Auch darum brauchen wir eine Männerbewegung
Ich habe das von Hannibal angeführte Zitat Waris Diries einmal gegengecheckt. Es ist in der Tat korrekt (Seite 346 der Taschenbuchausgabe). Ich zitiere noch einmal einen der zentralen Sätze: "Vielleicht sollten die Frauen den Männern die Eier abschneiden, damit auf der Erde wieder ein Paradies entstehen kann." Eine Person, die dieses Menschenbild vertritt, ist tatsächlich UNO-Sonderbotschafterin. Man sollte es nicht für möglich halten.
Aber stop, einen kleinen Augenblick. Was ist das, nicht mal eine Seite später? Da redet Dirie von ihren eigenen Eltern, die für ihre Beschneidung verantwortlich waren, und spricht sie weitgehend frei von Schuld. Unter anderem schreibt sie: "Mein Vater hatte keinerlei Vorstellung von dem Leiden, das er mir damit zufügte." Beide, Mutter wie Vater, wollten lediglich den Vorgaben ihrer Kultur gerecht werden. (Diese Passage hat Hannibal in seinem Posting über "Das Böse im Mann" weggelassen, naja gut, diffamieren und differenzieren geht auch nicht gut zusammen ...)
Wir haben bei Waris Dirie also den typischen Fall, wenn es um Vorurteile und Hassgefühle gegen eine Bevölkerungsgruppe geht: Gehasst wird diese Gruppe oft nur als mehr oder weniger abstraktes, entindividualisiertes Kollektiv. Sobald dieses Kollektiv Gesicht gewinnt, insbesondere in Personen des privaten und vertrauten Umfelds, lässt sich der Hass häufig nur schwer aufrechterhalten. Man kennt das ja auch von manchem Rechtsradikalen: "Die Ausländer sind Deutschlands Unglück, obwohl: der Italiener von gegenüber ist eigentlich ganz nett." Der gilt dann als Ausnahme.
Überraschenderweise (?) gibt es den selben Mechanismus auch, was die Männerfeindlichkeit von Frauen angeht. Das illustriert ein Beitrag aus dem Wissenschaftsmagazin GEO, Nr. 26/2000 ("Frau und Mann, alte Mythen, neue Rollen"): Eine repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach sollte das bei Deutschlands Frauen vorherrschende Männerbild ermitteln. Das Ergebnis war höchst aufschlussreich. Zwar konnte man über die Eigenschaften, die Frauen bei Männern generell wahrnahmen, zusammenfassen: "Fast alle herausragenden Konturen sind negativ." Männern wurde von weiblicher Seite vorgeworfen, wehleidig zu sein, stur, egoistisch, großspurig, nörgelnd und untreu. Dieses Bild entpuppte sich aber sofort als völlig übersteigerte Karikatur, sobald diese Frauen nach konkreten Männern aus ihrem Bekanntenkreis gefragt wurden! Die durch Medien und politische Gruppen erzeugten Klischeebilder ließen sich dann nicht mehr aufrechterhalten. "Wehleidigkeit" beispielsweise wurde jetzt statt von 63 Prozent nur noch von 29 Prozent der Befragten als typisch männlich benannt, "Sturheit" schwand von 61 auf 36 Prozent, "Untreue" von 41 auf 14 Prozent. Fazit: "Frauen erleben Männer konkret als offenbar weniger untreu, sehr viel einfühlsamer und sehr viel zuverlässiger, als sie generell unterstellen."
Bedenklich ist, dass diese eigenen, persönlichen Erfahrungen an den sexistischen Vorurteilen vieler Frauen insgesamt bislang nichts zu ändern scheinen. Auch am Vorurteil vom Mann als häufigstem Gewalttäter in der Partnerschaft wird ja von manchen mit Zähnen und Klauen festgehalten, und wenn da noch mal hunderte von internationalen Untersuchungen dagegensprechen würden. Hannibal hat die geltende Einstellung in einem seiner Postings ja nur auf den Punkt gebracht: Wenn ein Mann eine Frau schlägt, dann ist er ein Monster; wenn eine Frau einen Mann verprügelt, nun, dann wird er es wohl nicht anders verdient haben. Bedenklich ist auch, dass solche undifferenzierten Schuldzuweisungen und Aggressionen wie die von Waris Dirie problemlos von großen Publikumsverlagen gedruckt werden (was mit denselben Äußerungen, hätte Dirie sie statt gegen das männliche Geschlecht zum Beispiel gegen andere Völker/Rassen/Ethnien gerichtet, nicht geschehen wäre). Bedenklich ist zuletzt, dass daraus ein internationaler Bestseller entsteht und dass Leute wie Hannibal diesen Hass benutzen, um ihren psychopathischen Sexismus zu stützen und bei anderen Leuten zumindest versuchsweise zu schüren. Männer sind vielleicht die letzte gesellschaftliche Gruppe, bei der es noch als sozial akzeptabel gilt, sie zu hassen auch wenn die "Gründe" dafür sich längst als ideologische Trugbilder erwiesen haben. Dieser Hass und diese Vorurteile nützen letzlich keinem der beiden Geschlechter. Und auch darum brauchen wir eine Männerbewegung.