedenfalls mich der Artikel bereichert hat.

Überrascht hat mich erstens die vorfeministische, unverhohlene Wut über "die Männer", die die Frauen eint. Zweitens der späte, aber radikale Lernprozess des inzwischen wohl fast im Rentenalter angekommenen Sohnes, der in seiner Jugend nur von Frauen erzogen wurde und deren "Wahrheiten" Zeit seines Arbeitslebens nicht hinterfragt hat.

Erst jetzt vollzieht der Autor eine Neubewertung seiner Familiengeschichte und der Frauen überhaupt. Ein intellektuelles Glanzstück ist das nicht - es bestätigt alle Vorbehalte gegenüber 68ern und ihren Denkversuchen in historisch-politischen-gesellschaftlich-moralischen Kategorien: Den Feminismus hat ausgerechnet Hitler vorausgesehen und in seiner Nero-Haltung begrüßt, der Feminismus erklärt sich aus deutschen, enttäuschten Siegerinnenträumen, ein Zitat aus dem Buch einer "Anonyma" (über deren Echtheit spekuliert wird) soll diese These stützen (weil es den Autor an seine Jugend erinnert).

Am Ende stehen Schmerz, eine neue Ehrlichkeit, aber noch kein festes Ergebnis - einerseits spürt man seine Wut auf Mutter und Feminismus, andererseits vollzieht er vor letzterem doch noch den Kotau (Männer müssen sich ändern etc.). Im Grunde geht es ihm um seinen Vater, der Selbstmord verübte, weil seine Frau ihn verstoßen hatte, als er aus dem Krieg zurückkam. Aber wie kam er überhaupt erst in den Krieg? Zur weiteren Lektüre empfehle ich "Die brennende Lampe" (1931) von Kurt Tucholsky.


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