Interessanter Artikel
Nikos, Saturday, 26.03.2005, 15:30 (vor 7573 Tagen)
Re: Interessanter Artikel
Sven, Saturday, 26.03.2005, 16:23 (vor 7573 Tagen) @ Nikos
Als Antwort auf: Interessanter Artikel von Nikos am 26. März 2005 13:30:
"Der deutsche Selbsthaß hat in den letzten Jahrzehnten eine Diskussion über dieses Problem verhindert, weil, wer es aufgriff, sofort beschuldigt wurde, klassische Bevölkerungspolitik zu betreiben. Wir müssen nun erkennen, daß der Autonomen-Satz "Nie wieder Deutschland!" auf unheimliche Weise vollstreckt werden könnte."
No comment!
Re: Interessanter Artikel
stiller Mitleser ;-), Monday, 28.03.2005, 19:21 (vor 7571 Tagen) @ Nikos
Als Antwort auf: Interessanter Artikel von Nikos am 26. März 2005 13:30:
Ich hab mir jetzt diesen "Grundkurs Demographie" komplett durchgelesen. Es kommt einem schon das kalte Grausen - bei den vielen Widersprüchen und falschen Schlußfolgerungen. Wozu "Bestandserhaltung" mit neidischem Blick auf Indien? Zigmal erzählt er, daß wir "Zuwanderung" bräuchten um die Sozialbiträge niedrig zu halten - an anderer Stelle schreibt er aber auch, daß die Zuwanderer die Kassen belasten. Usw. usf.
Mal eine etwas andere Sicht der Dinge (PDF-Dokument):
http://www.nachdenkseiten.de/cms/upload/pdf/gbosbach_demogr.pdf
Re: Interessanter Artikel
susu, Monday, 28.03.2005, 21:23 (vor 7571 Tagen) @ stiller Mitleser ;-)
Als Antwort auf: Re: Interessanter Artikel von stiller Mitleser
am 28. März 2005 16:21:
Ich hab mir jetzt diesen "Grundkurs Demographie" komplett durchgelesen. Es kommt einem schon das kalte Grausen - bei den vielen Widersprüchen und falschen Schlußfolgerungen. Wozu "Bestandserhaltung" mit neidischem Blick auf Indien? Zigmal erzählt er, daß wir "Zuwanderung" bräuchten um die Sozialbiträge niedrig zu halten - an anderer Stelle schreibt er aber auch, daß die Zuwanderer die Kassen belasten. Usw. usf.
Vor allem finde ich süß, daß die Demographen da andere Wissenschaften ignorieren. Da findet sich dann eine mögliche Prognose, die schlicht und ergreifend ökologisch (Wissenschaft, nicht als politischer Begriff) nicht geht. Selbst mit der Annahme alle Menschen seien first level predators (also Veganer), liegt die Weltbevölkerungsangabe 11,6 Milliarden einfach im Bereich des Unmöglichen. Aktuell verbrauchen 6,4 Milliarden Menschen ca. 60% der Energie die Pflanzen neben dem Eigenbedarf in Form von Zucker und Sauerstoff abgeben. (Quelle: E.O. Wilson "The future of life") Bei 10,7 Milliarden liegt also eine natürliche Grenze, alles darüber hinaus trägt die Biosphäre nicht (dauerhaft sind auch 6,4 Milliarden Menschen ein großes Problem. Es läßt sich leicht überlegen, was der Anstieg seit 1960 - von ca. 30% zu den aktuellen 60% - für Folgen für die Biodiversität hat. Wir sind an dem Punkt, wo schon first Level predators von Freßkonkurenz durch Menschen stark genug betroffen sind um niederzugehen). Die Angabe von 60% gilt in der Ökologie als optimistischer Wert, es finden sich in der Literatur auch deutlich höhere Angaben).
Die Erklärung Deutschland könne ohnehin den Bevölkerungsanstieg in z.B. Indien nicht kompensieren geht am Thema vorbei. Deutschland war eines der ersten Länder, die unter die replacement rate kamen. Erst mit großer Verzögerung (hier haben sie mal Recht, die Demographen) fing jedoch die Bevölkerung an zu schrumpfen. Selbst wenn China, Indien etc. unter die replacement rate kommen, wird ihre Bevölkerung zunächst weiterwachsen. Deutschland galt und gilt für viele Länder als Modell. Eine der führenden Wirtschaftsnationen, trotz - oder gar wegen? - des Geburtenrückgangs. Wenn Deutschland jetzt umschwenken würde, zugunsten einem Versuch ein Bevölkerungswachstum oder auch nur Stagnation zu erreichen, weil es sonst keine Lösungen für unsere Wirtschaftsprobleme gäbe, würde dies ein fatales Zeichen setzen. Denn welchen Grund hätten dann Schwellenländer zu der Annahme, eine Verringerung des Bevölkerungswachstums sei zu ihrem eigenen Nutzen? Und wenn die von der Bremse gehen...
Wer zieht aus "Ganz wichtig: Halten Sie Tempobeschränkungen ein, denn der Anhalteweg, der neben dem Bremsweg auch die Reaktionszeit des Fahrers berücksichtigt, erhöht sich überproportional zur Geschwindigkeit." die Aufforderung schneller zu fahren, weil da vorne die Wand ist?
susu
Re: Interessanter Artikel
Garfield, Tuesday, 29.03.2005, 14:43 (vor 7570 Tagen) @ Nikos
Als Antwort auf: Interessanter Artikel von Nikos am 26. März 2005 13:30:
Hallo Nikos!
