Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

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Fernsehtag

TOM, Monday, 05.11.2001, 05:25 (vor 8420 Tagen)

Hallo Frauen, hallo Männer.

Tja, wollte euch nur mal an einem schönen Fernsehtag teilhaben lassen, den ich vorige Woche erlebt habe. Angefangen hat das Abenteuer ja eigentlich ganz unabenteuerlich mit der "Oliver-Geissen-Show" wo's irgendwie um Verhütung ging. Dort trat eine Frau auf - rote Haare und auch sonst wahrscheinlich eine ganz spontane, hippe, selbstbewußte, starke, BÖSE PowerfrauIn - die auch ganz selbstbewusst und BÖSE davon berichtete, daß sie nicht verhüte und auch kein Kondom zulasse, weil ihr das irgendwie in ihrer weiblichen Selbstfindung im Wege stehe, und daß sie, im Falle einer Schwangerschaft eben abtreiben würde. Ganz selbstbewußt und BÖSE war sie, wie es sich eben gehört. Etwas verstört reflektiere ich in einem - zugegebenermaßen patriarchalischen Diskurs, weil eben mit mir selbst - ob das richtig ist und zappe weiter zur BÖSEN Bärbel Schäfer und bewundere sofort - neben Karrieremann Oliver Geissen - die noch Karierrefrauere Bärbel mit ihrem Thema: "Was ist mit Hygiene, wasch Dich endlich!" Ich gebe zu, Neid stieg in mir auf, Neid auf diese Karriere, für die Bärbel sicher 32 x härter arbeiten mußte als jeder Mann, eine Karriere zu schön um wahr zu sein, nämlich eine Stunde lang mit und über Menschen und deren Gestank zu reden. Aber PowerfrauIn setzt sich durch, dachte ich. Zugegeben, die Show selbst war geprägt von praktiziertem Feminismus, auch eine stinkende Frau wurde in die Arena getrieben und ich wähnte mich schon in den Anfängen des seligmachenden Matriarchats, als meine Freude dann doch einen Dämpfer erleiden mußte. Vor der Werbepause kam der Aufruf für das Thema einer zukünftigen Sendung mit der schönen Ankündigung:

"Sie sind es leid, jeden Pfennig zweimal umdrehen zu müssen und haben daher schon ihren Lover in die Wüste geschickt. Sie sagen 'Mein nächster Mann muß Kohle haben' dann rufen Sie an...."

Etwas enttäuscht über Bärbel SchäferIn ging ich daraufhin in die Küche und aß aus Frust und Solidarität mit dem soeben anscheinend verratenen seligmachenden Feminismus eine Tafel Schokolade. Als ich mich einige Zeit später wieder vor dem Fernseher plazierte lief gerade Werbung, ich erlebte eine romantische Szene: junger Mann, junges Mädchen, sie blicken sich leicht verliebt an, junger Mann zeigt - zugegebenermaßen sehr patriarchalisch und dominant - auf seine kleine Packung Nescafe in der Hosentasche, Mädchen fetzt ihm eine, daß der kleine Ausbeuter und Belästiger in eine Ecke der Küche fliegt. In einem - naja, wiederum patriarchalischen Diskurs mit mir selbst reflektiere ich, ob ich derart tolerieren darf. Bevor ich allerdings zu einem feministisch akzeptablen Schluß komme, sehe ich die nächste Werbeohrfeige. Diesmal ist es der Ehemann, der freudig den Kartoffelsalat seiner Ehefrau lobt, nichtsahnend, daß sie just an diesem Tag einen Fertigsalat aus der Packung auf den Tisch gestellt hat. Sofort weiß ich, daß die Frau recht hat - patriarchale Rollenverteilung pur. Oder doch nicht....?
Ich schliesse mich stundenlang ins Schlafzimmer ein und - wie es laut feministischer Forschung unbedingt notwendig ist - weine ob meines degenerierten Y-Chromosoms. Diese armen Frauen, denke ich immer und immer wieder, warum muß ICH ihnen das Leben nur so schwer machen.
Erst frühmorgens komme ich wieder aus dem Zimmer und sehe, eigentlich ohne es zu wollen, den Vorspann der Sitcom "Der Mann an sich", der aus einer einzigen, raschen Abfolge von Szenen ohrfeigender Frauen besteht.
Verzweifelt breche ich zusammen...

So jetzt muß ich mich erst erholen
Gruß an alle (Frauen+Männer), die es verstanden haben, in dieser schönen neuen Zeit noch nicht total verblödet zu sein!


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