Zwei neue Bücher
Hallo Zusammen
Männlichkeit als Maskerade
ist wohl Pflicht, denn hier wird die performative Erzeugung von Männlichkeit vom Mittelalter bis in die Neuzeit verfolgt. Also quasi eine butlerianische Theorie der Männerbewegung. Das auch die Frage nach der Möglichkeit der Subversion des Männlichkeitsdiskurses aufgebracht wird, also (hoffentlich) konkrete Poststrukturalistische Handlungsansätze für die Männerbewegung geliefert werden ist ein weiteres Argument. Ich werde das mal lesen und dann bescheid sagen, ob die Sprache fieß ist (ist ja leider oft so). Das Buch ist im Oktober 2003 erschienen und scheint wie gesagt vielversprechend.
Zu Geschichte der Männlichkeit in Europa (1450-2000) habe ich einen Verriss am Radio gehört. Anscheinend kommt Schmale weder mit seinen geschichtlichen Quellen, noch mit seinem theoretischen Background sonderlich gut zurecht. So nennt er die 68er Frauenbewegung "poststrukturalistisch", ein Begriff, der erst auf einzelne TheoretikerInnen der späten 80er und frühen 90er verwandt werden kann. Trotzdem ist das Projekt interessant, vieleicht läßt sich aus den gemachten Fehlern lernen und die Analyse durch eine Angemessene ersetzen. Als Sammlung einzelner Quellen ist es auf jeden Fall interessant.
susu
Fiese Sprache
Als Antwort auf: Zwei neue Bücher von susu am 19. Januar 2004 18:40:57:
Hallo susu
ob die Sprache fieß ist (ist ja leider oft so).
Stümmt.
Poststrukturalistische ... So nennt er die 68er Frauenbewegung "poststrukturalistisch", ein Begriff, der erst auf einzelne TheoretikerInnen der späten 80er und frühen 90er verwandt werden kann.
Was issn dette?
Daddeldu
ich wäre auch sehr dankbar, wenn Du uns noch mal
Als Antwort auf: Fiese Sprache von Daddeldu am 19. Januar 2004 19:45:25:
...eine allgemeinverständliche Erläuterung des Begriffes "Poststrukturialismus" nahebringen würdest. Zumal es sich ja anscheinend um Deinen Lebensinhalt handelt
Zunächst die etymologische und semantische Herleitung der Einzelkomponenten, also
Post = (s.v.w. zeitlich nachfolgend als "Erbe" einer schon dagewesenen Sache, Nachfolger einer Ursprungssache in einer neuen Epoche) (ggf. korrigieren)
Strukturialismus = (æñïêåªôÃã§Òõþý®¿) ->?¿?<-
Strukur = s.v.w. Beschaffenheit, Art und Weise der Verknüpfung der Einzelteile eines Ganzen (?)
Re: Fiese Sprache
Als Antwort auf: Fiese Sprache von Daddeldu am 19. Januar 2004 19:45:25:
Hallo susu
ob die Sprache fieß ist (ist ja leider oft so).
Stümmt.
Poststrukturalistische ... So nennt er die 68er Frauenbewegung "poststrukturalistisch", ein Begriff, der erst auf einzelne TheoretikerInnen der späten 80er und frühen 90er verwandt werden kann.
Was issn dette?
Daddeldu
Re: Poststrukturalistisches ;-)
Als Antwort auf: Re: Fiese Sprache von Sam am 19. Januar 2004 20:51:18:
Ein 'Rutschky-Koan': "Glauben Frauen, daß es Frauen gibt?" (Butler ... , help!?)
Andreas
Fiese Denkschule
Als Antwort auf: Re: Fiese Sprache von Sam am 19. Januar 2004 20:51:18:
Danke für den Link.
Dieser Poststrukturalismus ist so dermaßen wirr, dass mein Computer bei der Wiedergabe der Seite darüber abgestürzt ist.
Gruß, Daddeldu
Poststrukturalismus - abgedrehter Unfug
Als Antwort auf: Zwei neue Bücher von susu am 19. Januar 2004 18:40:57:
Hallo susu,
Männlichkeit als Maskerade [...] performative Erzeugung von Männlichkeit [...] quasi eine butlerianische Theorie der Männerbewegung. [...] Möglichkeit der Subversion des Männlichkeitsdiskurses [...] konkrete Poststrukturalistische Handlungsansätze [...]
Hört sich für mich nach abgedrehtem Unfug an. Die beiden Autorinnen -
Claudia Benthien ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin. Inge Stephan lehrt dort Neuere deutsche Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Geschlechterproblematik im literarischen Prozess
- dürften vermutlich auch nicht die knallharten Maskulistinnen sein. Eher das Gegentum.
Anscheinend hängst Du diesem ominösen Poststrukturalismus an. Das erklärt einiges.
Ich habe nun begriffen, dass Poststrukturalisten die Realität für fiktiv halten. Und die meinen das so. Die Wirklichkeit als reines Konstrukt.
Auch die Vernunft wird offenbar abgelehnt. Die Forderung, in einem Diskurs logisch zu argumentieren, wird als Zwang empfunden und daher abgelehnt.
Ungefähr 99,998 % der Menschen werden dieser Denkschule wohl nicht angehören, und daher darf und wird man generell bei Diskussionen davon ausgehen, dass auch das gegenüber die Aristotelische Logik zur Grundlage seines Denkens macht.
Deshalb sollte jeder Poststrukturalist bei jeder Diskussion vorher dazu sagen, dass er dieser Denkschule angehört, um unnötige Diskussionen zu vermeiden. Und das dürfte exakt jede Diskussion sein, denn es ermangelt beiden jeglicher gemeinsamer Grundlage für eine fruchtbare Auseinandersetzung.
Du siehst die Einteilung der Menschen in zwei Geschlechter als reines Konstrukt an. Auch ich habe darüber mit Dir diskutiert. Hätte ich mir wohl sparen können.
Interessant ist, dass auch manche Feministinnen, ohne dies offen zu legen, sich dieser Philosophie zurechnen lassen. Da kann frau dann auch ein unterdrückerisches Patriarchat behaupten oder das sich Sex und Vergewaltigung nicht unterscheiden ließen und alles, was sie sonst behaupten möchte.
