Re: Ein Super-Artikel der damals im SPD-Forum geschrieben wurde!
Als Antwort auf: Wieso man d´rauf reinfallen kann von Heini am 04. September 2001 20:36:16:
Dieser Artikel stammte von einem Tobias!
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Auffällig ist, daß alte Strategen wie Rau, Schröder und Scharping immer noch ohne zu erröten von allgemeiner Wehrpflicht reden, wärend die geschlechtspolitisch sensibilisierte Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) nur noch von Wehrpflicht spricht, d.h implizit zugibt, was offen auszusprechen der political correctness in Deutschland widerspräche: Die Männerwehrpflicht ist gesetzlich verankerter und staatlich organisierter Sexismus. Besonders pikant dabei ist, daß zwei Parteien, die sich selbst gerne als Avantgarde der Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik präsentieren, in der Regierungsverantwortung eine Politik der Ungleichstellung und Diskriminierung vertreten, die tief in patriarchalen und nationalistischen Geschlechterklischees wurzeln.
Das Kreil-Urteil hat die Genossinnen kalt erwischt. Bisher galt ja noch der Grundsatz des Bundesverfassungsgerichts, daß Frauen nicht einmal freiwillig mit der Waffe in der Bundeswehr Dienst leisten dürfen, weil ihr Leib und Leben besonders schützenswert seien, was ja implizierte, das ein Männerleben nicht so besonders schützenswert sei, und das ist ja auch die Realität in westlichen Gesellschaften.
Die diesjährige Bundeskonferenz des ASF in Potsdam hat einen interessanten Bericht vorgelegt (nachzulesen unter http://www.spd.de/asf/aktuell/konferenz/rechenschaftsbericht.doc). Darin heißt es u.a.:
Das Urteil des Europäischen Gerichtshof zur Zulassung von Frauen zum freiwilligen Waffendienst hat die ASF als logische Konsequenz des verfassungsrechtlich festgeschriebenen Grundsatzes für Gleichstellung der Geschlechter bewertet, der auch vor den Kasernentoren nicht außer Kraft gesetzt werden kann.
Mit anderen Worten: es hapert ein wenig mit der logischen Konsequenz in der Regierungspartei SPD, wenn erst der EuGH sie darauf hinweisen muß, was Gleichstellung heißt. Übrigens hat sich der EuGH nur am Rande auf das Grundgesetz, hauptsächlich aber auf die europäische Richtlinie 76/207/EWG bezogen.
Überhaupt ist es um die Logik der Genossinnen nicht zum Besten bestellt. Der Lapsus vor den Kasernentoren bezeugt die Konfusion, in der sie sich befinden. Der EuGH hat sich schließlich auf die Situation HINTER den Kasernentoren bezogen: dorthin, wo unsere Genossinnen nie einen Fuß setzen, ohne ihrer Grundrechte verlustig zu gehen. Denn seit jeher und auch nach dem Kreil-Urteil wird hinter den Kasernentoren der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter inzwischen sogar ein Staatsziel! mit Stiefeln getreten.
Damit, daß der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile (GG Art.3, Abs.2) hinwirken soll, war ja eigentlich nur gemeint, daß Frauenrechte gestärkt und Nachteile für Frauen beseitigt werden sollen. Aber auch hier könnten Gerichte am Ende eine viel wörtlichere Auffassung haben als das Parlament und der Paragraph könnte zum Bumerang werden. Was zum Beispiel, wenn das Verfassungsgericht findet, daß die Selektion von Menschen mit xy-Chromosomen zu Zwangsarbeit unter Grundrechtseinschränkung ein bestehender Nachteil ist, der durch den Staat nicht betrieben, sondern vielmehr beseitigt werden muß? Oder wenn es findet, daß Männer und Frauen gleichberechtigt entscheiden sollen dürfen, ob sie beide oder nur eine(r) von ihnen Eltern werden wollen? Dunkle Wolken einer total gleichgestellten Gesellschaft ziehen da am Horizont auf, die braven Sozialdemokratinnen das Gruseln lehren können. Da lernen wir doch lieber die différance anzubeten. Aber weiter zur Wehrpflicht:
Die ASF hat die Erwartung, daß die deutsche Politik die rechtlichen und praktischen Voraussetzungen schaffen muß, Frauen den freiwilligen Dienst an der Waffe zu ermöglichen, ohne neue Diskriminierungsfallen für Frauen in Form von geschlechtsspezifischen Einschränkungen zu schaffen.
