WEHRDIENST VERFASSUNGSWIDRIG
published 31.10.01 09:22
Amtsrichter bittet höchstes Gericht um Klärung: Ist die Wehrpflicht ein "unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte"?
Wird die Wehrpflicht gekippt?
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Düsseldorf (). Wer in Düsseldorf als Wehrpflichtiger oder Zivildienstleistender seine Dienstpflichten verletzt und dafür bei Amtsrichter Dirk Kruse auf die Anklagebank kommt, hat gute Chancen, den Saal ohne Urteil zu verlassen. Denn am Dienstag äußerte Kruse schwere Verfassungsbedenken gegen die Wehrpflicht, hat das Bundesverfassungsgericht um Klärung angerufen - und mehrere Verfahren ausgesetzt.
Hintergrund der bundesweit bisher einmaligen Aktion eines Amtsrichters sind zwei mutmaßliche Grundgesetzverstöße, die Richter Kruse nun höchstrichterlich geklärt sehen will.
So ist laut Kruse die allgemeine Wehrpflicht in der aktuellen politischen Lage Deutschlands grundsätzlich ein "unverhältnismäßiger, weil nicht länger erforderlicher Eingriff in die Grundrechte" der Wehrpflichtigen. Im Prozess gegen einen mutmaßlichen Fahnenflüchtigen betonte Kruse, dass die Wehrpflicht "eine der schärfsten Einschränkungen im Leben eines Mannes ist".
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Da aber die sicherheitspolitische Lage Deutschlands derlei Aufwand (nach Kruses Ansicht auch nach den Terrorattacken) weder erfordere noch rechtfertige, sei die Pflicht zum Waffen- oder Ersatzdienst "mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, daher ungültig". Ähnlich hatte sich 1999 das Landgericht Potsdam geäußert, hatte diese Grundsatzfrage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Eine Entscheidung von dort steht noch aus.
Laut Richter Kruse gibt es aber noch einen Aspekt, unter dem er angeklagte Männer wegen Verstößen gegen den Waffen- oder Zivildienst zurzeit nicht verurteilen kann: Immerhin hatte eine Frau Anfang 2000 vor dem Europäischen Gerichtshof das Recht von Frauen auf einen ungehinderten Zugang zum deutschen Wehrdienst erstritten.
Keine Gleichbehandlung?
Richter Kruse folgert: Wenn Frauen zum Waffendienst dürfen, Männer aber zum Waffen- oder Ersatzdienst müssen, dann sei das ein Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Gleichbehandlung. Kruses Konsequenz: Verstößt die Wehrpflicht gegen das Grundgesetz, dann seien das Wehrpflicht- und das Zivildienstgesetz unwirksam, Verstöße dürften also nicht zu Geld- oder Freiheitsstrafen führen.
Ob diese Gedankenkette auch von den deutschen Verfassungshütern bestätigt wird, ist unklar. Bis dahin aber will Kruse alle Verfahren rund um diese Delikte nicht durch Urteile beenden, sondern aussetzen.
Von WULF KANNEGIESSER
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plupp