Ich kann in dem Artikel keine wirkliche Aussage ausmachen, außer der, daß es immer weniger Kinder geben wird.
Dieses Problem besteht ohne Zweifel, aber die Diskussionen darüber laufen üblicherweise in die völlig falsche Richtung. Da wird darüber lamentiert, daß es Eltern in Deutschland sooooo schlecht gehen würde. Man zeigt in Fernsehreportagen kinderreiche Familien, die angeblich fast am Verhungern sind, sich merkwürdigerweise aber häufig eine große Wohnung oder ein großes Haus, ein teures Auto, mehrere PCs mit Internetzugang usw. leisten können.
Fakt ist: Eltern haben in Deutschland noch niemals soviel Unterstützung bekommen wie heutzutage. Und diese Unterstützung ist nur solange finanzierbar, wie es eine ausreichende Anzahl kinderloser Menschen gibt, die diese Unterstützung nicht bekommen, dafür aber mangels Freibeträgen die volle Steuerlast tragen.
Wenn sich die Zahl der Kinderlosen also wirklich reduzieren würde, dann müßte zwangsläufig auch die Unterstützung für Eltern reduziert werden, mit dem Ergebnis, daß dann bald bedingt durch die hohen deutschen Lebenshaltungskosten Kinder tatsächlich für die allermeisten Menschen eine Garantie für Armut wären.
Außerdem macht es überhaupt keinen Sinn, eine Erhöhung der Geburtenrate anzustreben, solange das Problem der steigenden Arbeitslosenzahlen nicht gelöst ist. Und ich sehe nach wie vor kaum sinnvolle Ansätze zur Lösung dieses Problems. Auch die Maßnahmen, die Schröder nun durchziehen will, werden wieder einmal absolut kontraproduktiv wirken: Die geplanten Steuersenkungen für die Wirtschaft (die ohnehin wieder vor allem Großunternehmen zugute kommen werden) werden natürlich ein weiteres Loch in die Staatskasse reißen, und das wird man wieder einmal zu stopfen versuchen, indem man die Allgemeinheit noch stärker steuerlich belastet. Vielleicht durch eine weitere Stufe der "Ökosteuer", oder durch Erhöhung der Mehrwertsteuer... Treffen wird das letztendlich die abhängig Beschäftigten, weil die zum einen die Steuerlast nicht mehr über Preise weiter geben können, zum anderen aber auch durch die miese Situation auf dem Arbeitsmarkt kaum noch Möglichkeiten haben, ihre Einkommen den steigenden Kosten anzupassen. Es wird letztendlich also eine weitere Umverteilung von unten nach oben geben, die die allgemeine Kaufkraft weiter schwächen wird. Wenn aber die Kaufkraft auf dem deutschen Binnenmarkt noch weiter sinkt, werden die Unternehmen ihre durch diese Steuerreform erzielten Zusatz-Gewinne natürlich lieber auf ausländischen Märkten investieren, die noch Wachstumspotenzial haben, als auf dem schrumpfenden und damit immer uninteressanter werdenden deutschen Markt. Und die Unternehmen, die das nicht können, werden in noch größerer Anzahl als bisher durch die sinkende Kaufkraft ruiniert werden.
So wird es nicht mehr lange dauern, bis die offiziellen Arbeitslosenzahlen selbst die Zahlen von Anfang der 1930er Jahre übertreffen (was die realen Arbeitslosenzahlen mit Sicherheit schon längst getan haben).
Und je weniger Erwerbsmöglichkeiten es gibt, umso weniger Platz bleibt für die nächste Generation. DAS ist das große Problem. Die Diskussionen um die Geburtenrate haben nur den Zweck, davon abzulenken und Politikern ihre einträgliche und bequeme "nach uns die Sintflut"-Einstellung ungestört durch lästige Massenproteste weiterhin zu ermöglichen.
Wenn man die Mehrheit der Bevölkerung endlich einmal wirklich steuerlich entlasten würde, dann wäre schon viel erreicht.
Dazu müßte man dann aber an anderer Stelle sparen, beispielsweise an Steuererabschreibungsmöglichkeiten und Subventionen für Großunternehmen und auch an diversen Politiker-Privilegien. Das werden unsere "Volksvertreter" aber freiwillig niemals tun.
Freundliche Grüße
von Garfield
Re: Interessanter Artikel
Nikos, Tuesday, 29.03.2005, 15:51 (vor 7570 Tagen) @ Garfield
Als Antwort auf: Re: Interessanter Artikel von Garfield am 29. März 2005 11:43:21:
Hallo Garfield!
Eine sehr interessante Stellungnahme. Sicherlich müssen die Steuern abgebaut werden. Das kann aber nur geschehen, wenn man gleichzeitig die Ausgaben reduziert. Die Unternehmen kann man leider am wenigsten belasten, weil sie dann einfach verschwinden. Man soll zwar Unternehmen auch besteuern, aber auf die Balance achten, so daß sie nicht auswandern. Es bleibt also bei der Reduzierung der Ausgaben. Doch wo soll man da anfangen? Natürlich ist es sinnvoll in die Zukunft zu investieren, also in Kindern, aber auch in Erziehung und Lernen. Das Problem aber fängt für mich da an, wo etwas zu sehr ideologisch betrachtet wird, und deshalb vom gesunden Menschenverstand abdriftet. Das passiert für mich heutzutage in Deutschland mit den Feminismus.