Die ASF stört es dabei natürlich überhaupt nicht, daß die deutsche Politik rechtliche und praktische Voraussetzungen der Diskriminierungsfalle Männerwehrpflicht geschaffen hat, die mittels massiver geschlechtsspezifischer Grundrechts-Einschränkungen junge deutsche Staatsbürger in Uniform auf einen rechtlichen Status weit unterhalb eines Zuchthäuslers degradiert.
Auf demselben Kongress hagelte es Beschlussanträge, die eindringlich davor warnen, Frauen zu irgendeinem Dienst, sei es militärisch oder zivil, zu zwingen, d.h. die darauf dringen, Frauen nur ja nicht den Männern rechtlich gleichzustellen (siehe http://www.spd.de/asf/aktuell/konferenz/antragsbuch.doc). Das ist auch nicht weiter überraschend, nicht einmal verwerflich, da der ASF schließlich eine parteiinterne Lobby ist.
Interessant war aber doch ein Antrag des ASF-Bundesvorstands zum Thema:
Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 11. Januar 2000 ist der Weg für Frauen zum freiwilligen Waffendienst in der Bundeswehr geöffnet worden. Die Vorbereitungen, die rechtlichen und praktischen Voraussetzungen für die Umsetzung zu schaffen, sind in vollem Gang. Die Frauen in der SPD verbinden dies mit folgenden Erwartungen:
- Öffnung *aller* Laufbahnen und Berufsfelder in der Bundeswehr auch für Frauen nach individueller Eignung und Neigung. Geschlechtsspezifische Ausschlußgründe für bestimmte Waffengattungen oder Einsatzformen sind nicht akzeptabel.
Bemerkenswert ist das insofern, als selbst die US Armee sich erst *nach* dem Golfkrieg zum Einsatz von Soldatinnen an vorderster Front durchgerungen hat. Bis dahin hieß es immer: gentlemen first. Alle Einsatzformen das bedeutet auch Kampfeinsatz und die Möglichkeit, daß Frau Kreil im Plastiksack in die Heimat zurückkehrt. Schon die Vorstellung einer getöteten Frau löst aber selbst bei den meisten Amerikanern blankes Entsetzen aus. Warum auch der extrem niedrige Frauenanteil unter den Exekutierten in den USA? Bei überproportional vielen hingerichteten Schwarzen denkt man/frau sich: es liegt wohl am verdeckten Rassismus, daß so viele verurteilt werden. Bei fast ausschließlich hingerichteten Männern denkt man/frau sich: das muß wohl das Testosteron sein, daß so viele schuldig sind. Aber in der Regel denkt man/frau gar nichts, sondern registriert hingerichtete Männer als Zahlen, hingerichtete Schwarze als "ethnisch" und hingerichtete Frauen als Geschlechtswesen. Ich glaube jedenfalls nicht, das westliche Gesellschaften viele getötete Soldatinnen aushalten würden. Es würde allzu drastische Änderungen in der Kriegspolitik und damit auch der Wirtschaftspolitik nach sich ziehen.
Und wokommwedenndahinwennjetztauchnochfrauenalsoichweißnich... Aber so weit will ich hier nicht spekulieren. Bei den Einsatzformen haben die Genossinnen also entweder nicht lange genug überlegt, oder sie sind tatsächlich für Überraschungen gut und brechen alte Rollenklischees auf.
Weiter im ASF-Antrag:
- Festhalten an der Wehrpflicht, die durch das EuGH-Urteil nicht berührt ist, da dieses keine Konsequenzen für die Wehrstruktur enthält.
Man bemerke den sprachlichen Eiertanz. Da unmittelbar vorher zu lesen, war, daß die Bundeswehr Frauen alle Türen öffnen soll, wäre nun eigentlich sinnvoll gewesen, von Wehrpflicht für Männer zu sprechen, um klar zu machen, daß es hier nicht mehr um die Frauen geht, daß man also von Frauensubjekten, die sich an der Waffe ihren Berufswunsch erfüllen, zu Männerobjekten schwenkt, die gezogen werden. Aber da rastet eben die sozialdemokratische Sprachregelung prompt ein: nur nicht aussprechen, was den Widerspruch zutage treten läßt.