Gruß, Daddeldu
Poststrukturalismus - ist das nicht eher was fuer Herrn Zumwinkel? (n/t)
Als Antwort auf: Poststrukturalismus - abgedrehter Unfug von Daddeldu am 20. Januar 2004 02:43:20:
Halbwahrheiten
Als Antwort auf: Poststrukturalismus - abgedrehter Unfug von Daddeldu am 20. Januar 2004 02:43:20:
Hi!
Ich teile da nicht deine Meinung und möchte mich jetzt mal als Anwalt des Poststrukturalismus aufschwingen. Das mache ich deshalb, weil ich viele poststrukturalistische Ansätze für unser Engagement als Maskulisten als sehr wichtig und fruchtbar ansehe. Ich will auch gerne erläutern, warum.
Zunächst kann man wohl vorausschicken: es gibt eigentlich keinen Poststrukturalismus. Der Begriff wurde einigen Philosophen übergestülpt, die
eigentlich nicht unbedingt viel miteinander zu tun haben (Deleuze, Barthes, Foucault...). Sie selbst haben sich zwar dagegen gewehrt, aber wenn erst mal ein griffiger Begriff gefunden ist, dann subsumiert man schnell alles mögliche unter jenen Begriff, wenn man nur irgendwo Ähnlichkeiten zu erkennen glaubt. Und irgendwann glauben dann alle dran und der Begriff ist zum Gemeingut geworden.
Und genau damit steckt man schon in der sog. poststrukturalistischen Denkweise drinnen. Es geht hier nämlich gar nicht in erster Linie um die materielle Wirklichkeit, sondern darum, wie man uns die Wirklichkeit präsentiert.
Ich habe nun begriffen, dass Poststrukturalisten die Realität für
fiktiv halten. Und die meinen das so. Die Wirklichkeit als reines
Konstrukt.
Hört sich schlimmer an, als es ist. Der Gedanke stammt streng genommen auch gar nicht aus dem Poststrukturalismus sondern aus einer etwas älteren Denkschule, dem Konstruktivismus, wurde aber von poststruktururalsitischen Denkern aufgegriffen.
Im Grunde sieht die Theorie ungefähr so aus: nicht die Wirklichkeit wird geleugnet, sondern unser Vermögen, die Wirklichkeit komplett verstehen zu können. Da wir nur eine beschränkte Menge an Informationen haben und niemals die ganze Wirklichkeit erfassen (also in unseren Kopf holen) können, ordnen wir unsere Sinneseindrücke und Informationen in ein "konstruiertes" Schema ein. Ein gutes Beispiel für sind z.B. orthodoxe Marxisten. Sie glauben den Mechanismus der Welt, sozusagen das Ordnungsschema, komplett begriffen zu haben. Alles, was ihnen von nun an unter die Augen kommt, wird marxistisch interpretiert: jeglicher sozialer Umstand erscheint plötzlich als Folge des Kapitalismus, aber jeder soziale Umstand weist bereits auf den Zustand nach der Revolution hin. Die ganze Welt mit allen ihren Unwägbarkeiten ist plötzlich einem einfachen theoretischen Konstrukt untergeordnet.
Der Konstruktivismus (und damit auch der Poststrukturalismus) versuchen jetzt, diesem ideologisierten Denken etwas entgegen zu setzen. Es wird sich mit der Frage beschäftigt, inwiefern man sich an die Realität und ihre Strukturen annähern kann, ohne in ideologische Fallen zu gehen. Dazu ist es zunächst einmal wichtig, die "Wirklichkeit" abzuschütteln. Damit ist aber eben nicht die Wirklichkeit im materiellen Sinne gemeint, sondern die "herrschende" Wirklichkeit. Nämlich die, die uns täglich von den Medien, von der Mehrheit, von der Umwelt, sprich: von der Macht aufdiktiert wird. Es geht also nicht um eine Flucht aus der Welt, es geht viel eher darum, etwas mehr Klarheit in der Verblendung zu erhalten.
Vieles davon erscheint natürlich gerade uns hier als ein gemeinplatz. Man muss den Poststrukturalisten allerdings anrechnen, dass sie diese ganzen Mechanismen erst aufgezeigt und entlarvt haben (und das übrigens sehr detailliert und genau). Sie schrieben ihre Texte zu Zeiten, als die Medien- und Machtgläubigkeit des Großteils der Menschen (und auch der Intellektuellen) kaum gebrochen war. Das ist, denke ich, durchaus ein großer Verdienst.
Auch die Vernunft wird offenbar abgelehnt. Die Forderung, in >einem Diskurs logisch zu argumentieren, wird als Zwang
empfunden und daher abgelehnt.
Das ist nicht richtig, bzw. es ist nur die halbe Wahrheit.
Es stimmt, dass sich z.B. Deleuze sehr ausführlich und auch kritisch mit der Logik beschäftigt hat. Dabei hat er eine Menge Paradoxa aufgedeckt, die sich mit herkömmlichen logischen Mitteln nicht auflösen lassen. Deshalb ging er so weit, zu sagen, dass die Logik kein uneingeschränkt brauchbares Mittel ist, um alle Probleme zu lösen. Daraus schließt er jedoch nicht, dass man die Logik über Bord werfen sollte. Im Gegenteil, er bemüht sich, neue Wege des Denkens zu finden.
Es geht also nicht darum, die aristotelische Logik unter den Tisch fallen zu lassen, sondern sie dort zu ergänzen, wo sie Lücken aufweist. Bzw. in solchen Fällen, wo sich diese Lücken nicht schließen lassen, zumindest erklärend auf diesem Umstand hinzuweisen.
Das Ganze ist natürlich eine eher sehr abstrakte, philosophische Problemstellung, die im "Alltag" (z.B. in der konkreten politischen Arbeit) eher nur am Rande wichtig ist.
Hier wird es dann auch gefährlich. Denn an diesem Punkt bietet sich eine poststrukturalistische Philosophie ja förmlich an, missverstanden und missbraucht zu werden.
Aber das ist, wie Du jetzt nachvollziehen kannst, komplett am eigentlichen Denken der als Poststrukturalisten zusammengefassten Denker vorbei. Hier werden, wie so oft wenn sich die Ideologie bei der Philosophie bedient, Halbwahrheiten herausgegriffen, verdreht und unzulässig instrumentalisiert. Ähnlich ging es da schon Nietzsche, die auch für alle möglichen Ideologien herhalten musste (Faschismus, Marxismus, Psychoanalyse, Feminismus), obwohl ihm das nun wirklich nicht gerecht wird.