Es gab angeblich die Situation, daß Frauen, nachdem sie ein Kind bekommen, gerne arbeiten gehen würden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden. Diese Annahme ist IMO völlig falsch. Ebensowenig man über "die Frauen" sprechen kann, genauso wenig kann man sagen, daß alle Frauen nicht abwarten können, wieder arbeiten zu gehen. Meine Ex geht und ging arbeiten, weil sie es muss, um überleben zu können, nicht weil sie dabei die Erfüllung schlechthin erfährt. Für sie war dies nie eine extra-Freude.
Mir kann auch keine/r erzählen, daß die Mehrheit der Frauen super-total-gerne arbeiten gehen (würden), es stimmt einfach nicht, weil Erwerbsarbeit etwas ganz anders ist als Arbeit, die ich in der Freizeit zB im Garten verrichte. Die Pflichten machen jede Erwerbsarbeit zu eine Qual, die man nur noch bis zu Rente ertragen tut. Es mag sein, daß man und frau sich über die Erfolge in der Arbeit und über den Lohn, sowie die Unabhängigkeit, die der Lohn bedeutet, sich freuen können, aber nicht über die verpflichtende abhängige Erwerbsarbeit an sich.
Was passierte nun? Die Feministinnen sind gekommen und fingen an uns zu erzählen, daß die Erwerbsarbeit für eine Frau das Beste ist, was einem Menschen überhaupt widerfahren kann! Dies geschah (mit massive Männerunterstützung) so erfolgreich, daß die Psychologenpraxen sich fühlten, die Drogenverkäufe sich rasant steigten, das spirituelle Elend sich breit machte. Sie erzählten uns davon, daß eine Frau, die einfach zuhause mit ihren Kindern bleiben möchte, sie helfen wollte, wertvolle Mitglieder der Gesellschaft zu werden, eigentlich nicht ernst zu nehmen sein kann, denn für eine Feminsitin ist eine Hausfrau ein halber Mensch, wenn es hoch kommt, nein, nicht ein mal das, eine "nur" Hausfrau ist eigentlich schlimmer als ein Macho!
Um das zu ändern, also um die Frauen aus die Häuser zu bekommen, würde ein unglaublich kostenspieliges Apparat geschaffen und es wird im Leben gehalten, auf genau so kostenspielieger Art. Ich möchte nicht wissen, was der Gesellschaft das Gender-Mainstreaming kostet! Kindergartenplätze mögen sinnvoll für die Entwicklung des Kindes sein. Für zwei-drei Stunden sicherlich, aber nicht wenn das Kind dort zehn Stunden am Tag verbringt! Die Familie, die Verwandschaft, die Freunde, sollen ein Kind den Weg ins Leben bahnen, nicht wildfremde Menschen, die vielleicht irgendetwas in der Uni gelernt haben, aber von den eigentlichen intimen Wünschen MEINES Kindes nicht die blaseste Ahnung haben (können)! Die Familie tut die Erziehung weitgehend UMSONST! Als freiwillige Leistung in der Gesellschaft, da eine solche familienorientierte Gesellschaft sich absolut dessen bewusst ist, daß Kinder die existenzeille Grundlage des Fortbestehens der Gesellschaft sind, und sich entsprechend darum kümmert.
Das Problem ist dabei folgender: Mein Kind ist ein Teil von mir. Die Gefühle, die ich für mein Kind habe, sind ähnlich wie die Gefühle, die ich für mein Bein habe. Kann jemals ein "Betreuer" die selbe Gefühle für mein Bein entwickeln, wie ich selbst? Wobei natürlich beim Kind die Gefühle viel größer sind. Es ist ein Teil von mir, es ist die Manifestation der Großartigkeit des Lebens selbst! Da passen keine Ideologien hinein, egal wie perfekt Durchdachte, und schon gar keine Totalitäre!
In Zeiten der Dienstleistungsgesellschaft ist es natürlich normal, wenn auch solche intime und völlig sensible Bereiche, wie die Kindererziehung, Dienstleistern überlassen werden. Ich warte auf den Moment, wo mehr Erwachsenenfickplätze gefordert werden, um sich beim Vögeln "mehr soziale Kompetenz" zu erwerben. Ein lustiges Familienfest mit fünfzig Erwachsenen und Kindern, ist unter keinen Umständen mit ein Kidergeburtstagparty im Kindergarten zu vergleichen. Oberflächlich gesehen mag ein solcher Party vielleicht besser für Kinder geeignet erscheinen. Aber auf langer Sicht unterbricht sie die Kontinuität des Lebens, in der auch Erwachsene und gleichartige, größere oder kleinere Kinder vorkommen. Und zwar geliebte Erwachsene, Eltern, Großeltern, Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen, Geschwister, aber auch Freunde. Wie kann man gute Freundschaften bilden, wenn mann von kleinst auf in die Gruppe gezwungen werden soll? Wie kann man sich Freunde aussuchen, und durch diese Suche sich persönlichkeitsmäßig erweitern?
Eben diese Abhängigkeit von der Gruppe, die aber nicht automatisch bedeutet, daß man sich auf diese Gruppe auch verlassen kann, denn die Gruppen wechseln oft bei Umzug oder Nichtgefallen, verursacht eine Einstellung, die bleibende Werte al unwichtig erscheinen lässt. Nicht zählt, nicht ist ewig, nicht ist immer gut und immer böse. Also, warum arbeiten und steuer zahlen, wenn auch vom Sozi leben kann? Warum meine berufliche Geschäfte ehrlich und ehrenhaft erledigen? Es ist doch viel besser, wenn ich alle "Konkurrenten" umwälze. Feminismus ist für mich die Ausbreitung des Kapiltalismus im Privaten, mehr nicht! Daß diese Rechnung nicht aufgeht ist klar, genau so wenig, wie der real-Kapitalismus auf langer Sicht überleben kann.
