Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Frank, Sunday, 10.04.2005, 12:19 (vor 7558 Tagen)
... beschäftigt Naomi Braun-Ferenczi in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "ef-Magazin". Sehr lesenswert, was sie hierzu schreibt:
(...)Nun fühlen sich viele ukrainische Sprachschüler von den Behörden und Medien pauschal als Schwarzarbeiter oder gar als latente Prostituierte diskreditiert.
Kein Wunder, ist doch in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, dass so gut wie jede Ukrainerin in Deutschland eine Zwangsprostituierte sei. Durch die Medien geistert eine Zahl von 140.000 Zwangsprostituierten in Deutschland. Diese Zahl muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Das wären 0,2 Prozent der BRD-Bevölkerung, allein in einer mittelgroßen Stadt wie Bonn würde es demnach etwa 600 Zwangsprostituierte geben. Die Polizei hat aber bislang in ganz Deutschland nur ganze 1.200 Zwangsprostituierte entdeckt und stützt sich dabei meist nur auf die Angaben der betroffenen Frauen. Galina Onoprienko kann als Expertin für Prostitution gelten. Die Ukrainerin arbeitet in Köln als freiwillige Liebesdienerin und meint, dass Zwangsprostitution für einen Zuhälter ein wirtschaftlich ziemlich riskantes und unergiebiges Unterfangen sei, das zudem nur für eine verschwindend kleine perverse Klientel interessant sei. Denn die allermeisten Kunden würden sehr wohl großen Wert darauf legen, dass sie es nicht mit Zwangsarbeiterinnen zu tun hätten. Und wenn eine Frau doch gegen ihren Willen in einem Bordell festgehalten würde, hätte sie genug Möglichkeiten, ihrer Lage zu entkommen. Sie brauche zum Beispiel nur einem Kunden einen Hinweis zu geben. Für einen Sex-Unternehmer sei es ohnehin Unsinn, Zwangsprostituierte zu nehmen, da diese durch die Bewachung viel mehr Kosten verursachen würden und durch ihren schlechten, da unfreiwillig erbrachten Service keine Kundenbindung aufbauen könnten. Da es ein sehr großes Angebot an freiwilligen Liebesarbeiterinnen gebe, seien diese für einen Sex-Unternehmer stets die lukrativeren und problemloseren Geschäftspartnerinnen. Auch dass die Armut ihre Landsleute dazu zwingen würde, dem - abgesehen vom Beruf des Politikers - ältesten Gewerbe der Welt nachzugehen, bestreitet Galina Onoprienko. Es gebe auf dem Schwarzmarkt zig Alternativen, zum Beispiel als Erntehelferin oder Küchengehilfin, als Pflegerin oder als Putzfrau. Nur der Stundenlohn sei dort eben sehr viel niedriger. Die meisten Prostituierten böten ihre Liebesdienste an, weil sie den schnellen Euro machen wollten. Und einige hätten sogar richtig Spaß an der Arbeit. Es gebe ja auch viele Deutsche aus gutem Hause, die diesen Job aus purer Lust machten. Osteuropäerinnen seien von deutschen Feministinnen noch nicht verdorben worden, ihnen sei noch nicht so sehr eingeredet worden, dass sie bemitleidenswerte Opfer seien. Nicht zuletzt deshalb seien die Osteuropäerinnen bei Kunden so begehrt. Als Opfer sieht sich Onoprienko nämlich keineswegs, Opfer seien nur die Konkurrentinnen, denen sie durch ihren guten Service die Kunden wegnehme.
Galina Onoprienko kennt keine einzige ukrainische Zwangsprostituierte. Es müsste schon das abgelegenste Dorf in der Ukraine" sein, wo sich hinter vorgehaltener Hand noch nicht herumgesprochen hat, womit einige Landstrauen ihr gutes Geld in Deutschland verdienen. Der einzige Grund, warum einige bei der illegalen Arbeit von der hiesigen Polizei ertappte Frauen die Geschichte von der Zwangsprostitution erzählen, ist ganz einfach: Sie erhoffen sich dadurch eine letzte Möglichkeit, nicht abgeschoben zu werden. Auf der anderen Seite gibt Onoprienko aber zu, dass die Frauen natürlich nicht immer nett behandelt" und manchmal sogar geschlagen" werden. Dass sie in diesem Fall nicht einfach zur Polizei gehen können, ist jedoch auch nur wieder der drohenden Abschiebung durch den deutschen Staat geschuldet.
Politiker, Sozialpädagogen und Feministinnen erweisen also den meisten Liebesdienerinnen einen Bärendienst, wenn sie sie pauschal als Opfer brandmarken und ihnen die Arbeit madig machen wollen. Und sie sind verlogen und zynisch in ihrer Helferrolle - denn in Wahrheit sind sie mit ihren Arbeitsverboten und Abschiebungen die einzigen Gewalttäter in einem ansonsten freiwilligen Geschäft, bei dem alle Beteiligten - deutsche Kunden wie ukrainische Anbieter - auf ihre Kosten kommen. Sonst würde das Geschäft ja auch gar nicht stattfinden. Nebenbei: Das bei einem ukrainischen Sonderangebot gesparte Geld kann so in andere Branchen fließen und kurbelt damit indirekt auch andere Wirtschaftsbereiche in Deutschland an.
Und das gilt nicht nur für die Prostituierten, sondern so gut wie für jeden Ausländer, der in Deutschland schwarz arbeitet. Politiker von rinks bis lechts, von der Feministin über den Gutmenschensozialarbeiter oder Pfarrer bis hin zum Zero-Tolerance-Sheriff, verstoßen also nicht nur gegen die internationale, sondern auch gegen die nationale Solidarität.
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Guildo, Monday, 11.04.2005, 02:22 (vor 7557 Tagen) @ Frank
Als Antwort auf: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Frank am 10. April 2005 09:19:
Inhaltlich schon richtig, nur die Absicht ist eine völlig andere:
Die Kritik der femistischen Ideologie und der Mythen, die sie geschaffen haben dienen hier nur als Instrument um die Einrichtung des Staates als solches anzugreifen. Frau Naomi Braun-Ferenczi gehört zu jenen Eigentumsfetischisten und Marktfanatikern, die jegliches soziale Absicherung abgeschafft sehen wollen und den Rücksprung in den Raubtierkapitalismus des 19. Jahrhunderts herbeisehnen. Und Zeitschrift "ef-Magazin" ist die Propagandaplatform all jener, die glauben, mit einer völlig freien und unregulierten Marktwirtschaft bräche der allgemeine Reichtum aus.
Was dort für Märchen verbreitet werden, schrammt haarscharf an Volksverhetzung vorbei!