Da kann frau dann auch ein unterdrückerisches Patriarchat behaupten oder
das sich Sex und Vergewaltigung nicht unterscheiden ließen und alles, was
sie sonst behaupten möchte.
Nein, eben gerade nicht! Denn die Aufgabe, die sich der Postkonstruktivismus stellt, ist eben, solche Scheinlogiken zu entlarven. Und besonders in den texten von Foucault wirst du ein beträchtliches Instrumentarium finden, um gegen solche Scheinargumentation anzugehen, z.B. über das Mittel der Diskurskritik. Wenn Du ein schönes Beispiel dafür suchst, nimm Arne Hoffmanns "Sind Frauen bessere Menschen?" zur Hand. Denn genau darum geht es im Poststrukturalismus: herrschende Ideologien zu demontieren. Und nach Wegen zu suchen, die Wirklichkeit sinnvoller zu interpretieren, damit man nicht den gleichen Fehler macht und sich ebenfalls in Ideologien verheddert.
Viele Grüße,
Jonathan
Re: Halbwahrheiten
Als Antwort auf: Halbwahrheiten von Jonathan am 20. Januar 2004 20:44:23:
Zunächst erstmal danke für die allgemeinverständliche Erläuterung.
Bleibt nur noch die Aufschlüsselung des Begriffes, dann ist alles perfekt
->(bitte ergänzen oder neu erklären)
Zunächst die etymologische und semantische Herleitung der Einzelkomponenten, also
Post = (s.v.w. zeitlich nachfolgend als "Erbe" einer schon dagewesenen Sache, Nachfolger einer Ursprungssache in einer neuen Epoche) (ggf. korrigieren)
Strukturialismus = (æñïêåªôÃã§Òõþý®¿) ->?¿?<-
Strukur = s.v.w. Beschaffenheit, Art und Weise der Verknüpfung der Einzelteile eines Ganzen (?)
Poststrukturialismus = [Ersatzbegriff, Umschreibung]
Re: Zwei neue Bücher
Als Antwort auf: Zwei neue Bücher von susu am 19. Januar 2004 18:40:57:
Hallo Zusammen
Männlichkeit als Maskerade
ist wohl Pflicht, denn hier wird die performative Erzeugung von Männlichkeit vom Mittelalter bis in die Neuzeit verfolgt. Also quasi eine butlerianische Theorie der Männerbewegung. Das auch die Frage nach der Möglichkeit der Subversion des Männlichkeitsdiskurses aufgebracht wird, also (hoffentlich) konkrete Poststrukturalistische Handlungsansätze für die Männerbewegung geliefert werden ist ein weiteres Argument. Ich werde das mal lesen und dann bescheid sagen, ob die Sprache fieß ist (ist ja leider oft so). Das Buch ist im Oktober 2003 erschienen und scheint wie gesagt vielversprechend.
Ich weiß nicht, was eine Claudia und eine Inge mir zum Thema Männlichkeit als Maske sagen können.
Re: Halbwahrheiten
Als Antwort auf: Halbwahrheiten von Jonathan am 20. Januar 2004 20:44:23:
Zunächst: Danke an dich, Jonathan, für deine Ausführungen. Besser hätte ich es nicht schreiben können.
Ich teile da nicht deine Meinung und möchte mich jetzt mal als Anwalt des Poststrukturalismus aufschwingen. Das mache ich deshalb, weil ich viele poststrukturalistische Ansätze für unser Engagement als Maskulisten als sehr wichtig und fruchtbar ansehe. Ich will auch gerne erläutern, warum.
Zunächst kann man wohl vorausschicken: es gibt eigentlich keinen Poststrukturalismus. Der Begriff wurde einigen Philosophen übergestülpt, die eigentlich nicht unbedingt viel miteinander zu tun haben (Deleuze, Barthes, Foucault...). Sie selbst haben sich zwar dagegen gewehrt, aber wenn erst mal ein griffiger Begriff gefunden ist, dann subsumiert man schnell alles mögliche unter jenen Begriff, wenn man nur irgendwo Ähnlichkeiten zu erkennen glaubt. Und irgendwann glauben dann alle dran und der Begriff ist zum Gemeingut geworden.
Und genau damit steckt man schon in der sog. poststrukturalistischen Denkweise drinnen. Es geht hier nämlich gar nicht in erster Linie um die materielle Wirklichkeit, sondern darum, wie man uns die Wirklichkeit präsentiert.
Als Wegweiser durch die fiese Sprache, füge ich noch hinzu:
Den Prozess in dessen Folge ein Begriff nicht mehr nur eine Abstraktion ist, sondern ihm quasi Realität zugewiesen wird, bezeichnet man in der Regel mit Reifizierung.
Foucault verwendet für einen Ausschnitt aus dem Gemeingut (die Gesammtheit der von einer breiten Mehrheit für wahr gehaltenen Aussagen wird hegemonialer Diskurs genannt) den Begriff Dispositiv.
Um mal ein Beispiel ab von der Geschlechterthematik zu bringen:
Energie ist eine rein mathematisch konstruierte Hilfskonstante. Aus einer bestimmten Symetrie der physikalisch zu Grunde liegenden Gesetzmäßigkeiten (genau gesagt, der zeitlichen Translation, also der Tatsache, daß ich jeden beliebigen Zeitpunkt als t=0 definieren kann, ohne das sich die Naturgesetze dadurch ändern würden) ergibt sich, daß eine bestimmte Summe konstant bleibt. Diese Summe wird dann als Energie bezeichnet und ist für bestimmte Problemstellungen sehr hilfreich.
Energie läßt sich nicht als real beschreiben, wie gesagt, sie ist eine Hilfsgröße. Allerdings ist sie reifiziert worden und deshalb wird z.B. von Energiepolitik geredet und auf der Flasche Cola light Lemon steht eine Energieangabe: 5,0 kJ sind in 100ml enthalten. Für Menschen, die nicht näheren Kontakt mit der theoretischen Physik haben, ist Energie etwas, dem sie Realität zuschreiben (das geht bis zu Esoterik-Freaks, die von reinen Energiewesen reden, etc.).
