Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Von der sittlichen Verpflichtung zum Faustrecht

Christine ⌂, Saturday, 02.01.2010, 15:54 (vor 5200 Tagen)

Anmerkung: Da Holger den 1. Teil und den 2. Teil hier komplett eingestellt und beim 3. Teil nur eine Verlinkung vorgenommen hatte, stelle ich den Text des 3. Teils hier komplett ein. Ein weiterer Grund ist für mich, das ich die Arbeit und Mühe von Holger noch einmal hervor heben möchte, weil fundamentale Ereignisse zum Unterhaltsrecht klar benannt werden.

Nun aber zu Holgers Beitrag.
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Teil 3

Es quält mich über die Maßen, diese Ungeheuerlichkeit entfacht in mir Heine'sche Befindlichkeit: 'Denk ich an Deutschland in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht'.
So musst ich denn noch fortsetzen vor Weihnacht:

Frauenbevorzugung selbst um den Preis der Rechtsbeugung, wie wenige Zeilen zuvor angeprangert- selbstverständlich habe ich Belege. Die regierungsamtlichen Agitpropmeldungen der Siebziger sind natürlich heute nicht mehr in Erinnerung, haben aber ihr Echo gefunden im juristischen Schrifttum:
Deubner, ZRP 1972, 153f; Cuny S 61f; Schuhmacher ZfS 1976, 641; Diederichsen NJW 1977, 73f; dto 353; Holzhauer JZ 1977 73; Müller-Freienfels in FS für Beitzke S. 311f; Willutzki, Brühler Schriften Bd 3, S. 15f, Dieckmann, FamRZ 1977, 81f; Engelhardt, FamRZ 1985, 433f; Gernhuber/Coester- Waltjen, § 27 II 1, S. 315, zitiert nach Metz.

Metz S 239 : 'Aufgrund dieser Erkenntnisse hinterlässt das bestehende Unterhaltsrecht den Eindruck, dass die an der Entstehung des 1. EheRG und des UändG beteiligten Personen sich so sehr auf das erklärte rechtspolitische Ziel des 1. EheRG- die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Frau- konzentriert haben, dass sie dabei sämtliche, bereits seinerzeit geäußerten Bedenken bezüglich etwaiger Systembrüche und einer fehlenden Legitimation letztlich "über Bord warfen". Sofern das Unterhaltsrecht nach der gesetzlichen Konzeption dem bedürftigen Ehegatten grundsätzlich das 'Erfüllungsinteresse' gewährt, beruht dieser Unterhaltsmaßstab nicht auf einer rechtsethischen Rechtfertigung, die die wirtschaftlichen Interessen beider Ehegatten berücksichtigt, sondern ist letztlich als eine sozialpolitisch motivierte Billigkeit zum Schutze der geschiedenen Frau zu bezeichnen'.

Ich formuliere es mal etwas lebensnaher:
Aus einer linken Zeitgeist- Strömung heraus etablierte sich linke Politik seit der Großen Koalition 1966 auch parlamentarisch. Eng mit ihr verknüpft war ein fanatischer Feminimus, der die Frau insbesondere im alten Scheidungsrecht grob benachteiligt sah, obwohl Schuldscheidungen mehrheitlich Männer betrafen. Der Forderung nach leichter Auflösbarkeit der Ehe wurde mit der anstehenden Reform voll entsprochen und Männer, denen die Schuld am Scheitern von Ehen generell unterstellt wurde, in Haftung genommen zur unbefristeten Alimentation ihrer Exen.
Für ein derartig umfassendes und in die unmittelbarsten Lebensbereiche eines jeden eingreifendes Gesetzeswerk wurden bei der Suche nach einer Legitimation alle gesellschaftlich relevanten Gruppen, also auch die Kirchen eingespannt. Ich will hier ein erschütterndes Dokument zitieren, das- retrospektiv betrachtet- wie ein Fanal des Niedergangs besonders der mittlerweile offen feministischen EKD wirkt.