Dann kommt erwartungsgemäß:
- Ablehnung einer wie immer gearteten Dienstpflicht für Frauen, solange die gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen nicht überwunden ist.
Merke: im ASF-Deutsch heißt es Wehrpflicht ohne Nennung der Betroffenen, aber Dienstpflicht für Frauen. An dieser Stelle hakte die Antragskommission aber ein mit folgendem Korrekturvorschlag (obacht! Auf die Feinheiten kommt es an):
2. und 3. Spiegelstrich werden in folgender Fassung ans Ende gestellt: Ablehnung einer Wehrpflicht für Frauen sowie einer wie immer gearteten Dienstpflicht für Frauen. Die Frage der Wehrpflicht ist durch das EuGH-Urteil nicht berührt, da dieses keine Konsequenzen für die Wehrstruktur enthält.
Was steckt hinter der Änderung des Wortlauts? Weggefallen ist die Bedingung: solange die gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen nicht überwunden ist. In der ursprünglichen Fassung läßt der Antrag die Möglichkeit immerhin denkbar erscheinen, daß Frauen irgendwann einmal einer Dienstpflicht unterzogen werden KÖNNTEN, und zwar dann, wenn sie so frei und selbstbestimmt und undiskriminiert wie Männer heutzutage leben. Keine Angst! Das ist natürlich ebenso idyllisch wie fern, allenfalls auf Südseeinseln und im goldenen Zeitalter der urmatriarchalen Primatenhorde zu finden. Jedenfalls ganz weit weg. Diesseits der Utopie herrscht die Männerverschwörung praktisch universal und ewig. Trotzdem war allein der Gedanke, zu leben wie der ASF sich das Männerleben vorstellt, eben frei von jeglicher Diskriminierung, und dann und deswegen zu Zwangsarbeit herangezogen zu werden, wie es eben jener spezies Mann hier und heute tatsächlich widerfährt, den Sozialdemokratinnen unheimlich und wurde konsequenterweise gestrichen.
Besondere Beachtung verdient auch die Änderung von Festhalten an der Wehrpflicht zu Die Frage der Wehrpflicht ist durch das EuGH-Urteil nicht berührt. Damit wird zumindest die Möglichkeit eröffnet, die Männerwehrpflicht abzuschaffen, sie ist also auch in den Augen der ASF wenigstens fraglich. Unterm Strich lautet für die ASF die politische Alternative: entweder Männerwehrpflicht oder gar keine, auch keine allgemeine Dienstpflicht.
Der Kongress bot wieder überwiegend Feminismus light für Mittelstandsgenossinnen, hätte nicht der ASF Landesverband Rheinland-Pfalz doch einen aufsehenerregenden Antrag zur Wehrpflicht eingebracht, der stellenweise durch seine Geradheit verblüfft, prompt für eine echte Kontroverse sorgte und sogar der Scharping-Kommission etwas ans Bein pinkelt. Abstimmungsergebnis der Antragskommission: 17 Ja, 8 Nein, 3 Enthaltungen.
Wo Uneinigkeit herrscht, da ist geistige Bewegung. Also werfen wir einen Blick darauf:
Antrag Nr. 57:
Wir fordern die Aussetzung der Wehrpflicht, die Einführung einer Freiwilligenarmee und die Neuordnung der zivilen Dienste.
Die ASF wird innerhalb der SPD darauf hinwirken, diesen Prozess einzuleiten.
Was praktisch bedeuten würde, Scharping und Schröder contra zu geben.
- Die vom Europäischen Gerichtshof durchgesetzte Zulassung von Frauen zum Dienst an der Waffe in der Bundeswehr entspricht nicht der Beschlusslage der ASF.
Nach wie vor sind wir der Auffassung, dass auf zahlreichen anderen Gebieten noch ein erheblicher Nachholbedarf in Sachen Gleichstellung besteht, und dass diese Ungleichheit hierdurch nicht aufgehoben wird.
- Die ASF lehnt nach wie vor die Ausdehnung der Wehrpflicht auf die Frauen ebenso ab wie eine allgemeine Dienstverpflichtung für Männer und Frauen (wahlweise Wehr- oder Zivildienst).
Solange die Familienarbeit fast ausschließlich Frauensache ist und zu Lasten der Frauen geht, kann Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern nicht durch eine zusätzliche Belastung der Frauen hergestellt werden.
