Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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@ Garfield

carlos, Saturday, 23.07.2005, 02:15 (vor 7056 Tagen)

Servus, Garfield!

*Dazu muß man wissen, daß es in der Sowjetunion nach Stalins Tod zunächst Tendenzen gab, den Kalten Krieg durch Zugeständnisse an den Westen abzumildern oder gar zu beenden. U.a. dachten manche einflußreiche Personen ernsthaft über einen Rückzug aus Ost-Deutschland nach. Man hatte ja mittlerweile an deutscher Technologie aus der Kriegszeit so ziemlich alles abgeschöpft, man hatte durch Demontagen und Reparationen auch schon viel aus Ost-Deutschland heraus gezogen, und so gab es dort nicht mehr viel zu holen, während andererseits das Risiko eines Kriegsausbruchs in Deutschland besonders hoch war. Ob es letztendlich wirklich zu einem Rückzug der Sowjets aus der DDR gekommen wäre, ist natürlich keineswegs sicher, aber es hat tatsächlich solche Überlegungen gegeben. Wenn sich dieser Kurs nur ein wenig durchgesetzt hätte, dann hätte man zumindest Ulbricht weit weniger unterstützt, und das hätte dann auch schon eine Veränderung der Machtverhältnisse in der DDR bewirken können. Wenn aber die Sowjets damals schon ihre Truppen aus Ost-Deutschland abgezogen und Ulbricht ganz fallen gelassen hätten, dann wäre die deutsche Wiedervereinigung vermutlich sehr viel eher erfolgt.*

Aha. Für die diesbezüglichen, sowjetischen Pläne jener „einflußreichen Personen“ (von wem, wann und warum) hätte ich ganz gerne einen sehr schönen, sehr, sehr guten Beleg, wenn Du’s einrichten könntest. Ulbricht war übrigens erst 1953 an die Macht gekommen.

*Durch den Aufstand vom 17. Juni änderte sich dann aber alles. Der bewirkte, daß diejenigen in der Sowjetunion, die zu Zugeständnissen bereit waren, ihre Position noch einmal überdachten, während diejenigen, die den harten Kurs aus Stalins Zeiten weiter verfolgen wollten, sich bestätigt fühlten. Letztendlich setzte sich dann die letzte Gruppe durch. Und auch in der DDR selbst war die Wirkung sehr ähnlich. Ulbricht nutzte diesen Aufstand, um seine Gegner auszuschalten und seine Macht zu festigen. So wurde die Teilung Deutschlands für Jahrzehnte zementiert, und der Auslöser dafür war paradoxerweise der Aufstand vom 17. Juni 1953. Noch paradoxer wird das, wenn man bedenkt, daß dieser Aufstand auch noch durch Agenten westlicher Geheimdienste verschärft worden ist, die sich dabei mit Sicherheit auch exakt das Gegenteil des letztendlichen Ergebnisses erhofft haben.*

Hm... lieber Garfield... „Paradox“ läßt sich nicht steigern... ;-) ... nur so nebenbei... Daß die Hetze westlicher Agenten damals derart rattenscharf war, daß die Arbeiter im Osten ja gar nicht anders konnten als zu revoltieren und daß die Anhebungen des Arbeitsplansolls durch die SED („Bauch, Bart und Brille sind nicht Volkes Wille!“), sowie der permanente Mangel an allem Lebenswichtigen, im Verhältnis zur westlichen Zersetzungs- und Wühlarbeit, letztlich läppischen Marginalien gleich kamen... also die westlichen Zersetzer die totale, gigantische Super-Hauptschuld an den Toten des 17. Juni 1953 trugen... ja, dafür hätte ich auch gern einen schönen Beleg; natürlich nur, wenn du es auch einrichten kannst... Auch die Leute, deren Kreuze am Checkpoint Charly die Tage leider abgeräumt werden mußten, wären Dir posthum für jegliche erhellende Auskunft sicher dankbar.

*Dummerweise läßt sich nämlich nie genau vorhersehen, was bei so einer Revolte herauskommen wird.*

Da hast du natürlich recht, aber das ist eines der Prinzipien von Revolten wie Revolutionen gleichermaßen, zu denen ich gar nicht aufgerufen habe. Ist aber ein anders Thema.

Grüße,
carlos


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