Guildo
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Wodan, Monday, 11.04.2005, 14:53 (vor 7557 Tagen) @ Guildo
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Guildo am 10. April 2005 23:22:
Inhaltlich schon richtig, nur die Absicht ist eine völlig andere:
Die Kritik der femistischen Ideologie und der Mythen, die sie geschaffen haben dienen hier nur als Instrument um die Einrichtung des Staates als solches anzugreifen. Frau Naomi Braun-Ferenczi gehört zu jenen Eigentumsfetischisten und Marktfanatikern, die jegliches soziale Absicherung abgeschafft sehen wollen und den Rücksprung in den Raubtierkapitalismus des 19. Jahrhunderts herbeisehnen.
Diese Absicht ist keine völlig andere, sondern sie geht lediglich weiter. Wir kennen den Liberalismus, auch in seiner radikalen Form. Klar. Aber abgesehen von der Wirtschaftspolitik, die bei den Liberalen von heute leider allzuoft im Mittelpunkt steht, ist es wichtig, liberale Gedanken gerade in der Innen- und Rechtspolitik wiederzubeleben. Und wenn auch nur, um den feministischen Totalitarismus zu bekämpfen, indem man ihm das Wasser abgräbt: durch Auflösung von Meinungsmonopolen, Rückgängigmachen von rechtsstaatswidrigen Gesetzen (Gewaltschutzgesetz), Beendigung und Aussetzung von Maßnahmen, die den Überwachungsstaat installieren könnten: ADG, Stalking-Gesetz, Abkehr vom ewigen Hineinregieren in private Familienangelegenheiten etc. pp. Alles klassische liberale Anliegen.
Deutschland hat m.E. wohl noch nie so sehr den Liberalismus nötig gehabt wie jetzt. Es kommt darauf an, "Die Gränzen der Wirksamkeit des Staates" im Humboldtschen Sinne neu zu etablieren und sie eng zu ziehen.
Das darf man freilich auch nach meiner Meinung nicht vor allem wirtschaftspolitisch auslegen. Leider versagt die heutige FDP vor dieser Aufgabe.
Gruß
Wodan
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Sven 74, Monday, 11.04.2005, 16:56 (vor 7557 Tagen) @ Wodan
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Wodan am 11. April 2005 11:53:
Inhaltlich schon richtig, nur die Absicht ist eine völlig andere:
Die Kritik der femistischen Ideologie und der Mythen, die sie geschaffen haben dienen hier nur als Instrument um die Einrichtung des Staates als solches anzugreifen. Frau Naomi Braun-Ferenczi gehört zu jenen Eigentumsfetischisten und Marktfanatikern, die jegliches soziale Absicherung abgeschafft sehen wollen und den Rücksprung in den Raubtierkapitalismus des 19. Jahrhunderts herbeisehnen.
Diese Absicht ist keine völlig andere, sondern sie geht lediglich weiter. Wir kennen den Liberalismus, auch in seiner radikalen Form. Klar. Aber abgesehen von der Wirtschaftspolitik, die bei den Liberalen von heute leider allzuoft im Mittelpunkt steht, ist es wichtig, liberale Gedanken gerade in der Innen- und Rechtspolitik wiederzubeleben. Und wenn auch nur, um den feministischen Totalitarismus zu bekämpfen, indem man ihm das Wasser abgräbt: durch Auflösung von Meinungsmonopolen, Rückgängigmachen von rechtsstaatswidrigen Gesetzen (Gewaltschutzgesetz), Beendigung und Aussetzung von Maßnahmen, die den Überwachungsstaat installieren könnten: ADG, Stalking-Gesetz, Abkehr vom ewigen Hineinregieren in private Familienangelegenheiten etc. pp. Alles klassische liberale Anliegen.
Deutschland hat m.E. wohl noch nie so sehr den Liberalismus nötig gehabt wie jetzt. Es kommt darauf an, "Die Gränzen der Wirksamkeit des Staates" im Humboldtschen Sinne neu zu etablieren und sie eng zu ziehen.
Das darf man freilich auch nach meiner Meinung nicht vor allem wirtschaftspolitisch auslegen. Leider versagt die heutige FDP vor dieser Aufgabe.
Gruß
Wodan
Mal so ein Vergleich Grüne - FDP:
1. Grüne: Waren mal eine Umweltpartei mit den wichtigen Nebenschwerpunkten Friedenspolitik und Menschenrechte. Heute ist der über allen anderen Dingen stehende Feminismus das absolute Hauptziel und dann kommt lange nicht und dann noch ein bischen Umwelt. Danach kommt wieder sehr lange nicht und dann vielleicht noch ein kleines bischen Friedenspolitik.
2. FDP: Waren mal eine wirklich liberale Partei, die von verschiedenen Bevölkerungsschichten gewählt werden konnte, da die Wirtschaftspolitik nur ein Punkt war und dieser auch mit sozialen Komponenten. Heute geht es nur noch um reinen Kapitalismus ohne jegliche soziale Komponente. Erst ab einem Einkommen von ca. 10.000 Euro wäre für mich die FDP von heute interessant.
Sven74
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Wodan, Monday, 11.04.2005, 18:43 (vor 7557 Tagen) @ Sven 74
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Sven 74 am 11. April 2005 13:56:
2. FDP: Waren mal eine wirklich liberale Partei, die von verschiedenen Bevölkerungsschichten gewählt werden konnte, da die Wirtschaftspolitik nur ein Punkt war und dieser auch mit sozialen Komponenten.
So ist es. Wobei die Kaprizierung auf die Wirtschaftspolitik nach meinem Dafürhalten den Grund hat, daß die FDP immer gleich schon den Abo-Koalitionspartner CDU im Blick hat. Die nämlich mögen die innenpolitische FDP überhaupt nicht, das ist bei und seit der "Wende" von 1982 deutlich geworden.
Gruß
Wodan
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Paul, Monday, 11.04.2005, 20:02 (vor 7557 Tagen) @ Wodan
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Wodan am 11. April 2005 15:43:
2. FDP: Waren mal eine wirklich liberale Partei, die von verschiedenen Bevölkerungsschichten gewählt werden konnte, da die Wirtschaftspolitik nur ein Punkt war und dieser auch mit sozialen Komponenten.
So ist es. Wobei die Kaprizierung auf die Wirtschaftspolitik nach meinem Dafürhalten den Grund hat, daß die FDP immer gleich schon den Abo-Koalitionspartner CDU im Blick hat. Die nämlich mögen die innenpolitische FDP überhaupt nicht, das ist bei und seit der "Wende" von 1982 deutlich geworden.
