Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: INVISIBLE MEN e-zine Nr. 13

Arne Hoffmann, Friday, 31.08.2001, 17:00 (vor 8484 Tagen) @ Maya

Als Antwort auf: Re: INVISIBLE MEN e-zine Nr. 13 von Maya am 31. August 2001 12:05:03:

Hallo Maya,

ich halte deine Frage für so interessant, dass ich sie und meine - recht ausführliche - Antwort darauf in meinem nächsten zine veröffentlichen möchte. Andererseits mag ich dich nicht eine Woche warten lassen, deshalb hier ein Vorabdruck der ersten Fassung:

Zunächst einmal würde ich gerne betonen, dass es nicht die selbstgesetzte Mission der INVISIBLE MEN ist, die Diskriminierung der Männer in Deutschland anzuprangern. Stattdessen stellt es ein begleitendes Magazin zu SIND FRAUEN BESSERE MENSCHEN? dar und möchte sich, wie schon im Editorial der ersten Ausgabe beschrieben, "den brisantesten, interessantesten und kuriosesten Entwicklungen der Geschlechterdebatte widmen, die nach der Manuskriptabgabe meines Buches Nachrichtenwert erhalten haben." Dabei nehme ich mir heraus, die Dinge zu betonen, die ich für wichtig halte und meiner Einschätzung nach in den anderen Medien zu kurz kommen. Der Schwerpunkt liegt dabei zwar erkennbar auf dem Thema "Benachteiligung von Männern", aber auch andere Themen (Feminismuskritik, politische Zensur im Zusammenhang mit der Geschlechterdebatte etc.) werden angesprochen.

Dem unbenommen trifft der Hauptpunkt deiner Kritik sicherlich zu, auch wenn ich nicht so weit gehen würde zu sagen, dass man über Deutschland "kaum etwas" in meinen zines findet. Die letzte Ausgabe war zwar in der Tat schwer US-lastig, aber etwa noch die Ausgabe davor berichtete über die Einäugigkeit der deutschen Polizei in Sachen häuslicher Gewalt, die RTL-Gegenhysterie zu Bergmanns "jede dritte Frau", die von der SPD Duisburg geschaltete Werbung für Männervergasungsphantasien, die Podiumsdiskussion Ministerin Bergmanns mit der Vätergruppe Kassel, der arte-Fernsehabend zum sexuellen Missbrauch und die Doktorarbeit des Mainzer Soziologen Gemünden über männliche Gewaltopfer. In dem zine davor ging es um Roland Koch, Rudolf Scharping, einen gegen die Wehrpflicht klagenden Abiturienten, die Ansichten der PDS über Rechtsextremistinnen, die Krise der deutschen Frauenmagazine im Fernsehen, eine deutsche Exhibitionistin am Jerusalemer Flughafen, den "Platzverweis in Neckarsulm" und den Protest Georg Friedenbergers gegen die Pläne unserer Justizministerin für mordende Ehefrauen ein leichteres Strafmaß anzulegen.