Für mich sich ganztags Kindergartenplätze genau so schlecht für die Kinder, als für unsere Gesundheit, wenn wir aufhören würden zu kochen und Großkantinen beauftragen würden, uns drei mal am Tag mit Essen zu versorgen. Es gäbe jeden Tag ein bis zwei Gerichte zur Auswahl, immer die gleichen Portionsgrößen, und ein fade Beigeschmack, daß an Elend nicht zu überbieten wäre!
Nikos
Re: Interessanter Artikel
Garfield, Tuesday, 29.03.2005, 19:02 (vor 7570 Tagen) @ Nikos
Als Antwort auf: Re: Interessanter Artikel von Nikos am 29. März 2005 12:51:
Hallo Nikos!
In der DDR war es ja so, daß jeder ein Recht auf Arbeit hatte. Das bezog sich auch auf Frauen. Es gab auch ausreichend Kindergarten- und Kinderkrippen-Plätze. Trotzdem waren auch in der DDR viele Frauen mit Kindern nur halbtags tätig, oder sie blieben die ersten Jahre mit den Kindern zu Hause. Und Frauen von gut verdienenden Männern arbeiteten auch in der DDR häufig nicht beruflich. Nicht, weil sie dazu gezwungen wurden, zu Hause zu bleiben, sondern weil sie ein Leben als Vollzeithausfrauen einfach angenehmer fanden.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein gab es im einfachen Volk praktisch gar keine Vollzeit-Hausfrauen. Weil die Einkommen der Männer zu niedrig waren, um die Familien allein zu ernähren.
Erst als dann die Durchschnittseinkommen stiegen und die Mittelschicht breiter wurde, gab es dann immer mehr Hausfrauen. Wieso wohl sollten die Männer ihre Frauen nun plötzlich an den Herd verbannen? Die Frauen zogen sich gern an den Herd zurück, und sehr schnell galt es für einen Mann als Zeichen von Fleiß und Tüchtigkeit, wenn seine Frau nicht erwerbstätig sein mußte. Diese Einstellung ging ganz besonders auch von den Frauen aus.
Wie kam es nun zu dieser völligen Neubewertung der Erbwerbsarbeit?
Bis ins 19. Jahrhundert hinein hatten die Menschen noch eine sehr realistische Einstellung zur Erwerbsarbeit. Man sah sie als notwendiges Übel, das man nun einmal auf sich nehmen muß. Wer nicht arbeiten mußte, zeigte das auch stolz. Blässe galt bekanntlich lange Zeit als vornehm, weil man damit demonstrierte, daß man es nicht nötig hatte, tagsüber im Freien (bzw. überhaupt irgendwo) erwerbstätig sein zu müssen. Daher stammt auch der Begriff "blaublütig" für "adelig". Reiche Adelige, die von der Arbeit ihrer Untertanen lebten, arbeiteten selbstverständlich nicht selbst und hatten so auch vornehm-blasse Hände, auf denen sich die Adern bläulich abzeichneten. Bei einem Bauern, der tagsüber in der Sonne auf dem Feld arbeiten mußte, waren die Hände dagegen von der Sonne gebräunt, so daß man die Adern kaum sah. Viele Adelige betonten noch im 19. Jahrhundert stolz, daß sie für ihre hohen Einkommen niemals arbeiten mußten.
Das änderte sich erst durch zwei Faktoren:
1. Der Aufstieg des Bürgertums. Als immer mehr Menschen bürgerlicher Herkunft große Reichtümer anhäuften, während viele Adelige, die vor allem von den Erträgen ihrer landwirtschaftlichen Güter lebten und so oftmals den Aufsprung auf den Zug der Industrialisierung verpaßten, zunehmend Schulden machten, konnte man diesen schwerreichen Bürgern den Eintritt in die oberste Schicht der Gesellschaft nicht mehr verwehren. Die etablierten Adeligen nahmen sie aber nur höchst ungern in ihre Kreise auf. Sie bezeichneten sie naserümpfend als "Neureiche" und fühlten sich ihnen überlegen, weil sie im Gegensatz zu vielen dieser reichen Bürger nie für ihren Lebensunterhalt gearbeitet hatten. Manche "Neureiche" reagierten darauf, indem sie den Lebensstil der Adeligen kopierten und sich genauso in Müßiggang übten. Andere dagegen bezeichneten diese etablierten Adeligen verächtlich als Schmarotzer.
2. Der Aufstieg der kommunistischen Ideologie. Dieser Aufstieg wurde erst möglich durch die schlechten Lebensbedingungen vieler Arbeiter im 19. Jahrhundert. Die Vordenker der kommunistischen Bewegung stammten oft aus dem Bürgertum, und so übernahmen sie die Haltung der selbstbewußten Angehörigen dieses Bürgertums zum Adel. Arbeit galt ihnen nicht als etwas Schändliches, sondern als etwas Positives, etwas, das den Menschen überhaupt erst zum Menschen gemacht hat. "Arbeit adelt" hieß es nun immer öfter.
Aber sie wandten diesen Leitspruch auch auf die Besitzer von Fabriken an, die vielleicht ursprünglich auch mit eigenen Händen ihre Fabriken mit aufgebaut hatten, mittlerweile aber nur noch andere für sich arbeiten ließen und damit hohe Gewinne einfuhren.
Die Fabrikbesitzer mußten dem etwas entgegen setzen und etablierten das Idealbild vom hart arbeitenden Unternehmer, der hohe Verantwortung trägt und deshalb auch höher entlohnt werden müsse als seine Arbeiter und Angestellten.