Gruß
Wodan
Da wäre ich mir nicht so sicher. Dass liberale Bewegungen von den Neoliberalen/Marktfundamentalisten "gekapert" wurden, ist ja ein weltweites Phänomen, und nicht nur in Deutschland zu beobachten. Auf den ersten Blick scheint diese Symbiose durchaus sinnvoll; auf den zweiten Blick erkennt man allerdings, dass echte Liberale (die Liberalität als Freiheit des Individuums verstehen!) dadurch in eine Falle getappt sind. Stellte traditionell der Staat und eine staatskollektivistische Denke die grösste Gefahr für die Rechte des Individums dar, so sind dies in einer vollkommen deregulierten Wirtschaft die Konzerne. Denn - und das wird leicht üebersehen - ein Konzern ist letztlich nichts anderes als ein Kollektiv. Und ebenso wie das "kälteste aller Wesen", der Staat, setzen sich auch diese Kollektive nur allzugerne über die Interessen von Indiduuen hinweg, wenn es ihnen ermöglicht wird und nutzbringend für sie ist. Das Problem heisst also nicht "Staat", sondern - allgemein - "Kollektiv". Dabei ist es nicht entscheidend, in welcher Form ein solches Kollektiv auftritt.
Gruss,
Paul
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Wodan, Monday, 11.04.2005, 23:34 (vor 7557 Tagen) @ Paul
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Paul am 11. April 2005 17:02:
Vielleicht ist doch noch Hoffnung. Gerade lese ich:
"Auf dem Bundesparteitag im Mai soll nun, vor dem Hintergrund der jüngst erfolgten Einschränkungen beim Bankgeheimnis durch Rot-Grün, die FDP als 'Bürgerrechtspartei' ihre Wiederauferstehung feiern. 'Wir wollen den Wettbewerb wieder aufnehmen, weil wir glauben, dass die Grünen in diesem Bereich erheblich an Glaubwürdigkeit eingebüßt haben", so Gerhardt. Es gehe darum, die "klassische Rolle als Bürgerpartei neu zu definieren'. Gerhardt räumte freimütig ein, dass es in der Vergangenheit nicht ausreichend gelungen sei, dieses Bild 'gut zu vermitteln'. "
Schön wär's. Bin gespannt.
Wodan
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,350776,00.html
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Garfield, Tuesday, 12.04.2005, 15:56 (vor 7556 Tagen) @ Wodan
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Wodan am 11. April 2005 20:34:
Hallo Wodan!
Ich denke, die FDP versucht so nur noch ein paar mehr Wähler einzufangen. Tatsächlich scheren die sich nicht die Bohne um Bürgerrechte.
Paul schrieb: "Stellte traditionell der Staat und eine staatskollektivistische Denke die grösste Gefahr für die Rechte des Individums dar, so sind dies in einer vollkommen deregulierten Wirtschaft die Konzerne. Denn - und das wird leicht üebersehen - ein Konzern ist letztlich nichts anderes als ein Kollektiv."
Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Neoliberale betonen ja immer gern, daß es ihnen auch darum gehen würde, den Markt von Regulierungen zu befreien und ihn so frei zu gestalten, damit sich alles nur noch nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage richten könne.
Dabei übersehen sie gern, daß ja nicht nur der Staat regulierend in die Wirtschaft eingreift, sondern daß große Konzerne dies sogar noch mehr tun, indem sie beispielsweise Druck auf Zulieferer und Händler ausüben, um kleinere Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Oder indem sie sich Märkte untereinander aufteilen und so durch de-facto-Monopole den Kunden auch Preise diktieren können.
Letzteres praktizieren auch kleine und mittlere Unternehmen. In Holland gab es vor kurzem so einen Fall: Da haben sich die Baufirmen zusammen geschlossen und das Land untereinander aufgeteilt. Jede Firma bekam eine bestimmte Region als eigenen Monopol-Markt zugewiesen. Natürlich konnte man nicht verhindern, daß Auftraggeber bei einer Firma aus einer anderen Region anfragen, und bei Ausschreibungen werden ja grundsätzlich immer mehrere Angebote geprüft. Das Problem löste man, indem sich alle Baufirmen verpflichteten, bei Anfragen außerhalb ihrer Region grundsätzlich weit überhöhte Preise zu nennen. So stellte man sicher, daß der Auftrag grundsätzlich nur bei der Firma landet, der die jeweilige Region zugeteilt wurde, und so konnte man dann die Preise allgemein hoch drücken.
Solche Praktiken stören Neoliberale merkwürdigerweise gar nicht, obwohl so etwas den freien Markt viel wirkungsvoller aushebelt als staatliche Regulierungen.
Da sieht man dann auch deutlich, worum es Neoliberalen wirklich geht: Um den Maximal-Profit. Regulierungen, die den Profit schmälern (z.B. Mindestlöhne, Tarifverträge, Arbeits- oder Umweltschutz-Bestimmungen, Kündigungsschutz-Gesetze usw.) sind böse und werden abgelehnt. Regulierungen, die den Profit erhöhen werden dagegen selbstverständlich nicht kritisiert. Solche Regelungen gelten als gut, und davon kann es für Neoliberale gar nicht genug geben.
Genauso sehen sie auch die Thematik der Bürgerrechte. Bewirkt deren Beschneidung Profit-Einbußen, dann sind sie dagegen. Erhöht sich der Profit aber durch Beschneidung irgendeines Bürgerrechtes, dann sind sie natürlich dafür.
Die FDP können wir also auch getrost vergessen.
Freundliche Grüße
von Garfield
Re: Neoliberal
Peter, Tuesday, 12.04.2005, 18:51 (vor 7556 Tagen) @ Garfield
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Garfield am 12. April 2005 12:56:07:
Dabei übersehen sie gern, daß ja nicht nur der Staat regulierend in die Wirtschaft eingreift, sondern daß große Konzerne dies sogar noch mehr tun, indem sie beispielsweise Druck auf Zulieferer und Händler ausüben, um kleinere Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Oder indem sie sich Märkte untereinander aufteilen und so durch de-facto-Monopole den Kunden auch Preise diktieren können.
Ich wuesste nicht, dass Neoliberale das uebersehen. Anti-Kartellgesetzgebung wird auch von (einem Grossteil der) Neoliberalen gewuenscht.
Da sieht man dann auch deutlich, worum es Neoliberalen wirklich geht: Um den Maximal-Profit. Regulierungen, die den Profit schmälern (z.B. Mindestlöhne, Tarifverträge, Arbeits- oder Umweltschutz-Bestimmungen, Kündigungsschutz-Gesetze usw.) sind böse und werden abgelehnt.
Profit ist gut, denn er zeigt eine effektive Ausnutzung von Resourcen und Arbeitskraft. Profit ist nicht alles, weshalb auch Arbeitsschutzgesetze u.a. von Neoliberalen nicht grundsaetzlich abgelehnt werden, aber deren regelmaessige Ueberpruefung auf Wirksamkeit gefordert wird.