Der Konstruktivismus (und damit auch der Poststrukturalismus) versuchen jetzt, diesem ideologisierten Denken etwas entgegen zu setzen. Es wird sich mit der Frage beschäftigt, inwiefern man sich an die Realität und ihre Strukturen annähern kann, ohne in ideologische Fallen zu gehen. Dazu ist es zunächst einmal wichtig, die "Wirklichkeit" abzuschütteln. Damit ist aber eben nicht die Wirklichkeit im materiellen Sinne gemeint, sondern die "herrschende" Wirklichkeit. Nämlich die, die uns täglich von den Medien, von der Mehrheit, von der Umwelt, sprich: von der Macht aufdiktiert wird. Es geht also nicht um eine Flucht aus der Welt, es geht viel eher darum, etwas mehr Klarheit in der Verblendung zu erhalten.
Da würde ich noch ein Zitat hinzufügen (leider ist mir entfallen von wem es stammt): Es gehe nicht um eine gegen-Aufklärung, sondern um Afklärung über die Aufklärung. Ein zentraler Gesichstpunkt ist deshalb, die ungenannten Feststellungen innerhalb einer Frage zu erkennen.
Vieles davon erscheint natürlich gerade uns hier als ein gemeinplatz. Man muss den Poststrukturalisten allerdings anrechnen, dass sie diese ganzen Mechanismen erst aufgezeigt und entlarvt haben (und das übrigens sehr detailliert und genau). Sie schrieben ihre Texte zu Zeiten, als die Medien- und Machtgläubigkeit des Großteils der Menschen (und auch der Intellektuellen) kaum gebrochen war. Das ist, denke ich, durchaus ein großer Verdienst.
Hier halte ich dagegen, daß sich Medienkritik auch schon bei Adorno findet. Die neuartige Leistung war IMO die Erkenntnis, daß die Macht immer schon Faktoren enthält, die sie destabilisieren können.
Das ist nicht richtig, bzw. es ist nur die halbe Wahrheit.
Es stimmt, dass sich z.B. Deleuze sehr ausführlich und auch kritisch mit der Logik beschäftigt hat. Dabei hat er eine Menge Paradoxa aufgedeckt, die sich mit herkömmlichen logischen Mitteln nicht auflösen lassen. Deshalb ging er so weit, zu sagen, dass die Logik kein uneingeschränkt brauchbares Mittel ist, um alle Probleme zu lösen. Daraus schließt er jedoch nicht, dass man die Logik über Bord werfen sollte. Im Gegenteil, er bemüht sich, neue Wege des Denkens zu finden.
Es geht also nicht darum, die aristotelische Logik unter den Tisch fallen zu lassen, sondern sie dort zu ergänzen, wo sie Lücken aufweist. Bzw. in solchen Fällen, wo sich diese Lücken nicht schließen lassen, zumindest erklärend auf diesem Umstand hinzuweisen.
Wobei hinzuzufügen wäre, daß in der Mathematik alternative Logiken existieren (z.B. Fuzzy, aber auch mehrdimensionale Boolsche Räume) und sich z.B. quantenphysikalische Systeme nach traditioneller Denke extrem unlogisch sind. In diesem Punkt waren die Naturwissenschaften mal schneller *g*.
Das Ganze ist natürlich eine eher sehr abstrakte, philosophische Problemstellung, die im "Alltag" (z.B. in der konkreten politischen Arbeit) eher nur am Rande wichtig ist.
Hier wird es dann auch gefährlich. Denn an diesem Punkt bietet sich eine poststrukturalistische Philosophie ja förmlich an, missverstanden und missbraucht zu werden.
Aber das ist, wie Du jetzt nachvollziehen kannst, komplett am eigentlichen Denken der als Poststrukturalisten zusammengefassten Denker vorbei. Hier werden, wie so oft wenn sich die Ideologie bei der Philosophie bedient, Halbwahrheiten herausgegriffen, verdreht und unzulässig instrumentalisiert. Ähnlich ging es da schon Nietzsche, die auch für alle möglichen Ideologien herhalten musste (Faschismus, Marxismus, Psychoanalyse, Feminismus), obwohl ihm das nun wirklich nicht gerecht wird.
Es gibt schon einige sehr konkrete Ansätze zur politischen Arbeit, zum Beispiel den Versuch, bei selbiger nicht genau die Ideologeme zu reifizieren, die man bekämpft, oder auch die Erkenntnis, daß bestehende Macht subvertiert werden kann, sofern ihre selbstdestabilisierenden Faktoren gefunden und genutz werden.
Nein, eben gerade nicht! Denn die Aufgabe, die sich der Postkonstruktivismus stellt, ist eben, solche Scheinlogiken zu entlarven. Und besonders in den texten von Foucault wirst du ein beträchtliches Instrumentarium finden, um gegen solche Scheinargumentation anzugehen, z.B. über das Mittel der Diskurskritik. Wenn Du ein schönes Beispiel dafür suchst, nimm Arne Hoffmanns "Sind Frauen bessere Menschen?" zur Hand. Denn genau darum geht es im Poststrukturalismus: herrschende Ideologien zu demontieren. Und nach Wegen zu suchen, die Wirklichkeit sinnvoller zu interpretieren, damit man nicht den gleichen Fehler macht und sich ebenfalls in Ideologien verheddert.
Stimmt. Auch bietet Butlers Analysebegriff der Zwangsheterosexualität die Möglichkeit einige Fragen der Männerbewegung in Angriff zu nehmen (z.B. Alleinernährertum und Kindererziehung).
susu
*dazzled*
Als Antwort auf: Halbwahrheiten von Jonathan am 20. Januar 2004 20:44:23:
Hallo Jonathan.
Ich habe zwar im Moment leider wirklich keine Zeit für eine längere Diskussionen, aber eine Frage stellt sich mir jetzt doch:
"Es geht hier nämlich gar nicht in erster Linie um die materielle Wirklichkeit, sondern darum, wie man uns die Wirklichkeit präsentiert."