Andere Themen wie die internationale Konferenz für Männergesundheit in Wien, die internationale Mankind Conference in London oder die Weltdemo von um ihre Kinder gebrachten Eltern in Paris sind länderübergreifend. In wieder anderen Beiträgen führen Erkenntnisse aus dem Ausland dazu, dass die Annahme zumindest naheliegt, es dürfte in Deutschland kaum anders aussehen. Dies gilt etwa, wenn man in den USA durch Experimente belegen kann, dass Lehrerinnen männliche Schüler benachteiligen. Auch wenn in etlichen Ländern dieser Erde Statistiken zur hohen Rate männlicher Opfer häuslicher Gewalt existieren, halte ich es für intelektuell unredlich, sich darauf zurückzuziehen, dass es in Deutschland hierzulande gottlob erst diese eine KFN-Studie gibt und frohgemut davon auszugehen, dass hier die Verhältnisse bestimmt ganz, ganz anders aussehen als im Rest der Welt. Dasselbe gilt schließlich auch, wenn Doris Lessing in Edinburgh die Männerfeindlichkeit unserer Kultur kritisiert (und zahlreiche Publizistinnen zustimmen). Es ist ja beileibe nicht so, als ob Deutschland beispielsweise von US-amerikanischen Bestsellern, Filmen und Fernsehserien abgeschottet wäre - ganz im Gegenteil. Genausowenig sind wir politisch-ideologisch von den USA abgeschottet, sondern schwerstens beeinflusst, und das gilt auch und vor allem für die feministische Ideologie. Wenn in den USA Dworkin und McKinnon bestimmte Thesen aufstellen, werden sie von führenden deutschen Feministinnen eilfertig übernommen, US-amerikanische Propaganda über „Männer, das faule/schwache/sonstwie minderwertige Geschlecht“ wird in deutschen Zeitschriften veröffentlicht und beispielsweise Hysterien hinsichtlich sexuellen Missbrauchs oder andere angeblich massenweise vorkommende sexuelle Übergriffe schwappen von den USA nach Europa und damit auch Deutschland. (In meinem Buch zeichne ich diese Entwicklung genauer nach, als ich das in diesem doch sehr zerstückelten zine tun kann.) Auch Gesetzesvorstöße, die im Ausland geglückt sind, werden von deutschen PolitikerInnen oft zum Vorbild genommen. In anderen Fällen stellt sich die Frage, ob man sich mit solchen ausländischen Gesetzen nicht tatsächlich im Blick auf deutsche Probleme näher beschäftigen sollte ("Blitzscheidung in den Niederlanden"). Deswegen halte ich es bei der Geschlechterdebatte wie bei allen anderen Themen für unabdingbar, über den nationalen Tellerrand hinauszusehen. Man spricht schließlich nicht umsonst vom "globalen Dorf". Wenn man sich Aspekte wie Kriegseinsatz, Scheidungsrecht, Gendercide, Domestic Violence oder Beschneidung ansieht, kommt man um die Schlussfolgerung, dass die Benachteiligung von Männern ein weltweites Problem ist, letztlich nicht herum.

Aber selbst wenn man das alles gelten lässt, hast du mit deiner Kritik zumindest teilweise immer noch recht. Ich nehme an, andere Leser empfinden das ähnlich und würden sich sehr freuen, wenn nicht das eigene Land gegenüber Artikeln aus den USA manchmal doch etwas in den Hintergrund treten würde. Mir selbst geht das nicht anders. Hier haben wir es allerdings vor allem mit praktischen Problemen zu tun. In den USA gibt es beispielsweise schon Strukturen einer Männerbewegung, die auf ihren Websites aktuelle Pressearchive anbieten, bei denen ich mich einfach bedienen kann. (Andernfalls könnte ich meinen Hauptberuf auch gleich ganz aufgeben und die ganze Woche nur für dieses kostenlose zine recherchieren.) In den USA und England existieren inzwischen auch zahlreiche weibliche Feminismuskritiker, deren Ansichten von der dortigen Presse auch tatsächlich veröffentlicht werden. In Deutschland hingegen ist die Männerbewegung noch um Jahre zurück und gerade erst so richtig im Entstehen und was die Medien angeht, leben wir unter einer ideologischen Glasglocke. Auch DAS aufzuzeigen ist übrigens eine Funktion meines zines: Guckt mal, wie andernorts schon über männliche Opfer von häuslicher Gewalt oder feministische Trugschlüsse diskutiert wird, und vergleicht das mit der deutschen Presse! Das Problem ist also nicht, dass der deutsche Mann WENIGER benachteiligt wird als der Brite oder der Ami, sondern dass es hierzulande immer noch weitgehend tabu ist, über solche Diskriminierungen überhaupt zu sprechen. Als in Südafrika noch die Apartheid herrschte, ging es den Schwarzen ja auch nicht offensichtlich besser als in den USA, weil in den südafrikanischen Zeitungen über ihre Benachteiligung nichts zu lesen war. Insofern liegt ein Magazin wie die INVISIBLE MEN, das hauptsächlich auf der Basis von aktuellen Links beruht, etwas auf dem Trockenen, was Material aus dem eigenen Land betrifft.

Allerdings hoffe ich sehr, dass sich das ändert. Meine Vision ist natürlich, dass die Männerbewegung in Deutschland im nächsten Dreivierteljahr dermaßen an politischem Einfluss gewinnen wird, dass ich die letzten Ausgaben meines zines problemlos mit hochinteressanten Artikeln und spannenden Diskussionsbeiträgen aus dem Inland füllen kann. Für realistisch halte ich allerdings, dass es bis dahin noch mindestens drei bis vier Jahre dauern wird.


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