Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Fraktionszwang?

Norbert, Wednesday, 29.08.2001, 20:25 (vor 8487 Tagen)

Hi Leute.
Im deutschen Bundestag wird immer wieder bei Abstimmungen von dem so genannten Fraktionszwang gesprochen.
Gerade eben bzgl. des Mazedonieneinsatzes der Bundeswehr.
Wo sich einige Parteigrößen damit brüsten, daß sie diesen mal nicht ausüben wollen.

Was vermutlich bei der vorgesehenen Verabschiedung des Gewaltschutzgesetzes dann nicht getan wird.

Nun meine Frage:
Mir ist eigentlich nur bekannt, daß jeder Abgeordnete seinem Gewissen verpflichtet ist.
Eine Gesetzesgrundlage bzgl. eines Fraktionszwanges bei einer Abstimmung ist mir nicht bekannt.
Somit erscheint mir dieser Fraktionszwang illegal zu sein, da er ein Verfassungsorgan in seinen Rechten einschränkt, ja geradezu beraubt.
Wer kann darüber etwas sagen?

Gruß
Norbert

Re: Fraktionszwang?

Dieter, Wednesday, 29.08.2001, 22:26 (vor 8487 Tagen) @ Norbert

Als Antwort auf: Fraktionszwang? von Norbert am 29. August 2001 17:25:20:

Hi Leute.
Im deutschen Bundestag wird immer wieder bei Abstimmungen von dem so genannten Fraktionszwang gesprochen.
Gerade eben bzgl. des Mazedonieneinsatzes der Bundeswehr.
Wo sich einige Parteigrößen damit brüsten, daß sie diesen mal nicht ausüben wollen.
Was vermutlich bei der vorgesehenen Verabschiedung des Gewaltschutzgesetzes dann nicht getan wird.
Nun meine Frage:
Mir ist eigentlich nur bekannt, daß jeder Abgeordnete seinem Gewissen verpflichtet ist.
Eine Gesetzesgrundlage bzgl. eines Fraktionszwanges bei einer Abstimmung ist mir nicht bekannt.
Somit erscheint mir dieser Fraktionszwang illegal zu sein, da er ein Verfassungsorgan in seinen Rechten einschränkt, ja geradezu beraubt.
Wer kann darüber etwas sagen?
Gruß
Norbert

Es gibt keinen Fraktionszwang in dem Sinne, daß jemand per Gesetz/Verordnung oder ähnlichem gezwungen werden könnte, mit seiner Fraktion zu stimmen und im Falle, daß er sich widersetzt, mit direkten Konsequenzen zu rechnen hätte. Genau da liegt aber das Problem: der Fraktionszwang wird subtil ausgeübt: zu viel Widerstand, eigenes Denken, nicht mit der Masse gehen führt halt dazu, daß die Chancen auf einen aussichtsreichen Listenplatz oder Wahlkreis bei der nächsten Wahl sinken bzw. Hilfe von der Partei bei der Suche nach einem Versorgungsposten nach der Politikerkarriere eben nicht zu erwarten ist. Also fügen sich unsere Parteivertreter (Volksvertreter sind die meisten ja eh nicht) und stimmen so, wie die Vordenker es für sie ausgedacht haben. Eine Perversion des Gedankens der Demokratie, ein Verstoss gegen das Grundgesetz, aber da es ein subtiler Zwang ist, kann man kaum etwas dagegen tun. Außer vielleicht: die zur Wahl stehenden Kandidaten bei den Wahlversammlungen im kommenden Jahr mit deutlichen Fragen dazu zu bringen, Farbe zu bekennen. Aber wer geht schon da hin und fragt ...?

Dieter

Re: Fraktionszwang?

Manuel Mann, Thursday, 30.08.2001, 04:26 (vor 8487 Tagen) @ Dieter

Als Antwort auf: Re: Fraktionszwang? von Dieter am 29. August 2001 19:26:56:

Also fügen sich unsere Parteivertreter (Volksvertreter sind die meisten ja eh nicht) und stimmen so, wie die Vordenker es für sie ausgedacht haben. Eine Perversion des Gedankens der Demokratie, ein Verstoss gegen das Grundgesetz, aber da es ein subtiler Zwang ist, kann man kaum etwas dagegen tun.

Ich habe gelesen,daß in England und den USA das dortige Wahlrecht normalerweise verhindert, daß ein Volksvertreter zum Parteivertreter wird. Dort vertritt ein Volksvertreter ja nur die Bürger seines Wahlkreises,oder?

Re: Fraktionszwang?

Maesi, Friday, 31.08.2001, 23:47 (vor 8485 Tagen) @ Manuel Mann

Als Antwort auf: Re: Fraktionszwang? von Manuel Mann am 30. August 2001 01:26:41:

Also fügen sich unsere Parteivertreter (Volksvertreter sind die meisten ja eh nicht) und stimmen so, wie die Vordenker es für sie ausgedacht haben. Eine Perversion des Gedankens der Demokratie, ein Verstoss gegen das Grundgesetz, aber da es ein subtiler Zwang ist, kann man kaum etwas dagegen tun.

Ich habe gelesen,daß in England und den USA das dortige Wahlrecht normalerweise verhindert, daß ein Volksvertreter zum Parteivertreter wird. Dort vertritt ein Volksvertreter ja nur die Bürger seines Wahlkreises,oder?

Wie es in den USA ist, weiss ich nicht genau.
In GB gibt es im Parlament einen sogenannten 'Einpeitscher', welcher die Mitglieder der jeweiligen Fraktion zur Fraktionsdisziplin zwingt (oder es zumindest versucht); eines der striktesten Fraktionssysteme der Welt. Wenn ein Parlamentsmitglied aus der Reihe tanzt, hat es mit ziemlich ernsten Konsequenzen fuer seine politische Karriere zu rechnen, sofern der jeweilige Parteifuehrer ueber eine loyale Mehrheit in seiner Partei verfuegt. Ziel des Parteifuehrers ist es deshalb, eine moeglichst dominierende Stellung in der eigenen Partei zu erringen und zu halten.
Ausserdem ist das gesamte Regierungssystem auf lediglich zwei Fraktionen ausgerichtet: die Regierungsfraktion (derzeit Labour) und die Oppositionsfraktion (derzeit die Konservativen, mit einer sogenannten Schattenregierung). Eine dritte Partei (z.B. die Liberalen) hat keine Chance wesentlichen Einfluss auf die Geschicke des Landes zu nehmen (hoechstens ausserparlamentarisch, oder in Stadtregierungen). Die Rollen der Regierungspartei und der Oppositionspartei sind sehr strikte durch die Tradition geregelt. Eine Verfassung, wie in anderen demokratischen Laendern, gibt es IMHO in GB nicht.

Gruss

Maesi

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