Es gibt sie aber schon, diese Wirklichkeit, ja? Denn die oben zitierte Äußerung behauptet ja eine mögliche Unterscheidung - Wirklichkeit im "materiellen" und im "performativen" Sinne. Diese Differenzierung scheint unmittelbar eingeleuchtet zu haben oder einfach überlesen worden zu sein - zumindest gab es keine Fragen, was mich angesichts der Tatsache, daß es sich hierbei vielleicht um das zentrale Problem handelt, doch ein wenig überrascht. Gibt es denn unter jenen, unter den Begriffen Poststrukturalismus und Dekonstruktivismus subsumierten Philosophen einen, der die Bestimmung dieser Grenze gewagt, der den Versuch, die Beschränkungen des Diskurses aufzuzeigen, unternommen hätte? Judith Butler kam, wenn ich mich richtig erinnere, bei diesem Versuch zu dem Ergebnis, daß, um zwischen "Natur" und "Kultur" unterscheiden zu können, bereits eine Differenzierung stattgefunden haben müsse, die wiederum nur eine künstliche sein könne; ihre Schlußfolgerung, "nicht nur das soziale ('gender'), sondern auch das biologische Geschlecht ('sex') sei das Ergebnis willkürlicher Prozesse", führte zum Vorwurf des Leugnens jeglicher Differenz wie zum Verdacht, nicht zwischen sprachphilosophischer und materieller Ebene unterscheiden zu können. (Deswegen die Frage Katharina Rutschkys: "Glauben Frauen, daß es Frauen gibt?") Mit dieser Kritik wird aber das eigentliche Problem nicht berücksichtigt, das sich genau auf die Frage dieser Grenze bezieht: Von welchem Aspekt kann man eigentlich behaupten, er sei nicht "konstruiert"? Wenn innerhalb der dekonstruktivistischen Debatte keine definierte Grenze existiert, kann man notwendigerweise alles als "nur" produziert "entlarven"; der Diskurs dehnt sich ins Unendliche, und wenn wir Foucault in seinem Kulturpessimismus richtig verstehen, wirken Diskurse nicht nur konstituierend für Machtverhältnisse, sondern auch für Ordnungssysteme, aufgrund derer eine menschliche Gesellschaft überhaupt erst existieren kann - und sind daher unvermeidlich. Die Vorstellung, durch Dekonstruktion von Diskursen den Diskursen an sich (und den sich durch diese zwangsläufig konstituierenden Machtverhältnissen) entkommen zu können, muß daher fragwürdig erscheinen.
Da die Methode offenbar keine definierte Grenzen kennt, stellt sich die Frage, ob poststrukturalistisches Arbeiten nur funktioniert, solange man sich selbst beschränkt? Denn andernfalls müßten wir letzten Endes doch zweifelsohne zu dem Schluß kommen, daß alles "Mensch-Sein" ein produziertes ist. Die materielle Wirklichkeit könnte wir demzufolge nur jenseits des Menschlichen finden - was bedeutet, daß wir sie nicht finden können, weil "wir" dann nicht "wären". Wie sollte es also möglich sein, "'den Diskurs' oder 'die Macht' abzuschütteln"? Welche definitorische Grenze scheidet also die "Klarheit aus der Verblendung" von der blinden Zerstörungswut?
"Vieles davon erscheint natürlich gerade uns hier als ein gemeinplatz. Man muss den Poststrukturalisten allerdings anrechnen, dass sie diese ganzen Mechanismen erst aufgezeigt und entlarvt haben (und das übrigens sehr detailliert und genau). Sie schrieben ihre Texte zu Zeiten, als die Medien- und Machtgläubigkeit des Großteils der Menschen (und auch der Intellektuellen) kaum gebrochen war. Das ist, denke ich, durchaus ein großer Verdienst."
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstehe: Ideologiekritik durch eine relativierende Sicht, z.B. das Beibringen bisher unterschlagener Argumente, gab es doch schon länger (z.B. ein ausgezeichnetes Buch "Verkappte Religionen" [1924] von C. Ch. Bry , aber auch vorher). Sind solche Kritiker automatisch Poststrukturalisten? Gibt es "richtige" und "falsche" Dekonstruktivisten, und wie unterscheidet man sie? Ist Judith Butler Poststrukturalistin?
"Hier wird es dann auch gefährlich. Denn an diesem Punkt bietet sich eine poststrukturalistische Philosophie ja förmlich an, missverstanden und missbraucht zu werden."
Vor einem Mißbrauch schützten z.B. klar definierte Grenzen (der Methode). Gibt es solche denn und wo liegen sie?
Freundliche Grüße, Andreas
Re: *dazzled*
Als Antwort auf: *dazzled* von Andreas (der andere) am 24. Januar 2004 20:51:24:
Ich habe zwar im Moment leider wirklich keine Zeit für eine längere Diskussionen, aber eine Frage stellt sich mir jetzt doch:
Es gibt sie aber schon, diese Wirklichkeit, ja? Denn die oben zitierte Äußerung behauptet ja eine mögliche Unterscheidung - Wirklichkeit im "materiellen" und im "performativen" Sinne. Diese Differenzierung scheint unmittelbar eingeleuchtet zu haben oder einfach überlesen worden zu sein - zumindest gab es keine Fragen, was mich angesichts der Tatsache, daß es sich hierbei vielleicht um das zentrale Problem handelt, doch ein wenig überrascht.
Es ist kein zentrales Problem. Denn in dem Moment in dem ich etwas über eine vordiskursive Wirklichkeit aussage, ist sie auch schon durch die Wirklichkeit in dem durch mich eröffneten Diskurs ersetzt worden.
Damit ergeben sich zwei Möglichkeiten:
a) Es gibt eine vordiskursive Realität, aber über sie könnte nicht gesprochen werden
oder
b) Es gibt keine vordiskursive Realität, damit kann über sie ebenfalls nicht gesprochen werden.
Die Frage, ob es eine "materielle" Realität gibt oder nicht, ist also bedeutungslos.
Gibt es denn unter jenen, unter den Begriffen Poststrukturalismus und Dekonstruktivismus subsumierten Philosophen einen, der die Bestimmung dieser Grenze gewagt, der den Versuch, die Beschränkungen des Diskurses aufzuzeigen, unternommen hätte? Judith Butler kam, wenn ich mich richtig erinnere, bei diesem Versuch zu dem Ergebnis, daß, um zwischen "Natur" und "Kultur" unterscheiden zu können, bereits eine Differenzierung stattgefunden haben müsse, die wiederum nur eine künstliche sein könne; ihre Schlußfolgerung, "nicht nur das soziale ('gender'), sondern auch das biologische Geschlecht ('sex') sei das Ergebnis willkürlicher Prozesse", führte zum Vorwurf des Leugnens jeglicher Differenz wie zum Verdacht, nicht zwischen sprachphilosophischer und materieller Ebene unterscheiden zu können.