Die im November 1969 erschienene Denkschrift der Familienrechtskommission der EKD mit dem Titel 'Zur Reform des Ehescheidungsrechts in Deutschland', ein Auszug:
Vergebung kann nicht empfangen werden, ohne dass sie weitergegeben wird. Das gilt auch für die Beziehung zwischen geschiedenen Ehepartnern. Nichts kann ihren gemeinsam zurückgelegten Weg nachträglich auslöschen, auch nicht eine Scheidung. Der eine bleibt ein Teil der Lebensgeschichte des anderen. Das begründet ihre auch nach der Scheidung fortdauernde Verantwortung füreinander…
Ein Scheidungsrecht ohne
...Schuldspruch wird auch in Zukunft die Frage der Verantwortung nicht unberücksichtigt lassen können, soweit es sich um die Regelung dieser Folgeprobleme handelt. Dabei wird weniger auf die Verantwortung an dem Scheitern der Ehe gesehen werden müssen, mehr hingegen auf die fortwirkende Verantwortung füreinander, die in dem bisherigen gemeinsamen Leben begründet ist.

Das war die Geburtsstunde des Schlagwortes von der 'nachehelichen Solidarität', die fortan der Begründung exzessiver Unterhaltsansprüche bis zum heutigen Tage dienen sollte! Unverfrorener konnte man es nicht zum Ausdruck bringen: es sollte nicht auf die Verantwortung für das Scheitern einer Ehe ankommen, sondern die danach! Friedenberger S. 128: 'Zieht man den salbungsvollen Gehalt der Wortwahl ab, bleibt im Klartext: Wer sich einmal einen gutmütigen Trottel angelacht hat, soll ihn ein Leben lang ausbeuten dürfen- auch wenn frau selbst die Eheauflösung zu verantworten hat'... Verantwortung in der Ehe ist nicht mehr wichtig, sondern erst hinterher.

'Bis zum BVerfG verschloß man die Augen davor, dass das Schlagwort von der nachehelichen Solidarität/Verantwortung doch schon begrifflich nicht zur Zerrüttungsscheidung passt. Es fordert doch die Prüfung der Verantwortlichkeit in der Ehe selbst geradezu heraus! Wenn einerseits in der die Scheidung auslösenden Ehezerrüttung stets nur 'schicksalhafter Verschleiß' gesehen wird und damit persönliche Verantwortung weitgehend in Abrede gestellt wird, so kann sie doch nicht für die Zeit nach der Ehe wieder hervorgeholt werden in der Form, dass dann Unterhaltserwartungen auf Lebenszeit erfüllt werden sollen'...
Das 1. EheRG verlangt in weiten Bereichen einseitige Solidarität ohne legitimierenden Rechtsgrund. Damit schränkt es das Grundrecht eines geschiedenen Gatten auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) unzulässig ein'.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Eine noch unrühmlichere Rolle spielte übrigens die Laienspielschar des 'Zentralkommittee der deutschen Katholiken'. Die 'Arbeitsgemeinschaft der katholischen deutschen Frauen' setzte darin durch (Bad Honnef 1970, zitiert nach Friedenberger S 129):

Aus der nach der Scheidung fortdauernden Verantwortung der Ehegatten folgt, dass der Unterhaltsanspruch des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten nicht Ausnahme sein darf, sondern die Regel darstellen muß.

Unseren wackeren katholischen Frauen, ganz furchtbar unterdrückt in der Kirche-Kinder-Küche- Fron dürfen wir natürlich hinterhältiges Kalkül unterstellen- nicht nur absahnen zu können, wenn sie verlassen würden, sondern sie erhofften auch eine abschreckende Wirkung des Gesetzes auf scheidungswillige Männer wie übrigens große Teile der seinerzeit noch konservativen und sich in der Opposition befindenden Union auch.

