Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern

Odin, Thursday, 31.03.2005, 16:14 (vor 7568 Tagen)

Mitleid mit den Sitzpinklern
Elisabeth Badinter wendet sich gegen das Bild des weiblichen
Opferlammes und konstruiert ein neues: das männliche

Egalitätsfeminismus oder Differenzfeminismus? Längst ist der Richtungsstreit in der Frauenbewegung hierzulande verstummt, sieht man von einem Nachhall in der Nische der feministischen Theologinnen ab. Nicht so in Frankreich: Dort hat sich die Philosophin Elisabeth Badinter mit einer Polemik gegen den Differenzfeminismus zu Wort gemeldet. Sie ist überzeugt, dass die Gleichheit errungen ist und das Patriarchat abgedankt hat. Frauen sind "mit einer Macht ausgestattet, die in der Menschheitsgeschichte bislang beispiellos ist".

Die Streiterin für einen Egalitätsfeminismus beklagt eine Rückkehr des Mutterkultes, der in der Folge einer "wirren Natur- und Ökoeuphorie gefeiert wird". Der radikale Femi-nismus, der die Frauen zum Opfer erkläre, habe dem männlichen Geschlecht den Krieg erklärt: "Angeklagt wird die Männlichkeit selbst." Dabei würde der Begriff der sexuellen Gewalt manipulativ erweitert und so der Eindruck erweckt, dass es "eine neue Epidemie männlicher Gewalt gebe". Dieses Schwarz-Weiß Denken führe dazu, dass die Frauen als die besseren Menschen, als das Gute schlechthin gepriesen würden. Unter den Tisch gekehrt werde folglich, dass auch Frauen Täterinnen seien, wie etwa ihre aktive Teilnahme am Holocaust oder ihre Beteiligung am Völkermord in Ruanda beweise.

Neben einer Umerziehung der M änner, denen beispielsweise zugemutet werde, sitzend zu urinieren, sei auch ein weiblicher Machtmissbrauch zu beklagen, der darin bestehe "das Sperma des Mannes zu benutzen, der kein Kind will". Dass es hier und da noch Defizite bei der Gleichstellung von Mann und Frau gibt, leugnet die Frauenrechtlerin nicht, sieht aber die Schuld bei den Differernzfeministinnen: "Hätten wir uns nicht besser Schritt für Schritt in all den privaten, Öffentlichen und beruflichen Bereichen vorarbeiten sollen, in denen noch Ungleichheit herrscht - anstatt den Männern insgesamt den Prozess zu machen?"
Spätestens hier gerät die Polemik zu einer Verteidigung der ach so unschuldig in Verdacht geratenen Männlichkeit Badinter reflektiert nicht, dass Zugang zur Macht in aller Regel nur den "braven" Mädchen gewährt wird, die sich dankbar erweisen, indem sie sich deutlich vorn Feminismus abgrenzen. Die noch im mer deutliche geschlechts-spezifische Arbeitsteilung und die damit verbundenen hierarchischen Verhältnisse sind für Badinter kein Thema.
Da es um eine Pauschalverurteilung des Differenzfeminismus geht, gelingt es der Autorin nicht, die fruchtbare Spannung zwischen Gleichheit und Differenz darzustellen. Unverständlich bleibt, weshalb sie sich nicht mit den Gedanken des affidamento der italienischen Feministinnen auseinandersetzt. Diese haben schon vor Jahren die Philosophie einer Gleichheit in der Differenz - im Sinne einer Gleichwertigkeit bei Anerkennung der Unterschiede - formuliert.
Christine Weber-Herfort

Elisabeth Badinter:
Die Wiederentdeckung der Gleichheit. Schwache Frauen, gefährliche Männer und andere
feministische Irrtümer. Aus dem Französischen von Petra Willim. Ullstein, München 2004, 191 S., e 18,

aus Psychologie heute April 05

Re: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern

pit b., Thursday, 31.03.2005, 21:04 (vor 7568 Tagen) @ Odin

Als Antwort auf: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern von Odin am 31. März 2005 13:14:24:

Spätestens hier gerät die Polemik zu einer Verteidigung der ach so
unschuldig in Verdacht geratenen
Männlichkeit Badinter
reflektiert nicht
, dass Zugang zur Macht in aller Regel nur den
"braven" Mädchen gewährt wird, die sich dankbar erweisen, indem sie sich
deutlich vorn Feminismus abgrenzen. Die noch im mer deutliche geschlechts-
spezifische Arbeitsteilung und die damit verbundenen hierarchischen
Verhältnisse sind für Badinter kein Thema.

