Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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antwort bekommt

goprojekt, Sunday, 02.09.2001, 01:24 (vor 8483 Tagen) @ BartS

Als Antwort auf: Frage hat von BartS am 01. September 2001 20:56:22:

hallo, barts,
hier einige beispiele:

ZEIT: Jahrzehntelang war Familienpolitik kein Thema, weder für die Regierungen noch für die Opposition. Woran liegt es, dass sich jetzt alle Parteien mit Vorschlägen überbieten?

wie ich denke eine vollständig klare frage. darauf folgende antwort:

Simonis: Die Zahlen sprechen doch für sich: Etwa vierzig Prozent der Akademikerinnen haben keine Kinder, etwa dreißig Prozent aller berufstätigen Frauen bleiben kinderlos, bei der Geburtenrate sind wir mit Italien das Schlusslicht in Europa. Mich hat allerdings überrascht, dass das Thema nicht im Zusammenhang mit der Gleichstellung von Frauen und Männern debattiert worden ist. Da hätte es eigentlich hingehört.

wie soll ich die antwort verstehen? familienpolitik für keine familien? oder weil wir keine familienpolitik haben, werden zu wenig kinder geboren, unabhängig davon, ob es noch familien gibt? soll ich das so verstehen, dass frau simonis eine neue definition von familie einführt, d.h. eine frau und mindestens ein kind = eine familie? völlig überraschend ist dann der schluss der antwort. offenbar bin ich genauso überrascht, wie frau simonis selbst. auf eine frage nach der familienpolitik antwortet sie mit dem hinweis auf die gleichstellungsproblematik. man könnte auch denken, dass sie beides in eins setzt. die interviewerinnen bemerken, dass etwas nicht stimmt und sind freundlich genug wie folgt weiter zu fragen:

ZEIT: Wirklich? Gilt nicht auch in der SPD inzwischen: Familienpolitik statt Frauenpolitik?

frau simonis bekommt es hin, auch auf diese frage nicht zu antworten:

Simonis: Wenn das so wäre, wäre es falsch. Unsere skandinavischen Nachbarn haben gezeigt, dass beides zusammengehört. In Nordeuropa haben mehr Frauen trotz Berufstätigkeit ein oder zwei Kinder. Die Schweden sind sogar noch einen Schritt weiter gegangen: Alle Segnungen für Familien sind daran gebunden, dass Männer und Frauen sie wahrnehmen. Das heißt: Wenn eine Frau in Schweden zu Hause bleibt, bekommt sie die staatlichen Leistungen nur, wenn der Mann es ihr eine gewisse Zeit gleich tut. Bei uns ist die Diskussion anders gelaufen. Nach den verstaubten fünfziger Jahren stand lange die Gleichstellungsfrage im Vordergrund.

also, wenn du aus der antwort entnehmen kannst, ob der schwerpunkt der debatte innerhalb der spd sich von der frauenpolitik zur familienpolitik verschoben hat, dann wäre ich für einen tip empfänglich. statt eine antwort auf die gestellte frage zu bekommen, machen wir eine kleine reise nach nordeuropa, wobei frau simonis bestimmte implikationen, die zu den bekannten resultaten geführt haben, der einfachheithalber weglässt. danach machen wir eine kleine zeitreise in die fünfziger, um dann wieder bei der gleichstellung zu landen. die intervierwerinnen sind ein wenig langsam und wollen partout keinen zusammenhang zwischen familienpolitik und gleichstellung sehen und stellen deswegen folgende frage:

ZEIT: Hat also die Frauenbewegung die Nöte der Familien zu lange in den Hintergrund gedrängt?

eine wirklich spannende frage. und gerne hätte ich die antwort von frau simonis auch erfahren. statt dessen folgendes:

Simonis: Kinder zu kriegen bedeutete, dass man festgebunden war, sich nicht beruflich entwickeln konnte, nicht machen konnte, was man wollte. Ich habe das damals auch so gesagt. In der SPD spielte das Frauenthema, als ich 1969 beitrat, auch deshalb eine so starke Rolle, weil Frauen weiß Gott auch in der Partei nicht gleichberechtigt waren. Die teilten die Flugblätter aus, schmierten Butterbrote und kochten Kaffee. Die Politik wurde von den Männern gemacht.

so interessant es auch sein mag, innenansichten der spd aus dem jahre 1969 zu erfahren, so sehr hätte mich doch die beantwortung der frage interessiert. in der frage wurde nicht nach der abhängigkeit von frauen durch kinder gefragt, nicht nach der gleichberechtigung innerhalb der spd, nicht nach dem jahr 1969, nicht danach, ob die politik von männern gemacht worden ist und die frauen lediglich kaffee kochten. die interviewerinnen werden offenbar immer langsamer. aber auch schlauer. sie wollen endlich eine antwort. und der geneigte leser mit ihnen. deswegen folgende frage:

ZEIT: Ist Gleichstellungspolitik eine Schlacht von gestern?

und hier die antwort:

Simonis: Nein. Aber ohne Angebote für Familien kommen Sie bei der Gleichstellungspolitik nicht mehr weiter. Wir machen in Schleswig-Holstein eine ganz dezidierte Gleichstellungspolitik - und kommen nur im Kriechtempo voran, weil Frauen mit Kind noch zu oft viel zu lange zu Hause bleiben. Die meisten sind darauf angewiesen, dass sie staatliche Hilfen bekommen, durch Ganztagsbetreuung, durch Angebote an den Schulen, an den Kindergärten. Familienpolitik und Frauenpolitik gehören zusammen.

aha. also gleichstellungspolitik ist keine schlacht von gestern. aber sie kommt trotz aller macht ein wenig langsam voran. deswegen braucht man ein vehikel. und weil zusammen gezwungen wird, was nicht zusammen gehört, wird familienpolitik reduziert auf ganztagsschulen und ganztagsbetreuung in kindergärten. nicht, dass ich nicht auch für solche einrichtungen empfänglich wäre. aber mit familienpolitik hat das nichts zu tun. und soll es ja nach frau simonis auch nicht haben. gruß goprojekt


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