Ein älteres Buch von g. Wallraff
Hatte dieses Buch mal, unter einem anderen Vorsatz, vor Jahren gelesen, und da ich mal wieder in der Bücherei war, nochmals ausgeliehen.
Günther Wallraff Industriereprotagen erschienen bei rororo 03/1970
600-ISBN 3499167239
Aus dem Kapitel:
Sinter zwo im Stahlwerk
In diesem Kapital geht es hauptsächlich um die schweren Arbeitsverhältnisse wie Staub, Schichtarbeit etc., alles A la Wallraff. Zuvor meinte ein familienloser Arbeiter der sein Geld in Bars durchbringt, das ihm recht gut gehe.
Ein älterer Arbeiter, der sich an unsere Wache hin und wieder beteiligt, meist in warmen Nächten- meine Pumpe macht nicht mehr so mit hält ihm entgegen: Bei uns zu Hause sieht das anders aus. Bei uns ist am Ersten oft schon Ultimo. Meine Alte braucht´nen Kühlschrank, ´ne Waschmaschine, Fernseher sowieso, und neulich ließ sie sich von so´nem Vertreterfritzen sogar ´ne Spülmaschine für zwölfhundert Mark aufschwätzen. Und alles vom Neusten. Die neuste Fernsehtruhe mit drittem Programm, der alte Kasten wurde in Zahlung gegeben wurde gegeben, und was die in dem Kasten anpreisen, muss sie auch haben: die Waschmaschine automatisch und den Kühlschrank mit enormem Fassungsvermögen. Dabei haben wir oft gar nichts zum Reinstellen. Wir leben von der Hand in den Mund. Dann sind die Raten am ersten fällig, und dann warten wir schon auf den nächsten Ersten. Ich weiß nicht, wie ich´s anstellen soll, das die Kohlen stimmen. Weil die Nachbarin es hat, muss meinen Alte das auch haben und möglichst noch´nen Typ neuer. Ich bin nur fürs Geldranschaffen da. Wenn ich von der Nachtschicht komm, raunzt sie mich an, ich soll leise machen, die Kinder würden wach. Meinem Ältesten der jetzt auch noch auf die höhere Schule soll, weil meine Alte sich das in den Kopf gesetzt hat, meine Kinder sollen mal was Besseres werden-, den sehe ich nur jede dritte Woche, wenn ich von der Frühschicht nach Hause komm. Dann darf ich ihn nicht stören, weil er Schulaufgaben macht. Er kriegt Nachhilfeunterricht, damit er die Aufnahmeprüfung besteht, unsereins kann ihm da nicht helfen. Ich möcht manchmal dass wir noch mal vor der Währungsreform leben, das war hart, aber normal. So leben wir auf Pump, als ob wir uns das alles leisten könnten was uns da angedreht wird. Ich schlage meine Alte tot und zieh in ´nen Wohnwagen. Dann kann ich mich wenigstens satt essen.
H. , der auf dem Dach dabeisteht, wendet ein: Immer noch besser so´ne Alte als so´ne Alte, wie ich sie hab. Bei Nachtschicht betrügt sie mich mit ´nem jüngeren Kollegen von der Gegenschicht
.Dann streiten sich die beiden, welche der beiden Alten das kleinere Übel ist. Jeder meinte die des anderen.
Wallraff hat diese Buch, mit Sicherheit aus einem anderen Blickwinkel heraus geschrieben, aber was dieses Buch so interessant macht, es stehen noch andere derlei Sachen drin. z. B.: Stalingrad war nichts gegen 20 Jahre Pütt oder wie ältere Familienväter im Akkord arbeiten damit sie ihre Familie ernähren können. Meistens handelt es sich jedenfalls um Tätigkeiten die von Männern ausgeführt wurden. Sollte zur Pflichtlektüre aller FeministInnen werden, wenn sie mal wieder abheben.