So wurde Arbeit plötzlich allgemein als etwas Positives hingestellt und das alte Faulheits-Ideal des Adels wanderte in den Mülleimer der Geschichte.
Feministinnen sahen das ganz unterschiedlich. Während manche Feministinnen die Befreiung der Frau von der lästigen Erwerbsarbeit als Ideal betrachteten, übernahmen andere von der kommunistischen Bewegung die Überzeugung, daß Erwerbsarbeit für den Menschen essentiell wichtig wäre. Also auch für die Frau.
Die Mehrheit der Frauen interessierte das wenig. Als dann die Nazis an die Macht kamen, war mit anderen Ideologien als dem Nationalsozialismus sowieso erst einmal Schluß.
Nach dem Krieg änderte sich daran zunächst auch nicht viel. Als dann aber die Wirtschaft vor allem durch den wachsenden Binnenmarkt in Schwung kam und dann auch das Exportgeschäft anlief, brauchte man Arbeitskräfte. Nicht nur um die Arbeit zu erledigen, sondern auch um die Lohnkosten zu senken. Denn da es Arbeitskräftemangel gab, war man gezwungen, die Beschäftigten gut zu bezahlen, was natürlich die Gewinnspannen schmälerte.
Zum einen löste man das Problem durch Import von Arbeitskräften aus dem Ausland. Zum anderen griff man aber auch die alten Forderungen von linken Feministinnen nach Vollzeitarbeit für alle Frauen auf. Es gab ja tatsächlich noch in den 1950er Jahren ein Gesetz, das Frauen ohne Erlaubnis des Ehemannes die Berufstätigkeit verbot. Nicht zuletzt auf Druck der Wirtschaft wurde dieses Gesetz abgeschafft.
Als dann die Arbeitslosigkeit wunschgemäß wieder anstieg, nutzte man das, um die Löhne zu drücken, wo immer das möglich war. In der öffentlichen Diskussion darüber durfte das aber nicht so zum Ausdruck kommen. Das hätte der SED-Propaganda nur noch mehr Munition geliefert. Also nutzte man die Medien, um die mittlerweile etablierten Auffassungen von Erwerbsarbeit noch zu verstärken: Ein Arbeitsplatz sollte nun nicht mehr als Mittel zum lästigen Geldverdienen betrachtet werden, sondern als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. So konnte sich der Unternehmer quasi als Wohltäter der Menschheit präsentieren, der seinen Mitarbeitern gnädigerweise diese Möglichkeit zur Selbstverwirklichung gibt. Dafür auch noch viel Geld zu verlangen, sollte als unangemessen erscheinen.
Manche Feministinnen übernahmen auch das und stellten es von nun an als erstrebenswertes Ziel für jede Frau dar, auf Vollzeit berufstätig zu sein. Und sie warfen umgekehrt den Männern vor, ihren Frauen diese Möglichkeit zur Selbstverwirklichung aus purem Egoismus heraus vorzuenthalten. Die Meinung der Durchschnittsfrau dazu interessierte dabei nicht - Hauptsache, die Feministinnen hatten ein Betätigungsfeld.
Aber viele Frauen übernahmen diese Ansichten. Nicht etwa, weil sie so scharf darauf waren, voll berufstätig zu sein. Nein, die meisten Frauen wollte das nach wie vor nicht unbedingt. Aber wenn Berufstätigkeit nun nicht mehr als Last, sondern als Lust galt, dann mußte sich ja nun keine Hausfrau mehr schlecht fühlen, wenn sie durch die modernen Haushaltsgeräte immer weniger Zeit für die Hausarbeit brauchte, während der Ehemann immer noch mindestens 8 Stunden am Tag knüppeln mußte. Und nicht nur das: Wenn der Ehemann damit so bevorzugt war, dann konnte frau obendrein noch mehr Forderungen an ihn stellen! Ohne irgendetwas dafür zu tun - idealer ging es doch gar nicht mehr.
Und so geistert heute eben die Vorstellung von Erwerbsarbeit als reinste Wonne durch manche Köpfe. Vor allem durch die Köpfe derer, die selbst noch nie schwer gearbeitet haben.
Zu Kindergärten:
Ich finde nicht, daß sie für Kinder schädlich sind. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Tag im Kindergarten erinnern. Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen, in dem es außer mir kein einziges Kind in meinem Alter gab. Ich war total begeistert, als ich im Kindergarten endlich mal mit Gleichaltrigen spielen konnte. Abends, als meine Mutter mich abholte, wollte ich gar nicht wieder weg.
Der Kindergarten kann Eltern nicht ersetzen. Aber es ist auch nicht gut für Kinder, zuviel Zeit mit den Eltern zu verbringen. Viel hilft eben nicht immer viel. Ich denke, daß Kinder im Kindergarten viel lernen - vor allem im Umgang mit anderen Kindern - und daß es besser ist, wenn Kinder tagsüber im Kindergarten sind als wenn sie den ganzen Tag über am Rockzipfel der Mutter hängen.
Ich glaube auch nicht, daß damit die Neigung mancher Leute, einfach Sozialhilfe zu kassieren, zu erklären ist. Wenn die Menschen sich mehr auf den Familienverband als auf den Staat verlassen würden, dann würden sie eben nicht beim Sozialamt, sondern bei ihren Angehörigen die Hände aufhalten. Und viele tun das ja tatsächlich auch.