Gruss,
Peter
(kein Neoliberaler, aber ihnen in einigen Punkten nahestehend)
PS
Auch dieses Thema passte besser in eine anderes Forum.
Re: Neoliberal
Garfield, Tuesday, 12.04.2005, 19:32 (vor 7556 Tagen) @ Peter
Als Antwort auf: Re: Neoliberal von Peter am 12. April 2005 15:51:
Hallo Peter!
"Anti-Kartellgesetzgebung wird auch von (einem Grossteil der) Neoliberalen gewuenscht."
Ja? Ich höre und lese von Neoliberalen ständig, daß es keinerlei staatliche Regulierungen geben dürfe, also auch keine Anti-Kartell-Gesetze. In einem anderen Forum schrieb mir auch mal einer, daß das Bundeskartellamt abgeschafft gehöre.
"Profit ist gut, denn er zeigt eine effektive Ausnutzung von Resourcen und Arbeitskraft."
Oder eine maximale Ausnutzung staatlicher Subventionen (= Steuergelder) bei gleichzeitiger Vermeidung der Zahlung von Steuern über diverse Abschreibungsmöglichkeiten, kombiniert mit Lohn-Dumping und Preistreiberei durch Monopole und Oligopole.
Profit allein ist kein Indikator für Effektivität. Ein Unternehmen, das viel investiert, wird beispielsweise unterm Strich entsprechend weniger Profit einfahren als ein Unternehmen, das sich die Investitionen lieber spart. Welches der beiden Unternehmen wird dann wohl in ein paar Jahren besser dastehen?
"Profit ist nicht alles, weshalb auch Arbeitsschutzgesetze u.a. von Neoliberalen nicht grundsaetzlich abgelehnt werden, aber deren regelmaessige Ueberpruefung auf Wirksamkeit gefordert wird."
Für viele Neoliberale scheint Profit aber alles zu sein. Wenn sie klug wären, dann würden sie am Prinzip der sozialen Marktwirtschaft festhalten. Denn der Wirtschaftskreislauf läuft nur solange rund, wie das Geld eben auch schön im Kreis fließt. Sobald mehr Geld von der Masse der Bevölkerung zu einigen wenigen fließt als wieder zurück, läuft der Wirtschaftskreislauf nicht mehr rund.
Das ist ja auch eines unserer wesentlichsten Probleme: Die Kaufkraft der Masse der Bevölkerung nimmt immer mehr ab, das schwächt den deutschen Binnenmarkt und macht ihn immer uninteressanter für Investitionen. Große Unternehmen investieren auch deshalb lieber im Ausland, kleine und mittlere Unternehmen, die das nicht können und deshalb auf den deutschen Binnenmarkt angewiesen sind, gehen zunehmend pleite. Da aber nur die großen Unternehmen genügend Geld haben, um sich Politiker zu kaufen, und da für diese Unternehmen Deutschland nur ein Markt von vielen ist, geht es immer so weiter. Die wollen aus dem deutschen Markt noch raussaugen, was sich heraussaugen läßt, und wenn hier nichts mehr zu holen ist, verschwinden die ganz ins Ausland und lassen uns hier das Chaos zurück.
Für große, international tätige Unternehmen macht das Sinn. Für viele kleinere und mittlere Unternehmen aber nicht. Deshalb wären die gut damit beraten, sich nicht länger daran zu beteiligen, den Ast abzusägen, auf dem wir alle noch recht gut sitzen. Denn sie werden dann auch mit herunterfallen, wenn er bricht.
Leute, die kurzsichtig oder egoistisch genug sind, trotzdem weiter zu sägen, werden auch in puncto Bürgerrechte oder Gleichberechtigungsproblematik nicht mehr Weitblick an den Tag legen.
Freundliche Grüße
von Garfield
Re: Neoliberal
Peter, Tuesday, 12.04.2005, 21:37 (vor 7556 Tagen) @ Garfield
Als Antwort auf: Re: Neoliberal von Garfield am 12. April 2005 16:32:02:
Hallo Garfield,
ich schrieb zwar schon, dass manche dieser Fragen weniger hierhin gehoeren, aber andereseits sind die Fragen sehr wichtig und, um Breitenwirkung zu entfalten, muss auch der Maskulismus sich fragen (aber nicht unbedingt abschliessend beantworten), wie er sich das Verhaeltnis von Staat und Buergern vorstellt. Deswegen beschreibe ich meine Sicht der Dinge.
"Anti-Kartellgesetzgebung wird auch von (einem Grossteil der) Neoliberalen gewuenscht."
Ja? Ich höre und lese von Neoliberalen ständig, daß es keinerlei staatliche Regulierungen geben dürfe, also auch keine Anti-Kartell-Gesetze. In einem anderen Forum schrieb mir auch mal einer, daß das Bundeskartellamt abgeschafft gehöre.
Auch unter Neoliberalen gibt es Sektierer, z.B. die von Ayn Rand inspirierten, das sollte aber nicht mit der Gesamtheit verwechselt werden. Die Frage ist nicht: Sind Kartellgesetze gut oder schlecht an sich? sondern: Sind sie gut oder schlecht zur Steigerung der Produktivitaet? Es soll einem Unternehmen ermoeglicht werden, die Gewinne fuer seine Risiken einzufahren, auch wenn die Gewinne traumhaft hoch sind. Andere Teilnehmer sollen andererseits nicht gehindert werden, sich am Markt zu betaetigen. Eine starke Kritik von Kartellen kommt ja von den Nachfragern - sie sollte gehoert werden. Andererseits finde ich Kartelle manchmal durchaus nicht so schlecht, z.B. Gewerkschaften, eine klassische Form eines Anbieterkartells.
"Profit ist gut, denn er zeigt eine effektive Ausnutzung von Resourcen und Arbeitskraft."
Oder eine maximale Ausnutzung staatlicher Subventionen (= Steuergelder) bei gleichzeitiger Vermeidung der Zahlung von Steuern über diverse Abschreibungsmöglichkeiten, kombiniert mit Lohn-Dumping und Preistreiberei durch Monopole und Oligopole.
Wenn der Staat die Bedingungen kuenstlich verzerrt, sollte man sich ueber Subventionsausnutzung nicht wundern: Im Englischen heisst sowas auch "corporate welfare".
Profit allein ist kein Indikator für Effektivität. Ein Unternehmen, das viel investiert, wird beispielsweise unterm Strich entsprechend weniger Profit einfahren als ein Unternehmen, das sich die Investitionen lieber spart. Welches der beiden Unternehmen wird dann wohl in ein paar Jahren besser dastehen?
Profit kann sowohl kurzfristig als auch langfristig sein. Und ich bleibe dabei: Profit ist gut.
