Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern
Mitleid mit den Sitzpinklern
Elisabeth Badinter wendet sich gegen das Bild des weiblichen
Opferlammes und konstruiert ein neues: das männliche
Egalitätsfeminismus oder Differenzfeminismus? Längst ist der Richtungsstreit in der Frauenbewegung hierzulande verstummt, sieht man von einem Nachhall in der Nische der feministischen Theologinnen ab. Nicht so in Frankreich: Dort hat sich die Philosophin Elisabeth Badinter mit einer Polemik gegen den Differenzfeminismus zu Wort gemeldet. Sie ist überzeugt, dass die Gleichheit errungen ist und das Patriarchat abgedankt hat. Frauen sind "mit einer Macht ausgestattet, die in der Menschheitsgeschichte bislang beispiellos ist".
Die Streiterin für einen Egalitätsfeminismus beklagt eine Rückkehr des Mutterkultes, der in der Folge einer "wirren Natur- und Ökoeuphorie gefeiert wird". Der radikale Femi-nismus, der die Frauen zum Opfer erkläre, habe dem männlichen Geschlecht den Krieg erklärt: "Angeklagt wird die Männlichkeit selbst." Dabei würde der Begriff der sexuellen Gewalt manipulativ erweitert und so der Eindruck erweckt, dass es "eine neue Epidemie männlicher Gewalt gebe". Dieses Schwarz-Weiß Denken führe dazu, dass die Frauen als die besseren Menschen, als das Gute schlechthin gepriesen würden. Unter den Tisch gekehrt werde folglich, dass auch Frauen Täterinnen seien, wie etwa ihre aktive Teilnahme am Holocaust oder ihre Beteiligung am Völkermord in Ruanda beweise.
Neben einer Umerziehung der M änner, denen beispielsweise zugemutet werde, sitzend zu urinieren, sei auch ein weiblicher Machtmissbrauch zu beklagen, der darin bestehe "das Sperma des Mannes zu benutzen, der kein Kind will". Dass es hier und da noch Defizite bei der Gleichstellung von Mann und Frau gibt, leugnet die Frauenrechtlerin nicht, sieht aber die Schuld bei den Differernzfeministinnen: "Hätten wir uns nicht besser Schritt für Schritt in all den privaten, Öffentlichen und beruflichen Bereichen vorarbeiten sollen, in denen noch Ungleichheit herrscht - anstatt den Männern insgesamt den Prozess zu machen?"
Spätestens hier gerät die Polemik zu einer Verteidigung der ach so unschuldig in Verdacht geratenen Männlichkeit Badinter reflektiert nicht, dass Zugang zur Macht in aller Regel nur den "braven" Mädchen gewährt wird, die sich dankbar erweisen, indem sie sich deutlich vorn Feminismus abgrenzen. Die noch im mer deutliche geschlechts-spezifische Arbeitsteilung und die damit verbundenen hierarchischen Verhältnisse sind für Badinter kein Thema.
Da es um eine Pauschalverurteilung des Differenzfeminismus geht, gelingt es der Autorin nicht, die fruchtbare Spannung zwischen Gleichheit und Differenz darzustellen. Unverständlich bleibt, weshalb sie sich nicht mit den Gedanken des affidamento der italienischen Feministinnen auseinandersetzt. Diese haben schon vor Jahren die Philosophie einer Gleichheit in der Differenz - im Sinne einer Gleichwertigkeit bei Anerkennung der Unterschiede - formuliert.
Christine Weber-Herfort
Elisabeth Badinter:
Die Wiederentdeckung der Gleichheit. Schwache Frauen, gefährliche Männer und andere
feministische Irrtümer. Aus dem Französischen von Petra Willim. Ullstein, München 2004, 191 S., e 18,
aus Psychologie heute April 05
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- Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern -
Odin,
31.03.2005, 16:14
- Re: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern -
pit b.,
31.03.2005, 21:04
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Odin,
01.04.2005, 00:37
- Re: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern - Wodan, 01.04.2005, 01:28
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Odin,
01.04.2005, 00:37
- Interview mit Frau Badinter - BerndausMünster, 01.04.2005, 02:11
- Re: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern - Frank, 01.04.2005, 13:21
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pit b.,
31.03.2005, 21:04