Hoppla! Warum eigentlich ist Familienarbeit fast ausschließlich Frauensache? Solche erzreaktionären Sprüche hätte man selbst der ASF nicht zugetraut.
Was wie eine normative Stellungnahme gelesen werden kann, soll natürlich als deskriptive verstanden werden. Gleichwohl gären hier wieder die Widersprüche, die notwendig entstehen, wenn man weiblichen Familiendienst und männlichen Wehrdienst aufrechnet und das, was man vorgeblich beseitigen will zum ideologischen Maßstab macht, an dem Gesetze gemessen werden. Jede Frau hat aber ein Wörtchen dabei mitzureden, ob und wieviel Familienarbeit sie macht. Zum Beispiel bei der Frage, ob und wen sie heiratet, ob sie überhaupt Kinder haben will, ob sie überhaupt berufstätig sein und bleiben möchte (eine Frage, die sich für Männer kaum je stellt) und wie die Arbeit zu Hause aufgeteilt wird. Das ist schon ein wenig anders zu bewerten als ein Einberufungsbescheid mit Haftandrohung. Daß die Berufsätigkeit (d.h. Streß, der oft krank macht, und ganztägige Trennung von den eigenen Kindern) meistens doch am Mann hängenbleibt, ist sicherlich bedauerlich. Aber diejenigen Väter, denen es trotzdem gelingt, die Doppelbelastung von Ernährerpflichten und Familienarbeit zu vereinbaren, sind nichtsdestoweniger als 18jährige zur Zwangsarbeit herangezogen worden. Im Weltbild des sozialdemokratischen Mittelstandsfeminismus aber sind Männer nunmal Ernährer, und die es nicht oder nicht ausschließlich sind, sind exotisch.
Zweitens, selbst wenn wir uns auf das Modell der ASF-Leit-Familie einlassen: warum wird eigentlich die Arbeit, von deren Einkommen die laufenden Kosten einer Familie (Essen, Miete, Ausbildung, Freizeit etc.) finanziert werden, nicht als Familienarbeit anerkannt? Ist es nur Familienarbeit, IN der Familie zu arbeiten, nicht aber FÜR die Familie zu arbeiten? Was für eine seltsame sprachliche Diskriminierung liegt dieser Argumentation zugrunde.
Drittens ist es sehr problematisch eine nur relativ weit verbreitete gesellschaftliche Form von Teilung von interner und externer Familienarbeit zur Begründung für ein geschlechtlich diskriminierendes Gesetz zur Wehrpflicht zu machen. Denn ALLE Männer unterliegen der gesetzlichen Wehrpflicht. Aber keine Frau unterliegt einer gesetzlichen Familienarbeitspflicht. Männer, die ihre gesetzlich erzwungene Dienstleistung bereits absolviert haben und dann zusätzlich noch Familienarbeit machen, sind eigentlich doof. Schließlich haben sie ja ihren Ausgleichsdienst bereits erfüllt und können sich der sozialdemokratischen Leit-Familie (Papa geht arbeiten, Mama kocht und wickelt) einpassen. Oder wie oft muss ein Mann staubsaugen, um das berechtigte Gefühl zu haben, nach der Schule zu Unrecht zum Zwangsdienst eingezogen worden zu sein? Und was ist mit den 40,000 alleinerziehenden Vätern in Deutschland? Was ist mit den Paaren, die sich Erziehungsurlaub teilen? Was ist mit den Karrierefrauen, die keine Familienarbeit leisten, weil sie keine haben? Einberufen?
Nun folgt wieder ein schweißtreibendes Formulierungs-Kunststückchen im ASF-Antrag:
Trotzdem ist zu befürchten, dass über kurz oder lang gegen die angebliche Benachteiligung der Männer geklagt wird. Die Erfahrung lehrt, dass solche Klagen keineswegs chancenlos sind.
Sie fürchtet sich also, die ASF in Rheinland-Pfalz. Wovor? Daß Frauen in den Krieg geschickt werden? Weit gefehlt. Nur davor, das Männer gegen ihre angebliche Benachteiligung klagen, und sogar, horribile dictu, keineswegs chancenlos sind. Daß sie sich also dagegen wehren, aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert zu werden, steht zu befürchten.