Aus dem oben ausgeführten Gedankengang folgt, daß wenn über Natur geredet wird, schon ein kultureller Ordnungsprozess stattgefunden hat, der Einigung über Begriffe einschließt. Sex ist deswegen "gender, through and through", weil der Inhalt des Begriffs Sex Axiomatisch festgelegt wird. Dabei ist die Belegung dieses Begriffs historisch nicht konstant (Tatsächlich gibt es in der Biologie voneinander verschiedene Geschlechtsdefinitionen, je nach Sparte.).
(Deswegen die Frage Katharina Rutschkys: "Glauben Frauen, daß es Frauen gibt?") Mit dieser Kritik wird aber das eigentliche Problem nicht berücksichtigt, das sich genau auf die Frage dieser Grenze bezieht: Von welchem Aspekt kann man eigentlich behaupten, er sei nicht "konstruiert"? Wenn innerhalb der dekonstruktivistischen Debatte keine definierte Grenze existiert, kann man notwendigerweise alles als "nur" produziert "entlarven";
Das ist korrekt. Die Gänsefüßchen um das "nur" sind wichtig, den das ist nicht der springende Punkt. Worum es geht, ist die Erkenntnis über den Modus der Produktion.
der Diskurs dehnt sich ins Unendliche, und wenn wir Foucault in seinem Kulturpessimismus richtig verstehen, wirken Diskurse nicht nur konstituierend für Machtverhältnisse, sondern auch für Ordnungssysteme, aufgrund derer eine menschliche Gesellschaft überhaupt erst existieren kann - und sind daher unvermeidlich. Die Vorstellung, durch Dekonstruktion von Diskursen den Diskursen an sich (und den sich durch diese zwangsläufig konstituierenden Machtverhältnissen) entkommen zu können, muß daher fragwürdig erscheinen.
Du ließt Foucault da richtig: Es ist unmöglich den Diskursen zu "entkommen" und sich außerhalb von Machtverhältnissen als selbst zu konstituieren. Das autonome Subjekt kann demnach nicht exitieren. Allerdings ist es möglich die Diskurse zu erkennen, anhand derer man sich selbst konstruiert und die den Diskursen inhärenten Brüche zu erkennen, anhand derer man sich auch selbst anders konstruieren kann. Anschaulich bedeutet das, daß ein selbst erst durch die Begrenzung durch Diskurse entsteht, bei Erkenntnis dieser Grenze aber auch die Option des Durchbrechens dem Diskurs schon zu eigen ist (damit als vorgegebene Option also auch eine Grenze darstellt, anhand derer eine Identität konstruierbar ist).
Da die Methode offenbar keine definierte Grenzen kennt, stellt sich die Frage, ob poststrukturalistisches Arbeiten nur funktioniert, solange man sich selbst beschränkt? Denn andernfalls müßten wir letzten Endes doch zweifelsohne zu dem Schluß kommen, daß alles "Mensch-Sein" ein produziertes ist.
Das kommt auf die Definition des Begriffs "beschränkt" an.
Die materielle Wirklichkeit könnte wir demzufolge nur jenseits des Menschlichen finden - was bedeutet, daß wir sie nicht finden können, weil "wir" dann nicht "wären". Wie sollte es also möglich sein, "'den Diskurs' oder 'die Macht' abzuschütteln"?
Es ist nicht möglich.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstehe: Ideologiekritik durch eine relativierende Sicht, z.B. das Beibringen bisher unterschlagener Argumente, gab es doch schon länger (z.B. ein ausgezeichnetes Buch "Verkappte Religionen" [1924] von C. Ch. Bry , aber auch vorher). Sind solche Kritiker automatisch Poststrukturalisten?
Nein.
Gibt es "richtige" und "falsche" Dekonstruktivisten, und wie unterscheidet man sie?
Zwischen Poststrukturalismus und Dekonstruktivimus ist zu unterscheiden. Der wichtigste Unterschied besteht darin, daß letzterer tatsächlich davon ausgeht, den Diskursen sei zu entkommen, es gäbe also eine Position jenseits der Diskurse. Gleichzeitig ist es dem Dekonstruktivismus zu eigen temporären Diskursrealitäten universale Gültigkeit als Realität einzuräumen (kurz: Hier wird deine Eingangsfrage eindeutig beantwortet und die Antwort des Dekonstruktivismus lautet: Es gibt keine Realität außerhalb der Konstruktion). Meiner Meinung nach wiedersprüchliche Aussagen. Der Poststrukturalismus bedient sich der Dekonstruktion als Methode seiner Diskursanalyse/kritik, behauptet aber die Unmöglichkeit einer Position außerhalb der Diskurse und hält die Frage nach einer vordiskursiven Realität offen.
Ist Judith Butler Poststrukturalistin?
Ja. Auf sie treffen beide Unterscheidungsmerkmale zwischen Poststrukturalismus und Dekonstruktivismus zu. Am deutlichsten wird dies in ihrem Textbeitrag zu "Feminists theorize the political" in dem sie sich klar von dekonstruktivistischen Lesarten ihrer Arbeiten distanziert.
susu
Re: *dazzled*
Als Antwort auf: Re: *dazzled* von susu am 25. Januar 2004 02:41:09:
Hallo Susu.
"Die Frage, ob es eine "materielle" Realität gibt oder nicht, ist also bedeutungslos."
Dann ist die essentialistische Strömung der Geschlechterforschung also ... was? :o)
"(Deswegen die Frage Katharina Rutschkys: "Glauben Frauen, daß es Frauen gibt?") Das ist korrekt. Die Gänsefüßchen um das "nur" sind wichtig, den das ist nicht der springende Punkt. Worum es geht, ist die Erkenntnis über den Modus der Produktion."
Dann hieße die Antwort auf ihre Frage also - "nein"?
"Das kommt auf die Definition des Begriffs "beschränkt" an."