Für viele Neoliberale scheint Profit aber alles zu sein.
Hier gilt wie oft: Profit ist nicht alles, aber ohne Profit ist alles nichts, weil sonst unser Arbeitsleben zusammenbrechen wuerde: Alle leben von Arbeit, von ihrer eigenen oder der von anderen.
Wenn sie klug wären, dann würden sie am Prinzip der sozialen Marktwirtschaft festhalten. Denn der Wirtschaftskreislauf läuft nur solange rund, wie das Geld eben auch schön im Kreis fließt. Sobald mehr Geld von der Masse der Bevölkerung zu einigen wenigen fließt als wieder zurück, läuft der Wirtschaftskreislauf nicht mehr rund.
Das Geld fliesst immer im Kreise, aber durch welche Taschen? In der Wirtschaftstheorie ist eher unerheblich, wer wieviel ausgeben kann. Die Verteilung von Einkommen und Vermoegen koennte durchaus ungleicher sein als heute bei gleichzeitig guter Wirtschaftslage. Auf Linderung akuter Not von Armen will auch nicht verzichten, aber dass der Verteilungskreislauf staatlicher Sozialsysteme den Buergern grosse Teile ihres erarbeiteten Geldes wegnimmt, stoert mich schon.
Auch als Maskulist lege ich Wert auf eine Zurueckdraengung des Staates aus dem privaten Bereich, in dem er sich haeufig als Staatsfeminismus bemerkbar gemacht hat. Das Private ist privat (und nicht politisch).
Gruss,
Peter
Re: Neoliberal
Garfield, Wednesday, 13.04.2005, 13:39 (vor 7555 Tagen) @ Peter
Als Antwort auf: Re: Neoliberal von Peter am 12. April 2005 18:37:
Hallo Peter!
"Auch unter Neoliberalen gibt es Sektierer, z.B. die von Ayn Rand inspirierten, das sollte aber nicht mit der Gesamtheit verwechselt werden."
Ich will ja nicht behaupten, daß alle Menschen mit neoliberalen Ansichten geldgeile Profitgeier sind. Das Problem besteht eben auch wieder darin, daß man Menschen mit idealistischen Zielen gern zur Verwirklichung weit weniger idealistischer Vorstellungen benutzt.
Das läuft wie in den Bauern-Verbänden: Sobald mal eine Senkung der horrenden Agrar-Subventionen im Gespräch ist, werden sofort Demos organisiert, an denen sich dann immer auch viele kleine Bauern beteiligen. Die sind oft tatsächlich der Ansicht, daß sie ohne diese Subventionen wirtschaftlich nicht überleben könnten.
Direkt scheint das auf den ersten Blick auch so zu sein. Tatsächlich sieht das aber anders aus: Diese Agrarsubventionen werden üblicherweise nach Masse gezahlt, also beispielsweise für die Landfläche. Ein Großbauer hat mehr Masse als ein Kleinbauer, also profitiert er auch mehr von diesen Subventionen als ein Kleinbauer. Ein französischer Großbauer sagte dazu in einer Reportage mal folgendes: "Was tue ich nun mit diesem Geld? Stelle ich dafür neue Mitarbeiter ein? Nein, ich habe doch genug. Kaufe ich dafür neue Maschinen? Nein, auch Maschinen habe ich genug. Also kaufe ich dafür neues Land. Denn dafür kriege ich dann ja noch mehr Subventionen." Woher kommt nun dieses Land? Es kommt von Kleinbauern, die aufgeben mußten. Die Subventionen erleichtern es also den Großbauern, die Kleinbauern vom Markt zu verdrängen. Vielen Kleinbauern wird dies nicht bewußt. Deshalb lassen sie sich willig von den Großbauern, die natürlich auch in den Bauern-Verbänden das Sagen haben, einspannen. Sie arbeiten also gegen ihre eigenen Interessen, ohne das zu bemerken.
Genauso läuft das auch mit Großkonzernen und kleinen und mittleren Unternehmen. Und letztendlich auch im sogenannten liberalen Lager.
"Sind Kartellgesetze gut oder schlecht an sich? sondern: Sind sie gut oder schlecht zur Steigerung der Produktivitaet?"
Kartellgesetze können für die Produktivität nur gut sein. Denn sie verhindern, daß ein Unternehmen eine Monopolstellung erreicht. Wenn ein Unternehmen ein Monopol hat, kann es mangels Konkurrenz die Preise frei diktieren, muß also nicht mehr effektiv arbeiten und auch nicht mehr innovativ sein.
"Wenn der Staat die Bedingungen kuenstlich verzerrt, sollte man sich ueber Subventionsausnutzung nicht wundern: Im Englischen heisst sowas auch "corporate welfare"."
Ja, aber wieso verzerrt der Staat die Bedingungen denn dermaßen? Sieh dir doch mal die Fakten an: Von Subventionen profitieren vor allem große Unternehmen. Große Unternehmen haben mehr Kapital als kleine. Bei Politikern und Parteien gibt es immer wieder Skandale um Korruption und Schwarzgeldkonten, bei Rot/Grün genauso wie bei Schwarz/Gelb. Und nun zähle mal eins und eins zusammen. Kann es nicht sein, daß der ganze Subventions- und Steuervergünstigungs-Dschungel, den mittlerweile schon nicht mal mehr Fachleute voll durchschauen, nur auf Initiative großer Unternehmen etabliert wurde?
Große Unternehmen dominieren aber allein durch ihre finanzielle Macht auch das "liberale" Lager. Wie soll so dieser Subventions- und Steuervergünstigungs-Dschungel durch die Liberalen abgeschafft werden?
"Profit kann sowohl kurzfristig als auch langfristig sein. Und ich bleibe dabei: Profit ist gut."
Gegen Profit an sich ist ja auch nichts einzuwenden. Das Streben nach Profit ist ganz natürlich und eine wichtige Triebkraft für die wirtschaftliche Entwicklung. Wenn man es richtig kanalisiert.
"Das Geld fliesst immer im Kreise, aber durch welche Taschen? In der Wirtschaftstheorie ist eher unerheblich, wer wieviel ausgeben kann."
Für die Wirtschafts-Praxis ist das aber keineswegs unerheblich. Wenn im einfachen Volk die Kaufkraft sinkt, dann wirkt sich das auf viele Unternehmen, die Waren des täglichen Bedarfs erzeugen, negativ aus. Wenn dafür die Kaufkraft einiger weniger steigt, dann ist das kein echter Ausgleich. Davon profitieren dann zwar einige wenige Unternehmen, die sich mit der Produktion von Luxusgütern befassen, aber die beschäftigen oftmals nur wenige Mitarbeiter, so daß nur wenig Geld wieder "nach unten" fließt. Noch fataler ist, daß heute von den Reichen im Lande auch noch viel Geld im Ausland investiert wird. Gerade weil die Kaufkraft in Deutschland sinkt.