An dieser Stelle muß ich mal eine Lanze brechen für Juristen:
Sowohl im Vorfeld der Reform als auch danach, ja bis jetzt wird im Schrifttum nahezu einhellig die fehlende rechtliche Legitimation des Unterhaltsrechts kritisiert und Veränderung gefordert. Dies schert aber die Politos einen Scheißdreck, solange sie die Obergerichte okkupieren können mit ihren Schergen.
Man mache sich klar: ein im Grunde verfassungswidriges Gesetzeswerk hält sich mühelos nunmehr 30 Jahre mit einer Handvoll ihren Herrn treu ergebenen Parteigängern an den Obergerichten. Es braucht also noch nicht mal eine Diktatur, um im Recht, dem gewiss bedeutendsten Teil eines Staatswesens schalten und walten zu können, wie man lustig ist!

Nochmals abschließend Friedenberger zur Begründung der Nichtverantwortlichkeit im 1. EheRG:

‚Mit als Erstes wurde die Königsidee geboren, zu behaupten, eheliches Verhalten entziehe sich gerichtlicher Aufklärung und Bewertung. Stellvertretend auch für andere mehr oder weniger kunstvolle Beschreibungsversuche dieser These möchte ich aus den Begründungsmaterialien des 1. EheRG zitieren:

Die Zerrüttung einer Ehe ist in der Mehrzahl der Fälle eine längere Zeit währender Prozeß, in dem die Beziehungen zwischen den Ehegatten sich in steigerndem Maße so verschlechtern, dass die eheliche Lebensgemeinschaft schließlich zerstört wird.Die Gründe für diese Entwicklung der Ehe sind überaus vielgestaltig und bilden häufig ein unentwirrbares Geflecht.Sie liegen nicht nur in schuldhaften Eheverfehlungen. Sie sind auch zu suchen in Anlässen und Umständen, die von dem Verhalten der Ehepartner unabhängig, von ihren Lebensumständen und Lebensverhältnissen bestimmt oder schicksalsbedingt sind.

Dieses Soziologen-Gestammel () disqualifiziert sich zunächst schon aus dem eigenen Sprachgebrauch heraus als Grundlage für eine durchgehende Rechtfertigung der Schuldlosscheidung. Selbst wenn, wie behauptet, die 'Mehrzahl' der Fälle so gelagert wäre, bliebe eine 'Minderzahl' (wie groß soll der Anteil sein?), in denen es nicht so ist. Auch wenn weiter die Gründe für die Ehezerrüttung 'häufig' ein unentwirrbares Geflecht bilden würden, wäre das wiederum weniger häufig eben doch nicht der Fall. Liegen 'nicht nur' schuldhafte Eheverfehlungen vor, lautet der logische Umkehrschluß, dass dies jedoch meist so ist. Schon bis hierhin bleibt also völlig unverständlich, wie derartige Einlassungen von den Verantwortlichen in Gesetzgebung und Rechtsprechung als generalisierendes Prinzip für eine völlige Umkrempelung eines der bedeutendsten Lebens- und Rechtsbereiche hingenommen werden konnten. Darüber hinaus hätte natürlich gefragt werden müssen, ob die Behauptungen überhaupt mit der Lebenswirklichkeit übereinstimmen. Wie ich schon ausführte, spricht gerade die Scheidungspraxis des früheren Rechts nicht dafür: die Eheleute waren sich in der großen Mehrzahl der Fälle (und nicht umgekehrt) der Zurechnung der Zerrüttungsschuld wohl bewusst, ebenso gingen sie meist von gerichtlicher Nachprüfbarkeit aus. Andernfalls wäre es in Anbetracht der Bedeutung des Verschuldens für die Folgeregelungen (Kindeszuspruch, Unterhalt) wesentlich häufiger als nur in etwa 15% zu Streitscheidungen gekommen.
Dieses möglichst alles einebnende, persönliche Verantwortung verniedlichende Gelaber nach dem Motto 'es sind immer beide schuld' hat also nicht viel mit den Lebenstatsachen zu tun. Zum Gelingen einer Ehe müssen zwar beide Partner beitragen, für ihre Zerstörung jedoch reicht einer aus.

--
Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein


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