Man wage einmal folgendes Gedankenexperiment: Irgendein SPD-Gremium würde einen Gesetzentwurf formulieren, nach dem ausschließlich Frauen zu Zwangsarbeit herangezogen, auf Befehl in den Krieg geschickt werden können und ihre Grundrechte auf Leben und Unversehrtheit, Versammlungfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Persönlichkeitsrecht, freie Wahl der Tätigkeit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Petitionsrecht und Freizügigkeit eingeschränkt würden, und dieser Gesetzesentwurf würde durch die Feststellung gekrönt, daß zu befürchten stünde, daß Frauen gegen ihre angebliche Benachteiligung klagen würden und sogar nicht ganz chancenlos wären. Das ware nicht einmal empörend, sondern das wäre einfach nur lächerlich. Andersherum geht so etwas als seriöse sozialdemokratische Frauen- und Verteidigungspolitik durch.
Aber die Rheinland-Pfälzerinnen sind Realistinnen:
Es steht zu erwarten, dass dieser nicht nur von der ASF, sondern bisher von der SPD insgesamt vertretene Standpunkt [=keine Frau muss gar nix] jedoch dauerhaft genauso wenig zu halten sein wird, wie zuvor die Ablehnung des Dienstes an der Waffe.
Die ASF muss sich daher frühzeitig der Diskussion stellen, bevor sie mit der SPD von der Entwicklung wieder überrollt wird.
In der Tat. Das peinliche an dem Urteil ist ja, daß die SPD erst durch den europäischen Gerichtshof über Gleichstellung der Geschlechter belehrt werden muß. Eine Regierungskoalition, die durch ihre überholten Rollenklischees in die Defensive gerät, überzeugt nicht, besonders wenn sie so passioniert Gleichstellung in Wirtschaft und Gesellschaft (nur nicht im Staat) predigt. Hier haben die Sozialdemokratinnen aus Rheinland-Pfalz etwas in die Ferne gespäht. Wahrscheinlich wird der Dinosaurier Männerwehrpflicht, auch wenn die deutsche Sozialdemokratie noch so blockt und mauert, bald eingehen. Schon ein Blick in die meisten westlichen Demokratien lehrt, daß die SPD Deutschland wiedermal als verspätete Nation ins 21. Jahrhundert führen wird. Die Männerwehrpflicht und die altbackenen, sophistischen Begründungen dafür werden zur Lachnummer unserer europäischen Partner und sich vielleicht 10 oder 20 Jahre halten können, bis selbst der dümmste deutsche Depp merken wird, das Männerwehrpflicht vor allem der Rekrutierung von Zivis dient.
Dann folgen im ASF-Antrag einige falsche Ansichten über den historischen Zusammenhang von Wehrpflicht und Demokratie und in verblüffender Offenheit der skandalöse Grund für das krampfhafte Beharren auf der Männerwehrpflicht in Deutschland:
Zivildienstleistende sind in vielen Bereichen unserer Gesellschaft tätig, sie stellen eine feste Größe in der Kalkulation zahlreicher Einrichtungen dar. Mit dem Wegfall der Wehrpflicht stünde das Heer der Zivildienstleistenden nicht mehr zur Verfügung.
Allerdings ist es eine mehr als seltsame Logik, die Beibehaltung der Wehrpflicht zu fordern, um ein ausreichendes Potential von Gegnern dieser Institution für andere Zwecke zur Verfügung zu haben.
Schön formuliert.
In den Feuerbach-Thesen kann man kurz und knapp nachlesen, wie die Widersprüche in der Gesellschaft selbst allerlei kuriose Hirngespinsten hervortreiben, die den Menschen aus dem Kopf wachsen und sich wie Dämonen auf ihre Schultern hocken und sie peinigen. Marx zielte hauptsächlich auf Religion und die Vorstellung vom bürgerlichen Normalmenschen. Was ist es aber heute, das die Menschen so beunruhigt, endlose Diskussionen, Kongresse, Universitätsseminare mit Redestoff versorgt, Ratgeber, Dissertationen, Trivialromane, Fernsehreportagen, Radiofeatures, politische und kirchliche Sonntagspredigten, genetische, psychologische, soziologische, historische und hirnphysiologische Forschungsberichte umtreibt und immer neue Theorien über die eigentliche Wahrheit in immer kürzerer Abfolge aufblühen und verwelken läßt? Gott? Hölle? Unsterblichkeit?
Es ist der Geschlechtscharakter. Was ist Mann, und was ist Frau. Ihr Wesen, ihre Natur, ihre Bestimmung, ihre Moral, ihre Ästhetik etc. pp.