Zum einen ist es so, daß Menschen eben grundsätzlich zur Faulheit neigen. Trotzdem würde sich so mancher Sozialhilfeempfänger noch zur Arbeit aufraffen. Aber: Erstens wird es immer schwieriger, einen Job zu finden und zweitens steigt die Steuerlast auch immer höher, so daß immer mehr Menschen mit Vollzeitarbeit auch nicht viel mehr haben als mit Sozialhilfe. Wenn man sagt, daß die abhängig Beschäftigten alles bezahlen, wird das häufig als Klischee betrachtet, dabei ist es tatsächlich so. Unternehmen geben ihre Steuerlast über die Preise an die Kunden weiter, und der Unternehmer selbst finanziert seine privaten Steuern natürlich auch aus dem Teil des Unternehmensgewinns, den er als eigenes Gehalt einbehält. Somit gibt er seine Steuerlast auch an die Kunden weiter. Wenn diese Kunden ebenfalls Unternehmen sind, geben die diese Kosten + ihre Steuern natürlich wiederum an ihre Kunden weiter. Irgendwann kommt die Steuerlast dann unweigerlich bei den abhängig Beschäftigten an, die keine Unternehmen haben und diese Last deshalb nicht mehr so einfach weiter geben können. In früheren Zeiten, als es noch Arbeitskräftemangel gab, konnte man dann zum Chef gehen und sich durch eine Gehaltserhöhung noch wieder ein bißchen zurück holen. Das ist jetzt kaum noch drin.
Da sich zum einen an der Arbeitslosigkeit, zum anderen aber auch an der korruptionsbedingten Mißwirtschaft in nächster Zukunft nichts ändern wird, wird das immer schlimmer werden. Das alles wird immer mehr Geld kosten, das immer weniger Menschen aufbringen müssen. Das kann so nicht mehr lange funktionieren.
Durch Kürzungen in der Sozialhilfe kriegt man dieses Problem nicht in den Griff. Das senkt zwar die Kosten zunächst, aber wenn dann kurzzeitig mehr Geld da ist, wird auch prompt noch mehr Geld volkswirtschaftlich sinnlos verpraßt werden. Die Steuerlast wird sich also kaum verringern, sondern immer weiter erhöhen. Dazu wird dann noch ein enormer Anstieg der Kriminalität kommen.
In so einer Atmosphäre der Abzockerei werden sich folgerichtig immer mehr Menschen dafür entscheiden, auch auf Kosten anderer zu leben, wie ihnen das die Herrschenden im Lande ja obendrein auch noch vorleben. Von dieser Abzocker-Mentalität bleiben natürlich auch die Kinder nicht verschont. Mit Kindergärten hat das nichts zu tun.
Freundliche Grüße
von Garfield
Re: Interessanter Artikel
Nikos, Tuesday, 29.03.2005, 20:04 (vor 7570 Tagen) @ Garfield
Als Antwort auf: Re: Interessanter Artikel von Garfield am 29. März 2005 16:02:11:
Hi Garfield!
Besser kann man es kaum darlegen, denke ich. Vieles wovon du schreibst, habe ich so detailiert gar nicht gewusst. Doch ich sehe noch den (IMO ebenso entscheidenden) Verweis zum Väter- und Männerausgrenzung und Teil-Kastration durch den Feminismus. Da das Kapital ein großes Interesse daran hat, daß die Gesellschaft sich irgendwie gespaltet hält, heißen die dazu erforderliche Schritte gut.
Dazu beobachte ich einige Sachverhalte, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
1. Da die Familie einen starken Halt für die Kinder bieten und sie demgemäß zum kritischen Denken und Eigenverantwortung erziehen kann (weil in der *groß*Familie jede/r um sein Platz kämpfen muß), wird sie sabotiert. Die Familie ist nicht nur die Mutter, die die Kinder an sich festklammert, sondern auch der Vater, der ihnen Flügel gibt, sie ermutigt allein aufzustehen und Bestehendes zu hinterfragen. Dies kommt zB aus der Aggresivität des Mannes hervor, eine Eigenschaft, die durch den Feminismus direkt attackiert und als Böses per se hingestellt wird. Auch die ganze Verwandschaft ist Familie, und dort gibt es auch sehr viele andere Kinder, damit die eigenen Kleinsten nicht bei den Erwachsenen bleiben und sich langweilen müssen, die durch ihre Unterschiedlichkeit eben das tut, was ein mehr oder weniger gleichgeschaltetes Kindergarten nicht oder nur unzureichend kann. Tut man den Vater weg (samt seine eigene Familie), enfehlt ein großes Risiko, daß die Kinder auf einmal gegen das Kapital entschloßen revoltieren. Die Familie der Frau, als Gegenpoll und Balance-Halter zur Familie des Mannes, hört irgendwann bald auch als Beeinflussungsfaktor zu existieren.
2. Dadurch daß die Frauen in den Männern nur noch Feinde sehen, und umgekehrt die Männer mittlerweile das Gleiche tun, wird die Spaltung in kleinere und kapitalistisch leichter verdauliche Geschlechter fortgeführt und abgeschloßen. Würde meine Frau zu mir halten, und würde ich zu ihr ebenso halten, hätten wir das schönste Leben. Wir würden die Arbeit weiterhin als ein notwendiges Übel betrachten, das erledigt werden muß, und hätten nach (evl gemeinsamen) Feierabend nach Griechenlanmd auf Urlaub fahren können (oder eben samt Kinder in der Kneipe, von mir aus auch zum Einkaufszentrum oder in der Tombola-Runde). Dennoch befürwortet der Feminismus die Stellung der Frau hervorzuheben, und die des Mannes unter zu bewerten. Daraus entsteht bei den (meist unreflektierten Frauen) der Eindruck, ein Mann ist etwas, was man so nicht trauen kann. Also am Besten sich erst gar nicht mit ihm abgeben, sondern eher nur kurz, für das Kindermachen (die frau dann allein erziehen zu können glaubt). Das ist für das Kapital die beste Entwicklung überhaupt.