Es gibt einen Punkt bei Judith Butler, der mich ein wenig irritiert: Sie betont die Performativität von "Gender" und zeigt anhand des "doing gender", wie dieses aus einer Tradierung von Verhaltensweisen als Bild immer weiter aufrecht erhalten wird. Sie umgeht aber (absichtlich? oder sollte sie das vergessen haben?) die Frage nach dem Ursprung des Diskurses. Dabei wäre eine Antwort auf diese Frage doch ausgesprochen interessant (finde ich): Wenn eine materielle Realität als bedeutungslos für die Konstitution eines Diskurses ausgeklammert wird, muß dies bedeuten, daß der Diskurs sich aus sich selbst heraus erzeugt hat, bzw. immer da war. ... Ähm - ja? Wie nun?
Grüße, Andreas
Re: *dazzled*
Als Antwort auf: Re: *dazzled* von Andreas (der andere) am 25. Januar 2004 08:32:07:
Hallo anderer Andreas
"Die Frage, ob es eine "materielle" Realität gibt oder nicht, ist also bedeutungslos."
Dann ist die essentialistische Strömung der Geschlechterforschung also ... was? :o)
Eine Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt.
"Das ist korrekt. Die Gänsefüßchen um das "nur" sind wichtig, den das ist nicht der springende Punkt. Worum es geht, ist die Erkenntnis über den Modus der Produktion."
Dann hieße die Antwort auf ihre Frage also - "nein"?
Die Mehrheit der "Frauen" glaubt, daß es Frauen gibt. Die Frage muß lauten: Warum tun sie es?
"Das kommt auf die Definition des Begriffs "beschränkt" an."
Es gibt einen Punkt bei Judith Butler, der mich ein wenig irritiert: Sie betont die Performativität von "Gender" und zeigt anhand des "doing gender", wie dieses aus einer Tradierung von Verhaltensweisen als Bild immer weiter aufrecht erhalten wird. Sie umgeht aber (absichtlich? oder sollte sie das vergessen haben?) die Frage nach dem Ursprung des Diskurses. Dabei wäre eine Antwort auf diese Frage doch ausgesprochen interessant (finde ich): Wenn eine materielle Realität als bedeutungslos für die Konstitution eines Diskurses ausgeklammert wird, muß dies bedeuten, daß der Diskurs sich aus sich selbst heraus erzeugt hat, bzw. immer da war. ... Ähm - ja? Wie nun?
Nach Foucault können Diskurse evolvieren, eben dadurch, daß sie schon ihren Bruch beinhalten. Damit stellt sich nur noch die Frage, nach dem Anfang der Diskurse. Und der liegt evolutionsbiologisch an dem Punkt, an dem sich Individuen als selbst konstruierten (de fakto ist die Fähigkeit Handlungen anderer als Aussage über ihr Wesen zu verstehen das selbe, wie die Fähigkeit eigene Handlungen als Aussage des eigenen Wesens zu verstehen).
Da ist die Biologie eindeutig: Der Diskurs und die Erkenntnis um die individuelle Existenz sind gleichzeitige Prozesse.
susu
Re: =)
Als Antwort auf: Re: *dazzled* von susu am 25. Januar 2004 15:31:24:
Hi,
ich glaube, das ging jetzt ein wenig an meiner Frage vorbei, aber ich hab im Moment leider nicht die Zeit, um darauf ausführlicher zu reagieren. Später vielleicht mal. Danke trotzdem für Deine Ansichten.
Andreas
Re: Fiese Sprache
Als Antwort auf: Re: Fiese Sprache von Sam am 19. Januar 2004 20:51:18:
> > Hallo susu
ob die Sprache fieß ist (ist ja leider oft so).
Stümmt.
Poststrukturalistische ... So nennt er die 68er Frauenbewegung "poststrukturalistisch", ein Begriff, der erst auf einzelne TheoretikerInnen der späten 80er und frühen 90er verwandt werden kann.
Was issn dette?
Daddeldu
Noch ein Link:
http://www.lrz-muenchen.de/~Reflexive_Sozialpsychologie/Bilden/feministische_theorien.pdf
Hier kann ich mich Nick nur anschließen: Diese Gedankenakrobatik wirkt psychotisch, und es ist nichts Sinnstiftendes darin.
Sam
Re: Danke.
Als Antwort auf: Re: Fiese Sprache von Sam am 01. Februar 2004 15:16:45:
Danke für Deine Links, sind immer ziemlich interessant.
Gruß, Andreas
Re: Danke.
Als Antwort auf: Re: Danke. von Andreas (der andere) am 01. Februar 2004 17:48:39:
Danke für Deine Links, sind immer ziemlich interessant.
Gruß, Andreas
Bitte, bitte
Vielleicht noch eines dazu:
Ganz vereinzelt werden hier auch Punkte genannt, die als solche durchaus zu begrüßen wären, etwa Kritik am Frau=Opfer/Mann=Täter-Vorurteil. Wichtig dabei allerdings scheint mir, dass sich derartige Kritik nicht auf "Ent-dinglichung" oder sonstige gedankliche Kapriolen stützen kann, sondern nur auf objektive Fakten und die Forderung nach GleichBERECHTIGUNG (nicht GleichHEIT).
Sam
Re: Danke.
Als Antwort auf: Re: Danke. von Sam am 02. Februar 2004 14:59:47:
Hallo Sam
Ganz vereinzelt werden hier auch Punkte genannt, die als solche durchaus zu begrüßen wären, etwa Kritik am Frau=Opfer/Mann=Täter-Vorurteil. Wichtig dabei allerdings scheint mir, dass sich derartige Kritik nicht auf "Ent-dinglichung" oder sonstige gedankliche Kapriolen stützen kann, sondern nur auf objektive Fakten und die Forderung nach GleichBERECHTIGUNG (nicht GleichHEIT).
Die Poststrukturalistische Gender-Theorie betont gerade die individuelle(!) Differenz. Ist mit Sicherheit eine für viele ungewohnte Denkrichtung, aber richtig verstanden die wohl umfassenste Analyse der Problematik.
susu
Re: Danke.
Als Antwort auf: Re: Danke. von susu am 02. Februar 2004 15:26:33:
Hallo Sam
Ganz vereinzelt werden hier auch Punkte genannt, die als solche durchaus zu begrüßen wären, etwa Kritik am Frau=Opfer/Mann=Täter-Vorurteil. Wichtig dabei allerdings scheint mir, dass sich derartige Kritik nicht auf "Ent-dinglichung" oder sonstige gedankliche Kapriolen stützen kann, sondern nur auf objektive Fakten und die Forderung nach GleichBERECHTIGUNG (nicht GleichHEIT).