Wenn man die Kaufkraft der kleinen Leute stärkt, dann kommt das also zum überwiegenden Teil der Wirtschaft in Deutschland zugute. Stärkt man die Kaufkraft der oberen Zehntausend, dann ist nicht sicher, wem das Geld direkt zugute kommt. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß ein großer Teil des Geldes auf anderen Märkten investiert wird, die im Gegensatz zum deutschen Markt ein hohes Wachstumspotenzial haben und damit stark steigende Gewinne versprechen.
"Auf Linderung akuter Not von Armen will auch nicht verzichten, aber dass der Verteilungskreislauf staatlicher Sozialsysteme den Buergern grosse Teile ihres erarbeiteten Geldes wegnimmt, stoert mich schon."
Das stört mich ebenfalls. Aber das ist ja vor allem deshalb nötig, weil es immer mehr Erwerbslose gibt. Würde man die Kauftkraft der Masse endlich wieder effektiv erhöhen, dann würde das neue Erwerbsmöglichkeiten generieren, die Arbeitslosenzahlen würden also sinken und damit auch die Sozialausgaben. Aber dafür müßten die Reichen eben auf einen Teil ihrer Einkommen verzichten. Das wollen sie natürlich nicht, da sie aber über ihre finanziellen Zuwendungen an Politiker und Parteien die Macht im Lande haben, wird das auch nicht getan. So fließt eben weiterhin das Geld vor allem nach oben, die allgemeine Kaufkraft sinkt weiter, die Arbeitslosigkeit steigt und die Sozialkosten damit auch, was dann wiederum die Kaufkraft durch steigende Sozialabgaben und Steuern noch weiter schwächt...
"Auch als Maskulist lege ich Wert auf eine Zurueckdraengung des Staates aus dem privaten Bereich, in dem er sich haeufig als Staatsfeminismus bemerkbar gemacht hat. Das Private ist privat (und nicht politisch)."
Das sehe ich genauso. Aber die sogenannten Liberalen werden uns da nicht wirklich weiter bringen, weil das nichts mit ihrer hauptsächlichen Zielsetzung zu tun hat. Sie behaupten nur, sich dafür einsetzen zu wollen, um so neue Anhänger zu gewinnen, denen sie ansonsten rein gar nichts positives zu bieten haben.
Freundliche Grüße
von Garfield
Weiterdiskutieren in...
Paul, Wednesday, 13.04.2005, 15:42 (vor 7555 Tagen) @ Peter
Als Antwort auf: Re: Neoliberal von Peter am 12. April 2005 18:37:
Hallo Peter,
da ich an dieser Thematik auch immer sehr interessiert bin und es schade wäre, wenn die Diskussion in der Versenkung verschwindet, möchte ich auf das "Neben den Geschlechtern"-Forum hinweisen, in den Off-topic-Beiträge ausgelagert werden können... 
Gruss,
Paul
Re: Neoliberal
Wodan, Tuesday, 12.04.2005, 22:48 (vor 7556 Tagen) @ Peter
Als Antwort auf: Re: Neoliberal von Peter am 12. April 2005 15:51:
Auch dieses Thema passte besser in eine anderes Forum.
Das würde ich nicht sagen. Die Gewährleistung von Bürger- und Menschenrechten ist klassisches liberales Terrain, und es ist genau das, worauf die Männerbewegung pocht. Daß die FDP da eine interessante Adresse sein kan, bezweifle ich auch. Leider. Dennoch bedarf es in diesem Sinne eines neuen Liberalismus, den ich freilich nicht Neoliberalismus nennen würde.
Gruß
Wodan
Re: Neoliberal
scipio africanus, Wednesday, 13.04.2005, 13:01 (vor 7555 Tagen) @ Peter
Als Antwort auf: Re: Neoliberal von Peter am 12. April 2005 15:51:
Dabei übersehen sie gern, daß ja nicht nur der Staat regulierend in die Wirtschaft eingreift, sondern daß große Konzerne dies sogar noch mehr tun, indem sie beispielsweise Druck auf Zulieferer und Händler ausüben, um kleinere Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Oder indem sie sich Märkte untereinander aufteilen und so durch de-facto-Monopole den Kunden auch Preise diktieren können.
Richtig. Und dabei gibt es einen ganz wesentlichen Unterschied, dass nämlich die Entscheidungsträger der Wirtschaft keine demokratische Legitimation besitzen, während die staatlichen Entscheidungsträger wenigstens im Ansatz demokratisch legitimiert sind. Die Grundsatzfrage lautet : Wer regiert das Land ?
Das Primat der Politik wird mehr und mehr zum Mythos. Hier liegt das Grundproblem der FDP-Gurken (Ekki und andere anwesende FDP-Wähler natürlich ausgenommen ;) und aller wirschaftsliberalen Heilsverkünder: Sie reduzieren den Einfluss demokratisch gewählter Volksvertreter. Ihre Welt ist in Reinkultur die Diktatur des Kapitals. Die unsichtbare Hand reguliert alles, der Markt als göttliches Prinzip.
Der Wähler darf sich dann alle paar Jahre die politischen Sachzwangverwalter aussuchen.
Scipio, auf der Suche nach dem "dritten Weg"
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Salvatore, Tuesday, 12.04.2005, 19:29 (vor 7556 Tagen) @ Sven 74
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Sven 74 am 11. April 2005 13:56:
Inhaltlich schon richtig, nur die Absicht ist eine völlig andere:
Die Kritik der femistischen Ideologie und der Mythen, die sie geschaffen haben dienen hier nur als Instrument um die Einrichtung des Staates als solches anzugreifen. Frau Naomi Braun-Ferenczi gehört zu jenen Eigentumsfetischisten und Marktfanatikern, die jegliches soziale Absicherung abgeschafft sehen wollen und den Rücksprung in den Raubtierkapitalismus des 19. Jahrhunderts herbeisehnen.
Diese Absicht ist keine völlig andere, sondern sie geht lediglich weiter. Wir kennen den Liberalismus, auch in seiner radikalen Form. Klar. Aber abgesehen von der Wirtschaftspolitik, die bei den Liberalen von heute leider allzuoft im Mittelpunkt steht, ist es wichtig, liberale Gedanken gerade in der Innen- und Rechtspolitik wiederzubeleben. Und wenn auch nur, um den feministischen Totalitarismus zu bekämpfen, indem man ihm das Wasser abgräbt: durch Auflösung von Meinungsmonopolen, Rückgängigmachen von rechtsstaatswidrigen Gesetzen (Gewaltschutzgesetz), Beendigung und Aussetzung von Maßnahmen, die den Überwachungsstaat installieren könnten: ADG, Stalking-Gesetz, Abkehr vom ewigen Hineinregieren in private Familienangelegenheiten etc. pp. Alles klassische liberale Anliegen.