3. Einerseits gibt es immer weniger Arbeitsplätze, da auch Frauen in den Arbeitsprozess hineingedrängt werden, die a) überhaupt keine Lust dazu haben und b) sich selbst zuhause viel Wichtigeres vorgenommen haben, nämlich die Kinder aufzuziehen. Andererseits hilft das Kapital in Deutschland, wenn man Arbeiter aus China oder anderswo ans Land holen muß, denn diese sind billiger und williger. In Griechenland holt man dann Arbeiter aus Albanien usw usw. Nicht zuletzt kann man als Unternehmer damit drohen, daß man die Geschäfte woanders verlegt, und oft tut man das auch. Dies schließt den Kreis der Panik. Ängstliche Menschen gehen aufeinander los, am Einfachsten da, wo der Nahrboden schon genügend aufgeheizt ist, also in der Familie. Immer mehr Menschen fallen in der ideologische Weltanschauung herein, und vergessen dabei völlig, daß das eigentliche Problem eben diese ideologische Spaltung ist, die keinerlei sonstige Existenzgründe hat, außer eben die Erfüllung der Ideologie.
4. Nicht zuletzt profitiert das Kapital auch von diese Spaltung der Geschlechter direkt, indem neue Geschäftsfelder angeschloßen werden, die unmittelbar mit der Geschlechterkrieg zu tun haben. Die Baby-Pille könnte ein solches Feld sein, genauso wie die Fleischindustrie: Wenn alles schneller gehen muss, dann ist eine Kotellet in der Pfanne einfacher zuzubereiten, als Mousaka (ohne Hackfleisch), deswegen aber nicht besser für die Gesundheit.
5. Auch die unterschiedliche Geburtenentwicklungen erschaffen Vorteile für das Kapital. So kann man Arbeiter besser hin und her schieben, sie in Schacht halten, sie ängstigen und deshalb besser kontrollieren.
Ich finde, die feministische Ideologie hat so viel für den Kapitalismus getan, wie keine andere Ideologie bisher. Und, ich empfinde es so, alles auf den Rücken meiner siebenjähriger Tochter, und auf den Rücken meiner Familie.
Nikos
Re: Interessanter Artikel
Garfield, Wednesday, 30.03.2005, 14:59 (vor 7569 Tagen) @ Nikos
Als Antwort auf: Re: Interessanter Artikel von Nikos am 29. März 2005 17:04:
Hallo Nikos!
Ja, ich sehe es auch so, daß es Politik und Wirtschaft sehr recht ist, wenn sich viele Menschen auf den "Geschlechterkrieg" konzentrieren und dabei wichtigere Probleme außer acht lassen.
Ich glaube aber nicht, daß es ein Bündnis zwischen Wirtschaft, Politik und Feministinnen gibt, und ich glaube auch nicht, daß das alles von vorneherein ganz bewußt so geplant wurde.
Die DDR-Propaganda wollte es immer so darstellen, als gäbe es in westlichen Ländern eine Clique aus mächtigen Wirtschafts-Bossen, Bank-Chefs und Spitzenpolitikern, die nichts weiter tun, als ständig darüber nachzudenken, wie sie das Volk noch mehr auspressen können.
Grob gesehen mag es etwa so sein, aber wenn es in der Realität so wäre, dann wäre die Sache sehr einfach. Man hätte dann einen konkreten Feind, gegen den man vorgehen könnte.
Tatsächlich ist das aber viel komplizierter. Es gibt keine solche Ausbeuter-Gruppe, sondern es gibt eine unübersehbare Vielzahl von kleinen Gruppen, die teilweise völlig entgegengesetzte Ziele verfolgen und sich jeweils Politiker und Medien kaufen, um diese Ziele mit deren Hilfe zu erreichen. Lobbyismus nennt man das ja auch oft.
Manche dieser Gruppen spannen eben auch Feministinnen für ihre Zwecke ein, wenn ihnen das gerade ins Konzept paßt.
Der Zerfall der Familien ist aber nicht nur darauf zurückzuführen. Ich denke, ein viel wichtigerer Faktor dabei ist der seit den 1950er Jahren stark angestiegene Lebensstandard. Früher blieben viele Familien ja nur so lange zusammen, weil viele Menschen arm waren. Sie konnten sich oft keine eigenen Wohnungen leisten, und so lebten häufig mehrere Generationen beengt in einer Wohnung. Man war also quasi gezwungen, zusammen zu halten.
Als der Lebensstandard stieg, konnten sich immer mehr Menschen eigene Wohnungen leisten, und so kam es dann, daß Familien nun nicht mehr so eng zusammen lebten. Als dann die Arbeitslosigkeit stieg, mußten auch noch viele Menschen weit von zu Hause weg ziehen, um einen Job zu bekommen, und sahen ihre Eltern, Geschwister und Großeltern dann kaum noch.