Hier lässt sich aber erkennen, dass auch der Autor von Psychologie heute
gegebüber der Thematik voreingenommen ist.

Re: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern

Odin, Friday, 01.04.2005, 00:37 (vor 7568 Tagen) @ pit b.

Als Antwort auf: Re: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern von pit b. am 31. März 2005 18:04:

Spätestens hier gerät die Polemik zu einer Verteidigung der ach so
unschuldig in Verdacht geratenen
Männlichkeit Badinter
reflektiert nicht
, dass Zugang zur Macht in aller Regel nur den
"braven" Mädchen gewährt wird, die sich dankbar erweisen, indem sie sich
deutlich vorn Feminismus abgrenzen. Die noch im mer deutliche geschlechts-
spezifische Arbeitsteilung und die damit verbundenen hierarchischen
Verhältnisse sind für Badinter kein Thema.

Hier lässt sich aber erkennen, dass auch der Autor von Psychologie heute
gegebüber der Thematik voreingenommen ist.

Sehr oft kann man - bei Frauen wie bei Männern - der Weg gewählt wird, Männer, die auf Benachteiligungen hinweisen zu verspotten ("ach so unschuldig..."). Da bemerkt man Angst beim Schreiber. Oft sind das gerade Frauen, die noch "die starke Schulter" suchen - oder Männer, die Panik kriegen, wenn ihr Selbstbild ins Wanken gebracht wird. Auch in der aktuellen TAZ in einem Leserbrief sehr deutlich zu lesen - falls die jemand hat.

Re: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern

Wodan, Friday, 01.04.2005, 01:28 (vor 7568 Tagen) @ Odin

Als Antwort auf: Re: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern von Odin am 31. März 2005 21:37:24:

Sehr oft kann man - bei Frauen wie bei Männern - der Weg gewählt wird, Männer, die auf Benachteiligungen hinweisen zu verspotten ("ach so unschuldig..."). Da bemerkt man Angst beim Schreiber. Oft sind das gerade Frauen, die noch "die starke Schulter" suchen - oder Männer, die Panik kriegen, wenn ihr Selbstbild ins Wanken gebracht wird. Auch in der aktuellen TAZ in einem Leserbrief sehr deutlich zu lesen - falls die jemand hat.

Scheint doch ein interessantes Buch zu sein, das mal wieder bestätigt, daß gerade die deutschen Feministen am schlimmsten sind. In Frankreich und mancherorten auch in den USA ist man da wohl schon weiter. Aber das typisch Deutsche scheint mir vor allem die Kombination des klassischen Feminismus mit Mutterkult zu sein, also diese Verbindung von Lila und Braun.

Nein, die TAZ habe ich nur, wenn ich sie umsonst geschickt kriege.
Gruß
Wodan

Interview mit Frau Badinter

BerndausMünster, Friday, 01.04.2005, 02:11 (vor 7568 Tagen) @ Odin

Als Antwort auf: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern von Odin am 31. März 2005 13:14:24:

Das Interessante an dem Buch ist, dass es von einer Feministin geschrieben wurde, quasi eine Insiderin, die die "Schnauze voll hat" und ihren Mitkämpferinnen mal die Leviten liest. Entsprechend wurde sie in Frankreich als Verräterin angefeindet.

Interview

Re: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern

Frank, Friday, 01.04.2005, 13:21 (vor 7567 Tagen) @ Odin

Als Antwort auf: Buchbesprechung: Mitleid mit den Sitzpinklern von Odin am 31. März 2005 13:14:24:

"Die noch immer deutliche geschlechts-spezifische Arbeitsteilung und die damit verbundenen hierarchischen Verhältnisse sind für Badinter kein Thema."

Das ist schade, denn es wäre mal interessant gewesen aufzuarbeiten, warum das bevorzugte Geschlecht zwar immer über seine vermeintliche Benachteiligung jammert ("zu wenig Frauen in Führungspositionen"), aber die Geschlechterhierarchie am unteren Ende der sozialen Rangfolge (fast nur Männer in den lebensgefährlichen und schmutzigen Jobs) lieber unangetastet lässt.

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