Deutschland hat m.E. wohl noch nie so sehr den Liberalismus nötig gehabt wie jetzt. Es kommt darauf an, "Die Gränzen der Wirksamkeit des Staates" im Humboldtschen Sinne neu zu etablieren und sie eng zu ziehen.
Das darf man freilich auch nach meiner Meinung nicht vor allem wirtschaftspolitisch auslegen. Leider versagt die heutige FDP vor dieser Aufgabe.
Gruß
Wodan
Mal so ein Vergleich Grüne - FDP:
1. Grüne: Waren mal eine Umweltpartei mit den wichtigen Nebenschwerpunkten Friedenspolitik und Menschenrechte. Heute ist der über allen anderen Dingen stehende Feminismus das absolute Hauptziel und dann kommt lange nicht und dann noch ein bischen Umwelt. Danach kommt wieder sehr lange nicht und dann vielleicht noch ein kleines bischen Friedenspolitik.
2. FDP: Waren mal eine wirklich liberale Partei, die von verschiedenen Bevölkerungsschichten gewählt werden konnte, da die Wirtschaftspolitik nur ein Punkt war und dieser auch mit sozialen Komponenten. Heute geht es nur noch um reinen Kapitalismus ohne jegliche soziale Komponente. Erst ab einem Einkommen von ca. 10.000 Euro wäre für mich die FDP von heute interessant.
Sven74
Also Sven, das Programm der FDP haste wohl ganz eindeutig nicht gelesen. Und sonst weiste auch nicht viel drüber.
Ludwig von Mises, einer der bekannten liberalen Denker, hat übrigens immer die Bildung einer liberalen Partei abgelehnt, da sich der Liberalismus nicht organisieren ließe. Da ist natürlich was dran, und damit kämpft auch die FDP.
Andererseits, die permanente Gegensatzbildung hier Wirtschaft, da Bürgerrechte, ist unsinnig. Beides hängt untrennbar zusammen. Die jetztige Regierung bevormundet uns, wirtschaftlich natürlich, aber auch in jeder anderen Hinsicht, wie in diesem Forum ja klar sein sollte. Wirtschaftliche Freiheit für alle bei gleichzeitiger Einschränkung der anderen Bürgerrechte existiert nicht, umgekehrt ebenfalls nicht. Wer das trennen möchte, spielt das Spiel der Linken. Und den Feminismus haben wir ja nun ganz klar den Linken zu verdanken, um wieder den Schwenk zum Forenthema zu kriegen.
Ich würde übrigens gerade mit wenig Geld die FDP wählen, ab 10.000 EUR kannst du dir fast schon die Grünen leisten, da können sie dir nicht mehr weh tun. Als armer Mann muss man geradezu FDP wählen.
Ciao
Salvatore
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Sven74, Tuesday, 12.04.2005, 21:46 (vor 7556 Tagen) @ Salvatore
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Salvatore am 12. April 2005 16:29:
Ich würde übrigens gerade mit wenig Geld die FDP wählen, ab 10.000 EUR kannst du dir fast schon die Grünen leisten, da können sie dir nicht mehr weh tun. Als armer Mann muss man geradezu FDP wählen.
Ciao
Salvatore
Also sag dies mal den einfachen Arbeitern, die ihren Job verlieren und durch "3 - 5 Euro Osteuropäer" ersetzt werden. Mir ist aber natürlich klar, dass die Löhne in vielen Bereichen wirklich viel zu hoch sind.
Warum bekommt wohl ein Handwerksmeister Schreikrämpfe, wenn er mal die Lohnabrechung eines einfachen Facharbeiters bei VW sieht?
Also ich werde mich dieses Jahr noch selbständig machen und kann daher logischerweise weder SPD noch Grüne wählen. Notgedrungen und mit viel Bauchweh werde ich wohl die CDU wählen müssen. Die FDP wäre vor gut 20 Jahren für mich in Frage gekommen.
Gruss
Sven74, der soziale Aspekte bei der FDP vermisst und keine "amerikanischen Verhältnisse" in Deutschland möchte.
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Garfield, Wednesday, 13.04.2005, 12:54 (vor 7555 Tagen) @ Sven74
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Sven74 am 12. April 2005 18:46:
Hallo Sven!
"Also sag dies mal den einfachen Arbeitern, die ihren Job verlieren und durch "3 - 5 Euro Osteuropäer" ersetzt werden."
Es gibt mittlerweile auch schon Deutsche, die für 3-5 Euro arbeiten müssen, vor allem in den östlichen Bundesländern, aber teilweise auch schon im Westen. Mein Bruder hatte im letzten Jahr so einen Job als Erntehelfer - da waren auch Polen, und die sind schnell wieder verschwunden, weil ihnen die Bezahlung zu mies war.
"Mir ist aber natürlich klar, dass die Löhne in vielen Bereichen wirklich viel zu hoch sind."
Ich finde nicht, daß manche Löhne in Deutschland zu hoch sind. Ich sehe das eher so, daß die übrigen Löhne zu niedrig sind. Denn die Gewinne der Unternehmen steigen ja immer föhlich weiter.
"Sven74, der soziale Aspekte bei der FDP vermisst und keine "amerikanischen Verhältnisse" in Deutschland möchte."
Wenn du dich selbstständig machen willst, hast du auch allen Grund, "amerikanische Verhältnisse" abzulehnen. Denn gerade kleine und mittlere Unternehmen sind ja ganz oder überwiegend auf den deutschen Binnenmarkt angewiesen, und je mehr die Kaufkraft der Masse sinkt, umso weniger Kunden sind am Markt zu finden. Das ist ja das größte Problem für viele kleine und mittlere Firmen in Deutschland. Merkwürdigerweise wird das aber in der Politik überhaupt nicht berücksichtigt - weil da nur die Interessen der Großunternehmen zählen, die nämlich genug Geld haben, um die Schwarzgeldkonten von Politikern und Parteien gut zu füllen. Leider tragen die aber nur wenig zum deutschen Steueraufkommen bei, die kleinen und mittleren Unternehmen und die abhängig Beschäftigten aber umso mehr...
Freundliche Grüße
von Garfield
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Garfield, Tuesday, 12.04.2005, 22:07 (vor 7556 Tagen) @ Salvatore
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Salvatore am 12. April 2005 16:29:
Hallo Salvatore!
"Als armer Mann muss man geradezu FDP wählen."
Wie um alles in der Welt kommst du denn nur darauf?
