Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Ingenieursmangel: Sag mir, wo die Tüftler sind

Garfield, Wednesday, 07.06.2006, 12:44 (vor 6562 Tagen) @ Christine

Hallo Christine!

Ja, die schlechten Kenntnisse der Schulabgänger auf dem Gebiet der Mathematik und auch in den Naturwissenschaften sind ein echtes Problem. Das stellen nicht nur Unternehmen fest, die Ingenieure suchen, sondern auch schon Einzelhändler, die ihren Azubis dann erst einmal einfache Dreisatz-Rechnung beibringen müssen. Das ist offensichtlich eine Folge der "Feminisierung" des Unterrichts.

Es sind jedoch nicht alle Schulabgänger so miserabel. Es gibt zusätzlich noch das Problem der mangelnden Flexibilität deutscher Unternehmen. Die haben sich in den vergangenen Jahrzehnten nämlich daran gewöhnt, die miese Situation auf dem Arbeitsmarkt auszunutzen, um immer höhere Anforderungen an Stellenbewerber zu stellen. Da ist man oft nicht mehr bereit, mal einen Quereinsteiger einzuarbeiten, sondern man erwartet den perfekten Bewerber mit dem exakt passenden Zeugnis oder Diplom, mit jahrelanger Berufserfahrung exakt im geforderten Bereich, und natürlich darf er auch nicht zu alt sein. Ideal ist ein Alter von 25, kombiniert mit 50 Jahren Berufserfahrung.

Wenn man so hohe Ansprüche stellt, dann findet man natürlich kaum geeignete Bewerber. Wenn man Stellenanzeigen dann auch noch entsprechend formuliert, da also auch von vorneherein die Meßlatte sehr hoch legt und klarstellt, daß man nicht bereit ist, jemanden einzuarbeiten, der noch nicht alle erforderlichen Erfahrungen und Kenntnisse hat, dann schreckt das auch noch viele potenzielle Bewerber ab. Denn die Bewerbungsunterlagen müssen ja heutzutage natürlich auch perfekt sein, und damit werden sie auch immer teurer. Ein Foto aus dem Automaten reicht dann nicht mehr, sondern es muß ein Paßfoto vom Fotografen sein usw. Oft bekommt man die Unterlagen bei Ablehnungen nicht zurück, oder sie werden beim Versand so demoliert, daß sie nicht mehr verwendbar sind. Viele Erwerbslose können sich deshalb keine Bewerbungen mit schlechten Erfolgsaussichten mehr leisten, denn das mit der Kostenerstattung durch das Arbeitsamt funktioniert auch nicht immer. Also überlegt man es sich dann gut, ob man auf eine Anzeige antwortet, wenn man weiß, daß man nicht alle dort genannten Bedingungen erfüllt.

Wenn man nun darüber jammert, daß jemand ein ganz oder fast abbezahltes Haus, das im Alter die Miete erspart, nicht verkaufen will, um von Süddeutschland in den Norden zu ziehen, dann ändert man daran wohl kaum etwas.

Wir haben mittlerweile auch genügend arbeitslose Ingenieure und sonstige Fachkräfte. Das ist nicht das Problem. Das Problem besteht eben darin, daß im Zeitalter der Globalisierung die Unternehmen immer leichter auch im Ausland Fachkräfte finden können, daß sich so ihre Auswahlmöglichkeiten deutlich erhöhen und daß sie so ihre Ansprüche natürlich noch höher schrauben.

Dazu kommt noch, daß man heute oft gar nicht mehr langfristig voraus plant, sondern daß vieles immer schneller und kurzfristiger abläuft. Wenn man nun beispielsweise ein Projekt hat, das nur 3 Monate läuft, dann hat man gar nicht die Möglichkeit, jemanden dort einzuarbeiten. Dann braucht man tatsächlich sofort den perfekten Experten - aber den findet man eben nur mit viel Glück direkt nebenan.

Freundliche Grüße
von Garfield


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