Auch Hirngespinst-Fragen.
Und auch hier sind es eigentlich gesellschaftliche Widersprüche der Arbeitsorganisation (eingeschlossen der menschlichen Reproduktion), wie man an den Zivis sieht und wie es die ASF-Frauen so schön auf den Punkt gebracht haben: Der Staat hält ein diskriminierendes Wehrpflichtgesetz aufrecht, um seine Gegner, die sich halbe Helden dünken, wenn sie verweigern, zu niedrigen Kosten verwerten zu können.
Das bigotte deutsche Alternativgetue (anders reisen, anders heiraten, anders Weihnachten feiern, anders aufs Klo gehen, Neuer Mann sein, Postfeministin sein, die etwas andere Kreditkarte haben...), ist ein Rädchen im Apparat, ohne das er nicht funktionieren würde. Man male sich aus, was geschehen würde, wenn niemand mehr Zivildienst leisten würde. Was passiert wohl, wenn 174.437 Verweigerer (Stand 1999, Tendenz steigend) zusätzlich zu den Nichtverweigerern auf die 53.000 Dienstposten für Grundwehrdienstleistende drängen würden, die ohnehin militärtechnisch und politisch kaum einsetzbar sind?
Der ökonomische und militärische Unsinn der Männerwehrpflicht würde offenbar, der soziale und medizinische Service würde ohne das Heer männlicher Zwangsarbeiter in eine tiefe Krise schliddern und die Männerwehrpflicht wäre binnen Kurzem erledigt.
Die naiven Verweigerer (ich selbst gehöre dazu) der 80er sind sich kritisch und edel vorgekommen mit der Frage: Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. Also sind wir ins Krankenhaus gegangen, und dachten: Wenn bald ganz ganz viele nicht mehr zum Bund gehen, gibts auch keine Wehrpflicht mehr.
Wer heute nicht nur die Männlichkeits-Stereotypen des Wilhelminismus, der Nazis und der Adenauerrepublik ablehnt (was billig ist), der sollte sich fragen, warum der Zeitgeist uns seit 20 Jahren Klischees vom neuen, anderen, sanften, kritischen, sozialverträglichen und sozialverwertbaren Mann einbläst. Was den meisten Schülern heute als Verweigerung von Pastoren, Müttern, Medien und peer groups treu blinzelnd angetragen wird, ist in Wahrheit ein feiger und dummer Konformismus, der die patriarchale Geschlechterordnung unter einem grün-rosa make-up perpetuiert.
Die Frage lautet heute vielmehr: Stell dir vor, sie machen den Verweigerungsantrag noch idiotensicherer und lassen dazu noch die Kirchen und Sozialverbände in den Schulen für Verweigerung werben, aber keiner geht mehr zum Zivildienst.
gesamter Thread:
- Schaut euch diese Unverschämtheit an! BITTE! -
Heini,
04.09.2001, 17:23
- Ein "alter" Fake! -
Sven,
04.09.2001, 17:44
- Re: Ein "alter" Fake! -
Jörg,
04.09.2001, 22:17
- Re: Ein "alter" Fake! - Maya, 05.09.2001, 00:16
- Re: Ein "alter" Fake! -
Jörg,
04.09.2001, 22:17
- das wirklich bemerkenswerte an diesem fake ist, -
goprojekt,
04.09.2001, 19:44
- Re: das wirklich bemerkenswerte an diesem fake ist, - Holger, 04.09.2001, 20:00
- Re: das wirklich bemerkenswerte an diesem fake ist, - Jörg, 04.09.2001, 21:42
- Wieso man d´rauf reinfallen kann -
Heini,
04.09.2001, 23:36
- Re: Ein Super-Artikel der damals im SPD-Forum geschrieben wurde! - Joachim, 04.09.2001, 23:54
- ihr merkt´s doch -
Maya,
05.09.2001, 00:14
- Re: ihr merkt´s doch - Jörg, 05.09.2001, 00:29
- aaah, das erinnert mich.... - goprojekt, 05.09.2001, 01:31
- Innerhalb von 20 Minuten - Heini, 05.09.2001, 02:03
- Es ist wiklich schlimm - Heini, 04.09.2001, 23:18
- Fake - Olaf, 05.09.2001, 12:42
- Ein "alter" Fake! -
Sven,
04.09.2001, 17:44