Mittlerweile sehe ich schon wieder einen Gegentrend. Die Einkommen steigen jetzt wieder langsamer als die Lebenshaltungskosten, und so wird es immer schwieriger, ein Haus zu bauen oder zu kaufen. In den 1950er Jahren konnten sich noch viele Familien, in denen nur der Mann arbeitete, ein Haus leisten. Meine Frau und ich haben im letzten Jahr auch überlegt, ob wir bauen, haben dann aber festgestellt, daß wir uns das nicht leisten können. Obwohl wir beide auf Vollzeit arbeiten und auch eigentlich nicht schlecht verdienen. Aber die Preise sind dermaßen gestiegen, daß ein Hausbau immer schwerer finanzierbar ist. Immer mehr Menschen nehmen deshalb schon die Großeltern mit ins Haus und zahlen dann von deren Renten die Kredite ab.
Auch viele Jugendliche können sich heute nur durch Unterstützung der Eltern und des Sozialamtes eigene Wohnungen leisten, wenn sie keine Jobs finden. Die Sozialleistungen werden aber in Zukunft weiter gekürzt werden, und die Eltern werden auch immer weniger Geld übrig haben. So werden Kinder immer länger bei den Eltern wohnen müssen.
Und auch der Feminismus konnte nur so aufblühen, weil es den Menschen in Deutschland jahrzehntelang so gut ging, daß sie sich solchen Unsinn leisten konnten. Das wird sich nun auch langsam aber sicher wieder ändern.
Freundliche Grüße
von Garfield
Re: Interessanter Artikel
Rüdiger, Wednesday, 30.03.2005, 03:12 (vor 7570 Tagen) @ Garfield
Als Antwort auf: Re: Interessanter Artikel von Garfield am 29. März 2005 16:02:11:
Bis ins 19. Jahrhundert hinein hatten die Menschen noch eine sehr realistische Einstellung zur Erwerbsarbeit. Man sah sie als notwendiges Übel, das man nun einmal auf sich nehmen muß. Wer nicht arbeiten mußte, zeigte das auch stolz. Blässe galt bekanntlich lange Zeit als vornehm, weil man damit demonstrierte, daß man es nicht nötig hatte, tagsüber im Freien (bzw. überhaupt irgendwo) erwerbstätig sein zu müssen. Daher stammt auch der Begriff "blaublütig" für "adelig". Reiche Adelige, die von der Arbeit ihrer Untertanen lebten, arbeiteten selbstverständlich nicht selbst und hatten so auch vornehm-blasse Hände, auf denen sich die Adern bläulich abzeichneten.
Meines Wissens ist der Begriff "blaublütig" wesentlich älter. Er soll entstanden sein, als die Araber 711 Spanien eroberten, das zuvor 200 Jahre von den germanischen Westgoten beherrscht worden war. Die bildeten dort die Nobilität, und die Araber bewunderten deren helle Haut und die "blauen" Adern, heißt es.
Es ist richtig, daß man lange Zeit eine sehr realistische Vorstellung von der Erwerbsarbeit hatte; der Umschwung - hin zur Idealisierung der Arbeit - begann aber schon früher, nämlich mit den Puritanern und Calvinisten, die materiellen Erfolg mit Erwähltheit (von Gott) gleichsetzten.
Ansonsten Zustimmung
und Gruß,
Rüdiger
Re: Interessanter Artikel
Garfield, Wednesday, 30.03.2005, 14:27 (vor 7569 Tagen) @ Rüdiger
Als Antwort auf: Re: Interessanter Artikel von Rüdiger am 30. März 2005 00:12:11:
Hallo Rüdiger!
"Meines Wissens ist der Begriff "blaublütig" wesentlich älter. Er soll entstanden sein, als die Araber 711 Spanien eroberten, das zuvor 200 Jahre von den germanischen Westgoten beherrscht worden war. Die bildeten dort die Nobilität, und die Araber bewunderten deren helle Haut und die "blauen" Adern, heißt es."
Ja, das ist gut möglich. Natürlich arbeiteten auch reiche Araber nicht selbst, aber in ihren Heimatländern ist es nun einmal sehr sonnig, und sie haben ja auch von Natur aus eine dunklere Hautfarbe als Europäer. So waren reiche Europäer also natürlich blasser und wurden deshalb als vornehmer betrachtet. Weil man Blässe eben auch im Orient mit Müßiggang gleich setzte. Und Müßiggang galt als großer Luxus, den sich nur reiche Leute leisten konnten. Das war nicht erst im 19. Jahrhundert so, sondern schon in der Antike.
"...der Umschwung - hin zur Idealisierung der Arbeit - begann aber schon früher, nämlich mit den Puritanern und Calvinisten, die materiellen Erfolg mit Erwähltheit (von Gott) gleichsetzten."
Ja, es hat natürlich immer einzelne Gruppen gegeben, die Meinungen vertraten, die von den allgemein verbreiteten Ansichten abwichen. Aber es war tatsächlich noch im 19. Jahrhundert so, daß viele Adelige wirklich stolz darauf waren, daß sie für ihr Einkommen rein gar nichts tun mußten. Das sagten sie auch öffentlich so, und sie sahen auf alle herab, die für ihren Lebensunterhalt arbeiteten, eben auch auf reiche Farbikbesitzer, die häufig selbst zumindest geistig in ihren Unternehmen tätig waren.
Entgegengesetzte Ansichten konnten sich erst auf breiter Front durchsetzen, als es immer mehr Arbeiter gab, die vor allem durch die kommunistische Ideologie neues Selbstbewußtsein bekamen. Und als die Besitzer der Fabriken dadurch gezwungen wurden, dem etwas entgegen zu setzen, nämlich das Ideal-Bild vom hart arbeitenden und verantwortungsbewußten Unternehmer. Puritaner und Calvinisten hätten es nicht allein geschafft, das alte Faulheits-Ideal so schnell zu zerstören.
Freundliche Grüße
von Garfield