Na ja, aber im Prinzip ist das eh alles eine Soße. Es geht in allen etablierten Parteien nur um Geld, alles andere ist nur Fassade, um trotzdem noch möglichst viele Menschen zu den Wahlurnen zu kriegen.
Wenn eine Partei verspricht, irgendeine Diskriminierung von Männern zu beseitigen, sollte man sich fragen, ob das nach einem Wahlsieg der Partei irgendwie Geld kosten könnte. Wenn es irgendwelche Kosten mit sich bringt, dann kann man sicher sein, daß nach der Wahl keine Rede mehr davon sein wird. So einfach ist das. Das gilt so für FDP und CDU/CSU genauso wie für SPD oder Grüne. (Wobei die Grünen ja kaum in Versuchung kommen werden, sich gegen Diskriminierung von Männern auszusprechen.)
Übrigens bilden Bürgerrechte durchaus keine Einheit mit den Interessen der Wirtschaft. Die Wirtschaft würde es beispielsweise sehr begrüßen, wenn unsere DNA-Daten komplett in einer zentralen Datenbank gespeichert wären, mit denen dann Versicherungen ganz legal und offiziell das Risiko für einen potenziellen Kunden ermitteln und mit denen Unternehmen auch Stellenbewerber auf ihre Eignung für den jeweiligen Job prüfen könnten (daß so umfassende Gen-Analysen momentan noch gar nicht möglich sind, wäre dabei kein Hindernis).
Diverse Unternehmen im Computerbereich arbeiten auch darauf hin, daß künftig in jedem PC ein Chip steckt, der prüft, welche Software du auf diesem PC installieren darfst und welche nicht. Tatsächlich stecken diese Chips schon lange in mittlerweile wohl jedem PC drin. Dabei geht es keineswegs nur um Verhinderung der Installation von Raubkopien, sondern auch um Verdrängung lästiger Konkurrenz, vor allem aus dem Open-Source-Bereich. Wenn der Unsinn nämlich voll durchgezogen wird, muß sich in Zukunft jedes Unternehmen, das Software für Windows anbietet, in einer zentralen Datenbank registrieren lassen, was natürlich hohe Gebühren kosten wird. Das können sich dann nur Großunternehmen leisten und alle anderen sehen in die Röhre. So nebenbei könnten diese Chips auch noch als Trojaner für Behörden, Geheimdienste und durchaus auch Kriminelle dienen, die dann über heimliche Hintertüren jeden PC ausspionieren könnten.
Nun könnte man meinen, daß es ja noch Linux und diverse andere Open-Source-Produkte als Alternative gibt. Aber zusätzlich arbeitet man auch noch an Software-Patenten. Damit ich jetzt nicht falsch verstanden werde: Es geht dabei nicht darum, Software urheberrechtlich zu schützen. Das ist selbstverständlich schon lange möglich. Es geht darum, ganz allgemeine Methoden patentieren zu können, um so richtig abzuzocken. In den USA gibt es schon Unternehmen, die nichts anderes tun, als sich alles Mögliche patentieren zu lassen. Die erfinden oder entwickeln nichts, sondern suchen nur nach irgendwelchen Ideen, für die sie noch ein Patent anmelden könnten. Wenn sie das durch kriegen, suchen sie nach Unternehmen, die so etwas ähnliches irgendwie einsetzen und verklagen die auf Patentgebühren. Das kostet in den USA jetzt schon Unsummen, und ich kenne ein deutsches Unternehmen, das sich auch gerade mit so einer Patentfirma in den USA herumschlägt. Der Prozeß wird diese Firma auf jeden Fall eine siebenstellige Summe kosten. Für nichts und wieder nichts.
Das will man nun auch hierzulande im Software-Bereich durchdrücken, und große Software-Unternehmen unterstützen das, weil sie hoffen, damit die Open-Source-Entwickler endgültig vom Markt zu verdrängen. Zwar ist dieses Vorhaben erst einmal teilweise gescheitert, aber das neue Gesetz dazu weist einige Unklarheiten auf, die durch solche unseriösen Geschäftemacher in Zukunft ausgenutzt werden könnten. Und natürlich werden die weiter am Ball bleiben.
Ich weiß nicht, ob du eine private Internetseite hast. Wenn ja, kann es dir dann in Zukunft durchaus passieren, daß du plötzlich Post bekommst, in der du aufgefordert wirst, entweder sofort eine monatliche Lizenzgebühr in Höhe von 12.457,86 Euro für 123 JPG-Bilder auf deiner Internetseite abzudrücken, die ein bestimmtes Kompressionsverfahren verwenden, das nun aber durch ein Softwarepatent geschützt ist oder aber diese 123 JPG-Bilder sofort von deiner Internetseite zu entfernen. Und ein paar Tage später kommt dann ein ähnliches Schreiben, weil du außerdem noch 45 animierte GIFs auf deiner Internetseite hast...
Das nur mal als Beispiel dafür, daß die Wirtschaft durchaus nicht immer daran interessiert ist, daß die Bürger ihre Freiheiten behalten.
Freundliche Grüße
von Garfield
Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten
Frank, Tuesday, 12.04.2005, 14:53 (vor 7556 Tagen) @ Guildo
Als Antwort auf: Re: Der Mythos von der ukrainischen Zwangsprostituierten von Guildo am 10. April 2005 23:22:
Hallo Guildo,
ich halte deine Kritik für vollkommen überzogen. Das ef-Magazin tritt nicht dafür ein, jegliche soziale Sicherung abzuschaffen und propagiert auch keineswegs das, was du "Raubtierkapitalismus" nennst. Die Beiträge in dieser Zeitschrift beschäftigen sich mit der zunehmenden Einschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Freiheit durch die herrschende Ideologie der Gleichmacherei und des Gutmenschentums. Was du "Volksverhetzung" nennst, ist in Wahrheit ein Eintreten für Freiheit, und zwar keine bedingungslose Freiheit bzw. Anarchie, sondern für eine, die erwachsene und verantwortungsbewusste Menschen voraussetzt. Das hebt sich sehr wohltuend vom entmündigenden Wohlfahrtsstaat unserer Prägung ab, der seinen Untertanen das selbständige Denken, die Kritikfähigkeit und das eigenverantwortliche Handeln immer mehr abgewöhnt.
Und ja, es ist in der Tat so: je weniger sich der Staat regulierend in das Wirtschaftsleben einmischt, desto größer die Chance auf Wohlstand. Das muss nicht gleich in einen "Nachtwächterstaat" ausarten; eine gewisse staatliche Regulierung ist sicherlich sinnvoll. Aber zuviel davon erstickt jegliche Eigeniniative, wie man sehr schön an den damaligen Ostblockstaaten erkennen kann.