Die Poststrukturalistische Gender-Theorie betont gerade die individuelle(!) Differenz. Ist mit Sicherheit eine für viele ungewohnte Denkrichtung, aber richtig verstanden die wohl umfassenste Analyse der Problematik.
susu
Hallo susu,
geht nicht gegen Dich persönlich: Ich denke nicht, dass es da irgendwas "richtig zu verstehen" gibt.
Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität sind Voraussetzung für die Fortpflanzung praktisch sämtlicher höherer Spezies. Diese simple biologische Tatsache zu leugnen ist schlicht Unsinn. "Körper als subjektiv fühlbare Realität", "heterosexuelle Matrix" - meine Güte, das ist vielleicht was für's Kino, aber doch nicht für eine ernsthafte Diskussion.
Sam
Re: Danke.
Als Antwort auf: Re: Danke. von Sam am 02. Februar 2004 17:06:54:
Hallo Sam
geht nicht gegen Dich persönlich: Ich denke nicht, dass es da irgendwas "richtig zu verstehen" gibt.
Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität sind Voraussetzung für die Fortpflanzung praktisch sämtlicher höherer Spezies. Diese simple biologische Tatsache zu leugnen ist schlicht Unsinn. "Körper als subjektiv fühlbare Realität", "heterosexuelle Matrix" - meine Güte, das ist vielleicht was für's Kino, aber doch nicht für eine ernsthafte Diskussion.
Es gibt da durchaus etwas zu verstehen. Zweigeschlechtlichkeit ist ein auf bestimmten Ebenen durchaus angemessener Begriff. Er ist es auf anderen Ebenen nicht und er ist vor allem kein besonders ins Detail reichender Begriff. Und hier kommt die Konstruktion ins Spiel: Wissenschaft erzeugt Modelle der Realität, die auf bestimmten Skalen Voraussagen ermöglichen. Es ist falsch einem makroskopischen Begriff für "Wahr" zu erklären. Als Beispiel aus der Physik sei die Dichte genannt. Dieser Begriff hat als Voraussetzung die Homogenität von Materie. Mikroskopisch betrachtet ist Materie aber nicht Homogen, die Masse konzentriert sich vor allem auf Atomkerne und die herum relativ viel leerer Raum ist (und auch daß ist noch nicht das Detailierteste Modell). Dichte ist allerding eine hilfreiche Größe, wenn ich z.B. den Auftrieb eines Geegnstandes in einer Flüssigkeit berechenen will. Da mit einem Atommodell der Materie zu arbeiten wäre sinnlos. Kurz: Für evolutionsbiologische Betrachtungen macht das Zweigeschlechtermodell für bestimmte Spezies Sinn (für andere nicht, es gibt auch höhere Lebensformen, die mehr als 2 Geschlechter in einem komplizierteren Fortpflanzungsmodell haben). Dabei ist das evolutionsbiologische Geschlecht mit dem, welches wir kennen nicht Deckungsgleich (evolutionsbiologisch ist ein Lebewesen weiblich, wenn Mitochondriale DNA von ihm vererbt wird. Bei ca. 5% der Menschen findet sich allerdings auch Mitochondriale DNA des Vaters - evolutionsbiologisch ist er eine Frau [BTW, kann hier das Geschlecht des Vaters bei jedem Zeugungsakt unterschiedlich sein]).
Kurz: Was du hier als der Wissenschaft letzten Schluß präsentierst ist ein simplifiziertes Modell, das bestimmte Phänomene fasst, aber längst nicht alle. Geschlecht ist nicht simpel, es ist (auch auf rein biologischer Ebene) ein komplexes System. Das geht über Schulbiologie hinaus, aber wenn du dich mit Biologie weiter beschäftigst findest du detailiertere Modelle, die nicht mahr auf Zweigeschlechtlichkeit basieren. Das klingt ungewohnt und für Menschen, die sich damit nicht näher beschäftigt haben sicher blödsinnig. Das tun aber alle wissenschaftlichen Ergebnisse, die über das Allgemeinwissen hinausgehen. Quantenphysikalisch gesehen stehe ich gerade hinter dir, während du das ließt - eine Lösung der Zustandsgleichungen aller Quantenobjekte aus denen ich bestehe fällt genau so aus. Und das mitlerweile in der theoretischen Physik mit 10 bis 12 Raumzeitdimensionen gerechnet wird, von denen alle, bis auf 4 klein und zusammengerollt sind ist auch nicht einsichtiger: Wissenschaft wirkt immer wie Wahnsinn, weil ihre Grundlage darin besteht das "bekannte" anzuzweifeln. Vor Gallilei war es allgemein bekannt, daß schwere Körper schneller fallen als leichte. Das war logisch und passte zur Altagserfahrung, daß z.B. eine Feder länger bis zum Boden braucht als ein toter Fisch. Heute wissen wir: Körper fallen alle gleich schnell, weil träge Masse gleich schwerer Masse ist. Zweigeschlechtlichkeit als zur Kennzeichnung von Individuen wird uns einmal so vorkommen, wie die "Tatsache", daß die Erde eine Scheibe ist. Sie entspricht schon heute nicht mehr dem aktuellen Stand der Biologie.
susu
Re: Danke.
Als Antwort auf: Re: Danke. von susu am 06. Februar 2004 18:47:51:
Das klingt ungewohnt und für Menschen, die sich damit nicht näher beschäftigt haben sicher blödsinnig.
Absolut.
Das tun aber alle wissenschaftlichen Ergebnisse, die über das Allgemeinwissen hinausgehen.
Finde ich nicht. Zumal der Umkehrschluss nicht gilt: Nicht jeder Blödsinn, der "alles mal ganz radikal in Frage stellt" - oder noch besser : "dekonstruiert" -, ist deshalb auch eine große Erleuchtung.
Zweigeschlechtlichkeit als zur Kennzeichnung von Individuen wird uns einmal so vorkommen, wie die "Tatsache", daß die Erde eine Scheibe ist.
Das sehe ich, offen gesagt, nicht. Ich fürchte allerdings, wir werden uns in diesem Punkte wohl nicht einig werden.
Sam