Zur angeblichen Bevorzugung der Frauen im Strafrecht
Frauenbonus oder Männerbonus
"Männer töten gemäss dieser Geschlechterjustiz im Affekt, aber wehe, wenn Frauen töten: Dann ist es nicht Totschlag, sondern gemeiner, hinterhältiger Mord."
Bei genauerer Betrachtung zeige sich in solchen Fällen - entgegen dem kolportierten "Frauenbonus" - so etwas wie ein "gewalttätiger Männerbonus". Denn obwohl Frauen häufig in "notwehrnahen" Situationen zur Gewalt greifen, müssen sie mit durchschnittlich höheren Strafen rechnen als gewalttätige Männer. Frauen, die zwar vor, nicht aber bei der Tat selbst Misshandlungen ausgesetzt sind, werden häufig wegen Mordes verurteilt. Dies, kommentiert Dagmar Oberlies ihre Untersuchungsergebnisse, werde der "Besonderheit solcher Tatkonstellationen nicht gerecht" und wirke "auf dem Hintergrund der Feststellung, dass gewalttätige Männer so gut wie nie wegen Mordes verurteilt werden, entschieden ungerecht".
Die Männern oft attestierte verminderte Schuldfähigkeit stütze sich auf den argumentativen Zirkelschluss, so die deutsche Professorin, "dass Männer, die Gewalt anwenden, nicht in der Lage sind, sich zu beherrschen. Wären sie in der Lage, sich zu beherrschen, würden sie keine Gewalt anwenden." Umgekehrt wird der Vorwurf der "Heimtücke" ungleich viel häufiger bei Frauen erhoben - bei drei Vierteln der Mordurteile gegen Frauen, bei einem Viertel der Mordurteile gegen Männer.
Affekt oder Heimtücke?
Sowohl Untersuchungs- als auch Gerichtsorgane können sich häufig besser mit einem männlichen Täter als mit einer weiblichen Täterin identifizieren. Männliche "Gewaltdurchbrüche" sind für sie "bekannter, einfühlbarer, weniger tabuisiert".
Dem mag auch Christian Huber, der in seiner Karriere ein einziges Mal eine Frau wegen eines Tötungsdelikts vor den Schranken des Gerichts gesehen hat, nicht widersprechen. "Männer", meint er, "sind wahrscheinlich von Natur aus gewalttätiger als Frauen." Eine Frau, die straffällig wird, "ist schon mal ein Ereignis", eine Frau, die gewalttätig wird oder gar tötet, ist etwas, das "einen irgendwie irritiert". Und er räumt ein, dass Frauen, "weil sie physisch nicht in der Lage sind, eine "währschafte Tötung" zu begehen", häufig zu "Mitteln greifen, die das Gesetz als heimtückisch bezeichnet". Das heisst Verwendung von Gift, jemanden im Schlaf umbringen oder ähnliches. Und dann sei die Frau schnell einmal im Mordbereich.
Gewalt von Männern ist der gesellschaftliche Normal-, Gewalt von Frauen der soziale Ausnahmefall. Tötende und mordende Frauen sind selten und passen nicht ins gewohnte Frauenbild. Dass sie deswegen von Gerichten nicht nur für den Bruch mit dem kulturellen Gewaltverzicht, sondern auch für den Verstoss gegen das gesellschaftlich verankerte Konzept Frau und damit schärfer bestraft werden als Männer, wäre zumindest vorstellbar.